Info 2006 - Forum Seelsorge in Bayern
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Kasualien. Dabei kann es zu<br />
Gesprächssituationen kommen,<br />
<strong>in</strong> denen H<strong>in</strong>weise auf<br />
e<strong>in</strong>e befürchtete Erkrankung<br />
geäußert werden, die <strong>Seelsorge</strong>person<br />
um Rat gefragt<br />
wird oder Stellung zum<br />
Krankheitsverdacht beziehen<br />
soll. 8 Hier wird es darauf ankommen,<br />
dass <strong>Seelsorge</strong><br />
sensibel und mit Bedacht auf<br />
Impulse reagiert, wenn sie<br />
sich weiterh<strong>in</strong> als Gesprächspartner<br />
<strong>in</strong> der kommenden<br />
Zeit anbieten will.<br />
Ehrenamtliche brauchen<br />
Schulung und Förderung<br />
Weil diese Besuche vielerorts<br />
von ehrenamtlichen<br />
Mitarbeitenden der Kirchengeme<strong>in</strong>den<br />
geleistet werden,<br />
bedarf es e<strong>in</strong>er guten Schulung<br />
der Ehrenamtlichen: In<br />
die Gespräche bei Geburtstagsbesuchen<br />
werden häufig<br />
H<strong>in</strong>weise auf Veränderungen<br />
der Alltagswelt und e<strong>in</strong> soziales<br />
Frühstadium e<strong>in</strong>er Demenz<br />
e<strong>in</strong>geschoben.<br />
Dazu gehört auch Aufmerksamkeit<br />
für das Phänomen<br />
von körperlicher und<br />
verbaler Gewalt bei Demenz,<br />
die von beiden Seiten ausgehen<br />
kann: Patienten wie<br />
Angehörigen.<br />
8 Freilich s<strong>in</strong>d vor allem Hausärzte die<br />
primären Gesprächspartner. Umso<br />
problematischer ist dann aber, dass<br />
„bei 40 bis 60 Prozent der Patienten,<br />
die e<strong>in</strong>e Demenz entwickeln, [...] die<br />
Erkrankung von den Hausärzten übersehen<br />
[wird].“ (T. Gunzelmann, W.<br />
Oswald, Gerontologische Diagnostik<br />
2005, 123).<br />
<strong>Forum</strong> <strong>Seelsorge</strong> <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> – <strong>Info</strong> <strong>2006</strong><br />
Zusammenarbeit mit der<br />
Diakonie<br />
Die Nähe zu e<strong>in</strong>er Diakoniestation<br />
kann e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Beitrag geme<strong>in</strong>dlicher <strong>Seelsorge</strong><br />
se<strong>in</strong> zur Bildung e<strong>in</strong>es<br />
Netzwerks, auf das Betroffene<br />
zurückgreifen können.<br />
Der Erfahrungsbericht von<br />
Alex Funke gibt dies im E<strong>in</strong>satz<br />
der Pflegekräfte zu erkennen.<br />
Dafür ist wichtig,<br />
dass das Wissen um Demenzerkrankungen,<br />
ihrer<br />
Diagnostik und Therapiemöglichkeiten<br />
sowohl auf der<br />
Ebene niedergelassener Ärzt<strong>in</strong>nen<br />
und Ärzte als auch <strong>in</strong><br />
der Normalbevölkerung verbessert<br />
wird. Hier liegt e<strong>in</strong><br />
Aufgabenfeld der Erwachsenenbildung.<br />
Von den Symptomen zur<br />
mediz<strong>in</strong>ischen Diagnostik<br />
Das ‚soziale Frühstadium’<br />
der Alzheimer’schen Demenz<br />
bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte<br />
für Kirchengeme<strong>in</strong>den.<br />
Bis zur endgültigen<br />
Diagnose ist es dann noch<br />
e<strong>in</strong> langer Weg.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel: „Der 76jährige<br />
Herr F. macht sich<br />
Sorgen wegen se<strong>in</strong>er geistigen<br />
‚Frische’. Es fällt ihm<br />
schwer, sich auf se<strong>in</strong>e Briefmarkensammlung<br />
zu konzentrieren,<br />
und er hat sich<br />
deshalb schon länger nicht<br />
mehr damit beschäftigt. In<br />
den vergangenen vier Wochen<br />
hatte er beim Autofahren<br />
schon zweimal aus Unachtsamkeit<br />
be<strong>in</strong>ahe e<strong>in</strong>en<br />
Unfall verursacht. E<strong>in</strong>mal<br />
5<br />
übersah er sogar das Rotlicht<br />
der Ampel, obwohl er mehr<br />
als 50 Jahre unfallfrei gefahren<br />
ist. Se<strong>in</strong>er Frau fällt auf,<br />
dass er im Gespräch immer<br />
häufiger nach den richtigen<br />
Worten sucht und Sätze e<strong>in</strong>fach<br />
abbricht. In der letzten<br />
Zeit ist er außerdem reizbar,<br />
wirkt manchmal auch depressiv<br />
und zieht sich immer<br />
häufiger zurück. Se<strong>in</strong> Hausarzt<br />
überweist ihn an e<strong>in</strong>e<br />
Gedächtnissprechstunde.<br />
Herr F. ist beunruhigt. Hat er<br />
etwa ‚Alzheimer’?“ 9<br />
Die kl<strong>in</strong>ische Diagnostik<br />
von Demenzerkrankungen<br />
geschieht meist nach dem<br />
standardisierten Verfahren<br />
‚M<strong>in</strong>i-Mental Status Exam<strong>in</strong>ation’.<br />
Die Ergebnisse geben<br />
jedoch ke<strong>in</strong>e exakte Aussage<br />
zum Krankheitstyp. Ob es<br />
sich um e<strong>in</strong>e Alzheimer Demenz<br />
handelt, kann erst mittels<br />
Ausschlussdiagnostik<br />
geklärt werden.<br />
Trotz aller Entlastung für<br />
Betroffene und Angehörige,<br />
die Symptome nach e<strong>in</strong>er<br />
klaren Diagnose verstehen<br />
und e<strong>in</strong>ordnen zu können, ist<br />
die Zeit nach der Diagnose-<br />
Mitteilung die wohl schwierigste<br />
Phase für den Patienten:<br />
Wie kann er mit dem<br />
Wissen umgehen, dass er<br />
selbstverständliche Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten verlieren,<br />
dass es zu unabwendbarenPersönlichkeitsveränderungen<br />
kommen wird?<br />
In der Psychogerontologie<br />
werden fünf Dimensionen der<br />
9 T. Gunzelmann, W. Oswald, Gerontologische<br />
Diagnostik 2005, 108.