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Vorschläge zur Gestaltung des Unterrichts - Krapp & Gutknecht Verlag

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Wozu ist „Kabale und Liebe“ in der Schule gut?<br />

Kabale und Liebe – <strong>Vorschläge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Gestaltung</strong> <strong>des</strong> <strong>Unterrichts</strong><br />

Die erste Frage ist, was dieses Drama Jugendlichen heute „sagen“ kann.<br />

Trotz der eigentümlichen Sprache der Figuren, die nur mittels vieler<br />

Erläuterungen zu verstehen ist, und trotz <strong>des</strong> historischen Abstands von<br />

über 200 Jahren können die „Helden“ Luise und Ferdinand Jugendliche<br />

ansprechen:<br />

• Sie kämpfen in der Ablösung vom Elternhaus, speziell von den Vätern,<br />

um ihre Selbstständigkeit.<br />

• Sie versuchen, die Idee der romantischen Liebe zu verwirklichen, und<br />

scheitern bei diesem Versuch.<br />

• Sie sind, über Ferdinand vermittelt, Vertreter einer bildungsbürgerlichen<br />

Emanzipation, die ihre Ideale aus Akademien (53/20 f.) und<br />

aus Büchern (6/32 f. und öfter) bezieht.<br />

Die Idee der romantischen Liebe bewegt Hoffnung und Fantasie von Millionen und ist seit<br />

dem 18. Jahrhundert im Westen ein Vehikel der Modernisierung: der Ablösung von der<br />

Herkunftsfamilie in einer eigenen, auf Liebe begründeten Beziehung (Liebesehe). Die Idee<br />

berührt die Lebensentwürfe junger Menschen unmittelbar.<br />

Dagegen ist die Adelskritik, die sich heute als Kritik der sozialen Schichtung und der damit<br />

verbundenen Lebenschancen äußern müsste, für den Deutschunterricht überholt, zu umfangreich<br />

und eher dem Feld der Sozialwissenschaften oder der Philosophie zuzuordnen.<br />

Die zweite Frage zielt darauf, was Schüler unter wissenschaftspropädeutischem Aspekt an<br />

„Kabale und Liebe“ lernen können bzw. sollen:<br />

• Sie können verschiedene Instrumente analytischen Denkens und Lesens kennen und<br />

nutzen lernen (vgl. S. 29 f.: Was ist ein Drama?).<br />

• Sie können lernen, verschiedene Hilfsmittel <strong>zur</strong> Erarbeitung fremder Texte zu nutzen<br />

(Wörterbücher, Kommentare, Internet, Verfilmung). Im Internet suchen, die Ergebnisse<br />

nutzen, das ist heute ein wichtiges Arbeitsziel!<br />

• Sie können die geordnete schriftliche Darstellung von Arbeitsergebnissen einüben.<br />

• Sie können einen Blick auf den Sonderweg bürgerlicher Emanzipation in Deutschland<br />

(im Vergleich <strong>zur</strong> Französischen Revolution) werfen.<br />

Man kann diese Liste leicht erweitern, Vollständigkeit ist hier nicht angestrebt.<br />

<strong>Vorschläge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Gestaltung</strong> <strong>des</strong> <strong>Unterrichts</strong><br />

Am Anfang allen Verstehens steht die Kenntnis <strong>des</strong> Textes: Dass die Schüler den Text<br />

lesen, sollte man nicht nur aufgeben, sondern auch kontrollieren (fünf Arbeitsblätter <strong>zur</strong><br />

Lektürekontrolle). Man sollte danach auch Gelegenheit geben, Fragen zum Inhalt zu stellen<br />

(problematische Stellen zu Hause durch einen dicken Punkt oder ein Fragezeichen<br />

am Rand markieren lassen!) und den Stand <strong>des</strong> dramatischen Geschehens am Ende eines<br />

Aktes festzuhalten – unter diesem Stichwort oder mit einer Skizze der Figurenkonstellation<br />

(bei<strong>des</strong> liegt vor). Ich habe es immer so gehalten und empfehle auch, Akt für Akt zu lesen;<br />

für die ersten drei Akte kann man sich drei Wochen Zeit nehmen, für die beiden letzten<br />

eine oder zwei Wochen.<br />

Zur Lektürekontrolle (siehe S. 55–59):<br />

Diese Technik, zwölf einfache Fragen zum Inhalt zu stellen, hat sich bei mir bewährt. Ich<br />

habe jeweils angegeben, auf welche Stelle sich die Frage bezieht (die Schüler dürfen den<br />

Text natürlich nicht benutzen!); Sie können dann entscheiden, ob Sie eine Antwort als halb<br />

35<br />

Ferdinand und Luise<br />

Meinen Aufsatz<br />

„Im Internet suchen“<br />

finden Sie, wenn<br />

Sie diesen Titel und<br />

‚+norberto42‘ eingeben.


Kabale und Liebe – <strong>Vorschläge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Gestaltung</strong> <strong>des</strong> <strong>Unterrichts</strong><br />

(½ Punkt) oder ganz richtig (1 Pt.) gelten lassen (oder ob sie falsch ist). 6 von 12 Punkten<br />

ist 4-, 7,5 Punkte ist 3-, 9 Punkte ist 2-, 10,5 Punkte ist 1-; 3 Punkte ist demnach 5-,<br />

weniger als 3 ist 6. In einer halben Stunde haben Sie die Lektürekontrolle zu einem Akt<br />

durchgesehen und benotet.<br />

Konkrete <strong>Vorschläge</strong> (Kommentar <strong>zur</strong> Übersicht S. 38)<br />

Man kann trefflich darüber streiten, ob man eine Übersicht über den zeitgeschichtlichen<br />

Hintergrund <strong>des</strong> Stücks, über das bürgerliche Trauerspiel und das Drama im „Sturm und<br />

Drang“ sowie die Biografie Schillers im Unterricht vor die Lektüre oder hinter den 5. Akt<br />

platzieren soll.<br />

Weil man am Ende mit den Fragen der Inszenierung und der Rezeption <strong>des</strong> Stücks, vielleicht<br />

auch noch mit Grundsatzdiskussionen über die romantische Liebe genug zu tun hat,<br />

schlage ich vor, die genannten Aspekte vorher zu behandeln. Dies kann man ganz oder<br />

teilweise durch einen Lehrervortrag leisten, aber auch durch ein rechtzeitig aufgegebenes<br />

Schülerreferat (mit kurzer Gliederung der Ergebnisse bzw. Mindmap als „Tafelbild“ oder<br />

Handout, zu Deutsch Arbeitspapier).<br />

Zum 1. Akt wird man kurz die Ausgangssituation (I 1–3) erfassen, die Figuren der Familie<br />

Miller skizzieren, die erste Begegnung der Liebenden (I 4) analysieren und die erste Begegnung<br />

Ferdinands mit seinem Vater (I 7) untersuchen. Der 1. Akt bildet die Exposition, weil<br />

nach I 7 alle Konfliktlinien sichtbar sind. Um die Situation bei Miller besser einzuschätzen,<br />

kann man „Die Familie im 18. Jahrhundert“ als Folie <strong>des</strong> Geschehens darstellen (lassen).<br />

– Das Familienthema passt aber auch gut zu III, weil die Idee der romantischen Liebe die<br />

Ablösung von der Familie impliziert und so den Konflikt Luises heraufbeschwört.<br />

Im 2. Akt wird nach I 5–7 die Figur <strong>des</strong> Präsidenten deutlich (ab II 4 bzw. 6). Zuvor ist<br />

jedoch mit der Milford eine adelige Repräsentantin der bürgerlichen Emanzipation vorgestellt<br />

worden, ist Ferdinands Position schwieriger geworden (II 3 und II 5) und hat dieser<br />

seinen Eheschwur getan (II 5). Auf die Analyse von II 5 kann nicht verzichtet werden;<br />

den Bruch Ferdinands mit seinem Vater in II 7 wird man herausstellen. Die Szene II 2,<br />

erst recht dann der teuflische Plan in III 1–3 kann Anlass sein, die Adelskritik im Stück<br />

zu untersuchen. Das Liebesevangelium bzw. die Idee der romantischen Liebe kann man<br />

an der Figur der Milford (II 1–3), aber auch an Ferdinands Einladung <strong>zur</strong> Flucht (III 4)<br />

festmachen.<br />

Die Idee der romantischen Liebe wird man sicher in ihrer Bedeutung auch für die Schüler<br />

selbst diskutieren, vielleicht auf das Ideal der Liebesehe ausgedehnt (in Abgrenzung <strong>zur</strong><br />

arrangierten Heirat oder gar <strong>zur</strong> Zwangsehe – bei<strong>des</strong> gibt es heute in Kreisen von Einwanderern<br />

oder Asylanten). Zum theoretischen Verständnis empfehle ich die beiden ersten<br />

Aufsätze in Karl Otto Hondrichs Sammelband „Liebe in den Zeiten der Weltgesellschaft“,<br />

edition suhrkamp 2313 (2004, S. 9–59; vergleichen Sie den 4. Klausurvorschlag). Mit<br />

dieser Idee ist auch der Konflikt Luises verbunden (III 4 und III 6); zum Verständnis dieses<br />

Konflikts sollte man die Bedeutung der Familie im 18. Jahrhundert kennen. III 4 sollte<br />

man analysieren, zumin<strong>des</strong>t den Aufbau der Szene. Für III 6 genügt es, neben der teuflischen<br />

Gesprächsführung Wurms die Zeugnisse von Luises Konflikt festzuhalten.<br />

Im 3. Akt erfolgt die Peripetie <strong>des</strong> Geschehens (Verdächtigung Luises, III 4 und III 6). Die<br />

Figuren von Kalb und Wurm sind nach III hinreichend deutlich bestimmbar.<br />

Im 4. Akt gibt es zwei Höhepunkte: Ferdinands Reflexion in IV 4 und die Begegnung<br />

Luises mit der Milford. Ferdinands Monolog zeigt seine Vermessenheit und „begründet“<br />

seine Mordpläne; die Milford ist Paradebeispiel dafür, dass Adel und Bürgertum mehr als<br />

36

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