Der Erlaubnistatbestandsirrtum in der Fallbearbeitung ... - Ja-Aktuell
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AUFSATZ Strafrecht <strong>Erlaubnistatbestandsirrtum</strong><br />
zu verne<strong>in</strong>en ist. Sodann ist, nach hier vertretener Ansicht<br />
auf Ebene <strong>der</strong> Rechtswidrigkeit, auf den ETB e<strong>in</strong>zugehen. Da<br />
die vorsätzliche Körperverletzung deshalb nicht gegeben ist,<br />
ist sodann § 229 StGB zu prüfen.<br />
F könnte sich gem §§ 223, 224 I Nr 2 Alt 1, Nr 5 StGB <strong>der</strong> gefährlichen<br />
Körperverletzung strafbar gemacht haben, <strong>in</strong>dem er A <strong>in</strong><br />
den Arm schoss.<br />
I. Tatbestandsmäßigkeit<br />
Durch den Schuss <strong>in</strong> den Arm hat F den A vorsätzlich sowohl<br />
körperlich misshandelt als auch an <strong>der</strong> Gesundheit geschädigt,<br />
<strong>der</strong> Tatbestand <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Körperverletzung ist erfüllt. F hat<br />
mit se<strong>in</strong>em <strong>Ja</strong>gdgewehr e<strong>in</strong>e Waffe nach § 224 I Nr 2 Alt 1 StGB<br />
verwendet. <strong>Der</strong> Schuss <strong>in</strong> den Arm könnte darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e<br />
das Leben gefährdende Behandlung iSv § 224 I Nr 5 StGB darstellen.<br />
Insofern ist umstritten, ob e<strong>in</strong>e abstrakte o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e konkrete<br />
Lebensgefahr erfor<strong>der</strong>lich ist. Für ersteres spricht die Systematik<br />
des Gesetzes – die an<strong>der</strong>en Alternativen des § 224 I StGB<br />
zeigen, dass solche Verhaltensweisen qualifiziert s<strong>in</strong>d, die abstrakt<br />
betrachtet die Gefahr für das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit<br />
erhöhen. <strong>Der</strong> Schuss <strong>in</strong> den Arm müsste also das Leben<br />
des A abstrakt gefährdet haben. Insofern ist allerd<strong>in</strong>gs auf die Art<br />
<strong>der</strong> Verletzung – Schuss <strong>in</strong> den Arm – abzustellen und nicht auf<br />
die möglichen Verletzungen, wenn die Kugel zB den Brustkorb<br />
getroffen hätte. E<strong>in</strong>e Lebensgefahr auf Grund von Blutverlust und<br />
mangels Hilfe mag zwar nahe liegend ersche<strong>in</strong>en, geht aber mangels<br />
weiterer Angaben aus dem Sachverhalt nicht e<strong>in</strong>deutig hervor,<br />
so dass e<strong>in</strong>e gefährliche Körperverletzung nicht gegeben ist.<br />
II. Rechtswidrigkeit<br />
1. Objektive Rechtfertigungselemente<br />
F könnte aber gem § 32 StGB durch Notwehr gerechtfertigt se<strong>in</strong>.<br />
Betrachtet man die Situation ex ante, liegt e<strong>in</strong>e Notwehrlage vor,<br />
bei e<strong>in</strong>er Beurteilung ex post h<strong>in</strong>gegen nicht. Allerd<strong>in</strong>gs ist hier<br />
zu beachten, dass hier das Auto auf Grund von höherer Gewalt<br />
auf den F zurollt, A den Ansche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notwehrlage also nicht<br />
zurechenbar gesetzt hat. Demnach ersche<strong>in</strong>t es nicht angebracht,<br />
ihm die aus e<strong>in</strong>em etwaigen Notwehrrecht des F resultierenden<br />
weitgehenden Duldungspflichten aufzuerlegen. Folglich<br />
scheidet e<strong>in</strong>e Rechtfertigung gem § 32 StGB aus.<br />
2. Subjektive Rechtfertigungselemente<br />
F nahm jedoch das Bestehen e<strong>in</strong>er Notwehrlage an. Er irrte über<br />
tatsächliche Begebenheiten, so dass er sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Erlaubnistatbestandsirrtum</strong><br />
befand (vgl Prüfung des ETB im Fall 1). Folglich<br />
entfällt analog § 16 StGB <strong>der</strong> Vorsatz.<br />
A hat sich nicht gem §§ 223, 224 I Nr 2 Alt 1 StGB strafbar gemacht.<br />
A könnte sich gem § 229 StGB <strong>der</strong> fahrlässigen Körperverletzung<br />
strafbar gemacht haben, <strong>in</strong>dem er F <strong>in</strong> den Arm schoss.<br />
I. Tatbestandsmäßigkeit<br />
E<strong>in</strong>e Körperverletzung ist gegeben. Fraglich ist jedoch, ob A<br />
sorgfaltspflichtwidrig gehandelt hat. Dies wird bei wie hier nichtfahrlässiger<br />
Situationsverkennung vielfach verne<strong>in</strong>t. Jedoch ist<br />
zu beachten, dass Bezugspunkt <strong>der</strong> Sorgfaltspflichtwidrigkeit<br />
<strong>der</strong> tatbestandliche Erfolg ist. Die Körperverletzung ist vorsätzlich<br />
und damit sorgfaltspflichtwidrig herbeigeführt worden.<br />
II. Rechtswidrigkeit<br />
Rechtfertigungsgründe greifen, wie gesehen, nicht e<strong>in</strong>. Zudem<br />
hat A das Vorliegen <strong>der</strong> verme<strong>in</strong>tlich rechtfertigenden Situation<br />
nicht objektiv-pflichtgemäß geprüft, so dass das Gesamtunrecht<br />
<strong>der</strong> fahrlässigen Körperverletzung gegeben ist.<br />
662 JA 2006 · Heft 8/9<br />
III. Schuld<br />
Allerd<strong>in</strong>gs führt die Tatsache, dass A bezüglich <strong>der</strong> dem ETB zu<br />
Grunde liegenden Situationsverkennung e<strong>in</strong>e subjektive Sorgfaltspflichtverletzung<br />
nicht vorzuwerfen ist, dazu, dass ihm die<br />
diesbezügliche Fahrlässigkeitsschuld fehlt. A handelte nicht<br />
schuldhaft.<br />
A hat sich nicht gem § 229 StGB strafbar gemacht.<br />
Fall 5: Hier ist sowohl aus <strong>der</strong> ex-ante- als auch aus <strong>der</strong> expost-Perspektive<br />
e<strong>in</strong>e Notwehrlage nicht gegeben, § 32 StGB<br />
greift nicht e<strong>in</strong>. Es liegt e<strong>in</strong> ETB vor.<br />
H könnte sich gem § 212 StGB des Totschlags strafbar gemacht<br />
haben, <strong>in</strong>dem er den A die Treppe h<strong>in</strong>unter stieß und sich dieser<br />
tödliche Verletzungen zuzog.<br />
I. Tatbestandsmäßigkeit<br />
H hat den Tod des A kausal, objektiv zurechenbar und bed<strong>in</strong>gt<br />
vorsätzlich verwirklicht.<br />
II. Rechtswidrigkeit<br />
1. Objektive Rechtfertigungselemente<br />
H könnte allerd<strong>in</strong>gs gem § 32 StGB durch Notwehr gerechtfertigt<br />
se<strong>in</strong>. Voraussetzung hierfür ist, dass e<strong>in</strong>e Notwehrlage, also<br />
e<strong>in</strong> gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff auf e<strong>in</strong> geschütztes<br />
Rechtsgut vorliegt. Legt man e<strong>in</strong>e ex-post-Betrachtung zu Grunde,<br />
wäre dies zu verne<strong>in</strong>en. Doch auch die ex-ante-Perspektive<br />
führt zu ke<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Ergebnis – e<strong>in</strong> objektiver Dritter <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er Situation hätte den Aushang gelesen und erkannt, dass<br />
es sich bei <strong>der</strong> Szene um e<strong>in</strong> Cast<strong>in</strong>g handelt. Demnach scheidet<br />
e<strong>in</strong>e Rechtfertigung durch Nothilfe aus.<br />
2. Subjektive Rechtfertigungselemente<br />
H stellte sich e<strong>in</strong>e Situation vor, die, wenn sie Realität gewesen<br />
wäre, e<strong>in</strong>e Notwehrlage begründet hätte. Folglich befand er sich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ETB (vgl zur Prüfung des ETB Fall 1). Demnach entfällt<br />
analog § 16 StGB <strong>der</strong> Vorsatz.<br />
H hat sich nicht gem § 212 StGB strafbar gemacht.<br />
H könnte sich <strong>der</strong> fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB strafbar<br />
gemacht haben, <strong>in</strong>dem er A die Treppe h<strong>in</strong>unter stieß.<br />
A ist tot. E<strong>in</strong>e vorsätzlich vorgenommene Körperverletzungshandlung<br />
ist sorgfaltspflichtwidrig (siehe Fall 4). Es war auch objektiv<br />
vorhersehbar, dass e<strong>in</strong> Sturz von e<strong>in</strong>er Treppe tödlich enden<br />
kann. <strong>Der</strong> Tatbestand ist mith<strong>in</strong> erfüllt.<br />
H handelte rechtswidrig.<br />
Es war ihm nach se<strong>in</strong>en subjektiven Fähigkeiten zuzumuten,<br />
den Aushang zu lesen. Folglich verwirklichte er durch die Fehle<strong>in</strong>schätzung<br />
<strong>der</strong> Situation nicht nur Handlungsunrecht, er handelte<br />
darüber h<strong>in</strong>aus auch schuldhaft.<br />
H hat sich gem § 222 StGB <strong>der</strong> fahrlässigen Tötung strafbar<br />
gemacht.<br />
Fall 6: Auch hier liegt we<strong>der</strong> ex post noch ex ante e<strong>in</strong>e Notwehrlage<br />
vor, so dass § 32 StGB ausscheidet. <strong>Der</strong> ETB lässt<br />
den Vorsatz analog § 16 StGB entfallen, § 229 StGB greift<br />
aber e<strong>in</strong>.<br />
A könnte sich gem §§ 223, 224 I Nr 2 Alt 1, Nr 5 StGB <strong>der</strong> gefährlichen<br />
Körperverletzung strafbar gemacht haben, <strong>in</strong>dem er auf B<br />
schoss und ihn schwer verletzte.<br />
I. Tatbestandsmäßigkeit<br />
A hat den B durch den Schuss an <strong>der</strong> Gesundheit geschädigt.<br />
In Bezug auf die körperliche Misshandlung verne<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e MM