Vom Wert der Familienarbeit Was eine gute Kita ausmacht ... - Jako-o
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ERZIEHUNG<br />
wirbelwind 1 - 2012<br />
10<br />
TIPP:<br />
Zu viel des Guten –<br />
Kin<strong>der</strong>zimmer entrümpeln<br />
Wenn sich die Puppenfamilie schon<br />
seit längerem langweilt, im Kaufladen<br />
niemand mehr einkauft und die Ritterburg<br />
nicht nur unter dem „Staub<br />
<strong>der</strong> Geschichte“ verschwindet, ist im<br />
Kin<strong>der</strong>zimmer Ausräumen angesagt.<br />
„In überfüllten Räumen kommen Kin<strong>der</strong><br />
nicht ins Spiel“, sagt <strong>der</strong> Erziehungswissenschaftler<br />
André Frank<br />
Zimpel. Denn je<strong>der</strong> Gegenstand, <strong>der</strong><br />
in ihr Blickfeld gerät, for<strong>der</strong>e dazu<br />
auf, sich mit ihm zu beschäftigen. So<br />
trödelten die Kin<strong>der</strong> vor allem herum,<br />
nähmen dieses in die Hand und jenes<br />
und könnten sich nicht auf <strong>eine</strong> Sache<br />
zum Spielen konzentrieren.<br />
<strong>Was</strong> tun? Gemeinsam mit den Kin<strong>der</strong>n<br />
entscheiden, was ausgeräumt wird,<br />
und die Sachen zum Beispiel spenden.<br />
wir Sklaven unserer Wahrnehmung im Hier<br />
und Jetzt. Die Fähigkeit des Menschen, s<strong>eine</strong><br />
Zukunft zu planen, nimmt s<strong>eine</strong>n Anfang im<br />
freien Spiel“, so <strong>der</strong> Wissenschaftler weiter.<br />
Und Fantasie wird auch beim wenig lustvollen<br />
Lernen in <strong>der</strong> Schule, beim mühsamen Üben<br />
mit <strong>eine</strong>m Instrument, beim Trainieren <strong>eine</strong>r<br />
Sportart benötigt. Denn was hält den „Lernling“<br />
bei <strong>der</strong> Stange, wenn nicht das Ausmalen<br />
<strong>eine</strong>s verlockenden Zieles: Den <strong>gute</strong>n Schulabschluss,<br />
wun<strong>der</strong>bare Musik, <strong>der</strong> sportliche<br />
Erfolg?<br />
Kin<strong>der</strong> können erst zum „Schauspieler“ werden,<br />
wenn sie genügend Vorstellungskraft aufbringen.<br />
Einen weiteren Entwicklungsschritt<br />
müssen sie bewältigen, um ein Bewusstsein für<br />
Regeln zu entwickeln. Einfache Gesellschaftsspiele<br />
können sie schon im Kin<strong>der</strong>gartenalter<br />
spielen, doch die „Hochzeit“ <strong>der</strong> Regelspiele<br />
kommt erst mit dem Schulalter. Immer besser<br />
gelingt es den Sprösslingen jetzt, Regeln zu<br />
befolgen, „fair“ zu bleiben und auch Nie<strong>der</strong>lagen<br />
einzustecken. Auch bei Wettspielen und<br />
verschiedensten Bewegungsspielen trainieren<br />
sie diese Fähigkeiten. Nun ist <strong>der</strong> Nachwuchs<br />
auch „reif“ genug für feste Absprachen im<br />
Familienalltag. ●<br />
Entwicklungshelfer:<br />
Warum Eltern<br />
mitspielen müssen<br />
Kin<strong>der</strong> brauchen Zeit und Raum, um all<strong>eine</strong><br />
und mit Gleichaltrigen zu spielen. Aber sie<br />
brauchen auch Anregungen von Erwachsenen<br />
und älteren Kin<strong>der</strong>n. Durch sie erlernen sie<br />
im Spiel in kurzer Zeit, wofür die Menschheit<br />
große Zeiträume benötigte.<br />
Der russische Pädagoge Lew Wygotski prägte<br />
den Begriff <strong>der</strong> „Zone <strong>der</strong> nächsten Entwicklung“.<br />
Er beschreibt damit die nächsten Entwicklungsschritte<br />
<strong>eine</strong>s Kindes, die es mit<br />
Unterstützung Erwachsener o<strong>der</strong> älterer Kin<strong>der</strong><br />
schon unternehmen kann. „<strong>Was</strong> das Kind<br />
heute in Zusammenarbeit und unter Anleitung<br />
vollbringt, wird es morgen selbständig<br />
ausführen können“, so Wytgotski.<br />
Beim Spielen mit ihren Kin<strong>der</strong>n und auch<br />
beim Sprechen, so haben Wissenschaftler beobachtet,<br />
verhalten sich viele Eltern intuitiv<br />
nach diesem Konzept: Wenn das Töchterchen<br />
die Baust<strong>eine</strong> nur aufeinan<strong>der</strong>türmt, zeigen<br />
sie, wie die bunten Klötzchen auch mit Querverbindungen<br />
verbaut werden können, und<br />
halten sich dann wie<strong>der</strong> zurück. Von Müttern<br />
und Vätern ist Einfühlungsvermögen gefragt:<br />
Einerseits Anregungen und Abwechslung<br />
einbringen, an<strong>der</strong>erseits die kindliche<br />
Aktivität und Eigenmotivation nicht unterdrücken.<br />
Die Selbstständigkeit des Kindes<br />
bleibt das Ziel.<br />
Eltern sollten daher das Spiel ihres Nachwuchses<br />
würdigen, wohlwollend beobachten,<br />
auch einmal nachfragen und Stichworte<br />
geben, empfiehlt André Frank Zimpel. Den<br />
Sprösslingen genügt es oft, sich wahrgenommen<br />
zu fühlen. Dazu gehört auch, dass Eltern<br />
ihre Ablehnung zeigen, wenn die Kl<strong>eine</strong>n<br />
zum Beispiel mit Waffen spielen.<br />
Teures Spielzeug, so <strong>der</strong> Erziehungswissenschaftler,<br />
sei ein absolut ungeeignetes Mittel,<br />
um ein schlechtes Elterngewissen zu beruhi-<br />
gen. Schenken sollten Mütter und Väter vor<br />
allem Respekt, Zeit, Teilhabe am Erwachsenenleben.<br />
Die Natur hat es so angelegt, dass<br />
sich Eltern und Kin<strong>der</strong> im Miteinan<strong>der</strong> genau<br />
das geben, was ihre Beziehung zueinan<strong>der</strong><br />
und die Entwicklung des Kindes trägt und<br />
för<strong>der</strong>t. André Frank Zimpel sagt: „Wenn<br />
alles gut läuft, finden Eltern, dass sie das<br />
absolut allertollste Kind haben, das es auf<br />
<strong>der</strong> Welt überhaupt geben kann. Und ähnlich<br />
fühlt auch das Kind.“ ●<br />
Buchtipp:<br />
„Lasst unsere Kin<strong>der</strong> spielen!“<br />
André Frank Zimpel belegt in s<strong>eine</strong>m Buch die<br />
große Bedeutung des Spielens für <strong>eine</strong> <strong>gute</strong> Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Das Werk ist kein „klassischer“<br />
Eltern-Ratgeber, aber empfehlenswert<br />
für alle, die sich intensiver mit dem Thema<br />
Spielen beschäftigen wollen.<br />
André Frank Zimpel: „Lasst unsere Kin<strong>der</strong><br />
spielen! – Der Schlüssel zum Erfolg“, € 16,95<br />
ISBN 978-3-525-70129-4