Vom Wert der Familienarbeit Was eine gute Kita ausmacht ... - Jako-o
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POLITIK + GESELLSCHAFT<br />
36<br />
<strong>Was</strong> Mama verdienen müsste!?<br />
Seit Herbst 2011 erhitzen<br />
sich wie<strong>der</strong> einmal die Gemüter<br />
am geplanten Betreuungsgeld<br />
für unter 3-Jährige (nicht für<br />
Kin<strong>der</strong>gartenkin<strong>der</strong>.)<br />
Die Fakten:<br />
Nach dem Kin<strong>der</strong>för<strong>der</strong>ungsgesetz von<br />
2008 soll es bis 2013 im Durchschnitt<br />
für jedes dritte Kind unter drei Jahren <strong>eine</strong>n<br />
Platz in <strong>eine</strong>r Tagesbetreuung (Krippe<br />
o<strong>der</strong> Tagesmutter) geben. Die Betriebskosten<br />
pro Krippenplatz werden mit rund<br />
1.250 Euro pro Monat beziffert*, davon<br />
sind rund 1.000 Euro öffentliche Subventionen.<br />
Den verbleibenden Rest zahlen in<br />
<strong>der</strong> Regel die Eltern.<br />
Für die an<strong>der</strong>en zwei Drittel <strong>der</strong> Unterdreijährigen,<br />
die k<strong>eine</strong>n Krippenplatz finden<br />
bzw. wollen, wurde – quasi als Aus-<br />
gleich – im Kin<strong>der</strong>för<strong>der</strong>ungsgesetz <strong>der</strong><br />
großen Koalition und in <strong>der</strong> Koalitionsvereinbarung<br />
<strong>der</strong> schwarz-gelben Bundesregierung<br />
ab 2013 ein Betreuungsgeld<br />
in Aussicht gestellt: 150 Euro monatlich<br />
für zwei Jahre im Anschluss an<br />
das Elterngeld – weniger als ein Sechstel<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Subventionen für<br />
<strong>eine</strong>n Krippenplatz. Aktuelle Pläne sehen<br />
noch weniger vor (siehe Seite 51).<br />
*Kommunalverband für Jugend und Soziales<br />
Baden-Württemberg<br />
Rückblick:<br />
Sie „reget ohn Ende die fleißigen Hände ...“<br />
Seit Mitte <strong>der</strong> siebziger Jahre findet die<br />
„Arbeit aus Liebe“, die Haus- und <strong>Familienarbeit</strong><br />
– vorwiegend den Frauen qua<br />
Geschlecht zugewiesen – wie<strong>der</strong> politische<br />
und wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Immer<br />
häufiger wurden Debatten über „Lohn für<br />
Hausarbeit“ geführt, und erstmals untersuchte<br />
die Soziologin Helge Pross repräsentativ<br />
den Zeitaufwand und die Arbeitsbelastung<br />
von nicht erwerbstätigen Ehefrauen,<br />
sprich Hausfrauen (1975). Bald bestätigten<br />
auch höchstrichterliche Entscheidungen:<br />
Familien- und Erwerbsarbeit sind gleichwertig<br />
und gleichermaßen Wohlstand schaffend.<br />
Zuvor wurde die <strong>Wert</strong>igkeit von Haus- und<br />
<strong>Familienarbeit</strong> zuletzt um die Wende vom<br />
19. zum 20. Jahrhun<strong>der</strong>t breiter thematisiert<br />
und diskutiert. Eine genossenschaftliche Organisation<br />
des Haushaltes mit Serviceleistungen,<br />
Entlohnung <strong>der</strong> Hausarbeit, rechtliche<br />
Anerkennung von Mütter- und Hausarbeit<br />
sind damals die Stichworte <strong>der</strong> eher<br />
linken Frauenbewegung – ohne Erfolg freilich.<br />
In den 20er Jahren war Hausarbeit mehr mit<br />
dem Aspekt ihrer Rationalisierung und besseren<br />
Effizienz im Blick. Die U-förmige<br />
Frankfurter Küche <strong>der</strong> kleinsten Wege wurde<br />
1926 entworfen, Urtyp <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Küche. Die Industrie erkannte im eigenen<br />
Interesse, dass es auch im privaten Haushalt<br />
um Arbeit ging, und erfand immer mehr<br />
praktische Haushaltstechnik.<br />
Freilich zeigte sich bald, dass <strong>der</strong> Einsatz von<br />
Haushaltstechnik die <strong>Familienarbeit</strong> nicht<br />
wirklich verringert, son<strong>der</strong>n bis heute eher<br />
parallel läuft mit neuen und auch steigenden<br />
Forum:<br />
Tauschen Sie sich mit<br />
an<strong>der</strong>en Eltern zu<br />
diesem Thema aus!<br />
www.jako-o.de/familienarbeit<br />
Ansprüchen an Haushaltsführung, Kin<strong>der</strong>erziehung,<br />
Regeneration und Sozialisation.<br />
Es war im 18. und 19. Jahrhun<strong>der</strong>t, als die<br />
unentgeltlich geleistete häusliche Arbeit –<br />
Versorgung von Haus und Familie, Erziehung<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> – zunehmend ihren Arbeitscharakter<br />
verlor und zugleich an öffentlichem<br />
Respekt einbüßte.<br />
Damals verlagerte sich die Erwerbsarbeit<br />
immer stärker auf außerhalb des Hauses, vor<br />
allem in die Manufakturen und Kontore,<br />
und die Geldwirtschaft wurde gegenüber <strong>der</strong><br />
Naturalwirtschaft bestimmend. Die Trennung<br />
von häuslicher Fürsorge und außerhäuslicher<br />
Erwerbsarbeit, von Reproduktion<br />
bzw. Regeneration und Produktion ließ zunehmend<br />
vergessen, das Erstere zwingende<br />
Voraussetzung für Letztere ist. Der Wirtschaftstheoretiker<br />
Friedrich List kritisierte<br />
das bereits Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit<br />
<strong>der</strong> zynischen Bemerkung, wer Schw<strong>eine</strong><br />
erziehe, sei ein produktives, wer Menschen<br />
erziehe, ein unproduktives Mitglied <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />
Zeitgleich trennten sich, ja polarisierten sich<br />
weibliche und männliche Lebenswelten in<br />
<strong>eine</strong>m zuvor nicht gekannten Maß. Schiller<br />
hat es uns treffend in s<strong>eine</strong>m Gedicht von<br />
<strong>der</strong> Glocke beschrieben: „Der Mann muss<br />
hinaus ins feindliche Leben, muss wirken und<br />
streben und pflanzen und schaffen, … und<br />
drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die<br />
Mutter <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und herrschet weise im<br />
häuslichen Kreise … und reget ohn Ende die<br />
fleißigen Hände und mehret den Gewinn mit<br />
offenem Sinn“.<br />
Immerhin, hier ist es noch bewusst – auch<br />
ihre Arbeit schafft Gewinn! ●