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Mitarbeiter - Deutsche Schule Genua

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Auf Wiedersehen!<br />

Arrivederci!<br />

Es hat bisweilen etwas tief Anrührendes, wie<br />

Menschen versuchen, dem Leben einen Sinn zu<br />

geben, wie sie um ihre Existenz kämpfen und<br />

die Angst vor dem Nichts zu besiegen versuchen.<br />

Dieser Kampf begegnet uns meist in Form<br />

hektischer Geschäftigkeit und unablässigen Redens.<br />

Meist am frühen Morgen kurz vor acht im<br />

Lehrerzimmer. Und dann sitzt da einer und liest<br />

Zeitung inmitten dieses Chaos und schweigt.<br />

Ist das nicht wunderbar? Dass hier jemand den<br />

Trubel der Welt an sich abprallen lässt und im<br />

Sturm quasi das Auge desselben ist? Das ruhige<br />

Zentrum, das still sitzt und nicht einmal beobachtet.<br />

Dann aufsteht, den Pflug ansetzt und die<br />

nächste Furche zieht in den Acker der binomischen<br />

Formeln, der Integrale und Ableitungen,<br />

der Stochastik. Manchmal hält er kurz inne,<br />

wie um die Atmosphäre zu prüfen, das Wetter<br />

vorherzusagen für den nächsten Tag vielleicht.<br />

Dann macht er einen Witz. Keiner versteht. Ist<br />

das nicht große Kunst? Die Welt will verwirrt<br />

werden. Niemand sollte verstehen müssen. Wer<br />

Mathematik kapiert, darf auf andere Art dem<br />

Zweifel anheimfallen. Treffen sich zwei Jäger;<br />

beide tot.<br />

Der Zweifel ist der Bruder der Erkenntnis. Wahrheit<br />

ohne Zweifel ist gelogen. Wer still ist, wenn<br />

alle reden, wenn alle ihre Version der wahren<br />

Einsicht unbedingt noch loswerden müssen, der<br />

spricht wo alle anderen lieber schweigen und<br />

sich um eine klare Aussage drücken müssen.<br />

Gegen Ende der Lehrerkonferenz zum Beispiel,<br />

wenn zuletzt ein heißes Eisen auf den Tisch<br />

kommt und keiner seinen Interessen schaden<br />

darf. Viele schweigen oder formulieren vage.<br />

Ist das nicht wunderbar, wenn dann einer klar<br />

und unmissverständlich Stellung bezieht? Zeigt<br />

er uns nicht den Weg zur echten Kollegialität<br />

und zur wirklichen Überzeugung, die mehr ist,<br />

als das eifersüchtige Bewachen von Interessen?<br />

Und hatten wir nicht beschlossen, dass um 16<br />

Uhr Schluss ist?<br />

Wer erkennt die Gestalt der Welt? Ist es der<br />

zähe Läufer, der das Terrain unter seinen Sohlen<br />

spürt? Auf dem Weg durch die Hügel und Berge<br />

der Umgebung. Den Staub zwischen den Zehen<br />

und das Salz in der Nase. Ist es der Bäcker, der<br />

mit Brot und Hefezopf Genuss in den grauen<br />

Wintertag bringt? Die Würde der Existenz, finden<br />

wir sie am Ende des Tatorts am Sonntagabend<br />

oder im misslungenen Torschuss? Das<br />

Scheitern vor dem Tor akzeptieren, ist das die<br />

Weisheit, die uns fehlt?<br />

Kein Zweifel, wir sind alle auf der Suche. Nach<br />

uns selbst, nach dem anderen, der Gemeinschaft,<br />

dem Einzelnen. Einer behielt die Suchenden<br />

im Auge, bot Unterstützung an, aber störte<br />

sie nie in ihrer Suche. Mochte er bisweilen über<br />

arg Hektische lächeln, gespottet hat er nie. Er<br />

war da für uns, mit Rat, Tat und der Magie der<br />

unscheinbaren Pappschachtel.<br />

Jetzt lässt er uns zurück, sogar seinen Taschenrechner<br />

fordert er ein. Und wir stehen ratlos vor<br />

Fragen, auf die wir keine Antwort finden. Was<br />

ist des Pudels Kern? Wer soll auftauchen aus der<br />

Flut, wenn wir darin untergehen? Wann werden<br />

wir Werner wiedersehen?<br />

F. Eckmann-von Necker<br />

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