Stahlbau Nachrichten - Verlagsgruppe Wiederspahn
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Umnutzung einer alten Straßenbahnhalle in Viernheim<br />
Es war eine abgefahrene Idee, aus einer<br />
alten Halle für Straßenbahnwagen aus der<br />
Jahrhundertwende ein modernes Gebäude<br />
für Steuerberater und Rechtsanwälte zu<br />
machen. Ein Zentrum mit Stil und Tradition<br />
in einem Gebäude, das unter Denkmalschutz<br />
steht.<br />
Konzept und Umsetzung<br />
Die Halle aus Klinker mit einem imposanten<br />
Tonnendach und an einer Giebelseite mit sechs<br />
großen Holztoren stammt aus dem Jahr 1914<br />
und wurde bis 1975 täglich angefahren. Doch<br />
noch immer prägte sie, stolze 71 m lang, 22 m<br />
breit und 11 m hoch, das Gesicht des Quartiers,<br />
wenn sie auch inzwischen stark abgewirtschaftet<br />
war. Mit einem passgenauen Konzept<br />
gelang es dem Mannheimer Büro von Jarcke<br />
Architekten, die Halle mitsamt Areal neu zu<br />
beleben und wieder in die städtische Struktur<br />
einzubinden.<br />
Zunächst wurde das Grundstück dreigeteilt.<br />
Links und rechts der Halle entstanden Wohnungen<br />
für betreutes Wohnen. Auf das Herzstück,<br />
die denkmalgeschützte Halle, warteten<br />
neue Aufgaben. Mit Projektentwickler Orhan<br />
Tiryaki und der Grundstücksgemeinschaft<br />
Kempf.Keller.Meierhöfer als Investor entstand<br />
ein mutiger Plan: Architekt Matthias Jarcke,<br />
Freudenstadt, entwarf eine moderne Kanzlei unter<br />
dem gewölbten Tonnendach einer fast 100<br />
Jahren alten Straßenbahnwagen-Halle.<br />
Das Ergebnis nach 14 Monaten Bauzeit stellte<br />
alle zufrieden. Das neue Bürogebäude wird von<br />
Bauherren, Steuerberatern, Anwälten und deren<br />
Klientel höchst zufrieden angenommen. Besucher<br />
äußern sich überwiegend positiv und freuen<br />
sich darüber, dass in der alten Wagenhalle<br />
wieder neues Leben pulsiert. Nicht anders sehen<br />
es die Nachbarn.<br />
Freilich musste sich die Halle einige Eingriffe<br />
gefallen lassen, Lifting allein half da nicht weiter.<br />
»Ihr Zustand war schlichtweg heruntergekommen,<br />
obwohl die Grundsubstanz gar nicht<br />
mal so schlecht war«, urteilte Architekt Gregor<br />
Kiefer. Er war nach der Planung von Matthias<br />
Bau mit Holztoren<br />
© Schindler<br />
Nutzung: Büros<br />
© Schindler<br />
BAUEN IM BESTAND 24 <strong>Stahlbau</strong>-<strong>Nachrichten</strong><br />
Jarcke mit der Werkplanung und Projektleitung<br />
betreut, unterstützt von Bauleiter Martin Bitzer.<br />
Die Halle mit einer Grundfläche von rd. 1.690 m²<br />
wurde zunächst geteilt. In den Teil A wurde auf<br />
einer Grundfläche von 1.240 m² eine Kanzlei<br />
für die Steuerberater-Sozietät Kempf.Keller.<br />
Meierhöfer GbR eingebaut, in Teil B mietete sich<br />
auf 450 m² eine eigenständige Rechtsanwaltskanzlei<br />
ein. Die Sanierung der Halle erfolgte<br />
behutsam im Kontakt und in Abstimmung mit<br />
der Denkmalschutzbehörde. Das alte Tragwerk<br />
gab die Vorgaben: Auf Streifenfundamenten<br />
sitzen massive Vollziegelwände, darüber Stahlbinder,<br />
die sich im Raster von 5 m von Außenwand<br />
zu Außenwand frei über 20 m spannen.<br />
Das Tonnendach bildet eine Kassettendecke aus<br />
Betonfertigteilen, die der Krümmung des Obergurtes<br />
(Gewölbes) nachfahren. Darüber sitzt ein<br />
Dachreiter, früher verglast. Inzwischen gewährt<br />
die Verkleidung aus Fiberglasplatten schattenfreies<br />
Licht.<br />
Die Anordnung der Räume für rd. 40 Mitarbeiter<br />
des Steuerberater-Büros erinnert an die<br />
Eisenbahnwaggons: entlang der Außenwand<br />
hintereinandergereiht Kuben, wie ein Abteil am<br />
anderen. Die Decke wird durch zwei sichtbare<br />
Stahlträger gehalten. Der Platz zur Hallenmitte<br />
wird genutzt als Nebenräume für Archiv, Kopieren,<br />
Sanitär usw. Dazu ein in drei Teile teilbarer<br />
(zu gliedernder) Besprechungsraum, »Oval<br />
Office« genannt.<br />
Die fast 100 Jahre alten Stahlbinder bleiben<br />
sichtbar. Nach Abstimmung mit dem Brandschutzbeauftragten<br />
wurde ein System aus Alarmierung<br />
und Fluchtwegen ausgeknobelt, das<br />
die ansonsten vorgeschriebene Verkleidung der<br />
Stahlflächen erübrigt.<br />
Ungenutzter Innenraum mit Eisenbahnwagon<br />
© Landesamt für Denkmalpfl ege Hessen