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Gemeindebrief 03/2012 - Hauptkirche St. Nikolai

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Kirchenmusik<br />

Konzert des Kammerchores der Kantorei <strong>St</strong>. <strong>Nikolai</strong><br />

Der Tod und das Mädchen<br />

Die Geschichte des israelischen Richters Jefta spielt nur wenige Generationen<br />

nach der Zeit Josuas, also in der ältesten Frühzeit der Geschichte<br />

Israels. Ort der Handlung ist das Land Gilead am Ostufer des<br />

Jordanflusses. Hier lebten auch die Völker der Ammoniter und Moabiter,<br />

die von den Töchtern des Lot, des Neffen Abrahams, abstammen und<br />

in einer Art Erbfeindschaft mit den Israeliten standen. Von den zwölf<br />

<strong>St</strong>ämmen Israels lebten an diesem Ostufer von Anfang an zweieinhalb<br />

<strong>St</strong>ämme: Ruben, Gad und der halbe <strong>St</strong>amm Manasse, aus dem auch<br />

Jefta kommt. Er versucht, den Konflikt mit den Ammonitern zunächst<br />

friedlich zu lösen, auf geschichtliche Hintergründe und Erklärungen hinzuweisen,<br />

kommt aber nicht weiter. Schließlich wird von ihm verlangt,<br />

die Israeliten im Kampf gegen die Ammoniter anzuführen. Vor diesem,<br />

für ihn existenziell wichtigen und im Grunde genommen aussichtslosen<br />

Kampf, gibt er ein Gelübde ab: „Lieber Gott, wenn diese eine, entscheidende<br />

Schlacht gelingen sollte, dann will ich dir dasjenige Geschöpf<br />

opfern, das als erstes über meine Hausschwelle tritt, wenn ich siegreich<br />

zurückkehre.“<br />

Sein unverhoffter Sieg ist überwältigend und umfassend. Als er unter<br />

großem Jubel heimkehrt, läuft ihm als erstes, mit Pauken und Reigenspiel,<br />

seine einzige Tochter entgegen und verwandelt seine Siegesfreude<br />

in tiefste Bestürzung. Er erzählt der Tochter von seinem Gelübde. Die<br />

Tochter willigt – erstaunlicherweise - in das Opfer ein, will aber zuvor<br />

zwei Monate mit ihren Freundinnen ihre Jungfernschaft in den Bergen<br />

beweinen.<br />

Die Frage bleibt, ob dieses Gelübde wahrhaftig zu diesem Menschenopfer<br />

führen musste, ob es nicht auch andere Lösungsmöglichkeiten<br />

gab. Vermutlich aus einem Gefühl des <strong>St</strong>olzes heraus ist Jefta nicht<br />

zum Hohen Priester gegangen, der das Recht und die Befugnis hatte,<br />

ein solches Gelübde abzuändern. Zur Zeit Jeftas war der Hohe Priester<br />

22 Kirchenmusik<br />

Sonnabend, 24. November <strong>2012</strong> um 19 Uhr<br />

Kammerchor der Kantorei <strong>St</strong>. <strong>Nikolai</strong><br />

Hamburger Camerata<br />

Leitung: Matthias Hoffmann-Borggrefe<br />

Pinhas, ein Enkelsohn von Aaron, in der <strong>St</strong>adt Schilo. Ein anderer Grund<br />

mag auch in der sich bereits abzeichnenden Konfliktsituation zwischen<br />

Thron und Altar gelegen haben, und Jefta wollte seinen Anspruch und<br />

Autorität als Oberhaupt und Heerführer nicht durch ein Lösen seines<br />

Gelübdes durch Pinhas geschmälert wissen.<br />

Die Bibel lässt offen, ob es letztendlich zur Opferung kommt. Da seit<br />

Isaak Menschenopfer verboten sind, Jahwe keine Menschenopfer mehr<br />

haben möchte, wäre dies ein Rückfall in eine eigentlich längst vergangene<br />

Zeit gewesen. Entscheidender ist aber vielmehr die Tatsache,<br />

dass seit den Tagen Jeftas und seiner Tochter mit einem – eher kleinen<br />

– Festtag an jenes Opfer der Tochter Jeftas erinnert wird. Die eigentlich<br />

namenlose Tochter ging so wirklich in die Geschichte Israels ein.<br />

Am 24. November erklingt gleich zwei Mal diese Geschichte Jeftas und<br />

seiner Tochter in einem Konzert in <strong>St</strong>. <strong>Nikolai</strong>. Zunächst in einer Fassung<br />

von Wolfgang <strong>St</strong>ockmeier (dessen „Vaterunser“ zuletzt beim Jubiläumskonzert<br />

aller Chöre in <strong>Nikolai</strong> einen tiefen Eindruck hinterließ),<br />

der seinen Text aus dem letzten Roman „Jefta und seine Tochter“ von<br />

Lion Feuchtwanger bezieht. Und dann in der Fassung des italienischen<br />

Barock-Komponisten Giacomo Carissimi, die vom zeitgenössischen<br />

Komponisten Hans-Werner Henze 1976 mit einem mediterran-altertümlichen<br />

Instrumentarium in bezaubernden Klang gesetzt wurde.<br />

Matthias Hoffmann-Borggrefe

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