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Schwarzbuch Leiharbeit - Antileiharbeits-Initiative Düsseldorf

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SCHWARZBUCH<br />

LEIHARBEIT


VORWORT Detlef<br />

Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf<br />

gleichen Lohn für gleiche Arbeit". Dieses Zitat<br />

stammt aus der Allgemeinen Erklärung der<br />

Menschenrechte von 1948. Bei der <strong>Leiharbeit</strong><br />

wird dieses Menschenrecht in Deutschland<br />

tagtäglich verletzt. Hunderttausendfach.<br />

Deshalb klagen wir an: Wir nehmen es nicht<br />

hin, dass <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen bei gleicher Arbeit<br />

im Durchschnitt 30 bis 40 Prozent weniger als<br />

Stammbelegschaften verdienen. Wir nehmen es<br />

nicht hin, dass es Menschen erster und zweiter<br />

Klasse geben soll. Und wir nehmen es nicht hin,<br />

dass Unternehmen <strong>Leiharbeit</strong> missbrauchen,<br />

um Stammbelegschaften zu ersetzen und unter<br />

Druck zu setzen. Das ist die schwarze Seite<br />

der <strong>Leiharbeit</strong>, die wir in diesem Schwarzweiß­<br />

buch anprangern.<br />

Wetzel<br />

2. Vorsitzender<br />

der IG Metall<br />

Aber es gibt auch eine andere Seite: In vielen<br />

Fällen setzen sich Betriebsräte und Vertrauens­<br />

leute für die <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

ein. Weil ihnen das Schicksal derjenigen nicht<br />

egal ist, die mit ihnen tagtäglich ihre Arbeit ver­<br />

richten. In vielen Fällen konnten sie bereits Re­<br />

gelungen durchsetzen, um die Situation der Leih­<br />

arbeiterinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er zu verbessern.<br />

Die Bandbreite dieser Vereinbarungen ist groß:<br />

Sie reicht von deutlichen Einkommenserhö­<br />

hungen bis zur vollständig gleichen Bezahlung<br />

(„Equal pay"). Aber es gibt auch kleine Erfolge:<br />

Etwa wenn die <strong>Leiharbeit</strong>skräfte nicht mehr<br />

den erhöhten Kantinenpreis bezahlen müssen,<br />

sondern ihr Essen genauso bezuschusst wird<br />

wie das der Stammbelegschaft.<br />

Die IG Metall hat auf dem Gewerkschaftstag<br />

im November vergangenen Jahres ihr „Leipziger<br />

Signal" beschlossen. Wir hatten uns vorge­<br />

nommen, 200 „Besser"-Vereinbarungen in den<br />

Betrieben abzuschließen. Bis August 2008<br />

hatten wir 328 solcher Vereinbarungen geschlos­<br />

sen. Das Ziel, das wir uns selbst gesetzt hatten,<br />

ist also mehr als erfüllt. Auch unser anderes Ziel<br />

werden wir erreichen: Wir hatten uns vorge­<br />

nommen, im Jahr 2008 mindestens 10.000 neue<br />

Mitglieder unter den <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und<br />

<strong>Leiharbeit</strong>ern zu gewinnen. Mehrere Tausend<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er sind bereits der IG Metall bei­<br />

getreten.


Auf diesem Weg werden wir weitermachen.<br />

Wir wollen konkrete Verbesserungen für die Leih-<br />

arbeitsbeschäftigten erreichen. Dabei ist aber<br />

auch der Einsatz der <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und Leih­<br />

arbeiter gefragt: ihr Handeln, ihr Beitritt zur<br />

IG Metall. Denn eine Gewerkschaft ist nur stark<br />

im Handeln, wenn sie eine starke Mitglieder­<br />

basis hat. Verbesserungen für die <strong>Leiharbeit</strong>neh-<br />

mer/-innen können wir nur mit ihnen zusammen<br />

erreichen, nie stellvertretend für sie.<br />

Bei der <strong>Leiharbeit</strong> ist obendrein die Politik ge­<br />

fordert: Sie hat die Gesetze geschaffen, die<br />

seit 2004 zu einer dramatischen Ausweitung der<br />

<strong>Leiharbeit</strong> geführt haben. All denen, die sich<br />

dafür einsetzen, diese Regeln wieder im Sinne<br />

der Beschäftigten zu verbessern, wollen wir<br />

Fakten und Argumente an die Hand geben.<br />

Wir lassen nicht locker. „Gleiche Arbeit -<br />

Gleiches Geld" ist Menschenrecht. Wir wollen,<br />

dass es durchgesetzt wird. Dieses Schwarz­<br />

weißbuch soll ein Beitrag dazu sein.<br />

Detlef Wetzel<br />

2. Vorsitzender<br />

der IG Metall<br />

Vorwort


INHALT<br />

t<br />

MÄRKTE, MACHER,<br />

MACHENSCHAFTEN<br />

<strong>Leiharbeit</strong> unter der Lupe 8<br />

Grenzenlos flexibel<br />

Zur Geschichte der <strong>Leiharbeit</strong> in Deutschland -<br />

Dumpinglöhne im Namen des Herrn<br />

Der Christliche Gewerkschaftsbund<br />

macht Tarifverträge, wie Arbeitgeber<br />

sie wünschen-14<br />

Stellst du noch ein oder leihst du schon?<br />

Strategien für Millionen-18<br />

Spiele ohne Grenzen<br />

Die Milliardenumsätze der <strong>Leiharbeit</strong>sriesen-<br />

Betriebsrat? Fehlanzeige.<br />

Keine betriebliche Mitbestimmung bei<br />

kleinen <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen-27<br />

Tatort „Marienhof"<br />

Die Macht der Lobbyisten-30<br />

<strong>Leiharbeit</strong> im europäischen Vergleich<br />

Unterschiedliche Rechtssysteme<br />

erschweren europaweite Umsetzung<br />

von „Equal treatment-34


STATUSREPORT LEIHARBEIT -<br />

DIE SCHWARZE SEITE<br />

Der Skandal hat Methode-38<br />

„Nun stellen Sie sich mal nicht so an"<br />

Leidensweg eines <strong>Leiharbeit</strong>ers-39<br />

Der Fall Nokia<br />

Oder wie man mit <strong>Leiharbeit</strong> den<br />

Kündigungsschutz aushebelt-42<br />

„Hauptsache Arbeit"<br />

Einblicke in den Alltag eines <strong>Leiharbeit</strong>ers-45<br />

Im Namen des Wettbewerbs<br />

Rendite steigern, Lohnkosten senken<br />

- eine deutsche Erfolgsstory-48<br />

„Ich hab ja keine Alternative"<br />

Statt Lohnerhöhung weniger Urlaub -<br />

dank „christlichem" Tarifvertrag- 52<br />

Staatlich geförderte Sklavenmärkte<br />

Arbeitsagenturen machen mit<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sfirmen gemeinsame Sache-55<br />

„Ich sehe keinen Weg da raus"<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er in der beruflichen Sackgasse-58<br />

Abenteuer Betriebsratswahl<br />

Die Tricks der <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen<br />

gegen Betriebsräte 63<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er: Ein Beruf mit Zukunft?<br />

Deutsche Steinkohle AG verleiht<br />

Azubis als Fließbandarbeiter-67<br />

Zwei ungleiche Töchter<br />

Mit der Gründung von Tochterfirmen<br />

umgeht Manpower den Tarifvertrag-70<br />

Menschen zweiter Klasse?<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er: Gemobbt und ausgegrenzt-72<br />

Inhalt<br />

Rechentricks gegen Abfindung und Sozialpläne<br />

Ein Unternehmen rechnet sich arm-75<br />

„<strong>Leiharbeit</strong> erhöht den Blutdruck<br />

der gesamten Belegschaft"<br />

Der Soziologe Hajo Holst über die Auswirkungen<br />

von <strong>Leiharbeit</strong> auf das Arbeitsklima - 79<br />

Tod eines <strong>Leiharbeit</strong>ers<br />

Das Risiko, einen Arbeitsunfall zu haben,<br />

ist bei <strong>Leiharbeit</strong>ern dreimal so hoch-83<br />

Leben mit der Angst<br />

Ausnahme Übernahme-86<br />

„Ich hab die Hoffnung aufgegeben"<br />

<strong>Leiharbeit</strong> im Osten: Eine Reise durch<br />

Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen -91


i<br />

MÄRKTE, MACHER,<br />

MACHENSCHAFTEN<br />

<strong>Leiharbeit</strong> unter der Lupe<br />

<strong>Leiharbeit</strong> ist in Deutschland eine der am schnellsten wachsenden Branchen überhaupt.<br />

Seit das Monopol der Arbeitsvermittlung nicht mehr beim Staat liegt, machen einige wenige<br />

Branchenriesen und viele kleine <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen Millionengeschäfte mit dem Heer der<br />

Arbeitssuchenden. Wo es um viel Geld geht, wird häufig keine Rücksicht auf Menschenwürde<br />

und Gerechtigkeit genommen - die <strong>Leiharbeit</strong>sbranche bildet hierbei keine Ausnahme.<br />

Der Staat unterstützt diese Vorgehensweise, seine Gesetze haben die Ausbreitung der <strong>Leiharbeit</strong><br />

erst möglich gemacht. Dazu kommen mächtige Lobbyisten, die ein rosiges Bild<br />

vom glücklichen <strong>Leiharbeit</strong>er malen.


Grenzenlos flexibel<br />

Zur Geschichte der <strong>Leiharbeit</strong> in Deutschland<br />

Die Anfänge<br />

Märkte, Macher, Machenschaften 9<br />

Im Jahr 1922 regelte das Arbeitsnachweisgesetz erstmals die Vorausset- MONOPOLISIERUNG<br />

zungen für <strong>Leiharbeit</strong> in Deutschland. Fünf Jahre später übernahm der Gesetz­<br />

geber viele dieser Regelungen in das Gesetz über die Arbeitsvermittlung<br />

und Arbeitslosenversicherung. Unter den Nationalsozialisten wurde die Ar­<br />

beitsvermittlung monopolisiert und bis in die 1960er Jahre gab es in der<br />

Bundesrepublik keine <strong>Leiharbeit</strong>svermittlung mehr. 1967 legte das Bundes­<br />

verfassungsgericht fest, unter welchen Bedingungen Zeitarbeitsfirmen<br />

tätig werden dürfen. Die nachfolgenden Jahre waren von rechtlichen Ausei­<br />

nandersetzungen darüber geprägt, welche Formen der Arbeitnehmer­<br />

überlassung zulässig sind.<br />

Die Gewerkschaften schalten sich ein<br />

1970 unterzeichneten die Deutsche Angestelltengewerkschaft und der Unter­<br />

nehmensverband für Zeitarbeit einen ersten Tarifvertrag. Die Bundesregie­<br />

rung musste wegen der vorherrschenden Skepsis gegenüber der Zeitarbeit<br />

alle vier Jahre überprüfen, inwieweit sie sinnvoll genutzt wurde.<br />

Keine Zeitarbeit im Baugewerbe<br />

Für das Baugewerbe gilt seit 1982, dass keine Zeitarbeiter beschäftigt werden<br />

dürfen. Denn immer wieder hatten Arbeitgeber ihre Pflichten gegenüber<br />

<strong>Leiharbeit</strong>ern verletzt.<br />

Mittlerweile hatte der „Bundesverband Zeitarbeit" den „Unternehmens- MINDESTSTANDARDS<br />

verband für Zeitarbeit" abgelöst und setzte 1988 verbindliche Mindestarbeits­<br />

bedingungen fest. Parallel dazu weitete der Gesetzgeber allerdings mehrere<br />

Male die Zeit aus, die ein <strong>Leiharbeit</strong>er im gleichen Betrieb beschäftigt<br />

werden darf.


Das Monopol fällt<br />

1994 fiel das Vermittlungsmonopol der Bundesagentur für Arbeit. Seitdem<br />

darf Arbeit privat und gewerbsmäßig vermittelt werden. Drei Jahre später trat<br />

die erste große Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Kraft.<br />

Nun durften <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen bis zu zwölf Monate im gleichen Betrieb<br />

arbeiten. Eine <strong>Leiharbeit</strong>sfirma musste jeden Mitarbeiter ab diesem Zeitpunkt<br />

einmalig auch nur so lange beschäftigen, wie sie auch einen Entleihbetrieb<br />

für ihn hatte. Sobald sie ihn also nicht mehr vermitteln konnte, durfte sie ihn<br />

entlassen.<br />

Nach einer Wiedereinstellung galt dann allerdings das so genannte Synchro<br />

nisationsverbot. Die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma durfte die Beschäftigung dann nicht<br />

mehr davon abhängig machen, ob sie auch einen interessierten Entleihbe­<br />

trieb hatte oder nicht.<br />

Die Veränderungen im Zuge der „Hartz-Reformen"<br />

Das „Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung"<br />

(AUG) gilt seit dem Jahr 1972. Allerdings änderte der Gesetzgeber es seither<br />

häufig - besonders weitreichend im Zuge der „Hartz-Reformen". Die Fas­<br />

sung des AUG von 2004 bildet bis heute die Grundlage für jedes Beschäfti­<br />

gungsverhältnis, das eine <strong>Leiharbeit</strong>skraft eingeht.<br />

Per „Merkblatt für <strong>Leiharbeit</strong>er" werden alle Beschäftigten der <strong>Leiharbeit</strong>s-<br />

branche über ihre wichtigsten Rechte und Pflichten informiert. Allerdings geht<br />

das Schriftstück der Bundesagentur für Arbeit nicht auf einige grundlegende<br />

Änderungen der Reform aus dem Jahr 2004 ein.<br />

Die letzten Grenzen fallen<br />

So weitete der Gesetzgeber schon in den 1980er und 1990er Jahren die so<br />

genannte Höchstüberlassungsdauer immer wieder aus. 2004 schaffte er<br />

die Begrenzung der Überlassungsdauer komplett ab. Das bedeutet: Beschäf­<br />

tigte können über eine <strong>Leiharbeit</strong>sfirma ohne Zeitbegrenzung im selben<br />

Entleihbetrieb eingesetzt werden. Außerdem gibt es kein Synchronisations­<br />

verbot für <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen mehr. Sie müssen nun Mitarbeiter/-innen unter<br />

Einhaltung der Kündigungsfristen nur noch so lange beschäftigen, wie sie<br />

auch einen Entleihbetrieb haben, der an der Tätigkeit dieser <strong>Leiharbeit</strong>skräfte<br />

interessiert ist.<br />

Märkte, Macher, Machenschaften<br />

SYNCHRONISATIONS­<br />

VERBOT


Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 1972 bis heute<br />

Vorschrift Bis zum 31. Dezember 2003 Seit 1. Januar 2004<br />

Beschränkung der Überlassungs-<br />

höchstdauer<br />

Erhöhung von:<br />

3 auf 6 Monate (ab 1985)<br />

6 auf 9 Monate (ab 1994)<br />

9 auf 12 Monate (ab 1997)<br />

12 auf 24 Monate (ab 2002)<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

nach 12 Monaten (ab 2002)<br />

Synchronisationsverbot<br />

Einmalige Synchronisation erlaubt<br />

für schwervermittelbare Arbeitslose,<br />

wenn diese direkt in ein anderes<br />

Beschäftigungsverhältnis überwech­<br />

seln (ab 1994).<br />

Einmalige Synchronisation möglich<br />

(ab 1997).<br />

Die Einsatzdauer einer Zeitarbeitskraft<br />

bei einem Entleihbetrieb darf<br />

24 Monate nicht überschreiten. Nach<br />

dem ersten Jahr gelten für Zeitarbeits­<br />

kräfte die im Entleihbetrieb üblichen<br />

Arbeitsbedingungen einschließlich des<br />

Arbeitsentgeltes.<br />

Nur beim erstmaligen Einsatz ist<br />

eine Synchronisation der Dauer des<br />

Verleihs und des Arbeitsverhält­<br />

nisses gestattet. Ansonsten muss<br />

letzteres die Einsatzdauer um<br />

mindestens 25 Prozent übersteigen.<br />

Ist entfallen. Der Einsatz<br />

ist unbeschränkt möglich.<br />

Ist entfallen. Die Beschäftigung beim<br />

Verleiher und der Einsatz im Entleihbe­<br />

trieb dürfen jetzt zeitgleich sein. Der<br />

Beschäftigte in <strong>Leiharbeit</strong> kann - unter<br />

Berücksichtigung der Kündigungsfris­<br />

ten - entlassen werden.<br />

Beschränkung des Verleihs Verbot der Arbeitnehmerüberlassung Besteht fort.<br />

im Bauhauptgewerbe im Bauhauptgewerbe, mit Ausnahme<br />

Verbot der Arbeitnehmerüberlassung<br />

im Bauhauptgewerbe (ab 1982).<br />

Zulassung der Arbeitnehmer­<br />

überlassung zwischen Betrieben im<br />

Baugewerbe (ab 1994).<br />

Besonderes Befristungsverbot<br />

Einmalige Befristung<br />

ohne Angabe eines sachlichen<br />

Grundes möglich (ab 1997).<br />

der Arbeitnehmerüberlassung<br />

zwischen Betrieben des Baugewerbes<br />

(Kollegenhilfe), wenn diese Betriebe<br />

von denselben Rahmen- und Sozial-<br />

kassentarifverträgen oder von deren<br />

Allgemeingültigkeit erfasst werden.<br />

Mit Ausnahme einer einmaligen<br />

Befristungsmöglichkeit ohne sach­<br />

lichen Grund ist das Beschäftigungs­<br />

verhältnis zwischen der Zeitarbeits­<br />

firma und dem Zeitarbeitsbeschäf-<br />

tigten generell unbefristeter Natur, es<br />

sei denn eine Befristung lässt sich aus<br />

der Person der/des Beschäftigten<br />

rechtfertigen.<br />

Ist entfallen. Befristungen ohne<br />

sachlichen Grund unbeschränkt<br />

möglich.<br />

Wiedereinstellungsverbot Entlässt eine Zeitarbeitsfirma einen Ist entfallen.<br />

Einmalige Wiedereinstellung möglich <strong>Leiharbeit</strong>er, so darf sie diesen<br />

(ab 1997). erst nach drei Monaten erneut ein­<br />

stellen. Einmalig darf von dieser<br />

Regelung abgewichen werden.


Immer wieder Ausnahmen<br />

Das Merkblatt der Bundesagentur weist die Beschäftigten in <strong>Leiharbeit</strong> da­<br />

rauf hin, dass sie für die Zeit der Überlassung an einen Entleihbetrieb so<br />

Märkte, Macher, Machenschaften 13<br />

zu behandeln sind wie vergleichbare Festangestellte. Dies gilt sowohl für die GLEICHBEHANDLUNG<br />

gleiche Entlohnung („Equal pay") als auch für die sonstigen Arbeitsbedin­<br />

gungen („Equal treatment"). Allerdings gibt es hierfür Ausnahmen: So kann<br />

die Anwendung eines gesonderten Tarifvertrags für <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

vereinbart werden, durch den von der Gleichbehandlung gegenüber Festan­<br />

gestellten abgewichen werden kann.<br />

Waren <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigte zuvor arbeitslos, muss ihnen die <strong>Leiharbeit</strong>s­<br />

firma in den ersten sechs Wochen zudem nur so viel als Nettolohn zukom­<br />

men lassen, wie sie zuvor als Arbeitslosengeld bekommen hätten. Jederzeit<br />

muss ein Entleihbetrieb einer <strong>Leiharbeit</strong>skraft allerdings offenlegen, wie<br />

viel ein fest angestellter Mitarbeiter in vergleichbarer Stellung verdient und<br />

wie dessen Arbeitsbedingungen aussehen. Ausdrücklich verpflichtet das<br />

AUG die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma, ihren Beschäftigten auch dann das Arbeitsentgelt<br />

zu zahlen, wenn sie für diese gerade keinen Entleihbetrieb hat. Natürlich<br />

gilt die Regelung aber ebenfalls nur, bis die gesetzliche Kündigungsfrist er­<br />

reicht ist.<br />

Betriebliche Mitbestimmung<br />

Generell soll es auch in <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen Beteiligungsrechte für die Leih­<br />

arbeitskräfte geben - so beispielsweise einen Betriebsrat. Im Einsatzbetrieb BETRIEBSRAT<br />

dürfen sich <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen zwar nicht zur Wahl für den Betriebs- oder<br />

Aufsichtsrat stellen, können aber dessen Sprechstunden aufsuchen und an<br />

Versammlungen teilnehmen. Außerdem können sie den Betriebsrat im Ein­<br />

satzbetrieb mitwählen, wenn ihr Einsatz dort mindestens drei Monate dauert<br />

oder so lange beabsichtigt ist. Bei der Ermittlung der Schwellenwerte (Größe<br />

des Betriebsrats, Freistellungen) werden die <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen<br />

allerdings nicht mitgezählt.<br />

<strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er dürfen außerdem nicht gezielt eingesetzt<br />

werden, um bei Streiks im Entleihbetrieb die Produktion am Laufen zu halten.<br />

Wenn der Einsatzbetrieb in einem Arbeitskampf steckt, haben <strong>Leiharbeit</strong>s­<br />

beschäftigte ein Arbeitsverweigerungsrecht, auf das sie auch ihr Verleihunter­<br />

nehmen aufmerksam machen muss. Die Verleihfirma darf ihnen allerdings<br />

einen anderen Einsatzort zuweisen.


Dumpinglöhne im Namen des Herrn<br />

Der Christliche Gewerkschaftsbund macht<br />

Tarifverträge, wie Arbeitgeber sie wünschen<br />

Die Unterbietungskonkurrenz durch die „christlichen Gewerkschaften"<br />

ist der IG Metall und den anderen DGB-Gewerkschaften schon lange ein<br />

Dorn im Auge. Auch bei der <strong>Leiharbeit</strong> machen die „Christlichen" Tarif­<br />

verträge, die jeder Beschreibung spotten.<br />

Zum Thema Mindestlohn hat Matthäus Strebl eine gefestigte Meinung.<br />

„Es darf nicht sein, dass das Entsendegesetz missbraucht wird, um Wettbe­<br />

werb zu verhindern und Arbeitsplätze in einem derzeit funktionierenden<br />

Gebiet zu gefährden", erklärt der Vorsitzende des Christlichen Gewerkschafts­<br />

bundes (CGB). „Wettbewerb verhindern", „Arbeitsplätze gefährden"-<br />

diese Argumente kennt man hinreichend aus dem Arbeitgeberlager. Aber<br />

spricht so auch ein Gewerkschafter?<br />

Tariffähigkeit der „Christlichen" zweifelhaft<br />

Man könnte sogar fragen: Ist der CGB überhaupt eine Gewerkschaft?<br />

Die Arbeitsgerichte haben da so ihre Zweifel. Immer wieder müssen sie<br />

sich mit der Tariffähigkeit des CGB und seiner 16 Einzelorganisationen<br />

beschäftigten, zuletzt im Februar 2008 vor dem Arbeitsgericht Berlin. Das<br />

Verfahren musste aus formellen Gründen eingestellt werden. Doch die<br />

Berliner Richter/-innen ließen laut eigener Mitteilung „Zweifel daran durchbli­<br />

cken, dass eine Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerk­<br />

schaften für Zeitarbeit gegeben sei". Eine Umfrage der Universität Mainz bei<br />

allen deutschen Arbeitsgerichten zeigte im Jahr 2007, dass 84 Prozent der<br />

Klagen gegen christliche Tarifverträge mit einem Vergleich enden. Das Arbeits­<br />

gericht Osnabrück argumentierte im Januar 2007, die Verträge der christ­<br />

lichen Gewerkschaft hätten lediglich das Ziel, gesetzliche Mindeststandards<br />

zu unterlaufen (Aktenzeichen 3 Ca 535/06.). Konkrete Konsequenzen haben<br />

die Beschlüsse aber nicht. Mit Tricks und juristischen Winkelzügen können<br />

sich die „Christlichen" immer wieder aus der Affäre ziehen. Vor allem für die<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sbranche hat das schlimme Konsequenzen.


Immer nur das Beste...<br />

Märkte, Macher, Machenschaften<br />

Generell gilt in der Bundesrepublik das so genannte Günstigkeitsprinzip. GÜNSTIGKEITSPRINZIP<br />

Tarifvertrag oder Gesetz - Arbeitnehmer können sich immer auf das berufen,<br />

wab für sie günstiger ist. Beispiele: Während gesetzlich vier Wochen Ur­<br />

laub pro Jahr vorgeschrieben sind, haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­<br />

nehmer in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie tarifvertraglich<br />

Anspruch auf sechs Wochen bezahlten Urlaub. Oder Arbeitszeit: Per Gesetz<br />

sind 48 Wochenstunden zulässig (bei entsprechendem Ausgleich sogar<br />

60 Stunden in der Woche), in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie<br />

sind es 35 Stunden. Bei Streit mit dem Arbeitgeber können sich Arbeitneh-<br />

mer/-innen immer auf die günstigere Regelung berufen. Tarifverträge unter<br />

dem gesetzlichen Standard abzuschließen, macht für Gewerkschaften<br />

keinen Sinn.<br />

Tarifliche Monatseinkommen<br />

Metall- und Elektroindustrie NRW und Sachsen (M+E)<br />

im Vergleich mit der <strong>Leiharbeit</strong>sbranche (AMP, iGZ, BZA).<br />

Bezogen auf Lohngruppe 2 (in Euro)<br />

964,62<br />

1.146,63<br />

Quelle: IG Metall 2007<br />

1.656,00<br />

1.695,81


... außer für die <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

Nur eine einzige Branche macht da eine Ausnahme: die <strong>Leiharbeit</strong>. Mit den<br />

Gesetzen „für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", die 2003 in Kraft<br />

traten, sollte <strong>Leiharbeit</strong> unkomplizierter werden. Fast alle Schutzvorschriften<br />

für <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigte - vom Synchronisationsverbot bis zur maximalen<br />

Verweildauer - wurden aufgehoben. Im Gegenzug sollten solche „Vereinba­<br />

rungen, die für den <strong>Leiharbeit</strong>nehmer (...) schlechtere Arbeitsbedingungen als<br />

die im Betrieb des Entleihers (...) geltenden" vorsehen, nicht mehr zulässig<br />

sein. „Equal pay" (gleiche Bezahlung) und „Equal treatment" (gleiche Behand­<br />

lung) sollten die Regel sein. Mit einer Ausnahme: „Ein Tarifvertrag kann ab­<br />

weichende Regelungen zulassen" - so Paragraf 9, Ziffer 2 des Arbeitnehmer­<br />

überlassungsgesetzes.<br />

Somit hat sich das Verhältnis zwischen Tarifvertrag und Gesetz in der Leih­<br />

arbeit umgedreht. In allen anderen Branchen heißt die Regel: Es gilt min­<br />

destens das Gesetz - Tarifverträge können es verbessern. Die Regel bei der<br />

<strong>Leiharbeit</strong> lautet: Es gilt höchstens das Gesetz - Tarifverträge können es<br />

verschlechtern.<br />

Erbarmen, die „Christen" kommen<br />

Dass es so weit kommen konnte, liegt an den „christlichen Gewerkschaften".<br />

Im Sommer 2003 hatte sich der DGB gerade mit den beiden <strong>Leiharbeit</strong>sver-<br />

bänden iGZ und BZA weitestgehend über einen Stufenplan geeinigt, wie<br />

„Equal pay" in den Unternehmen erreicht werden könnte, da schaltete sich<br />

die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Per­<br />

sonal-Service" (CGZP) ein. Sie schloss mit dem Arbeitgeberverband Mittel­<br />

ständischer Personaldienstleister (AMP) einen Vertrag, der das „Equal pay"-<br />

Prinzip nicht mal erwähnte. Kaum war der CGZP-Vertrag unterzeichnet,<br />

machten auch iGZ und BZA einen Rückzieher.<br />

Der DGB war machtlos. Er einigte sich mit den Arbeitgebern auf einen<br />

Abschluss, der zwar immer noch über dem CGZP-Tarif lag, aber dem Prinzip<br />

„gleiches Geld für gleiche Arbeit" nicht im Entferntesten entsprach. „Hätten<br />

wir das nicht gemacht, hätten auch BZA und iGZ mit den Christen verhandelt",<br />

sagt Juan-Carlos Rio Antas aus dem Funktionsbereich Tarifpolitik der<br />

IG Metall, der an den Tarifverhandlungen in der <strong>Leiharbeit</strong>sbranche teilnimmt.<br />

„Wir sind in der absurden Situation, mit den Arbeitgebern miese Verträge<br />

abschließen zu müssen, damit diese mit den Christen nicht noch miesere<br />

Vereinbarungen treffen."


Für die <strong>Leiharbeit</strong>skräfte hat das schlimme Konsequenzen, denn die Ar­<br />

beiterinnen verdienen hier deutlich weniger als ihre Kolleginnen und Kol­<br />

legen. Die so genannten Christen sind sich noch nicht einmal zu schade,<br />

sich selbst zu unterbieten - mit Haustarifen unterhalb des Flächen-Tarifs. Die<br />

„christlichen" Flächentarifverträge sehen in der untersten Entgeltgruppe<br />

6,00 Euro vor. Doch die beiden <strong>Leiharbeit</strong>sverbände BZA und iGZ klagen über<br />

„Haustarifverträge der CGZP mit Vergütungen, die deutlich unter denen des<br />

eigenen Verbandstarifvertrags liegen." Es werde „von weniger als 5 Euro pro<br />

Stunde berichtet", so BZA und iGZ.<br />

Dauerthema Mindestlöhne<br />

Zumindest Teile der Politik haben mittlerweile erkannt, dass Arbeitgeber<br />

und christliche Gewerkschaften die Änderungen des Arbeitnehmerüberlas­<br />

sungsgesetzes für ihre Zwecke ausnutzen. Sie wollen jetzt branchenweite<br />

Mindestlöhne einführen. 7,51 Euro sollen es sein, haben BZA, iGZ und<br />

DGB-Tarifgemeinschaft gemeinsam beantragt.<br />

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) macht aus seinem Ärger über<br />

die „christliche Unterbietungskonkurrenz" kein Hehl. „Tarifverträge, die ein­<br />

zig und allein dem Ziel dienen, Lohndrückerei zu Lasten der <strong>Leiharbeit</strong>neh­<br />

mer und Stammbelegschaften zu betreiben, entsprechen nicht den Vorstel­<br />

lungen des Reformgesetzgebers", sagte er im Juni 2008 vor den Vertretern<br />

der iGZ. Scholz: „Solche Tarifverträge werden nicht im Interesse der vertre­<br />

tenen Arbeitnehmer ausgehandelt, sondern den Arbeitgebern von sozialpoli­<br />

tisch verantwortungslosen Organisationen angedient, die damit ihr eigenes<br />

Dasein rechtfertigen - und finanzieren."<br />

Zu unmoralisch für die Katholiken<br />

Unterdessen behauptet CGB-Vorsitzender Strebl munter weiter, er wolle<br />

Märkte, Macher, Machenschaften 17<br />

„christliche Werte" in die Arbeitswelt bringen. Das nehmen ihm nicht einmal UNMORALISCH<br />

mehr seine Glaubensbrüder ab. Die Katholische Betriebsseelsorge der<br />

Diozöse Augsburg erklärte, sie halte „die untertariflichen Lohn- und Mantel­<br />

tarifverträge für sehr schädlich, wie sie die CGZP abgeschlossen hat".<br />

Diakon Erwin Helmer: Ohnehin „schlecht verdienende Zeitarbeitnehmer<br />

noch schlechter zu bezahlen, ist unmoralisch."


Stellst du noch ein oder leihst du schon?<br />

Strategien für Millionen<br />

Die Zahl der <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten hat sich seit 2004 mehr als ver­<br />

doppelt. <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er ersetzen immer öfter das<br />

Stammpersonal und müssen für deutlich weniger Geld arbeiten als ihre<br />

Kollegen/-innen.<br />

900.000 Kein anderer Wirtschaftszweig ist in den vergangenen Jahren so sehr ge-<br />

LEIHARBEITSKRÄFTE wachsen wie der für <strong>Leiharbeit</strong>. Der bisher ungebremste Boom der Branche<br />

begann 2004, nachdem fast alle bis dahin geltenden gesetzlichen Beschrän­<br />

kungen weggefallen sind. Seither verzeichnet die Branche Jahr für Jahr zwei­<br />

stellige Wachstumsraten. Mitte 2007 arbeiteten 731.000 Menschen als<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er/-innen - das sind rund 2,4 Prozent aller Beschäftigten und mehr<br />

als doppelt so viele wie noch vor Inkrafttreten der Reform.<br />

In der <strong>Leiharbeit</strong>sbranche arbeiten damit so viele Menschen wie in der<br />

gesamten deutschen Automobilindustrie. Rechnet man die hohe Fluktuation<br />

hinzu, sind es sogar noch mehr Betroffene. Rund 900.000 Beschäftigte dürf­<br />

ten im vergangenen Jahr als <strong>Leiharbeit</strong>skräfte beschäftigt gewesen sein. In<br />

der Metall- und Elektroindustrie waren es Mitte 2007 rund 220.000 Beschäf­<br />

tigte. Wenn man die in der <strong>Leiharbeit</strong> häufigen Jobwechsel berücksichtigt,<br />

dürften es im Verlauf des Jahres rund 260.000 Beschäftigte gewesen sein.<br />

Boombranche <strong>Leiharbeit</strong><br />

Ein Ende des Booms ist noch lange nicht in Sicht: „Derzeit gibt es keinen<br />

Hinweis darauf, dass sich dieses Wachstum abschwächt", heißt es in einer<br />

Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Institut<br />

für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) prognostiziert einen Anstieg auf<br />

fünf Millionen <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigte innerhalb der nächsten zehn Jahre.


Weniger Rechte, weniger Geld<br />

Kein anderes Unternehmen stellte im Jahr 2007 mehr neue Mitarbeiterinnen<br />

Märkte, Macher, Machenschaften 19<br />

ein als die Branchenriesen Randstad und Adecco. Doch diese auf den er- BRANCHENRIESEN<br />

sten Blick guten Nachrichten zeigen nur die halbe Wahrheit. Wahr ist auch,<br />

dass viele Firmen <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er einsetzen, um ihre<br />

reguläre Stammbelegschaft damit zumindest zum Teil zu ersetzen. Die Unter­<br />

nehmer erhoffen sich dadurch mehr Flexibilität und geringere Kosten. Für<br />

die <strong>Leiharbeit</strong>skräfte bedeutet das jedoch: Weniger Rechte und weniger Geld.<br />

Beschäftigte zweiter Klasse<br />

Beispiel BMW: Im Leipziger Werk des Autohersteliers bauen rund 3.700 Mit- BMW<br />

arbeiter/-innen die Karosserien von Limousinen, Coupes und Cabrios. Äußer­<br />

lich unterscheiden sich die Arbeiterinnen und Arbeiter kaum voneinander:<br />

Sie alle tragen blaue T-Shirts und graue Latzhosen, sie benutzen die gleichen<br />

Werkzeuge und erledigen auch dieselbe Arbeit. Doch fast jeder dritte von<br />

ihnen ist anders als der Rest: Sie sind <strong>Leiharbeit</strong>skräfte, Autobauer/-innen<br />

zweiter Klasse - zumindest bis vor kurzem. Denn gleiches Geld für gleiche<br />

Arbeit gab es bei BMW lange Zeit nicht. Bis April verdienten die <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

von BMW in Leipzig bis zu 50 Prozent weniger als ihre festangestellten Kol­<br />

leginnen und Kollegen. Im April 2008 erzielte die IG Metall mit den für BMW<br />

tätigen <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen eine Einigung, dass die dort tätigen <strong>Leiharbeit</strong>neh-<br />

mer/-innen so bezahlt werden wie die Stammbeschäftigten des Werkes.<br />

Drastischer Anstieg der <strong>Leiharbeit</strong><br />

Zahl der <strong>Leiharbeit</strong>skräfte<br />

im Jahresdurchschnitt<br />

*Wert 2007 bis 30. Juni<br />

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, IW Zeitarbeitindex<br />

© Hans-Böckler-Stiftung 2007


20<br />

<strong>Leiharbeit</strong>erV-innen ersetzen das Stammpersonal<br />

Insgesamt wurden in jedem vierten Unternehmen, das <strong>Leiharbeit</strong> nutzt,<br />

Teile des festangestellten Stammpersonals durch zusätzliche <strong>Leiharbeit</strong>skräfte<br />

ersetzt. Das ergab eine repräsentative Umfrage der Hans-Böckler-Stif­<br />

tung unter 2.000 Betriebsräten. Auch die Zahl der so genannten Intensivnutzer<br />

von <strong>Leiharbeit</strong> steigt stetig an: Im Jahr 2002 hatte nur jedes fünfzigste Un­<br />

ternehmen mit über 150 Beschäftigten mehr als 20 Prozent <strong>Leiharbeit</strong>nehmer-<br />

innen und <strong>Leiharbeit</strong>nehmer in seiner Belegschaft. 2007 war der Anteil der<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten bereits in jedem zehnten Unternehmen so hoch. Vor<br />

allem die Metall- und Elektroindustrie und Dienstleistungsunternehmen wie<br />

zum Beispiel Call-Center greifen auf <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen zurück.<br />

Dumping-Löhne statt „Equal pay"<br />

LOHNDUMPING So gut wie überall gilt: Die Bezahlung ist für <strong>Leiharbeit</strong>skräfte meist deut­<br />

FLUKTUATION<br />

i<br />

lich schlechter als für die Stammbelegschaft. Im Schnitt bekommen Leihar-<br />

beiter/-innen für die gleiche Arbeit rund 30 Prozent weniger als ihre Kol­<br />

leginnen und Kollegen. „Neben der Überbrückung von personellen Engpässen<br />

wird <strong>Leiharbeit</strong> zunehmend zur Senkung der Arbeitskosten eingesetzt",<br />

diagnostiziert das arbeitgebernahe Institut für Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

Zwar hat der Gesetzgeber festgeschrieben, dass <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigte<br />

grundsätzlich nicht weniger Lohn bekommen dürfen als vergleichbare Arbeit-<br />

nehmer/-innen in dem Einsatzbetrieb, per Tarifvertrag können Unterneh­<br />

men die gleiche Bezahlung („Equal pay") jedoch unterschreiten. Der Arbeit­<br />

geberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) schloss des­<br />

halb Dumping-Tarifverträge mit den so genannten „christlichen Gewerkschaf­<br />

ten" ab. In diesen Tarifverträgen wurden Löhne von unter sechs Euro pro<br />

Stunde vereinbart. Da man davon nicht leben kann, ist es nicht verwunderlich,<br />

dass jeder achte Vollzeit-<strong>Leiharbeit</strong>er neben seinem Lohn auch noch Hartz IV<br />

beziehen muss. In keiner anderen Branche muss der Staat so vielen Beschäf­<br />

tigten mit aufstockenden Sozialleistungen unter die Arme greifen.<br />

Viele <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen versuchen, ihr wirtschaftliches Risiko zu­<br />

dem vollständig auf die <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen abzuwälzen: Erst wenn ein Auf­<br />

tragvorliegt, stellen sie <strong>Leiharbeit</strong>skräfte ein. Sobald der Auftrag wieder<br />

wegfällt, bekommen die Beschäftigten in <strong>Leiharbeit</strong> schon am nächsten Tag<br />

die Kündigung. Die Fluktuation in der <strong>Leiharbeit</strong>sbranche ist daher enorm:<br />

Im ersten Halbjahr 2007 wurden 520.000 <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen eingestellt und<br />

zugleich 470.000 wieder entlassen. 55 Prozent der <strong>Leiharbeit</strong>sverträge<br />

endeten bereits nach weniger als drei Monaten.


Die Mär, dass <strong>Leiharbeit</strong> für viele Arbeitslose den ersten Schritt zur Festan­<br />

stellung darstellt, stimmt nur in den allerwenigsten Fällen. Den Sprung in ein<br />

reguläres Beschäftigungsverhältnis schafft nur jede siebte <strong>Leiharbeit</strong>skraft.<br />

Quelle: Marktforschung Lünendonk<br />

Märkte, Macher, Machenschaften


22<br />

Spiele ohne Grenzen<br />

Die Milliardenumsätze der <strong>Leiharbeit</strong>sriesen<br />

Die internationalen Konzerne, die in Deutschland den <strong>Leiharbeit</strong>s-<br />

markt dominieren, haben ihre Gewinne deutlich steigern können.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> lohnt sich - zumindest für diejenigen, die damit richtig Geld<br />

verdienen. Die Großen der Branche heißen Adecco, Randstad und Manpower -<br />

internationale Konzerne, die sich in den vergangenen Jahren über prächtige<br />

Gewinne freuen durften. 735 Millionen Euro verdiente Adecco, das weltgrößte<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen, im Jahr 2007 (Steigerung um 20 Prozent). Randstad<br />

machte Gewinne von 385 Millionen Euro (plus sieben Prozent) und Manpower<br />

steigerte seinen Jahresüberschuss um 22 Prozent auf umgerechnet rund<br />

310 Millionen Euro. Das heißt: Allein die drei großen Firmen verdienten am Ge­<br />

schäft mit der <strong>Leiharbeit</strong> 1,43 Milliarden Euro. Der deutsche Markt hat daran<br />

einen erheblichen Anteil: Bis zu 18 Prozent ihrer Umsätze erwirtschaften die<br />

großen <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen hierzulande.<br />

Billig einkaufen, teuer verkaufen<br />

GEWINNMARGEN Ihre Gewinne machen die <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen nach dem Prinzip: Billig ein­<br />

kaufen, teuer verkaufen. Von den Unternehmen, an die sie Mitarbeiter/-innen<br />

verleihen, verlangen sie in der Regel das Zwei- bis Zweieinhalbfache dessen,<br />

was sie dem <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten an Lohn bezahlen. Nach Abzug von<br />

Sozialabgaben und Verwaltungskosten bleiben den Verleihfirmen pro Leihar-<br />

beiter/-in und Arbeitsstunde rund 50 Cent Gewinn. Beim Verleih von Fach-<br />

arbeitern/-innen beträgt die Gewinnspanne sogar mehrere Euro pro Stunde.


Die fünfzehn größten<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sfirmen in Deutschland (2007)<br />

Name<br />

1 Randstad Deutschland GmbH & Co. KG<br />

2 Manpower GmbH & Co. KG<br />

3 Adecco Personaldienstleistungen GmbH<br />

4 Persona Service Verwaltungs AG & Co. KG<br />

5 Tuja Zeitarbeit Holding GmbH, Ingolstadt<br />

6 DIS Deutscher Industrie Service AG<br />

7 Hays AG<br />

8 Orizon GmbH<br />

9 TimePartner Holding GmbH<br />

10 ZAG Zeitarbeits-Gesellschaft GmbH<br />

11 I.K. Hofmann GmbH<br />

12 AutoVision GmbH<br />

13 Trenkwalder Holding AG<br />

H Allgeier Dienstleistungs GmbH<br />

15 Tempton GmbH<br />

Quelle: Marktforschung Lünendonk<br />

Wachstum dank Deregulierung<br />

•1 Umsatz (in Mio. Euro)<br />

•1 Beschäftigte<br />

• • • • • • • 580,0<br />

• • • • • • • 579,6<br />

• • • • • • • 5 7 3 . 0<br />

«MMt> 17.500<br />

• • • • • 4 6 2 . 0<br />

• • • • • • • 17.700<br />

• • • • • 446,2<br />

••••8.995<br />

H B 335,0<br />

• • • 7.000<br />

• • • • 307,1<br />

••••9.053<br />

• • • 265,0<br />

••16.400<br />

•••261,0<br />

• • • • 1 1 . 0 0 0<br />

•••259,0<br />

««MM 10.770<br />

• • • 239,00<br />

••5.730<br />

••1202,5<br />

•••7.335<br />

••1 200,0<br />

•••8.000<br />

• • J 187,0<br />

••5.500<br />

Die internationalen <strong>Leiharbeit</strong>sriesen beherrschen auch in Deutschland<br />

den Markt. Im vergangenen Jahr nahmen die drei Unternehmen zusammen<br />

mehr als zweieinhalb Milliarden Euro ein - mehr als doppelt so viel wie<br />

noch im Jahr 2004. Die Liberalisierung des Marktes in Deutschland war für<br />

die großen Konzerne der Startschuss für ihr enormes Wachstum: Mit fast<br />

60.000 Mitarbeitern/-innen beschäftigt Randstad dreimal so viele Leiharbei­<br />

terinnen und <strong>Leiharbeit</strong>ern wie noch 2003. Adecco und Manpower haben<br />

ihre Beschäftigtenzahl in dieser Zeit mehr als verdoppelt und liegen mittler­<br />

weile bei jeweils rund 25.000 <strong>Leiharbeit</strong>skräften.<br />

Märkte, Macher, Machenschaften


24<br />

KONZENTRATION Das enorme Wachstum der Branchenriesen ist zu einem großen Teil auf<br />

Übernahmen zurückzuführen: Die internationalen Konzerne kauften in den<br />

vergangenen Jahren alles, was ihnen unter die Finger kam. Für 800 Millio­<br />

nen Dollar übernahm Adecco das Ingolstädter Unternehmen Tuja, das sich vor<br />

allem auf den Verleih von Facharbeitern/-innen an die Automobilbranche<br />

spezialisiert hat. Das brachte dem Schweizer Weltmarktführer in Deutschland<br />

einen kräftigen Sprung von neun auf dreizehn Prozent Marktanteil. Bereits<br />

ein Jahr zuvor kaufte Adecco für 550 Millionen Euro den Ingenieurdienstleis­<br />

ter DIS AG. Die Konkurrenz steht dem in Nichts nach: Randstad kaufte 2006<br />

die Bindan-Gruppe, das älteste <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen Deutschlands.<br />

Im Mai 2008 wurde Randstad für einen Kaufpreis von 3,3 Milliarden Euro auch<br />

Mehrheitsaktionär der niederländischen <strong>Leiharbeit</strong>sfirma Vedior, die auch in<br />

Deutschland aktiv ist und hier zuletzt über 130 Millionen Euro Umsatz machte.<br />

Der deutsche Verleiher-Markt ist mit insgesamt 14.400 Unternehmen im<br />

internationalen Vergleich allerdings nach wie vor stark zersplittert. Marktfor­<br />

scher erwarten daher eine weitere Konzentration an der Spitze: „Derzeit<br />

spricht vieles für verstärkte strategische Übernahmen der führenden euro­<br />

päischen und internationalen Zeitarbeitsunternehmen", heißt es in einer<br />

Studie des Marktforschungsinstituts Lünendonk.<br />

Töchter im Verleihgeschäft<br />

Zu den Marktführern der Branche gehören neben Adecco und Co. mittler­<br />

weile auch die Tochter-Gesellschaften großer deutscher Unternehmen,<br />

die ihre Beschäftigten innerhalb und außerhalb des Konzerns verleihen.<br />

Große deutsche Unternehmen gliederten in den vergangenen Jahren Tau­<br />

sende von Mitarbeitern/-innen in solche Tochterunternehmen aus. Die<br />

Betroffenen arbeiten in vielen Fällen an gleicher Stelle als <strong>Leiharbeit</strong>skräfte<br />

VIVENTO weiter - oft zu deutlich schlechteren Konditionen. Bei „Vivento", dem<br />

Mitarbeiterverleih der Deutschen Telekom, arbeiten zurzeit rund 8.000 Be­<br />

schäftigte, die nach den Worten von Konzernchef Obermann im Unter­<br />

nehmen „auf Dauer keine Beschäftigungsperspektive hatten". Über „DB<br />

Zeitarbeit" sind rund 3.000 <strong>Leiharbeit</strong>skräfte großteils im Deutsche<br />

Bahn-Konzern beschäftigt.


Märkte, Macher, Machenschaften 25<br />

Ein anderes Modell verfolgt der Volkswagen-Konzern: Seine <strong>Leiharbeit</strong>s- AUTOVISION<br />

tochter AutoVision erzielt mit 7.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von<br />

280 Millionen Euro und ist damit der zwölftgrößte Anbieter der Personal­<br />

dienstleistungsbranche. Autovision ist neben der WOB AG (die je zur Hälfte<br />

VW und der Stadt Wolfsburg gehört) eine Art Personaldrehscheibe. Sie sorgt<br />

dafür, dass in den ostdeutschen VW-Werken so viel Personal eingesetzt<br />

werden kann wie dort jeweils benötigt wird, und verleiht auch an Betriebe<br />

außerhalb des VW-Konzerns. Die Mitbestimmung zu umgehen war - im<br />

Gegensatz zu vielen anderen <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen - keine Motivation, Autovision<br />

zu gründen: Der VW-Verleiher ist voll in die Betriebsrats-Strukturen des<br />

Autobauers einbezogen.


Betriebsrat? Fehlanzeige.<br />

Keine betriebliche Mitbestimmung<br />

bei kleinen <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen<br />

Mehr als die Hälfte der <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen hat weniger als<br />

40 Mitarbeiterinnen. Arbeitnehmerrechte durchzusetzen fällt in diesen<br />

Betrieben oft besonders schwer.<br />

Wie sie Harald Elter loswerden wollten, war fast schon kriminell. Der 52-jäh­<br />

rige hatte sich auf dem Weg zu einem Einsatz für seine <strong>Leiharbeit</strong>sfirma<br />

verletzt. Während er im Krankenhaus lag, schickte ihm sein Arbeitgeber einen<br />

Aufhebungsvertrag für seine Stelle als <strong>Leiharbeit</strong>er. Unterzeichnet war das<br />

Dokument nicht nur von seinem Chef, es trug auch die vermeintliche Unter­<br />

schrift von Harald Elter. „Ich wusste aber genau, dass ich das niemals unter­<br />

Märkte, Macher, Machenschaften 27<br />

schrieben hatte", sagt Elter. „Außerdem war der Vertrag auf einen Tag datiert, FÄLSCHUNG<br />

an dem ich bereits im Krankenhaus lag." Weil Harald Elter wegen seiner<br />

Verletzung für längere Zeit ausfiel, wollte ihn die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma möglichst<br />

schnell loswerden. Die Unterschrift unter seiner Kündigung war eine Fäl­<br />

schung. Erst Monate nach seiner Kündigung wurde das auch vor Gericht<br />

festgestellt. „In der Zwischenzeit gab es niemanden, der mir helfen konnte",<br />

sagt Harald Elter. „Einen Betriebsrat gab es bei uns schließlich nicht."<br />

Kein Betriebsrat weit und breit<br />

Mehr als 14.000 Unternehmen verdienen in Deutschland ihr Geld mit Leih­<br />

arbeit. Der Großteil davon sind kleine und mittelständische Unternehmen.<br />

Hier ist es für <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er oft besonders schwer,<br />

ihre Rechte durchzusetzen. Denn Betriebsräte, die helfen können, gibt es in<br />

vielen Fällen nicht. Abgesehen von den wenigen großen Unternehmen ist<br />

betriebliche Mitbestimmung in der Branche nach wie vor eine Seltenheit. Das<br />

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) versuchte im Jahr 2006<br />

Betriebsräte in kleinen und mittleren <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen ausfindig<br />

zu machen. Trotz intensiver Suche konnte das IAB keinen einzigen finden.


Wachsam, wenn es darum geht, Betriebsratswahlen zu unterdrücken<br />

Der Anteil der kleinen und mittleren Verleihbetriebe am <strong>Leiharbeit</strong>smarkt ist<br />

groß: Über 80 Prozent der <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen beschäftigen weniger<br />

als 100 Mitarbeiterinnen. Mehr als die Hälfte aller Verleihbetriebe hat sogar<br />

weniger als 40 Beschäftigte. Sich zu organisieren fällt unter solchen Umstän­<br />

den besonders schwer: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden meist<br />

in unterschiedlichen Betrieben eingesetzt, was dazu führt, dass viele Leihar-<br />

beitsbeschäftigte ihre Kollegen gar nicht kennen. Außerdem gilt: Je kleiner<br />

der Verleihbetrieb ist, umso wachsamer sind die Augen des Chefs, wenn es<br />

darum geht, Betriebsratswahlen zu unterdrücken.<br />

So war es auch bei Timo W.* Er arbeitete für ein mittelständisches Leihar­<br />

beitsunternehmen in Nordrhein-Westfalen und war als Staplerfahrer bei<br />

einem Automobilzulieferer eingesetzt. Mit seinem Arbeitgeber wäre er ganz<br />

zufrieden gewesen, hätte es da nicht die vielen Unregelmäßigkeiten bei den<br />

Abrechnungen gegeben. Mal wurde vergessen die Überstunden zu bezahlen,<br />

mal fehlten die Zuschläge für Einsätze am Wochenende. Die Fehler auf dem<br />

Gehaltszettel kamen so häufig vor, dass es fast schon nach Absicht aussah.<br />

Dagegen wollte Timo W. etwas tun. „Auch wenn es nur um einen Euro geht:<br />

Das ist mein Euro, den habe ich verdient."<br />

Kündigung statt Betriebsrat<br />

Zusammen mit mehreren Kollegen wollte W. den ersten Betriebsrat<br />

in der Geschichte seiner Verleihfirma gründen, um das Problem mit den<br />

falschen Abrechnungen zu beseitigen. Die Vorbereitungen zur Betriebsrats­<br />

wahl waren bereits weit fortgeschritten, doch mit einem Schlag wurde der<br />

Plan vernichtet: Mitte April wurde W. gekündigt. Und nicht nur ihm. Alle<br />

Beteiligten an der Betriebsratswahl mussten gehen. Offiziell hieß es, es gäbe<br />

zu wenige Aufträge. W. ist sich aber sicher: Die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma wollte so<br />

lediglich verhindern, dass ein unbequemer Betriebsrat zustande kommt. Ob<br />

die Kündigung rechtmäßig war, werden nun die Gerichte entscheiden.<br />

Löhne von unter sechs Euro die Stunde keine Seltenheit<br />

Ein Problem ist für viele Beschäftigte kleiner <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen nicht nur<br />

der fehlende Betriebsrat, sondern auch die schlechte Bezahlung: Der Arbeit­<br />

geberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) vertritt nach<br />

eigenen Angaben rund 1.100 kleine und mittelständische <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen.<br />

Der Verband vereinbarte die niedrigsten Tarifverträge der Branche mit<br />

den so genannten „christlichen Gewerkschaften". So kamen Löhne von unter<br />

sechs Euro pro Stunde zustande.


Es geht auch anders<br />

Doch unter den kleinen <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen finden sich nicht nur<br />

Ausbeuter, die Dumping-Löhne bezahlen. <strong>Leiharbeit</strong> kann auch im Sinne der<br />

Unternehmen eingesetzt werden und trotzdem die Rechte der Arbeitneh-<br />

Märkte, Macher, Machenschaften<br />

mer/-innen wahren. Die Kooperationsinitiative Maschinenbau in Braunschweig KOOPERATIONS-<br />

ist so ein Beispiel. Hier haben sich 22 mittelständische Unternehmen zusam- INITIATIVE<br />

R<br />

mengeschlossen und verleihen sich gegenseitig ihre Mitarbeiterinnen und Mit­<br />

arbeiter. Wenn in einer der Mitgliedsfirmen Not am Mann ist, helfen die an­<br />

deren mit ihrem Personal aus. Bei der schlechten Auftragslage vor einigen Jah­<br />

ren gelang es so, Arbeitsplätze zu erhalten. Heute gibt es wieder viel zu tun<br />

und die Gemeinschaft hilft, wenn Fachkräfte fehlen. Selbstverständlich dürfen<br />

die Beschäftigten bei jedem Einsatz selbst entscheiden, ob sie wirklich ver­<br />

liehen werden möchten. Und bezahlt werden die Ausgeliehenen der Braun­<br />

schweiger <strong>Initiative</strong> nicht wie Beschäftigte zweiter Klasse, sondern so wie alle<br />

anderen auch.<br />

*Name geändert<br />

MASCHINENBAU


Tatort „Marienhof"<br />

Die Macht der Lobbyisten<br />

Jenny freut sich: „Ich habe einen Job!", ruft sie. „Bei dieser <strong>Leiharbeit</strong>s-<br />

firma?", fragt ihr Freund Matthias. „Nicht nur einen Job!", strahlt Jenny,<br />

„eine richtig feste Anstellung!" Was dann folgt, ist ein Jubelgesang über<br />

flexible Arbeitszeiten, Sozialversicherung, Urlaubsgeld und 13. Monatsge- Als I<br />

halt, und überhaupt, über die Abwechslung in einer solchen Anstellung. Da i;<br />

<strong>Leiharbeit</strong>, da ist sich Jenny sicher, ist eine tolle Sache: „Durch die unter- ihn r<br />

schiedlichen Einsätze ist Abwechslung garantiert." Radi<br />

Sein<br />

58.670 Euro für acht Folgen Jubel über <strong>Leiharbeit</strong> men<br />

Jenny und Matthias sind Figuren in der ARD-Vorabendserie Marienhof. Doch dam<br />

mit unverfänglichem Soap-Geplapper hatte deren Folge 1938 nichts zu tun. kabi<br />

Denn die Dialoge sind im Auftrag der „<strong>Initiative</strong> Neue Soziale Marktwirtschaft' unte<br />

(INSM) entstanden. Nur durch ihr Geld haben sie den Weg ins Drehbuch und tiker<br />

auf die Bildschirme geschafft. Die INSM ist eine Lobbyorganisation des Arbeit mit 5<br />

geberverbandes Gesamtmetall. Seit Jahren kämpft sie gegen Kündigungs- Euro<br />

schütz und soziale Sicherung, und versucht dabei gezielt, die Grenzen zwi­<br />

schen Journalismus und PR zu verwischen. Die INSM hat der Produktionsfirma Wie <<br />

von „Marienhof" 58.670 Euro gezahlt, damit Jenny und die anderen acht sein«<br />

Folgen lang über <strong>Leiharbeit</strong> und andere angebliche Segnungen eines „flexib- über<br />

leren" Arbeitsmarktes jubeln. Prob<br />

Arbe<br />

Die Schleichwerbung im Marienhof ist nur ein besonders Aufsehen erregen- uns i<br />

des Beispiel für die Lobbyarbeit der <strong>Leiharbeit</strong>s-Verfechter. Ob Politiker<br />

in Aufsichtsräten oder große Aktionen in den Medien: Immer wieder gelingt Polit<br />

es den <strong>Leiharbeit</strong>s-Lobbyisten, Politiker und Medien für ihre Zwecke ein- Ein a<br />

zuspannen. hafte<br />

sider<br />

Gere<br />

Gast<br />

scha


Als Dankeschön ein Aufsichtsratsposten<br />

„Marienhof":<br />

Geld für's Drehbuch<br />

Da ist zum Beispiel „Mr. <strong>Leiharbeit</strong>" Wolfgang Clement, wie der „Stern"<br />

ihn nannte. Der ehemalige Wirtschafts- und Arbeitsminister war es, der die<br />

Radikalreform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes durchdrückte.<br />

Sein Gesetz entsprach fast eins zu eins den Forderungen der <strong>Leiharbeit</strong>sfir-<br />

men. Adecco, die größte dieser Firmen, hat nicht vergessen, was Clement<br />

damals für sie getan hat. Nach dem Ausscheiden Clements aus dem Bundes­<br />

kabinett gab es für ihn erst einen Aufsichtsratsposten in einem Tochter­<br />

unternehmen, dann ein ganzes Institut: Seit Oktober 2006 ist der SPD-Poli­<br />

tiker Vorsitzender des „Adecco Institute zur Erforschung der Arbeit", das<br />

mit Studien „einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung<br />

Europas leisten möchte", wie Clement großspurig verkündete.<br />

Wie diese gesellschaftliche Entwicklung nach Meinung von Clement und<br />

seinem Geldgeber auszusehen hat, zeigte sich dann schnell: Das Institut klagt<br />

über zu wenig gut ausgebildeten Nachwuchs, weshalb die Unternehmen vor<br />

Problemen stünden. Für Clement ist außerdem klar, „dass der Faktor private<br />

Arbeitsvermittlung in fast allen europäischen Ländern, aber nicht zuletzt bei<br />

uns in Deutschland, erheblich an Bedeutung gewinnen muss".<br />

Politiker gegen Mindestlohn<br />

Ein anderer Politiker, der zwar noch im Amt ist, aber trotzdem ein zweifel­<br />

haftes Verhältnis zur <strong>Leiharbeit</strong>sbranche pflegt, ist der hessische Ministerprä­<br />

sident Roland Koch. Der CÜU-Spitzenpolitiker ist nicht nur bekannt für sein<br />

Gerede vom „Lebensstil Sozialhilfe", sondern öfters auch mal bei der INSM zu<br />

Gast. Koch pflegt obendrein ein gutes Verhältnis zu der Dumpinglohn-Gewerk­<br />

schaft CGM. Auf deren Bundeskongress in Frankfurt hat er im Oktober 2007<br />

ein Grußwort gesprochen.<br />

Märkte, Macher, Machenschaften 31<br />

NACHWUCHS<br />

MINDESTLÖHNE


Die CGM habe sich „in der Politik durch ihr konstruktives Verhalten als<br />

verlässlicher Sozialpartner einen Namen gemacht", lobte Koch und wurde<br />

dafür von den versammelten CGMIern mit Applaus bedacht. Koch lehnt -<br />

ebenso heftig wie die „christlichen Gewerkschaften" - einen gesetzlichen<br />

Mindestlohn für die <strong>Leiharbeit</strong>sbranche ab.<br />

Koch ist nicht der einzige CDU-Ministerpräsident, der auf einem CGM-Bundes-<br />

kongress sprach. Auch der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus trat<br />

dort auf. Und ein dritter CDU-Landesvater wurde aktiv, als im April 2008 der<br />

CGM-Vorsitzende Reinhardt Schiller als „herausragender baden-württember­<br />

gischer Gewerkschafter" mit der Landesmedaille von Baden-Württemberg<br />

ausgezeichnet wurde: Er erhielt sie von Ministerpräsident Günther Oettinger.<br />

Auch die Medien mischen mit<br />

Doch nicht nur Politikerinnen und Politiker tun sich gerne mal mit der Leih­<br />

arbeitsbranche zusammen. Auch die vierte Macht im Staate ist dabei. Ganz<br />

vorn: „Bild". Deren Online-Portal hatte gemeinsam mit Randstad im Früh­<br />

jahr 2007 die Kampagne „2007 Jobs für Deutschland" ausgerufen. Unter dem<br />

Slogan „Die schnellsten Jobs Deutschlands" versprachen das Boulevard-Blatt<br />

und der <strong>Leiharbeit</strong>s-Riese, innerhalb von sechs Wochen 2007 Jobs zu vermit­<br />

teln. Was aus den Teilnehmern/-innen geworden ist, wie viele von Ihnen<br />

wirklich in einen dauerhaften Job gekommen sind, darüber findet man auf<br />

„www.bild.de" nichts.<br />

job@city Und dann gibt es da noch „Job@City". Das ist ein Gratismagazin, das seit<br />

JO<br />

Arbeit • Bei<br />

Mogozin für Arbeitgeber, Arbeih<br />

| Blickfeld Beruf<br />

: Fi<br />

I<br />

September 2007 vor allem im Kölner Raum, mittlerweile aber auch in Halle<br />

und anderen Städten, in Kneipen und Fastfood-Ketten ausliegt. Die Auf­<br />

lage liegt bei über 80.000 Exemplaren und soll weiter steigen.<br />

ity<br />

erspektiven<br />

.rbeitsucnende und Existenzgrunder<br />

Branche reinigt Image / Bewerber mangel spürbar •Bä^^^.<br />

B O O M Zeitarbeit HB<br />

G«winnipie( • ' i ... | JOB-Horn »kop<br />

T00 r-Euro od*r Burti jK" "SV --- Wir wrjtn fcrnrm. wirf,<br />

ran Coorh IKmi (tttUj '- J/' 9W*


Es nennt sich selbst „Verbrauchermagazin" und macht mit Texten über<br />

EC-Karten-Betrug oder die besten Spar-Tricks auf. Auf den ersten Blick hat<br />

das mit Stimmungsmache nichts zu tun. Doch auf den zweiten Blick fällt<br />

auf, wie umfangreich und durchgehend positiv die Berichterstattung über<br />

<strong>Leiharbeit</strong> in dem Magazin ausfällt. Schon in der zweiten Ausgabe im Oktober<br />

2007 jubelte die Titelgeschichte über den „Boom Zeitarbeit" und zeigte<br />

großes Verständnis, „dass sie anhand des momentanen Erfolges als Segen<br />

betrachtet wird".<br />

*<br />

Direkt im ersten Teil der Serie übernahm die Redaktion wörtlich die Defini­<br />

tion des Arbeitgeberverbandes BZA für <strong>Leiharbeit</strong>. Darin heißt es unter<br />

anderem: „Zeitarbeitsunternehmen sind Arbeitgeber wie andere Arbeitgeber<br />

auch." - Dass sie bei gleicher Arbeit meist deutlich schlechter bezahlen,<br />

erwähnt „Job@City" nicht.<br />

Lobbyarbeit, getarnt als journalistische Naivität<br />

In ähnlicher Manier geht es weiter: Da ist zum Beispiel ein Interview mit<br />

dem BZA-Hauptgeschäftsführer Ludger Hinsen in der Mai-Ausgabe, das im<br />

Editorial so angekündigt wird: „Im Bundesverband für Zeitarbeit will er<br />

für gerechtere Bedingungen am ,Motor der Beschäftigung' sorgen. Sein fröh­<br />

liches Gesicht lässt es mich glauben." Auf den ersten Blick könnte man das<br />

als journalistische Naivität abtun. Doch auf den zweiten Blick wird die Sache<br />

Märkte, Macher, Machenschaften 33<br />

kritischer: „Job@City" wird gemacht von der „Jobkontakt GmbH". Die nennt JOBKONTAKT GMBH<br />

sich selbst „Dienstleister zur Optimierung der Vermittlungsprozesse in eine<br />

sozialversicherungspflichtige Beschäftigung." Das passt nicht so recht zum<br />

Herausgeber eines „Verbrauchermagazins". Jörg Prüfer, Chef der Jobkontakt<br />

GmbH, ist selbst öfters mal zu Gast auf Kongressen des Arbeitgeberver­<br />

bandes iGZ und hat für das „AUG Netzwerk Kompetente Personallogistik",<br />

einen weiteren Interessenverband von Firmen aus der <strong>Leiharbeit</strong>sbranche,<br />

ein „Bewerbermanagementsystem" konzipiert.<br />

Rüge vom Deutschen Rat für Public Relations<br />

Im „Marienhof" hatte das persönliche Bewerbungsmanagement von Jenny<br />

natürlich ein Happy End: Sie wurde rund 40 Folgen später in eine Festanstel­<br />

lung übernommen. Eher lange Gesichter gab es dagegen bei der INSM:<br />

Die Arbeitgeberlobby kassierte für ihre Schleichwerbung eine öffentliche<br />

Rüge vom Deutschen Rat für Public Relations.


34<br />

EIRO<br />

<strong>Leiharbeit</strong> im europäischen Vergleich<br />

Unterschiedliche Rechtssysteme erschweren<br />

europaweite Umsetzung von „Equal treatment"<br />

Leiha. beiteiV-innen und Festangestellte sollen die gleichen Rechte<br />

haben - so lautet die europaweite Forderung. Doch unterschiedliche Rechts­<br />

systeme machen die Umsetzung schwierig. Rund acht Millionen Menschen<br />

sind in der Europäischen Union (EU) als <strong>Leiharbeit</strong>skraft beschäftigt. Die<br />

meisten verdienen trotz gleicher Arbeit oft deutlich weniger Geld als ihre<br />

Kollegen, haben kaum soziale Sicherheiten und bekommen weniger Urlaub.<br />

Gerade Deutschland ist beim Schutz der Beschäftigten in <strong>Leiharbeit</strong> alles<br />

andere als ein europäischer Musterknabe.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> in Europa - das ist ein Dauerthema, das sich seit fast einem Jahr­<br />

zehnt hinzieht. Schon 1999 wies das European Relations Industrial Observato-<br />

ry (EIRO) auf die schlechten Bedingungen der <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen in den da­<br />

mals 15 EU-Ländern hin. Und seit 2002 wird versucht, einen Gesetzesvorschlag<br />

für eine Rahmenregelung der <strong>Leiharbeit</strong> zu verabschieden. Die zentrale Forde­<br />

rung: Festangestellte und <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigte sollen gleich behandelt<br />

werden.<br />

Unterschiedliche Rechtssysteme erschweren Vereinheitlichung<br />

Die Schwierigkeit, zu einheitlichen Regeln zu kommen, liegt unter anderem<br />

in den unterschiedlichen Rechtssystemen - dem EIRO zufolge „vor allem<br />

an der Dreiecks-Beziehung des Vertrags zwischen Verleihfirmen, Entleihern<br />

und Angestellten". Das mache die Aufgabe „sehr komplex".<br />

Auch die Arbeitsmarktsysteme in den EU-Mitgliedsländern sind völlig un­<br />

terschiedlich. Beispiel Dänemark: Dort sind Flexibilität und Schutz von<br />

Beschäftigten ganz anders austariert als in Deutschland. Die Dänen kennen<br />

auf der einen Seite fast keinen gesetzlichen Kündigungsschutz. Doch für<br />

immerhin 60 bis 70 Prozent der dänischen Beschäftigten ist er über Tarifver­<br />

träge geregelt, und Arbeitslose bekommen dort eine deutlich höhere<br />

Unterstützung als in Deutschland. Bei den Dänen ist <strong>Leiharbeit</strong> nicht ein­<br />

mal als separate Beschäftigungsform gesetzlich definiert.


Ein früheres Gesetz wurde abgeschafft und die Regelung der Tarifpolitik über­<br />

lassen - gleiche Bezahlung gilt als Selbstverständlichkeit. Nächste Schwie­<br />

rigkeit: In Ländern wie Irland, Griechenland, Norwegen, Portugal und Großbri­<br />

tannien gibt es keinen Flächentarifvertrag, sondern lediglich Firmenabkom­<br />

men. Wenn also gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit gelten soll, woran soll<br />

man sich orientieren?<br />

Märkte, Macher, Machenschaften<br />

Einer Studie der European Foundation for the Improvement of Living and EUROFOUND<br />

Working Conditions (Eurofound) von 2006 zufolge werden <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

grundsätzlich definiert als „Beschäftigte einer Zeitagentur, die aber unter der<br />

Weisungsbefugnis der Entleihfirma arbeiten". Nur in Irland ist die Situation<br />

einzigartig: dort gilt eine <strong>Leiharbeit</strong>skraft als Angestellte/-r der Entleihfirma.<br />

Dort gibt es - ebenso wie in Großbritannien - keinerlei Vorgaben, wie genau<br />

ein Arbeitsvertrag von <strong>Leiharbeit</strong>skräften aussehen soll.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> in der erweiterten Europäischen Union<br />

Gesetzliche Regulierung der <strong>Leiharbeit</strong><br />

in den EU15 und Norwegen<br />

Land<br />

Belgien<br />

Equal<br />

Treatment<br />

Grund des<br />

Einsatzes<br />

Zeitliche<br />

Begrenzung<br />

Beschäftigungsmöglich­<br />

keit eingeschränkt<br />

Portugal X X X X<br />

Frankreich X X X X<br />

Spanien X X - X<br />

Luxemburg X X X -<br />

Griechenland X - X -<br />

Deutschland X - - •<br />

Italien X X - -<br />

Österreich, Finnland,<br />

Niederlande<br />

X — -<br />

Norwegen - X -<br />

Großbritannien, Däne- -<br />

mark, Schweden, Irland<br />

Quelle: http://www.eurofound.europa.eu/<br />

European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions 2005


In den meisten EU-Ländern brauchen <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen eine Lizenz, um<br />

tätig zu sein. In einigen Ländern wie Frankreich oder Luxemburg müssen die<br />

Firmen gar regelmäßig bei den Behörden Bericht erstatten. Norwegen und<br />

Schweden haben dagegen keine Lizenzvereinbarungen. Finnland, die Nieder­<br />

lande und Großbritannien haben ihre Lizenzvorschriften Mitte der 1990er<br />

Jahre abgeschafft.<br />

Regelungen zum Einsatz von Beschäftigten in <strong>Leiharbeit</strong><br />

Strenge Regeln gelten in vielen europäischen Ländern auch für den Einsatz<br />

von <strong>Leiharbeit</strong>skräften. In Belgien dürfen sie nur unter drei Umständen ein­<br />

gesetzt werden: um eine/-n Stammarbeiter/-in zeitweilig zu ersetzen, wenn<br />

die Firma die anfallende Arbeit sonst nicht schaffen würde und für ungewöhn­<br />

liche Arbeit. Wie lange Verliehene dort eingesetzt werden dürfen, hängt auch<br />

davon ab, ob die Gewerkschaft zustimmt. Auch in Portugal dürfen Leiharbei­<br />

terinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er nur eingesetzt werden, um die Belegschaft zu<br />

unterstützen, um abwesende Mitarbeiter/-innen zu ersetzen, für Saisonarbeit<br />

oder um eine kurzzeitig aufgetretene Lücke in der Belegschaft zu füllen.<br />

Grundsätzlich sollte eine <strong>Leiharbeit</strong>skraft dort nicht länger als sechs Monate<br />

eingesetzt werden, der Einsatz kann auch nur auf maximal zwei Jahre verlän­<br />

gert werden.<br />

In Luxemburg darf ein <strong>Leiharbeit</strong>sverhältnis maximal 12 Monate andauern<br />

und kann auch nur bis zu zwei Mal verlängert werden. Alles was darüber hin­<br />

ausgeht, gilt als unbefristeter Vertrag. In Frankreich dürfen <strong>Leiharbeit</strong>skräf­<br />

te Festangestellte nur kurzzeitig ersetzen oder eine Stelle einnehmen, so­<br />

lange hierfür noch keine Stammbeschäftigten gefunden sind. Erst 2005 hat<br />

die französische Regierung zwei weitere Gründe eingeführt: Erstens, um<br />

älteren, behinderten oder gering qualifizierten Arbeitslosen den Wiederein­<br />

stieg ins Berufsleben zu erleichtern und zweitens, um berufliche Ausbil­<br />

dung zu ermöglichen.<br />

Frankreich und die Niederlande belohnen <strong>Leiharbeit</strong>er mit extra Prämien<br />

In Deutschland wird <strong>Leiharbeit</strong> offen dazu genutzt, einen Niedriglohnsektor<br />

zu etablieren. Anders beispielsweise in Frankreich: Dort haben Zeitarbeits­<br />

kräfte nicht nur Anspruch auf den gleichen Lohn wie vergleichbare Stammbe­<br />

schäftigte, sondern sie erhalten zusätzlich sogar noch eine so genannte<br />

„Prekaritätsprämie" in Höhe von zehn Prozent. Auch in den Niederlanden wird<br />

<strong>Leiharbeit</strong> mit einem Flexibilitätszuschlag belohnt.


Märkte, Macher, Machenschaften<br />

Dass es europaweit jahrelang bei der Gleichbehandlung nicht weiterging, EU-RICHTLINIE<br />

lag vor allem an Großbritannien und Deutschland. Die Regierungen bei­<br />

der Länder sperrten sich gegen einheitliche Regelungen bei <strong>Leiharbeit</strong> und<br />

Arbeitszeit. Erst als die Briten sich bewegten, konnte sich der EU-Minister­<br />

rat im Juni 2008 auf einen Richtlinienentwurf einigen. Dieser Entwurf muss<br />

noch das Europäische Parlament passieren, bevor er gilt.<br />

Auf den ersten Blick scheint die EU-Richtline ein Durchbruch. Die „wesent­<br />

lichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der <strong>Leiharbeit</strong>nehmer<br />

entsprechen (...) mindestens denjenigen, die für sie gelten würden, wenn sie<br />

(...) unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären",<br />

soder Entwurf in Kapitel II, Artikel 1, Absatz 1. Die Einschränkung folgt jedoch<br />

bereits in Absatz 3. Dort wird den EU-Ländern die Möglichkeit eingeräumt,<br />

„Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, (...) welche von den in<br />

Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können." Für Deutschland<br />

bringe die Einigung somit „keinen Fortschritt", kritisiert Detlef Wetzet, Zweiter<br />

Vorsitzender der IG Metall.


I<br />

LEIHARBEIT-<br />

DIE SCHWARZE SEITE<br />

Der Skandal hat Methode<br />

Gleichen Lohn für gleiche Arbeit: Nicht mehr und nicht weniger wünschen sich<br />

die rund 700.000 Menschen, die in Deutschland als <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen tätig<br />

sind. Wie ihre Realität aussieht, davon berichtet dieser Statusreport.


„Nun stellen Sie sich mal nicht so an"<br />

Leidensweg eines <strong>Leiharbeit</strong>ers<br />

Dass er einmal froh darüber sein würde, seinen Job zu verlieren, hätte<br />

Joachim Backes auch nicht gedacht. Er wollte ja arbeiten, er wollte sich<br />

seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. „Aber nicht so", sagt er. Und<br />

damit meint Backes seine fast zweijährige Arbeit als <strong>Leiharbeit</strong>er für<br />

den Personaldienstleister Tremonia. Eine Zeit, von der der 49-jährige im<br />

Nachhinein sagt: „So etwas zu erleben, das wünsche ich niemandem."<br />

Begonnen hatte alles im Juni 2006. Joachim Backes, gelernter Kfz-Mecha-<br />

niker, war damals Hartz-IV-Empfänger und auf der Suche nach Arbeit. In der<br />

Zeitung entdeckte er eine Anzeige für eine Produktionshelfer-Stelle ganz in<br />

seiner Nähe, in der von übertariflicher Bezahlung die Rede war. Backes rief an.<br />

Wenige Tage später saß er in der Bonner Filiale des Personaldienstleisters<br />

Tremonia. Erst da wurde Backes klar, dass er sich auf eine <strong>Leiharbeit</strong>sstelle<br />

beworben hatte. In der Anzeige war davon keine Rede gewesen. Dann ging<br />

alles sehr schnell: Arbeitsbeginn sei quasi sofort, teilte man ihm mit, und<br />

wenn er den Vertrag nicht zügig unterschreibe, eine Bedenkzeit erbete oder<br />

gar ablehne, müsse man die zuständige ARGE eben davon unterrichten, dass<br />

er arbeitsunwillig sei. Backes war klar: Diese Meldung bei der ARGE-der<br />

Arbeitsgemeinschaft zwischen Kommune und Arbeitsagentur - hätte bedeu­<br />

tet, dass sein Hartz IV gekürzt oder gar gestrichen würde. Was blieb<br />

ihm übrig? Backes unterschrieb.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

Wenn er den Vertrag nicht zügig unterschreibe,<br />

eine Bedenkzeit erbete oder gar ablehne, müsse<br />

man die zuständige ARGE davon unterrichten,<br />

dass er arbeitsunwillig sei.<br />

In den ersten drei Monaten war er noch optimistisch. Die Firma, in der er<br />

arbeitete, gefiel ihm, „und ich war so fleißig, dass ich mir echte Hoffnungen<br />

auf eine Festanstellung gemacht habe", erinnert Backes sich.


Da nahm er manches hin, zum Beispiel bei der Arbeitskleidung: Selbst<br />

mitbringen war nicht erlaubt, Schuhe und Klamotten mussten bei der Firma<br />

geliehen werden und wurden vom Lohn abgezogen.<br />

Oder beim Entgelt: Erst am 20. des Folgemonats bekam Backes seinen Lohn<br />

von Tremonia ausgezahlt - der dann auch mehr als mickrig war: 6,15 Euro<br />

pro Stunde bekam er brutto. Tremonia zahlte nach dem Dumpinglohn-Tarifver­<br />

trag der „christlichen Gewerkschaften". Im ersten Monat arbeitete Backes<br />

120 Stunden - und hatte am Ende gerade mal 575 Euro auf dem Konto. Mit<br />

der übertariflichen Bezahlung, die ihm die Anzeige versprochen hatte, war es<br />

nicht weit her. Und auch von der Hoffnung auf eine feste Stelle musste<br />

Backes sich bald verabschieden - von einem Tag auf den anderen wurde er<br />

zu einer neuen Firma beordert.<br />

Im ersten Monat arbeitete Backes<br />

120 Stunden und hatte am Ende gerade<br />

mal S75 Euro auf dem Konto.<br />

Mittagspausen waren verboten, und auf die<br />

Toilette sollte man gefälligst zu Hause gehen.<br />

Dort waren die Bedingungen ungleich schlechter: Mittagspausen waren<br />

verboten, und auf die Toilette sollte man gefälligst zu Hause gehen. Auch die<br />

Kosten für die Fahrt zu dem weit entfernten Arbeitsplatz wurden nicht er­<br />

stattet. „Ich musste drei Monate lang das Haus um halb fünf Uhr morgens<br />

verlassen und war erst um 19 Uhr wieder da - und das bei einem Achtein-<br />

halb-Stunden-Tag!" erregt sich Backes noch heute.<br />

Wenn Backes mal wieder zu einer neuen Stelle geschickt werden sollte,<br />

dann ging dafür schon mal ein halber Tag drauf. Die Disponenten der Tremo-<br />

nia-Filiale in Bonn ließen ihn warten. Bezahlt wurde Backes dafür nicht -<br />

neue Stellenanweisungen galten als Privatzeit. Eine schriftliche Übersicht<br />

der Urlaubstage oder Überstunden gab es sowieso nicht.<br />

So ging es fast zwei Jahre. Manchmal beschwerte sich Backes. Zum Beispiel<br />

darüber, dass er, obwohl er kein Auto hat, zu weit entfernten Firmen beordert<br />

wurde, zu denen keine Busse oder Bahnen fuhren.


Er solle sich mal nicht so anstellen, sagten ihm dann die Tremonia-Ange-<br />

stellten, er könne doch mit dem Fahrrad fahren. Eigentlich hatte Joachim<br />

Backes gehofft, durch seinen Job wieder Anschluss zu bekommen - ein ganz<br />

normales Leben jenseits von Hartz IV führen zu können. Stattdessen muss-<br />

te er erfahren, wie die unberechenbaren Arbeitsbedingungen in der <strong>Leiharbeit</strong><br />

seinen Alltag zunehmend zerstörten: „Arzttermine zu machen war fast un­<br />

möglich", beschreibt er sein Dilemma. „Die Arbeitszeiten und -orte können<br />

sich ja von einem Tag auf den anderen ändern." Auch wurde von ihm ver­<br />

langt, seinen Urlaub zu unterbrechen, um ein paar Schichten abzureißen. Wer<br />

dazu nicht bereit war, kassierte eine Abmahnung.<br />

Bezahlt wurde er als Hilfsarbeiter,<br />

in der Praxis arbeitete Backes auch<br />

als Maschinenführer.<br />

Auch mit der Art seiner Arbeit nahm es Tremonia nicht so genau: Eingestellt<br />

und bezahlt wurde er als Hilfsarbeiter. In der Praxis arbeitete Backes als<br />

Maschinenführer, aber auch in der Maschinenwartung, in Schlossereien und<br />

beim Innenabriss von Gebäuden.<br />

Im März 2008 lief das Fass dann über, Joachim Backes konnte nicht mehr.<br />

An einem Freitagabend kam die E-Mail von Tremonia, er habe sich am Sonn­<br />

tagabend zur Spätschicht bei einem neuen Betrieb einzufinden. Doch dort­<br />

hin fuhr um die Zeit kein Bus mehr, und draußen schneite und regnete es.<br />

Backes hätte allein für den Hinweg über zehn Kilometer mit dem Fahrrad<br />

durch das unwirtliche Wetter strampeln müssen. Seine Herzklappe ist nicht<br />

mehr ganz gesund, er hatte Angst um seine Gesundheit. Er blieb zuhause.<br />

Am Montag war er seinen Job los, Tremonia hatte ihm gekündigt. Die Leihar-<br />

beits-Odyssee des Joachim Backes war beendet.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite 41


Der Fall Nokia<br />

Oder wie man mit <strong>Leiharbeit</strong><br />

den Kündigungsschutz aushebelt<br />

Eineinhalb Jahre hat Peter P.* beim Handyhersteller Nokia Mobiltelefone<br />

zusammengebaut. Nie war Nokia selbst sein Arbeitgeber. Immer war er<br />

ausgeliehen über <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen. Als das finnische Unternehmen Mitte<br />

Januar 2008 aus heiterem Himmel bekannt gab, das Bochumer Werk zu<br />

schließen und die Produktion nach Rumänien zu verlagern, stand Peter P.<br />

schon eine Woche später auf der Straße.<br />

Kurz zuvor hatte er die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma wechseln müssen. Bei der neuen<br />

war er wieder in der Probezeit - sie konnte ihn sofort entlassen. Ohne<br />

Anspruch auf eine Abfindung. Wie Hunderte seiner Kollegen, die bei Nokia<br />

als <strong>Leiharbeit</strong>er eingesetzt waren.<br />

Der Fall Nokia demonstriert eindrucksvoll, dass die Unternehmer nicht alle<br />

Motive nennen, warum sie <strong>Leiharbeit</strong> einsetzen: Abdeckung von Auftragsspit­<br />

zen, Sprungbrett in den Arbeitsmarkt - all das klingt nachvollziehbar und<br />

positiv, ist aber nur die halbe Wahrheit. Höchstens.<br />

Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis ist Nokia. Das Unternehmen ist durch dea'Einsatz von<br />

Zeitarbeitern in der Lage flexibel zu agieren und die Produktion schneller von Bochum nach<br />

Rumänien zu verlagern.<br />

Quelle: Hamburger<br />

— — T T - — - — - . —— — ——<br />

Fern-Hochschule (HFH),<br />

Studienbrief- Heft 4, 2008


Das belegt auch Schulungsmaterial, das in der <strong>Leiharbeit</strong>sbranche kursiert.<br />

So etwa ein „Studienbrief" der Hamburger Fern-Hochschule. Ihn verfassten<br />

Kerstin Hooß und Edgar Schröder, die als Berater der Zeitarbeitsbranche tätig<br />

sind. Heft 4 beschäftigt sich seitenlang mit der „Ökonomie von Personal­<br />

dienstleistungen".<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„ Kündigungsvorschriften beispielsweise<br />

beschränken die Flexibilität von Unternehmen,<br />

jedoch können diese durch die Einstellung<br />

von Zeitarbeitskräften umgangen werden."<br />

Ganz schnell kommen Hooß und Schröder auch zum Fall Nokia: „Das Unter­<br />

nehmen ist durch den Einsatz von Zeitarbeitern in der Lage, flexibel zu<br />

agieren und die Produktion schneller von Bochum nach Rumänien zu ver­<br />

lagern."<br />

Hooß und Schröder schreiben weiter: „Kündigungsvorschriften beispielswei­<br />

se beschränken die Flexibilität von Unternehmen, jedoch können diese durch<br />

die Einstellung von Zeitarbeitskräften umgangen werden." Das Autoren­<br />

team rühmt ausdrücklich die „Nutzung von Personaldienstleistungen zur Um­<br />

gehung gesetzlicher Arbeitsmarktvorschriften".<br />

Bei aller Marktgläubigkeit bricht die Moral sich zumindest in einem Halb­<br />

satz Bahn. <strong>Leiharbeit</strong> als Kündigungs-Beschleuniger - das sei zumindest ein<br />

„gesellschaftlich negativer Aspekt".<br />

* Name geändert


anvertrj<br />

Verleihfi<br />

geweser


„Hauptsache Arbeit"<br />

Einblicke in den Alltag eines <strong>Leiharbeit</strong>ers<br />

Die Festanstellung immer im Blick, nehmen <strong>Leiharbeit</strong>er häufig klaglos<br />

ungerechte Behandlung in Kauf. Eine wahre Geschichte:<br />

Carsten S.* arbeitet seit zwei Jahren bei einem kleinen Zeitarbeitsunterneh­<br />

men in der Nähe von Koblenz. Nach der Lehre als Anlagenmechaniker über­<br />

nahm ihn der mittelständische Ausbildungsbetrieb nicht, er wurde arbeitslos.<br />

Ich will arbeiten, sagte sich Carsten S. und heuerte bei der Zeitarbeitsfirma F.<br />

an. Sechs Tage die Woche arbeitet er bei einem Automobilzulieferer. Seite an<br />

Seite mit langjährigen Betriebsangehörigen. Er macht die gleiche Arbeit.<br />

„Manchmal auch mehr, denn ich bin jung und stark. Da helfe ich eben den<br />

älteren Kollegen", sagt Carsten S.<br />

Hauptsache Arbeit, sagte sich S. immer noch, als die Arbeitsbedingungen<br />

für ihn immer härter wurden. Vor einigen Wochen habe ihn sein Disponent an­<br />

gesprochen, ob er nicht an seinem freien Tag einen Auftrag übernehmen<br />

könne für einen Kollegen in einem anderen Entleihbetrieb. Carsten S. sagte ja.<br />

Doch als in der vergangenen Woche der Disponent wieder fragte, weigerte<br />

er sich. Seitdem hat ihn der Disponent auf dem Kieker. „Du willst Urlaub<br />

haben? Das muss ich mir aber genau überlegen", hat er ihm kürzlich gesagt.<br />

Selbst der Schichtleiter beschwichtigte.<br />

S. solle bloß nicht aufmucken. Denn in ein paar Wochen sind die Übernah­<br />

megespräche für die zehn <strong>Leiharbeit</strong>nehmer, denen das Entleihunternehmen<br />

einen unbefristeten Beschäftigungsvertrag anbieten will. Carsten S. ist<br />

einer von vielen, die raus wollen aus der Zeitarbeitsfirma. Deshalb schweigt<br />

er. Er hat überlegt, ob er sich dem Betriebsrat des Entleihunternehmens<br />

anvertrauen soll. Andere Ansprechpartner kennt er nicht, denn von Seiten der<br />

Verleihfirma ist er seit dem ersten Augenblick an auf sich allein gestellt<br />

gewesen.<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 45


Das fing damals an, als er morgens zum Vorstellungsgespräch gebeten<br />

wurde und schon am Nachmittag zum Arbeitseinsatz geschickt wurde. Ein<br />

anderer <strong>Leiharbeit</strong>nehmer hat ihn am Tor des Entleihunternehmens ab­<br />

geholt und ihm eine kurze Sicherheitsunterweisung gegeben. Für 7,40 Euro<br />

pro Stunde brutto arbeitet Carsten S. im Drei-Schicht-System sechs Tage<br />

in der Woche. Früher erhielt er fünf Euro Spesengeld am Tag dazu. Die sind<br />

seit ein paar Monaten gestrichen worden. Rund 1.000 Euro bringt er nach<br />

Hause. Die festangestellten Kollegen erhalten zwischen 1.800 und<br />

1.900 Euro, sagt Carsten.<br />

Für 7,40 Euro pro Stunde brutto arbeitet<br />

Carsten im Drei-Schicht-System sechs Tage<br />

in der Woche.<br />

Die Abrechnung, die er bekommt, versteht er manchmal nicht. Da sind nicht<br />

nachvollziehbare Streichungen, Urlaubskürzungen oder Nachtzuschläge<br />

erst ab 23 Uhr eingetragen. Anspruch auf Akkordzulagen hat er nicht. Haupt­<br />

sache Arbeit? Mittlerweile ist Carsten skeptisch. Er hat keine Lust mehr,<br />

Arbeiter zweiter Wahl zu sein. Doch eine befristete Festanstellung wird erst<br />

wieder im Februar vergeben. Carsten hofft, dieses Mal dabei zu sein. Bis<br />

dahin ist er ruhig.<br />

Weil es ihm schlecht ging, gab er die<br />

Krankmeldung einen Tag später ab.<br />

Die Zeitarbeitsfirma stellte ihm umgehend<br />

eine Abmahnung zu.<br />

Ende Januar wurde S. dann krank. Probleme mit dem Magen, ein Infekt<br />

jagte den anderen. Weil es ihm schlecht ging, gab er die Krankmeldung vom<br />

Arzt einen Tag später ab. Die Zeitarbeitsfirma stellte ihm umgehend eine<br />

Abmahnung zu. Am Montag dann wurde er angerufen, er solle innerhalb von<br />

zwei Stunden im Personalbüro auftauchen, doch er entschuldigte sich, er<br />

sei beim Arzt zu einer größeren Untersuchung. Was er nicht ahnte: Das war<br />

der ausschlaggebende Punkt für die Zeitarbeitsfirma, ihm fristlos für den<br />

nächsten Tag zu kündigen. Carsten S. ist fassungslos. Hätte er doch lieber<br />

arbeiten gehen sollen, obwohl er krank war?


Er rief im Personalbüro an und protestierte: Er werde zum Betriebsrat des<br />

Entleihunternehmens gehen und ihn informieren. Wenn er das tue, habe das<br />

weit reichende Konsequenzen für ihn, hieß es. Man verbiete ihm den Kon­<br />

takt mit „dem Kunden". Im Gegenzug solle er aber seine Arbeitskleidung zu­<br />

rückgeben, die ihm die Zeitarbeitsfirma gestellt hat. Falls er sie nicht zu­<br />

rückgebe, werde sie ihm vom noch ausstehenden Lohn abgezogen. Was mit<br />

seinem Resturlaub von 18 Tagen passiere, wollte S. dann noch wissen.<br />

Bislang hat er noch keine Antwort.<br />

*Name geändert<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 47


48<br />

Im Namen des Wettbewerbs<br />

Rendite steigern, Lohnkosten senken -<br />

eine deutsche Erfolgsstory<br />

Zum Geburtstag kam sogar der Ministerpräsident. 125-jähriges Firmenbe­<br />

stehen. Das ist ja schließlich ein guter Grund zum Feiern für die familienge­<br />

führte Amazone-Unternehmensgruppe, einem Landmaschinenhersteller<br />

mit Hauptsitz in Gaste bei Osnabrück. „Unermüdlich und mit großem Ein­<br />

satz hat die Gründerfamilie ihr Unternehmen aufgebaut und dabei immer<br />

den Blick auf die nächste Generation gerichtet. Das nenne ich eine echte<br />

Erfolgsstory", schwärmte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff<br />

in seiner Festrede. Innovationsfähigkeit, Verantwortung und Pionierlei­<br />

stungen sind die Schlagwörter, die der CDU-Politiker immer wieder betont.<br />

Und tatsächlich: Auf den ersten Blick wirkt Amazone wie ein wahres Vor­<br />

zeigeunternehmen. Die insgesamt 1.500 Mitarbeiter, die auf sieben Standorte<br />

verteilt sind, haben im vergangenen Jahr 290 Millionen Euro Umsatz erwirt­<br />

schaftet. Ein Fünftel mehr als im Vorjahr. 80 Prozent seiner Maschinen für den<br />

Getreideanbau exportiert Amazone ins Ausland, wo sich mit High-Tech-Agrar-<br />

geräten gutes Geld verdienen lässt. Alleine für den Bereich Westeuropa be­<br />

ziffert die Geschäftsführung die Umsatzsteigerung im zurückliegenden Jahr<br />

auf stolze 35 Prozent.<br />

„Da werden Personalkosten gedrückt ohne Ende."<br />

Ulrich Weikert, Betriebsratsvorsitzender in der Hauptniederlassung in Gaste,<br />

lassen solche Betriebsergebnisse kalt. Wenn Weikert über die jüngere<br />

Firmengeschichte spricht, fallen ihm ganz andere Zahlen ein: „Vor fünf Jahren<br />

haben gerade mal sechs <strong>Leiharbeit</strong>er hier in Gaste gearbeitet, heute sind es<br />

176. Das sind mehr als die Hälfte der Mitarbeiter im gewerblichen Bereich."<br />

Unter Metall-Tarif bezahlt und ohne konkrete Aussicht auf eine Festanstellung<br />

machen die <strong>Leiharbeit</strong>er bei Amazone einen immer größeren Anteil der<br />

Beschäftigten aus.


Intensivnutzung der <strong>Leiharbeit</strong> nimmt zu<br />

Betriebe ab 150 Beschäftigten*<br />

nutzen <strong>Leiharbeit</strong> in:<br />

* und mindestens drei <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen<br />

Quelle: lAB-Betriebspanel 1998-2006, Berechnungen Bellmann 2007<br />

© Hans-Böckler-Stiftung 2007<br />

geringem Umfang<br />

(bis 5% der Belegschaft)<br />

•H stärkerem Umfang<br />

(über 5% der Belegschaft)<br />

•• intensivem Umfang<br />

(über 20%)<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

1998 2002 2004 2006<br />

Und das, obwohl es dem Landmaschinenhersteller finanziell gut geht. Kein<br />

Wunder, dass die Stimmung des Betriebsrats am Boden ist. „Früher waren wir<br />

hier eine große Familie. Heute werden wir Mitarbeiter wie Stiefkinder behan­<br />

delt. Da werden Personalkosten gedrückt ohne Ende", beschreibt Weikert die<br />

Situation.<br />

Ufer als <strong>Leiharbeit</strong>er Übernahmechancen<br />

haben möchte, muss sich auf Gehälter unter<br />

Metall-Tarif einlassen.<br />

Zu Beginn des Jahrtausends gaben die Seniorchefs Klaus und Dr. Heinz<br />

Dreyer die Geschäftsführung an ihre Söhne Christian und Dr. Justus Dreyer<br />

weiter. Pünktlich zum Firmenjubiläum erinnerten sich die beiden Neuen<br />

an die ursprüngliche Firmenphilosophie: „Danke an unsere Vorfahren! Die<br />

Werte, die sie geschaffen haben, wollen wir nachhaltig weiterentwickeln"<br />

schrieben sie in einer Pressemitteilung. Es dürfe nämlich nicht um kurzfristige<br />

Rendite gehen, sondern um kluges Planen und Investieren, betonen die<br />

beiden: „Mittelfristig soll Amazone einen Umsatz von 500 Millionen Euro<br />

pro Jahr erreichen."


Der Generationenwechsel hat bei dem Landmaschinenhersteller tiefe Spuren<br />

hinterlassen: Offiziell, weil die Produktionskapazität im Stammwerk in Gaste<br />

nicht ausreichte, aber ganz sicher auch, um die dortige Tarifbindung zu<br />

umgehen, gründete die Geschäftsführung 2007 kurzerhand ein neues Werk<br />

im acht Kilometer entfernten Leeden, das als eigenständige Gesellschaft<br />

geführt wird. Eingestellt wird hier grundsätzlich auf <strong>Leiharbeit</strong>sbasis oder mit<br />

einem Einzelarbeitsvertrag ohne Bindung zum Tarifvertrag der Metall- und<br />

Elektroindustrie. Wer als <strong>Leiharbeit</strong>er Übernahmechancen haben möchte,<br />

muss sich auf Gehälter unter Metall-Tarif einlassen. Die Belegschaft besteht<br />

derzeit aus 34 Amazone-Mitarbeitern, die aus Gaste in die neue Gesell­<br />

schaft wechselten und von denen jeder zweite unterhalb des Metall-Tarifs<br />

arbeitet, sowie aus 21 <strong>Leiharbeit</strong>ern.<br />

Dass ein Landmaschinenhersteller <strong>Leiharbeit</strong>er einstellt, kann wegen der<br />

großen Saisonabhängigkeit in der Agrarbranche durchaus Sinn machen. Das<br />

Ausmaß der <strong>Leiharbeit</strong> und das erkennbare Ziel, die Lohnkosten durch Leih­<br />

arbeit zu reduzieren, führen den <strong>Leiharbeit</strong>sgedanken bei Amazone jedoch ad<br />

absurdum. Betriebsrat Weikert berichtet, dass es keine Seltenheit sei, dass<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er vier Jahre und länger im Betrieb bleiben, seit die gesetzlichen<br />

Befristungen aufgehoben wurden. Ebenso komme es vor, dass Auszubilden­<br />

de, die übernommen werden sollen, anstelle einer festen Anstellung zu einer<br />

Zeitarbeitsfirma geschickt werden und von dieser dann wieder zurück zu<br />

Amazone vermittelt würden. „Außerdem arbeiten <strong>Leiharbeit</strong>er bei uns längst<br />

nicht mehr nur auf der untersten Stufe. Viele übernehmen verantwortungs­<br />

volle Aufgaben mit Kontrollfunktionen. Sie haben Jobs, in die man<br />

erst aufsteigen muss", sagt Weikert.<br />

Von gleichem Lohn für gleiche Arbeit kann bei<br />

Amazone keine Rede sein. Mitarbeiter mit Metall-<br />

Tarif verdienen 8.600 Euro mehr im Jahr als<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er.<br />

Von gleichem Lohn für gleiche Arbeit kann bei Amazone keine Rede sein.<br />

Der Betriebsrat rechnete kürzlich aus, wie hoch die Lohndifferenz zwischen<br />

regulär Beschäftigten und <strong>Leiharbeit</strong>ern ist: Für die gleiche Tätigkeit be­<br />

kommen die nach Metalltarif bezahlten Mitarbeiter 2.572 Euro Brutto im<br />

Monat, während der <strong>Leiharbeit</strong>er mit nur 2.012 Euro auskommen muss.


Noch heftiger sind die Lohnunterschiede, wenn man den Jahresverdienst<br />

vergleicht. Weil <strong>Leiharbeit</strong>er weniger Urlaubs- und Weihnachtsgeld beziehen,<br />

gehen sie mit 25.500 Euro nach Hause; der Mitarbeiter mit Metall-Tarif<br />

bekommt 8.600 Euro mehr. Eigentlich sei die Stimmung zwischen regulär An­<br />

gestellten und Zeitarbeitern relativ gut, weil alle froh sind, überhaupt be­<br />

schäftigt zu sein, sagt Weikert. „Aber wenn sich die <strong>Leiharbeit</strong>er diesen Lohn­<br />

unterschied bewusst machen, sind sie natürlich frustriert."<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

Beschäftigte als Kostenfaktor - am günstigsten<br />

in der russischen Niederlassung mit 2,50 Euro<br />

Bruttostundenlohn, am teuersten in Gaste mit<br />

16,50 Euro brutto. Die Botschaft an die Arbeiter<br />

in Gaste hätte nicht deutlicher sein können:<br />

Ihr seid nicht wettbewerbsfähig.<br />

Außerhalb des Stammsitzes in Gaste hat die Amazone-Führung es hinbe­<br />

kommen, den Metall-Tarif komplett zu umgehen. Entweder existiert gar keine<br />

Tarifbindung, wie beispielsweise in der Leipziger Niederlassung, oder es<br />

gelten Tarifabschlüsse mit den „christlichen Gewerkschaften", so zum Bei­<br />

spiel in der zweitgrößten Niederlassung in Hude. Diese Abschlüsse sind -<br />

besonders was Urlaubs- und Weihnachtsgeld angeht - nicht mit Metallab­<br />

schlüssen zu vergleichen. Nur in Gaste konnte sich Amazone bislang nicht der<br />

ursprünglichen Tarifbindung entziehen. „Die Geschäftsleitung weiß, dass<br />

wir den Laden hier jederzeit lahm legen könnten", sagt Betriebsrat Weikert.<br />

Weites auf die rabiate Weise nicht funktioniert, übt die Geschäftsführung<br />

auf anderem Weg Druck auf die Gaster Belegschaft aus. Bei einer Betriebs­<br />

versammlung im Dezember 2006, ein halbes Jahr, nachdem Amazone im<br />

Nebenstandort Hude aus der Tarifbindung ausgestiegen war, präsentierte<br />

die Geschäftsleitung den versammelten Mitarbeitern ein Säulendiagramm,<br />

dem zu entnehmen war, wie hoch die Kosten sind, die Mitarbeiter in den<br />

verschiedenen Standorten verursachen. Beschäftigte als Kostenfaktor-am<br />

günstigsten in der russischen Niederlassung mit 2,50 Euro Bruttostunden­<br />

lohn, am teuersten in Gaste mit 16,50 Euro brutto. Die Botschaft an die<br />

Arbeiter in Gaste hätte nicht deutlicher sein können: Ihr seid nicht wettbe­<br />

werbsfähig. Seitdem hat sich <strong>Leiharbeit</strong>erquote im Stammsitz mehr als<br />

verdoppelt.


„Ich hab ja keine Alternative"<br />

Statt Lohnerhöhung weniger Urlaub -<br />

dank „christlichem" Tarifvertrag r<br />

„Zeitarbeit als Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt" wirbt die Annonce<br />

in der „Thüringer Allgemeinen". Vielen Menschen in der Region geben<br />

solche Anzeigen Hoffnung. So auch Rainer M.*, 47 Jahre alt und seit dem<br />

Jahr 2000 <strong>Leiharbeit</strong>nehmer.<br />

Auf dem normalen Arbeitsmarkt findet der gelernte Fußbodenleger nichts.<br />

Seit Jahren ist er bei der gleichen Zeitarbeitsfirma beschäftigt. In all den<br />

Jahren hat sich sein Lohn nicht geändert. 6,41 Euro brutto bekommt er die<br />

Stunde.<br />

In all den Jahren hat sich sein Lohn nicht<br />

geändert. 6,41 Euro bekommt er die Stunde.<br />

Rainer M. hat Pech gehabt. Eigentlich hätten ihm schon zwei Lohnerhöhungen<br />

zugestanden - wenn die Verleihfirma nur im Interessenverband Deutscher<br />

Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) geblieben wäre. Doch als die erste Lohnerhö­<br />

hung anstand, hat das Unternehmen den Arbeitgeberverband umgehend<br />

verlassen und ist nun Mitgliedsunternehmen beim Arbeitgeberverband Mittel­<br />

ständischer Personaldienstleister (AMP). Der hat - anders als iGZ und der<br />

andere große Verband BZA - keinen Tarifvertrag mit der DGB-Tarifgemein­<br />

schaft. Sondern er hat sich mit den „christlichen Gewerkschaften" auf einen<br />

Tarifvertrag geeinigt, der deutlich schlechter ist.<br />

Als der Arbeitgeber zum AMP wechselte, erhielten alle Beschäftigten ein<br />

Kündigungsschreiben und einen neuen Arbeitsvertrag. Darin war zwar die<br />

gleiche Bezahlung garantiert - aber im Kleingedruckten standen jede Menge<br />

Verschlechterungen. Künftig sollten die <strong>Leiharbeit</strong>er ihre Fahrten zu den<br />

Einsatzbetrieben selbst bezahlen.<br />

1<br />

a


Für Rainer ist das keine Kurzstrecke, denn er legt täglich 100 Kilometer vom<br />

Wohnort bis zum Arbeitsplatz zurück. „Bei den Spritpreisen reißt das ganz<br />

schöne Löcher", sagt er resignierend. Obwohl er mit einigen Kollegen zusam­<br />

men eine Fahrgemeinschaft gegründet hat, muss er von den 830 Euro, die er<br />

am Monatsende bekommt, allein 130 Euro für die Benzinrechnung abziehen.<br />

Doch nicht nur beim Geld muss Rainer Einbußen hinnehmen, auch bei Ur­<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„Nach zwei Tagen in der Kur haben sie<br />

angerufen, dass mein Urlaub nicht genehmigt<br />

werden könne."<br />

laub und Schichtzulagen. Laut Arbeitsvertrag stehen ihm nur 24 Tage Urlaub<br />

zu. Die darf er jedoch nicht nehmen wann er will, sondern wann er gesagt<br />

bekommt - beispielsweise bei schlechter Auftragslage. Als Rainer im vergan­<br />

genen Jahr wegen eines Bandscheibenvorfatls in die Reha sollte, sagte sein<br />

Arbeitgeber, dass er nur zwei Wochen Urlaub am Stück nehmen könne. „Nach<br />

zwei Tagen in der Kur haben sie angerufen, dass mein Urlaub nicht geneh­<br />

migt werden könne. Wir machen finanzielle Verluste, wenn wir jedem so viel<br />

Urlaub geben, haben sie mir als Begründung gesagt", erzählt Ralf. Auch wenn<br />

er Nachtschicht hat, ist er gegenüber der Stammbelegschaft schlechter ge­<br />

stellt. Die <strong>Leiharbeit</strong>nehmer bekommen die Nachtschichtzulage erst ab 23 Uhr<br />

ausgezahlt, eine Stunde später als die Stammbeschäftigten.<br />

„Ich hab ja gar keine Alternative. Normale<br />

Arbeit findet man in Thüringen kaum."<br />

Trotz all dieser Nachteile will Rainer bei dem Verleiher bleiben. „Ich hab ja<br />

gar keine Alternative. Normale Arbeit findet man in Thüringen kaum. Ich habe<br />

ja immer noch die Hoffnung, dass ich irgendwann übernommen werde."<br />

Gutes Geld für gute Arbeit, das wünscht sich Rainer für seine berufliche<br />

Zukunft. „Gutes Geld, mit dem ich dann auch endlich meinem studierenden<br />

Sohn etwas mehr unter die Arme greifen könnte", sagt der <strong>Leiharbeit</strong>neh­<br />

mer. Derzeit kann ihm Rainer nur 15 Euro im Monat zu seinem Studium<br />

beisteuern. Mehr ist einfach nicht drin.<br />

*Name geändert


Staatlich geförderte Sklavenmärkte<br />

Arbeitsagenturen machen mit<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sfirmen gemeinsame Sache<br />

Eigentlich braucht es nur dieses eine Wort: „Premiumkunden". So nennen<br />

die Arbeitsagenturen nicht etwa die Erwerbslosen, denen sie bei der<br />

lobsuche helfen sollen. Nein, so nennen sie die großen <strong>Leiharbeit</strong>sagen-<br />

turen. Mit diesen machen sie bundesweit gemeinsame Sache.<br />

Grund dafür sind, wie so oft, die Hartz-Gesetze. Seit 2003 gelten deutlich<br />

verschärfte Zumutbarkeitskriterien. Arbeitslose müssen quasi jede Stelle<br />

annehmen, solange sie legal und nicht sittenwidrig ist. Wer sich weigert, dem<br />

werden die Zuwendungen gekürzt oder gleich ganz gestrichen. Unter ande­<br />

rem diese Gesetzesänderung löste den <strong>Leiharbeit</strong>sboom in Deutschland aus.<br />

Denn das Heer der <strong>Leiharbeit</strong>er rekrutiert sich vor allem aus Arbeitslosen, die<br />

von ihren Arbeitsagenturen in die neuen Billig-Jobs gezwungen werden. In<br />

Köln zum Beispiel ist mittlerweile jede zweite gemeldete offene Stelle eine<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sstelle. Und auch ein Blick in die Jobbörsen von Chemnitz, Jena oder<br />

Dortmund zeigt: hinter fast jedem zweiten Angebot steht ein gewerblicher<br />

Vermittler.<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 55<br />

Das Heer der <strong>Leiharbeit</strong>er rekrutiert<br />

sich vor allem aus Arbeitslosen, die von den<br />

Arbeitsagenturen in die neuen Billig-Jobs<br />

gezwungen werden.<br />

ie Vorzugsbehandlung für die Branche geht auch auf einen Kooperations­<br />

vertrag zurück, den die Bundesagentur für Arbeit (BA) und der <strong>Leiharbeit</strong>s-<br />

Arbeitgeberverband BZA im Frühjahr 2007 geschlossen haben. Darin ver­<br />

pflichtet sich die Arbeitsagentur, „Bedürfnisse der <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen<br />

soweit wie möglich zu berücksichtigen" und persönliche Ansprechpartner zu<br />

benennen. Außerdem können die <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen auf die Job-Börse der<br />

Arbeitsagenturen zugreifen.


Der DGB kritisiert das scharf: „Der Branche wird eine Vorzugsbehandlung<br />

eröffnet, und das im Unterschied zu vielen Klein- und Mittelbetrieben," sagt<br />

Annelie Buntenbach, für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zuständiges DGB-<br />

Bundesvorstandsmitglied. „Mit der Sonderbehandlung wird die Rotation am<br />

Arbeitsmarkt befördert, denn Heuern und Feuern sind in dieser Branche<br />

keine Seltenheit."<br />

Damit nicht genug - auch finanziell greift die staatlich finanzierte Bundes­<br />

agentur den Verleihern kräftig unter die Arme: Die <strong>Leiharbeit</strong>sbranche erhält<br />

überdurchschnittlich oft Lohnkostenzuschüsse, so dass sie ihren Leute noch<br />

weniger als sowieso schon zahlen muss. Und über die sogenannten „Vermitt­<br />

lungsgutscheine" landet noch mehr BA-Geld in den Taschen der Personal­<br />

dienstleister. Von der angeblichen „Beschäftigungsmaschine" <strong>Leiharbeit</strong> kann<br />

angesichts solcher Subventionierung kaum noch die Rede sein.<br />

Auch in Sachen Qualifizierung bedient sich die Branche gerne aus den öffent­<br />

lichen Kassen: Sie bildet selbst kaum aus und ist „sehr ideenreich, um sich<br />

die Qualifizierung aus Beitragsmitteln finanzieren zu lassen", wie Annelie Bun<br />

tenbach kritisiert. In Sachen Lohnhöhe zeigt sich der Staat, zum Schaden<br />

der Arbeitnehmer, ebenso nachgiebig: Selbst mit Verleihern, die ihre Mitarbei­<br />

ter unterhalb des vom DGB ausgehandelten Tarifs bezahlen, arbeitet die BA<br />

zusammen. So öffnet sie auch die Tür für die Dumpinglöhne der so genannten<br />

„christlichen Gewerkschaften".<br />

Die Arbeitsagentur arbeitet selbst mit Verleihfirmen<br />

zusammen, die ihre Mitarbeiter unterhalb<br />

des vom DGB ausgehandelten Tarifs bezahlen.<br />

Seit 2007 dürfen sich die <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen zudem über einen weiteren<br />

Service der Arbeitsvermittler freuen: <strong>Leiharbeit</strong>smessen. In vielen Städten<br />

laden Arbeitsagenturen die örtlichen <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen ein, sich und ihre<br />

Stellen zu präsentieren. Die Seriosität der Unternehmen und die Qualität ihrer<br />

Angebote werden vorher nicht geprüft. Auch die gemeldeten Arbeitslosen<br />

werden eingeladen. Oder besser: schriftlich zur Teilnahme aufgefordert - in<br />

nicht wenigen Orten mit der Behauptung, die Teilnahme sei angeblich ver­<br />

pflichtend. Und so trotten hunderte Arbeitslose zu den <strong>Leiharbeit</strong>smessen, die<br />

sie oft nur noch „Sklavenmärkte" nennen, aus Angst, von der Arbeitsagentur<br />

abgestraft zu werden, wenn sie nicht erscheinen. So kann es dann auch kaum<br />

noch verwundern, dass sich die Veranstalter nachher über „großen Andrang"<br />

auf ihren Messen freuen.


Der Arbeitsmarkt ist für die Verleihfirmen so dank freundlicher Unter­<br />

stützung aus Politik und Verwaltung zum Selbstbedienungsladen geworden.<br />

Die Agenturen liefern neue Kräfte quasi frei Haus und legen oft noch Geld<br />

drauf. Verleiher, die überflüssige Arbeitskräfte wieder loswerden wollen, stel­<br />

len sie kurzerhand wieder vor den Toren der Arbeitsagentur ab. Während<br />

jeder normale Arbeitgeber das personalpolitische Risiko selbst tragen muss,<br />

können die Verleihfirmen es einfach auf die <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten und<br />

auf die Arbeitslosenversicherung abwälzen.<br />

„Das muss die Arbeitsagentur in Zukunft verhindern", fordert DGB-Vorstands­<br />

mitglied Buntenbach. Zuschüsse vom Staat dürfe es nur noch geben, wenn<br />

die Verleihfirmen für unbefristete Arbeitsverhältnisse und wirklich existenzsi­<br />

chernde Löhne sorgen.<br />

Doch nach solch einem vernünftig distanzierten Verhältnis zwischen Arbeits­<br />

agenturen und Verleihern sieht es momentan nicht aus. Ganz im Gegenteil.<br />

Dafür reicht ein Blick nach Ludwigshafen. Dort haben Arbeitsagentur und Leih<br />

arbeitsbranche der Einfachheit halber auch gleich die räumliche Distanz auf­<br />

gegeben: Seit Juni vergangenen Jahres sitzt die Agentur Trenkwalder unter<br />

einem Dach mit der Arbeitsagentur. So können die Vermittler ihre „Kunden"<br />

gleich rüber schicken, zum Schreibtisch des <strong>Leiharbeit</strong>s-Disponenten. Bei der<br />

Eröffnung stießen Lokalpolitiker und Trenkwalder-Vertreter gemeinsam an -<br />

auf einen „Meilenstein der Arbeitsmarktpolitik".<br />

<strong>Leiharbeit</strong>: Kein echtes Sprungbrett<br />

Berufliche Situation von <strong>Leiharbeit</strong>skräften<br />

V o r h e r<br />

in Westdeutschland '''''WKKKKß nich<br />

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2006,<br />

©Hans-Böckler-Stiftung<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 57<br />

Der Arbeitsmarkt ist für die Verleih firmen<br />

zum Selbstbedienungsladen geworden -<br />

mit freundlicher Unterstützung aus Politik<br />

und Verwaltung.<br />

utimimt V...1-,<br />

2003<br />

' A<br />

' beit


„Ich sehe keinen Weg da raus"<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er in der beruflichen Sackgasse<br />

Sein Abitur hat Franco C* noch gemacht, doch dann „lockte das Geld". Statt<br />

zu studieren, absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung. Jetzt ist er<br />

Anfang 40, sitzt neben seiner Freundin am Wohnzimmertisch und bilanziert<br />

sein bisheriges Leben: „Ich sehe keinen Weg da raus."<br />

Seit über einem Jahr ist C. als <strong>Leiharbeit</strong>er in einer Fabrik in Südhessen, etwa<br />

50 Kilometer von Frankfurt entfernt. „Es gibt keinen klar definierten Aufgaben­<br />

bereich für mich", sagt er. Richtig eingearbeitet wurde er nie, nur kurz an<br />

neuen Maschinen eingewiesen. Zufrieden ist er nicht. Doch einen anderen Job<br />

zu finden, sei schwierig, sagt er.<br />

„Ich komme auf keinen grünen Zweig mehr.<br />

Ich habe ja noch nicht mal mehr die Zeit,<br />

mich vernünftig zu bewerben."<br />

Seinen Vertrag hat die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma vor kurzem verlängert, allerdings<br />

läuft er grundsätzlich nur mit einer sechsmonatigen Befristung. So ist der Leih­<br />

arbeiter immer in der Probezeit und innerhalb von 14 Tagen kündbar. Den­<br />

noch ist der Entleihbetrieb sehr zufrieden mit ihm, erzählt C: „Der Personal­<br />

chef hat gesagt, dass ich langfristig eingeplant bin, aber weiterhin nur als<br />

Zeitarbeiter, mit einer Festanstellung wird es nichts werden. Das letzte Mal<br />

haben die im Mai 2007 jemanden übernommen."<br />

Früher hat der Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters<br />

ganz andere Erfahrungen mit <strong>Leiharbeit</strong> gesammelt: „Für mich war so eine<br />

Beschäftigung immer gut, wenn es darum ging, einen kurzen Zeitraum<br />

zu überbrücken oder wenn ich ein Sprungbrett in einen neuen Job brauchte."


Mittlerweile ist er mit dem vermeintlichen Sprungbrett allerdings in eine<br />

Abwärtsspirale geraten: „Ich komme auf keinen grünen Zweig mehr. Ich habe<br />

ja noch nicht mal mehr die Zeit, mich vernünftig wo anders zu bewerben."<br />

Natürlich, sagt C, lautet die Vorgabe eigentlich, dass nicht mehr als<br />

zwölf Stunden pro Tag gearbeitet werden darf. Doch mit elfeinhalb Stunden<br />

regulärer Arbeit, einer halben Stunde Mittagspause, eineinhalb Stunden<br />

Säubern der Maschine und einer halben Stunde fürs Umziehen kommt er re­<br />

gelmäßig auf mehr. Außerdem muss C. ja auch noch zur Arbeit kommen,<br />

was auf dem Lande eigentlich nur mit dem Auto funktioniert. Doch das darf<br />

nur seine Lebensgefährtin fahren. Denn C. selbst hat keinen Führerschein<br />

mehr: „Anfang der 90er Jahre wurde der mir einige Monate gesperrt. Danach<br />

habe ich ihn erstmal nicht auf dem Amt abgeholt, weil ich ihn in der Stadt<br />

nicht brauchte, in der ich lebte. Als ich ihn abholen wollte, erklärten die mir,<br />

dass ich ihn neu machen muss. Irgendeine Frist war abgelaufen, von der<br />

ich nichts wusste." Das Geld, den Führerschein neu zu machen, fehlt Franco C.<br />

bis heute.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser<br />

wäre, wenn ich einfach zu Hause bleibe."<br />

Mit seiner Lebensgefährtin und ihren Kindern lebt er zu viert in drei Zimmern -<br />

in einem Dorf, in dem die Mieten noch halbwegs bezahlbar sind. Ein Umzug<br />

wäre sinnvoll: „Aber wie sollen wir das Geld für einen Umzug zusammenbe­<br />

kommen? Und welche Wohnung wird einem <strong>Leiharbeit</strong>er vermietet - ganz<br />

ohne Sicherheiten? Da schlägt doch jeder Vermieter nur die Hände über dem<br />

Kopf zusammen!"<br />

Eines hat Franco C. in den vergangenen Jahren als <strong>Leiharbeit</strong>er gelernt:<br />

Dass er sich nicht darauf verlassen kann, Arbeit zu haben. Im Frühjahr 2007<br />

bekam er bei der <strong>Leiharbeit</strong>sfirma, bei der er noch immer beschäftigt ist,<br />

seinen ersten Vertrag und wurde an das Unternehmen verliehen, in dem er<br />

heute wieder beschäftigt ist. Monatelang lief alles glatt, doch eines Mon­<br />

tags im Sommer erschien er zur Arbeit und stellte fest, dass er ab dem näch­<br />

sten Tag nicht mehr eingeplant war. Dienstags kündigte ihm dann auch<br />

die Verleihfirma. Sie wusste schon länger, dass das Werk, in dem er beschäf­<br />

tigt war, keine Arbeit mehr für ihn hatte. „Aber die haben mir das extra<br />

nicht früher gesagt, damit ich noch am Montag in der Firma erscheine und<br />

mein Soll erfülle." Immerhin: Die 14-tägige Kündigungsfrist wurde ein­<br />

gehalten.


6o<br />

Danach heuerte C. bei einer anderen <strong>Leiharbeit</strong>sfirma an, die ihn für<br />

6,38 Euro Akkord am Fließband arbeiten ließ. Doch „das ging für mich kör­<br />

perlich einfach nicht". Nach wenigen Tagen hatte die vorherige <strong>Leiharbeit</strong>s­<br />

firma Wiederverwendung für ihn - in der gleichen Fabrik, in der sie ihn<br />

wenige Wochen zuvor ausgemustert hatte. Jetzt waren auch seine PC-Kennt­<br />

nisse gefragt: Er sollte selbst den Wareneingang kontrollieren und mangel­<br />

hafte Lieferungen zurückschicken. Wieder ohne Einarbeitung. Wieder für<br />

sieben Euro in der Stunde. „Manchmal frage ich mich, für was ich das alles<br />

mache und ob es nicht besser wäre, wenn ich einfach zu Hause bleibe."<br />

Das Verhältnis zur Stammbelegschaft in der Entleihfirma ist gut, wird aber<br />

zusehends schlechter, berichtet Franco C. Denn die Festangestellten bekom­<br />

men Zuschläge, wenn sie Maschinen führen. Die <strong>Leiharbeit</strong>er bekommen<br />

weiterhin ihre sieben Euro ausgezahlt, besetzen aber die bei den Stammmit­<br />

arbeitern begehrten Posten an den Maschinen. In der Produktion seines<br />

Entleihbetriebs machen <strong>Leiharbeit</strong>er mittlerweile fast 20 Prozent der Beleg­<br />

schaft aus, schätzt er. Die Stimmung kippt, der Konkurrenzgedanke wächst.<br />

„Meine Qualifikation spielt überhaupt keine Rolle<br />

mehr. Du bist wie eine Nummer, du musst einfach<br />

funktionieren, du bist völlig austauschbar."<br />

Franco C. fühlt sich nicht nur deshalb ausgelaugt und fertig: „Meine Quali­<br />

fikation spielt überhaupt keine Rolle mehr. Du bist wie eine Nummer, du<br />

musst einfach funktionieren, du bist völlig austauschbar." Und sein Arbeitge­<br />

ber - die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma - versucht zu tricksen, wo sie nur kann. Nicht nur<br />

mit der Kündigung, gefolgt von einer Wiedereinstellung: Macht der Entleihbe­<br />

trieb einen Tag dicht, wenn nichts zu tun ist, werden C. bei seinem Arbeitge­<br />

ber Minusstunden aufgeschrieben, weil er ja nicht produktiv war, berichtet er.<br />

Als sein Arbeitgeber ihm vor einigen Wochen zwei Tage ohne Beschäftigung<br />

in der Entleihfirma zu unbezahltem Urlaub umdeutete, ging Franco C. auf die<br />

Barrikaden. Mittlerweile hat er das Geld für die zwei Tage auf seinem Konto<br />

- allerdings nur, weil er sich beschwerte. Und die Verärgerung bleibt: „Es ist<br />

doch deren Aufgabe, mich in solchen Situationen woanders hin zu vermitteln.<br />

Aber einfach so unbezahlten Urlaub abrechnen geht zu weit."


Er warnt junge Menschen davor, gleich nach dem Schulabschluss als Zeitar­<br />

beiter anzufangen: „Die machen dann nie eine Ausbildung und bleiben da für<br />

immer drin stecken." Einen Ausweg aus der Abwärtsspirale sieht er für sich<br />

selbst momentan nicht. Ab und an schafft er es aber, sich irgendwo zu bewer­<br />

ben. Bislang erfolglos. Teilweise sehen die Personalchefs schon sein Alter<br />

als Problem, mit dem er nicht mehr ins Team passt. Manchmal kommen An­<br />

fragen anderer Personaldienstleister, aber „da würde sich ja auch nichts<br />

ändern". Und dort, wo er jetzt ist, kann er aber auch nicht ewig bleiben: „So<br />

einen Knochenjob kann ich nur noch vier oder fünf Jahre machen."<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„Die machen dann nie eine Ausbildung<br />

und bleiben da für immer drin stecken."<br />

Es ist vor allem die Würde, die er sich bewahren will und die ihn überhaupt<br />

noch zur Arbeit gehen lässt. Vor der <strong>Leiharbeit</strong> war er arbeitslos und hat sogar<br />

als Ein-Euro-Jobber in einem städtischen Archiv gearbeitet, nur um etwas zu<br />

tun zu haben. Und doch bleiben die Zweifel am Sinn seines Daseins als Leihar­<br />

beiter: „Meine Freundin und ich leben in einer Bedarfsgemeinschaft. Wir<br />

liegen nur knapp über der Bemessungsgrenze für das Arbeitslosengeld II."<br />

*Name geändert


<strong>Leiharbeit</strong>sfirmen ihre Mitarbeiter<br />

Sehr geehrter Herr|<br />

Niederlassung Kiel<br />

Wildrosenweg 7<br />

24119 Kronshagen<br />

Tel. (04 31)9 90 99-0<br />

Fax. (04 31)9 90 99-13<br />

Kronshagen, 19. Oktober 2007<br />

wir möchten uns bei Ihnen für Ihren unermüdlichen und kontinuierlichen Einsatz für<br />

uns bei unseren Kunden im vergangenen Monat bedanken.<br />

Anbei erhalten Sie von uns zwei Rubbelfixiose als Anerkennung. Wir wissen, dass<br />

diese Lose Ihren Leistungen nicht gerecht werden können, wir aber Ihren Einsatz zu<br />

schätzen wissen.<br />

Wir hoffen, dass Sie auch zukünftig mit gleichen persönlichen Einsatz tätig sind und<br />

wir und unsere Kunden weiterhin mit Ihrer Zuverlässigkeit rechnen können.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Runtime Services GmbH-& Cp/KG<br />

- Niederlassung Kiel -/ //<br />

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Runtim* SCfvim GmbH b Co KG<br />

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Abenteuer Betriebsratswahl<br />

Die Tricks der <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen gegen Betriebsräte<br />

Was passiert, wenn man bei einer <strong>Leiharbeit</strong>sfirma einen Betriebsrat<br />

wählen will? Die Firma ändert ihren Namen, geht mit einer anderen zusam­<br />

men und lässt anfangs nur über ein Anwaltsbüro von sich hören. So ge­<br />

schehen bei der <strong>Leiharbeit</strong>sfirma Runtime* in Karlsruhe.<br />

Letzten Endes haben sie es geschafft. Seit Mitte Juni 2008 sind die etwa<br />

100 Mitarbeiter der <strong>Leiharbeit</strong>sfirma Runtime in Karlsruhe durch einen Be­<br />

triebsrat vertreten. Der Weg dahin war jedoch lang und steinig.<br />

„Alles fing an, als sich die <strong>Leiharbeit</strong>er letztes Jahr über die schlechte Be­<br />

handlung durch einzelne Vorgesetzte im Entleiherbetrieb BOA BKT GmbH und<br />

die ungerechte Bezahlung beschwert haben", erinnert sich Günter Schmidtke<br />

von der IG Metall Karlsruhe. Tatsächlich fand die IG Metall nach einer ersten<br />

Kontaktaufnahme heraus, dass die meisten Mitarbeiter lediglich in der gerin­<br />

gst möglichen Entgeltgruppe entlohnt werden. Je nach Steuerklasse hatten<br />

die Beschäftigten monatlich nur 800 bis 900 Euro zur Verfügung - und das im<br />

Drei-Schicht-Betrieb. Bei einer Bezahlung nach den Tarifverträgen der Metall-<br />

und Elektroindustrie hätte das Entgelt fast doppelt so hoch sein müssen.<br />

Manche der <strong>Leiharbeit</strong>er arbeiten bereits länger als fünf Jahre für BOA BKT,<br />

die der Private-Equity-Firma Odenwald gehört. Das mache deutlich, dass es<br />

hier nicht um Flexibilität geht, sondern um Ausbeutung, so Schmidtke.<br />

Im Frühjahr 2008 entwickelten auf einer Versammlung, an der auch zwei<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

Bei einer Bezahlung nach den Tarifverträgen<br />

der Metall- und Elektroindustrie hätte das Entgelt<br />

fast doppelt so hoch sein müssen.<br />

Bundestagsabgeordnete teilnahmen, etwa 30 Runtime-Mitarbeiter die Idee,<br />

einen Betriebsrat zu gründen.


64<br />

Durch Fusionen und Neugründungen sorgen<br />

Betriebsratsgründung p.<br />

bei <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen: " ><br />

häufig ein echtes Aben- lei<br />

teuer n j {<br />

Günter Schmidtke und sein Kollege Martin Obst besuchten dann im März Fai<br />

die Firma Runtime und leiteten mit der Übergabe eines Schreibens die Wahl Leii<br />

ein. „Wir haben genau darauf geachtet, keinen Formfehler zu machen", Arb<br />

sagt Schmidtke. Denn so sei schon oft eine Wahl verhindert worden, und<br />

dieses Risiko wollten sie in Karlsruhe auf keinen Fall eingehen. „Dann *Die<br />

geschah erst mal gar nichts", stellt Schmidtke fest. Erst auf mehrmaliges<br />

Nachfragen habe sich eine <strong>Düsseldorf</strong>er Wirtschaftskanzlei gemeldet, art> e<br />

die Runtime fortan vertrat. in di<br />

Unternehmen dafür, dass der Betriebsrat immer<br />

nur wenige <strong>Leiharbeit</strong>er vertritt.<br />

Dieses Anwaltsbüro teilte der IG Metall mit, dass Runtime umstrukturiert<br />

sei: Ab sofort waren die bei der BOA BKT GmbH Beschäftigten in einer<br />

eigenen Firma mit dem Namen „Runtime BOA onsite Management" ange­<br />

stellt. Das Wahlverfahren wurde also für die neue Firma eingeleitet. Kurze<br />

Zeit später wurde die neue Firma wieder mit einer anderen verschmolzen.<br />

Damit sorgte das Unternehmen dafür, dass der betreffende Betriebsrat nur<br />

die Mitarbeiter vertritt, die auch bei diesem bestimmten Entleiher arbeiten -<br />

alle anderen Runtime-Mitarbeiter blieben weiterhin ohne Betriebsrat.<br />

rat<br />

wä<br />

Fir<br />

Fir<br />

ble<br />

me<br />

Sc!<br />

ob<br />

au;


„Eigentlich gab es keine echten Behinderungen von Seiten der Geschäfts­<br />

leitung", stellt Schmidtke mit leicht ironischem Unterton fest. „Wir haben ja<br />

nie jemanden von der Geschäftsleitung zu Gesicht bekommen." Die Betriebs­<br />

ratswahl hat am 17. Juni 2008 stattgefunden, fünf Mitarbeiter wurden ge­<br />

wählt. Mittlerweile wurde auch ein verantwortlicher Geschäftsführer für die<br />

Firma benannt, die sich jetzt „RT onsite Management" nennt. Hinter dieser<br />

Firma steht der Sohn eines Gesellschafters der ursprünglichen Runtime. Es<br />

bleibt also alles in der Familie. Die Geschäftsleitung von RT onsite Manage­<br />

ment hat inzwischen angekündigt, mit dem Betriebsrat zusammenzuarbeiten.<br />

Schmidtke: „Wir können heute aber noch nicht sagen, ob das stimmt oder<br />

ob es sich nur um ein Manöver handelt." Im Augenblick sieht es aber danach<br />

aus, dass RT onsite Management den Betriebsrat akzeptiert und eine gewisse<br />

Fairness eingehalten wird. Für die BOA BKT GmbH sind noch zwei weitere<br />

<strong>Leiharbeit</strong>sfirmen tätig. Auch dort hat die IG Metall bereits Kontakte mit den<br />

Arbeitnehmern aufgenommen.<br />

*Die Firma Runtime gehört nach eigenen Angaben zu den 20 größten Personaldienstleistern<br />

in Deutschland. Sie hat über 70 Niederlassungen in sieben Ländern, 57 davon in Deutschland.<br />

Insgesamt beschäftigt Runtime nach eigenen Angaben über 5.000 Mitarbeiter. In Karlsruhe<br />

arbeiten alleine etwa 100 <strong>Leiharbeit</strong>er bei RT onsite Management, viele davon sind mittlerweile<br />

in die 16 Metall eingetreten.<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 65


<strong>Leiharbeit</strong>er: Ein Beruf mit Zukunft?<br />

Deutsche Steinkohle AG verleiht Azubis<br />

als Fließbandarbeiter<br />

Jörg Zimmermann absolvierte bei der Deutschen Steinkohle AG eine<br />

Ausbildung zum IT-Systemelektroniker - ein so genannter Zukunftsberuf.<br />

Doch dann landete er als <strong>Leiharbeit</strong>er am Fließband.<br />

Er wollte mit Computern arbeiten. Die Ausbildung als IT-Systemelektroniker<br />

bei der Deutsche Steinkohle AG (DSK) in Saarbrücken schien genau das<br />

Richtige zu sein für Jörg Zimmermann. Das Tochterunternehmen der RAG (ehe­<br />

mals Ruhrkohle AG) mit Standorten im Saarland und in Nordrhein-Westfalen<br />

bildet in verschiedenen Sparten aus. Eine Übernahme konnte das Unterneh­<br />

men zwar nicht versprechen, denn das Saarland steigt aus dem Steinkohle­<br />

bergbau aus - seit Jahren schon werden Stellen gestrichen. Trotzdem war Jörg<br />

Zimmermann optimistisch: Als IT-Fachmann würde er vielleicht doch eine<br />

Chance im Betrieb bekommen.<br />

Drei Jahre später, im Sommer 2004, sah es anders aus. Die DSK wollte<br />

Zimmermann als <strong>Leiharbeit</strong>er zu Bosch nach Homburg bei Saarbrücken<br />

schicken, ein Job am Fließband. Und das, obwohl er seine Ausbildung noch<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„Da hat sich keiner getraut, was zu sagen.<br />

Alle dachten, sie werden sonst erst recht nicht<br />

übernommen."<br />

gar nicht abgeschlossen hatte. „Ich habe mich gewehrt", sagt er, „Ich wollte<br />

noch meine Abschlusspräsentation machen. Der Chef hat sich ziemlich<br />

aufgeregt, dass ich nicht da hin wollte." Doch zwingen ließ sich Zimmermann<br />

nicht. Er beendete seine Ausbildung im Unternehmen bevor er zu Bosch<br />

ging. Die meisten seiner Jahrgangskollegen aber gingen in die <strong>Leiharbeit</strong>: „Da<br />

hat sich keiner getraut, was zu sagen. Alle dachten, sie werden sonst erst<br />

recht nicht übernommen."


So wurden aus Azubis <strong>Leiharbeit</strong>er. „SaarEinsatzTeam" nennt sich das<br />

Konstrukt, das die Deutsche Steinkohle AG in Absprache mit der saarlän­<br />

dischen Landesregierung gebastelt hat. Seit 1995 verleiht das Unter­<br />

nehmen Mitarbeiter an Partnerfirmen wie Bosch oder den Autozulieferer<br />

Halberg Guss - in der Hoffnung, dass sie dort eine feste Anstellung be­<br />

kommen. Das <strong>Leiharbeit</strong>s-Modell soll den Ausstieg aus dem Saar-Bergbau<br />

sozialverträglicher machen. Daran hat auch die Landesregierung ein In­<br />

teresse. Schon die Auszubildenden gehen oft zum Betriebspraktikum in<br />

andere Unternehmen. „Wir möchten, dass die Mitarbeiter möglichst<br />

früh verschiedene Berufserfahrungen sammeln, damit sie leichter in eine<br />

feste Arbeit kommen", sagt Fritz König, Personaldirektor bei der DSK.<br />

Das klingt gut. Doch Jörg Zimmermann und die meisten Kollegen in<br />

seinem Ausbildungsjahrgang sammelten Erfahrung am Fließband: Rohre in<br />

eine Maschine einlegen, Gewinde testen, Metallkanten abschleifen. Mit<br />

der Ausbildung und den Berufswünschen eines IT-Systemelektronikers hat<br />

das nichts zu tun. Ein Jahr lang arbeitete Jörg Zimmermann bei Bosch.<br />

Die Bezahlung sei fair gewesen, sagt er, aber der Job am Fließband „doch<br />

sehr langweilig". Und dann bekam er auch noch weniger Feiertags- und<br />

Nachtzuschläge als die festangestellten Mitarbeiter von Bosch.<br />

Rohre in eine Maschine einlegen, Gewinde testen,<br />

Metallkanten abschleifen. Mit der Ausbildung<br />

und den Berufswünschen eines IT-Systemelektronikers<br />

hat das nichts zu tun.<br />

Für die <strong>Leiharbeit</strong>er im SaarEinsatzTeam gelten nur Mindestbedingungen,<br />

zum Beispiel ein Stundenlohn von zehn Euro. Eine Garantie, im eigenen Beruf<br />

beschäftigt zu werden, gebe es nicht, sagt Theo Bilsdorfer, Leiter der Perso­<br />

nalsteuerung Saar im DSK-Mutterkonzern Ruhrkohle AG. Aber die Mitarbeiter<br />

bekämen eine Chance auf eine Zukunft im Entleihbetrieb: „Seit 1995 sind nur<br />

etwa zehn Leute aus dem SaarEinsatzTeam langfristig arbeitslos geworden",<br />

so Bilsdorfer. Bei rund 2.200 Verliehenen sei das eine gute Bilanz.


So positiv wird das Projekt bei der IG Metall in Saarbrücken nicht gesehen.<br />

Thorsten Dellmann, Gewerkschaftssekretärin der Verwaltungsstelle Saar­<br />

brücken, hat das Verleihen in Metallbetriebe kritisch beobachtet: „Die DSK<br />

wollte ganz schnell möglichst viele Leute vermitteln und Erfolge zeigen."<br />

Nicht für jeden Mitarbeiter sei das eine gute Lösung gewesen.<br />

Auch nicht für Jörg Zimmermann. Nachdem sein Vertrag bei Bosch nach<br />

einem Jahr abgelaufen war, bewarb er sich dort um eine längerfristige Stelle.<br />

Vergeblich. Auf eine weitere „Chance" wollte er nicht warten: Er machte sein<br />

Fachabitur und studiert heute Kommunikationsinformatik. Das Projekt<br />

„SaarEinsatzTeam" läuft inzwischen aus. Die DSK denkt aber schon über ein<br />

neues Verleihmodell nach.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite 69


Zwei ungleiche Töchter<br />

Mit der Gründung von Tochterfirmen<br />

umgeht Manpower den Tarifvertrag<br />

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - das <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen<br />

Manpower hat damit scheinbar kein Problem. Seit 1. Juli 2008 ist die<br />

Tochter „Manpower Equal Treatment GmbH" am Markt. Das sei die<br />

„perfekte Antwort" auf die IG Metall-Kampagne, sagt Thomas Reitz, Chef<br />

von Manpower Deutschland. Was Reitz nicht so gerne sagt: Manpower<br />

hat seit Jahren noch eine zweite Tochter. Und die legt es gezielt darauf<br />

an, Löhne zu unterbieten.<br />

„Wir haben mit unseren Plänen jedoch schon im vergangenen Jahr ange­<br />

fangen, bevor von der Gewerkschaftskampagne überhaupt die Rede war",<br />

sagt Reitz über die neue Tochter. Die Verleihfirma wolle schließlich „als<br />

Arbeitgeber attraktiv bleiben".<br />

Wesentlich weniger öffentliches Tamtam macht Manpower mit der älteren<br />

Tochter. Sie wurde gezielt gegründet, um Tarifverträge zu unterbieten. Man­<br />

power Deutschland ist Mitglied im Bundesverband Zeitarbeit (BZA). Der hat<br />

mit der DGB-Tarifgemeinschaft einen Tarifvertrag geschlossen. Doch 2005<br />

leitete die Firma ein Manöver ein, um diese Tarifverträge zu umgehen. Als<br />

Steigbügelhalter bot sich die Christliche <strong>Leiharbeit</strong>s-Tarifgemeinschaft CGZP<br />

bereitwillig an.<br />

Die Tochterfirma „Manpower Managed Services GmbH" übernahm bei<br />

Gründung im Mai 2005 die Vereinbarung der „christlichen Gewerkschaften"<br />

mit dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personatdienstleister (AMP).<br />

Statt 7,02 Euro Stundenlohn in der untersten Entgeltgruppe sind es bei<br />

den „Christlichen" lediglich 6,15 Euro. Die billige Manpower-Tochter kam vor<br />

drei Jahren unter anderem in den Siemens-Fabriken in Kamp-Lintfort und<br />

Bocholt zum Einsatz, wo schon zuvor Manpower-<strong>Leiharbeit</strong>er gearbeitet hat­<br />

ten. „Auf einmal standen bei uns ratlose <strong>Leiharbeit</strong>er in der Geschäftsstelle,<br />

die gerade neue Arbeitsverträge in die Hand gedrückt bekommen hatten",<br />

erinnert sich der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Bocholt, Heinz Cholewa.


Statt für Manpower selbst sollten die <strong>Leiharbeit</strong>er für deren Tochterfirma<br />

arbeiten. Manpower wollte sich damals zu entsprechenden Presseberichten<br />

nicht äußern. Die Kritik an dieser Doppelstrategie hatte jedoch Folgen:<br />

Nachdem sich der Betriebsrat der Siemens-Standorte wegen der Mitarbeiter­<br />

politik bei Manpower beschwert hatte, beendete Siemens am Standort<br />

Bocholt die Zusammenarbeit mit Manpower.<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 71


Menschen zweiter Klasse?<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er: Gemobbt und ausgegrenzt<br />

Marion K.* hat 15 Jahre lang als <strong>Leiharbeit</strong>erin im Büro eines<br />

Spezialfahrzeuge-Herstellers gearbeitet. Sie erzählt:<br />

„Ich bin jahrelang von meinen festangestellten Kollegen gemobbt worden.<br />

Von allem haben sie mich ausgeschlossen, von jedem Treffen. Wenn ich<br />

in den Raum gekommen bin, sind die Gespräche verstummt. Und meine Ideen<br />

haben die Kollegen nie angenommen. Da hieß es immer nur 'Das haben wir<br />

immer so gemacht, das machen wir weiter so.' Anerkennung gab es über­<br />

haupt nicht. Nur jeden Tag diese angespannte Atmosphäre. Und immer die<br />

Angst, Fehler zu machen. Ich musste nicht 100 Prozent bringen, ich musste<br />

200 Prozent bringen. Wir waren dort Menschen zweiter Klasse. Einmal war<br />

eine Lampe nicht richtig aufgehängt. Da sagte ein Mitarbeiter: 'Die trifft ja nur<br />

die <strong>Leiharbeit</strong>er, um die wäre es nicht so schade'. Wenn man so was hört,<br />

und dann sieht man noch den Lohnzettel der Festangestellten - das tut weh.<br />

Seelisch war das schon ziemlich belastend. Ich habe jeden Abend geheult.<br />

Aber ich habe mich in meinen Bereich sehr gut eingearbeitet. Da konnte mir<br />

keiner was. Und das hat mich stark gemacht."<br />

Luca V.*, 27, hat als <strong>Leiharbeit</strong>er in verschiedenen Unternehmen gearbeitet,<br />

unter anderem in der Metallbranche. Er erzählt von seinen Erfahrungen als<br />

Lagerarbeiter:<br />

„Die Festangestellten wurden besser behandelt als wir <strong>Leiharbeit</strong>er. Sie<br />

konnten sich Aufträge aussuchen und wir mussten immer den Stapel von<br />

oben abarbeiten. Einmal haben mich ein paar Mitarbeiter ins Büro ge­<br />

rufen. Die haben gesagt: Uns ist gerade eine Pflanze runtergefallen, mach<br />

mal den Dreck weg. Das kam ein paar Mal vor, dass ich den Müll raus­<br />

tragen musste oder den Dreck wegmachen. Da habe ich mich dann gefragt:<br />

Warum ich? Die kamen sich sehr wichtig vor. Da war immer diese Un­<br />

freundlichkeit, besonders gegenüber Leuten, die nicht richtig Deutsch<br />

konnten. Das ist etwas, womit ich gar nicht klar komme.


Da habe ich auch manchmal den Mund aufgemacht, aber es hat nichts<br />

gebracht. Ich wollte auch eine Umschulung machen. Aber beim Arbeitsamt<br />

haben sie gesagt, dafür sei ich zu alt. Da war ich 25! Die wollten mich<br />

einfach nur in <strong>Leiharbeit</strong> stecken."<br />

*Namen geändert<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite


Demo bei Gärtner + Klinger:<br />

Zehn Festangestellte entlassen


Rechentricks gegen Abfindung und Sozialpläne<br />

Ein Unternehmen rechnet sich arm<br />

Weil die Firma Gärtner + Klinger in Asperg bei Ludwigsburg Geld sparen<br />

wollte, ließ sie hinter dem Rücken des Betriebsrats einen Teil ihrer Aufträge<br />

durch günstige <strong>Leiharbeit</strong>er erledigen. Zehn Festangestellte wurden<br />

inzwischen entlassen, weil ihre Abteilung angeblich nicht mehr wirtschaft­<br />

lich gearbeitet hätte. Ein Rechentrick, um mühseligen Abfindungen und<br />

Sozialplänen zu entgehen.<br />

Auf einmal waren es 50. Den 110 Festangestellten standen 50 Beschäftigte<br />

von der <strong>Leiharbeit</strong>sfirma WIR gegenüber. Die Anzahl der Neuen bei der<br />

Firma Gärtner + Klinger wuchs schleichend. Es dauerte einige Zeit, bis die<br />

Betriebsräte verstanden, was ihr Arbeitgeber im Schilde führte. Als ihnen<br />

endlich ein Licht aufging, hatte Geschäftsführer Uwe Lange die ersten<br />

Kündigungen bereits ausgesprochen.<br />

Das war im Januar 2008. Auch Rosie M.* wurde entlassen. Viele Jahre hatte<br />

sie für die Firma gearbeitet, nun sollte ihre Aufgabe von <strong>Leiharbeit</strong>ern über­<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„Die Aufträge gingen nicht zurück, sie wurden<br />

einfach von einer anderen Abteilung erledigt,<br />

nämlich der mit den <strong>Leiharbeit</strong>ern."<br />

nommen werden. Neben ihr wurden inzwischen neun weitere Beschäftigte vor<br />

die Tür gesetzt, offiziell verpackt als „betriebsbedingte" Kündigungen. Denn<br />

Uwe Lange und sein Personalchef wollten nicht nur Geld sparen. Sie wollten<br />

ihre Mitarbeiter auch um ihre Rechte bringen.<br />

Wer in Deutschland eine Firma umstrukturieren will, kann das nicht einfach<br />

so. Er braucht dafür die Zustimmung des Betriebsrats. Und die gibt es in der<br />

Regel nur, wenn gleichzeitig ein so genannter Sozialplan vereinbart wird. Dort<br />

wird vereinbart, wer entlassen werden kann und wie die Abfindungen gere­<br />

gelt werden. Dem wollte die Firma Gärtner + Klinger entgehen.


Sie sprach „betriebsbedingte" Kündigungen aus - die aber nur aus wirt­<br />

schaftlichen Gründen möglich sind. Argument der Firma: Die Abteilung von<br />

Rosie Müller mache seit einigen Monaten viel zu wenig Umsatz. Statistisch<br />

war das korrekt, doch mit der Realität hatte es nichts zu tun. „Dem Unter­<br />

nehmen ging es besser denn je", sagt Markus Büchting, Gewerkschaftssekre­<br />

tär der IG Metall in Ludwigsburg. „Die Aufträge gingen nach unseren Infor­<br />

mationen nicht zurück, sie wurden einfach von einer anderen Abteilung er­<br />

ledigt, nämlich der mit den <strong>Leiharbeit</strong>em." So schien es zwar so, als hätten<br />

Rosie M. und ihre Kollegen tatsächlich weniger zu tun, doch in Wirklichkeit<br />

war das nicht mehr als ein Buchhaltertrick.<br />

Ein <strong>Leiharbeit</strong>er, den sie verdächtigten, dass<br />

er einen Betriebsrat gründen wollte, wurde von<br />

einem Tag auf den anderen seinen Job los.<br />

Die zehn gekündigten Mitarbeiter klagten vor dem Arbeitsgericht gegen<br />

ihre Kündigung, die übrigen gingen auf die Straße. Am 23. April 2008 trafen<br />

sich rund 120 Menschen bei Gärtner + Klinger, um gegen die Kündigungen<br />

zu demonstrieren. Mit dabei war Markus Büchting von der IG Metall. Aber<br />

auch Uwe Werner, Personalchef der Firma, stand mit einem Notizblock am<br />

Rand der Menge und schrieb sich die Namen der Beteiligten auf. Jeder von<br />

ihnen bekam später eine Abmahnung. „Die ist zwar arbeitsrechtlich wir­<br />

kungslos, aber es macht den Leuten natürlich Angst", sagt Büchting.<br />

Die Mitarbeiter bei<br />

Gärtner + Klinger<br />

demonstrieren gegen<br />

die Kündigungen


Angst verbreitete auch die <strong>Leiharbeit</strong>sfirma WIR. Ein <strong>Leiharbeit</strong>er, den sie<br />

verdächtigten, dass er einen Betriebsrat bei WIR gründen wollte, wurde sogar<br />

von einem Tag auf den anderen seinen Job los. Die zehn entlassenen Festan­<br />

gestellten bei Gärtner + Klinger wurden indes für ihre Standhaftigkeit belohnt.<br />

Sieben, darunter auch Rosie M., bekamen vor Gericht sofort Recht, bei den<br />

übrigen dreien wird noch verhandelt. Die Chancen, dass auch ihre „betriebs­<br />

bedingten" Kündigungen zurückgenommen werden, stehen aber gut.<br />

*Name geändert<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 77


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„<strong>Leiharbeit</strong> erhöht den Blutdruck<br />

der gesamten Belegschaft"<br />

Der Soziologe Hajo Holst über die Auswirkungen<br />

von <strong>Leiharbeit</strong> auf das Arbeitsklima<br />

Hajo Holst arbeitet am Lehrstuhl für Arbeits-, Industrie- und Wirt­<br />

schaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dort forscht<br />

er über Formen von unsicherer Beschäftigung, zu der auch <strong>Leiharbeit</strong><br />

gehört. Mit seinem Team fährt er zu Unternehmen und befragt <strong>Leiharbeit</strong>er,<br />

Personalchefs und Mitarbeiter der Stammbelegschaft. Unterstützt wird<br />

er von der Otto-Brenner-Stiftung.<br />

Herr Holst, die Arbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren dramatisch<br />

gesunken - auch durch <strong>Leiharbeit</strong>, sagen die Befürworter.<br />

Ich bezweifle, dass viele Arbeitsplätze durch <strong>Leiharbeit</strong> entstanden sind. In<br />

den allermeisten Fällen wurden Arbeitsplätze mit <strong>Leiharbeit</strong>ern besetzt, die<br />

im wirtschaftlichen Aufschwung ohnehin besetzt werden mussten.<br />

Sie stehen <strong>Leiharbeit</strong> recht kritisch gegenüber.<br />

Aber kann <strong>Leiharbeit</strong> auch Sinn machen?<br />

Wenn sie zur Flexibilisierung eingesetzt wird, etwa um Produktionsspitzen<br />

abzudecken oder wenn die Herstellung eines neuen Produktes anläuft, dann<br />

finde ich das prinzipiell in Ordnung. Aber dann sollen die <strong>Leiharbeit</strong>er auch<br />

das gleiche Geld bekommen wie ihre Kollegen von der Stammbelegschaft -<br />

mindestens. Im Grunde müsste man ihnen sogar eine Prämie zahlen, weil sie<br />

für den Betrieb eine wichtige Flexibilisierungsleistung erbringen. Ein Riesen­<br />

problem sehe ich aber in den Fällen, wo <strong>Leiharbeit</strong>er dauerhaft eingesetzt<br />

werden und eine Quasi-Stammbelegschaft mit geringeren Rechten bilden.<br />

Denn diese Betriebe nutzen die <strong>Leiharbeit</strong>, um den gesetzlichen Kündigungs­<br />

schutz zu umgehen und einen Teil des unternehmerischen Risikos auf die<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er abzuwälzen.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

Hajo Holst


<strong>Leiharbeit</strong>er haben ständig den möglichen Verlust ihres Arbeitsplatzes<br />

im Kopf. Nutzen die Arbeitgeber diesen Druck bewusst?<br />

Bewusst machen das nur wenige, aber es wird wohl gerne in Kauf genom­<br />

men. Es ist ja so: <strong>Leiharbeit</strong> erhöht den Blutdruck der gesamten Belegschaft.<br />

Die <strong>Leiharbeit</strong>er hoffen ständig, vom Unternehmen eine Festanstellung zu<br />

bekommen. Außerdem haben sie Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Auch<br />

die Mitarbeiter der Stammbelegschaft spüren diesen Druck. Sie wissen:<br />

Der <strong>Leiharbeit</strong>er macht dieselbe Arbeit für meist weniger Geld. Ich habe von<br />

fest angestellten Mitarbeitern gehört, dass ihre Vorgesetzten die Beleg­<br />

schaftsgruppen gegeneinander ausspielen: Was ist los mit dir, der Leiharbei­<br />

ter schafft viel mehr als du. Aus Sicht des Arbeitgebers steigert diese<br />

Konkurrenzsituation die Produktivität.<br />

„Betriebe nutzen die <strong>Leiharbeit</strong>, um den<br />

gesetzlichen Kündigungsschutz zu umgehen<br />

und einen Teil des unternehmerischen<br />

Risikos auf die <strong>Leiharbeit</strong>er abzuwälzen."<br />

Aber kann der Schuss auch nach hinten losgehen?<br />

Unzufriedene <strong>Leiharbeit</strong>er, viel Druck, eine gespaltene Belegschaft:<br />

Geht das nicht zu Lasten der Produktivität?<br />

Ich denke ja. Bei Fließbandarbeit, zum Beispiel, beobachten wir in den letzten<br />

Jahren kürzere Taktzeiten bei immer höheren Anforderungen an die Arbeit. Da<br />

muss die Stimmung am Fließband gut sein, die Mitarbeiter hoch motiviert.<br />

Wenn das Fließband steht, dann wird es teuer. Ich weiß von Unternehmen, die<br />

da Probleme mit den schlechter bezahlten <strong>Leiharbeit</strong>ern hatten. Manche<br />

zahlen jetzt der gesamten Belegschaft denselben Lohn.<br />

Sie sprechen viel mit Menschen, die schon seit langem <strong>Leiharbeit</strong>er sind.<br />

Welche Folgen hat ihr Beschäftigungsstatus auf das tägliche Leben?<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er leben mit einer großen Unsicherheit. Dadurch wird der Planungs­<br />

horizont sehr kurz. Wir sehen bei unseren Studien ganz klar, dass <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

eher zögern, eine Familie zu gründen, mit ihren Partnern zusammenzuziehen<br />

oder sich ein Auto zu kaufen. Das erschwert die gesellschaftliche Teilhabe<br />

ungemein. Wir sehen auch: Je länger die Unsicherheit andauert, desto mehr<br />

verlieren die Arbeitnehmer die Hoffnung auf eine feste Stelle.


Es gibt aber doch auch positive Beispiele. Unternehmen, die allen<br />

Mitarbeitern den gleichen Lohn zahlen. Wie hoch ist deren Anteil?<br />

Ich schätze, dass weniger als zehn Prozent der Firmen den <strong>Leiharbeit</strong>ern<br />

den gleichen Lohn zahlen. Übrigens rechtfertigen viele den Einsatz von Leihar­<br />

beitern damit, sie müssten Produktionsspitzen abdecken. Unsere Forschung<br />

zeigt, dass dieser Begriff sehr dehnbar ist. Eine Personalchefin sagte mir mal:<br />

Wir stellen <strong>Leiharbeit</strong>er nur ein, um unsere Produktionsspitzen abzudecken.<br />

Diese Spitze haben wir jetzt schon seit fünf Jahren. Da musste auch sie lachen,<br />

das war schon absurd.<br />

Einige Gewerkschaftsmitglieder kritisieren, die Arbeitsagenturen<br />

gingen zu sehr auf Tuchfühlung mit <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen, das Verhältnis<br />

sei viel zu unkritisch...<br />

Da ist schon was dran. Es gibt Berichte, dass manche Agenturen Arbeits­<br />

lose zur Teilnahme an Zeitarbeitsmessen verpflichten. Da kommt die Frage<br />

auf, wie kritisch <strong>Leiharbeit</strong> kommuniziert wird, ob die Agenturen auch über<br />

die Risiken von <strong>Leiharbeit</strong> aufklären. Auf der anderen Seite schaffen die<br />

Agenturen keine Arbeit, sie sind eben nur Vermittler. Oft ist der Anteil der<br />

<strong>Leiharbeit</strong> an den gemeldeten freien Stellen so hoch, dass es schwer wird<br />

für die Agenturen, etwas anderes zu vermitteln.<br />

Wo sehen Sie die Gewerkschaften beim Thema <strong>Leiharbeit</strong>?<br />

Die aktuelle Kampagne ist gut und richtig. Die Gewerkschaften haben aber<br />

für lange Zeit die Augen verschlossen und waren nur an den Bedingungen<br />

für die Stammbelegschaften interessiert. Doch je höher der Anteil der<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er, umso schlechter wird die Verhandlungsposition der Gewerk­<br />

schaften. Zwei verschiedene Belegschaftsgruppen senken zum Beispiel<br />

die Streikfähigkeit. Das hat die Gewerkschaften zum Umdenken gebracht.<br />

Auf Dauer werden die Gewerkschaften im Bereich der prekären Beschäfti­<br />

gung nur handlungsfähig, wenn es ihnen gelingt, die Gegenüberstellung<br />

zwischen Kern- und Randbelegschaft zu überwinden. Unsere Forschungser­<br />

gebnisse zeigen, dass man dauerhafte Verbesserungen für die <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

und die Stammkräfte nur gemeinsam erreichen kann. Allein mit einer klas­<br />

sischen Stellvertreterpolitik ist das kaum möglich. Nur in den Betrieben, in<br />

denen die gesamte Belegschaft sensibilisiert ist und <strong>Leiharbeit</strong> als ein<br />

politisches Thema begriffen wird, sind dauerhaft Verbesserungen möglich.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite


Tod eines <strong>Leiharbeit</strong>ers<br />

Das Risiko, einen Arbeitsunfall zu haben,<br />

ist bei <strong>Leiharbeit</strong>ern dreimal so hoch<br />

Die Uhr zeigt 3:20, als Helmut Cremer seinen Sohn zum letzten Mal sieht.<br />

Durch die Klappe in der Müllpresse kann er den zermalmten Körper des<br />

21-jährigen erkennen. Stefan war erst seit kurzem bei der Firma tätig. Ein<br />

Verleihunternehmen hatte ihn geschickt.<br />

Stefan Cremer war arbeitslos und deshalb froh, endlich einen Job zu bekom­<br />

men. Ausgerechnet sein Vater, der bei der Firma Gewerbeabfallsortierung und<br />

Verwertung Gesellschaft (GVG) in Köln-Niehl als Fahrer beschäftigt war, hatte<br />

ihm zu dem Job verholfen. Da die GVG nur <strong>Leiharbeit</strong>er wollte, fragte Cremer<br />

Uwe Jentsch, den Vorarbeiter des Verleihers Innovative Dienstleistungen Habers<br />

(IDH), mit dem die GVG zusammen gearbeitet hat. Jentsch hatte Erfolg und so<br />

kamen fest angestellter Vater und entliehener Sohn nun häufig zusammen zur<br />

Arbeit.<br />

Auch wenn der Lohn gering war - 6,80 Euro in der Stunde - strengte Stefan<br />

sich bei der Arbeit an; er wollte den Staplerführerschein machen und hoffte,<br />

später wie sein Vater doch irgendwann einen festen Arbeitsvertrag zu be­<br />

kommen. In der Unfall-Nacht sah Helmut Cremer seinen Sohn noch kurz nach<br />

zwei Uhr an der Papier- und Kartonpresse. Schon an den beiden Vortagen<br />

sei er dort eingesetzt worden, erinnert sich der Vater.<br />

Die Firma dagegen sagt, der junge <strong>Leiharbeit</strong>er hätte ausschließlich<br />

als Reiniger und Sortierer arbeiten dürfen und auch so gearbeitet. Einer der<br />

Widersprüche, die den Vater ärgern. Unklar ist auch, ob es eine fachliche<br />

inweisung gab. Das Einweisungsprotokoll und die Unterschrift von Stefan<br />

remer seien manipuliert worden, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Der<br />

erleiher bestreitet dies und verweist auf ein Schriftgutachten.<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite<br />

Stefan Cremer (t)<br />

.Manchmal sind <strong>Leiharbeit</strong>er mitten in der Nacht<br />

angekarrt worden, die dann ohne Einarbeitung<br />

und Unterweisung arbeiten mussten."


Vorarbeiter Uwe Jentsch bleibt bei seiner Kritik: Weder der Verleiher noch<br />

der Entleiher hätten Wert auf eine korrekte Sicherheitsbelehrung gelegt.<br />

Manchmal seien IDH-<strong>Leiharbeit</strong>er „mitten in der Nacht angekarrt worden, die<br />

dann ohne Einarbeitung und Unterweisung arbeiten mussten". Und so sei<br />

es immer wieder zu einer Reihe von Verstößen gekommen. Er habe dies<br />

seinem Chef mehrmals gesagt und um Abhilfe gebeten. Vergeblich. Noch in<br />

seiner Probezeit habe sich das Unternehmen deshalb von ihm getrennt -<br />

kurz vor der Todesnacht.<br />

„Das Risiko, als <strong>Leiharbeit</strong>er einen Arbeitsunfall<br />

zu erleiden, ist drei mal so hoch wie bei<br />

Beschäftigten mit festen Arbeitsverhältnissen."<br />

Wie es genau zum Unfall an der Müllpresse kommen konnte, weiß niemand.<br />

Zeugen gibt es nicht. Klar ist, dass Stefan Cremer an der gefährlichen An­<br />

lage nicht hätte eingesetzt werden dürfen, schon gar nicht alleine. „Doch wäh­<br />

rend der Nachtschicht dieser Woche arbeiteten ohnehin nur sieben Männer",<br />

erinnert sich Vater Helmut, „sonst waren es drei- bis viermal so viele". Für die<br />

Bedienung der Presse sei wegen der Unterbesetzung nur ein Kollege in<br />

Frage gekommen: sein Sohn. Bereits in den beiden Nächten vor dem Unfall<br />

war er dazu eingeteilt. Stefan Cremer musste auch den Gabelstapler fahren -<br />

obwohl er noch keinen Führerschein hatte. Ein weiterer Verstoß gegen<br />

Sicherheitsvorschriften.<br />

Die Anlage arbeitete nach Ansicht der Experten einwandfrei. Allerdings war<br />

die Lichtschranke im Pressenraum verdreckt, so dass sich die Presse auch<br />

ohne Zufuhr von Papier ständig hin und her bewegte. Auch zur Unfallzeit.


Man vermutet mittlerweile, dass der Trichter über dem Pressenraum verstopft<br />

war und Stefan ihn frei machen wollte. Wie und warum er in die Presse<br />

rutschte, ist unklar.<br />

Doch auch dies hätte mit einer einfachen Funktechnik verhindert werden<br />

können: Eine Transponder-Sicherung bringt dann das stählerne Ungetüm bei<br />

Gefahr zum Stillstand. Das funktioniert wie bei der Diebstahlsicherung im<br />

Schuhgeschäft: Wenn man den Laden mit neuen Schuhen verlässt ohne be­<br />

zahlt zu haben, piepst es. In etlichen Firmen wird diese Technik eingesetzt.<br />

Gefährdete Personen tragen die Sender, die etwa doppelt so groß sind wie ein<br />

Feuerzeug, meist an der Hose. Die Verantwortlichen der Firma GVG - Eigen­<br />

tümer sind die Firma Remondis und die Stadt Köln - sahen dafür keine Not­<br />

wendigkeit. „Das ist leider nicht der erste Todesfall dieser Art", sagt<br />

ver.di-Vorstandsmitglied Erhard Ott. „Einige Unternehmen scheuen offenbar<br />

die Kosten für ein derartiges Sicherheitssystem. Doch offensichtlich ist<br />

das Leben von Arbeitern und - mehr noch - das Leben von <strong>Leiharbeit</strong>ern in<br />

unserer Gesellschaft nicht viel wert", empört sich Ott.<br />

Arbeitsschutz wird in der <strong>Leiharbeit</strong> ohnehin nicht groß geschrieben - auch<br />

wenn es längst nicht immer tödlich endet. Das Risiko, als <strong>Leiharbeit</strong>er einen<br />

Arbeitsunfall zu erleiden, sei drei mal so hoch wie bei Beschäftigten mit<br />

festen Arbeitsverhältnissen, sagt die Soziatwissenschaftlerin Tatjana Fuchs<br />

vom Internationalen Institut für empirische Sozialforschung. Sie beruft<br />

sich dabei auf interne Statistiken, die die Berufsgenossenschaften bisher<br />

nicht veröffentlichen wollen.<br />

Die Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik räumt immerhin<br />

ein, dass <strong>Leiharbeit</strong>er „viel häufiger Arbeitsunfälle als die sonstigen Mitar­<br />

beiter eines Betriebes" haben.<br />

Helmut Cremer ist sich sicher, dass Stefan noch leben könnte, wenn der<br />

Verleiher und der Entleiher seines Sohnes mehr auf die Sicherheit geachtet<br />

hätten. Enttäuscht ist Cremer von der Kölner Staatsanwaltschaft. Sie mus­<br />

ste das bereits eingestellte Ermittlungsverfahren zwar nach kritischen Veröf­<br />

fentlichungen erneut eröffnen, hat es aber mittlerweile wieder eingestellt.<br />

Und dies ohne mit einem der Belastungszeugen auch nur zu sprechen, dem<br />

ehemaligen Vorarbeiter Uwe Jentsch. Helmut Cremer fragt sich deshalb,<br />

ob <strong>Leiharbeit</strong>er jetzt auch schon vor der Justiz Menschen zweiter Klasse sind.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite


Leben mit der Angst<br />

Ausnahme Übernahme<br />

Mohamed Z*. ist ein Branchenkenner. Der 30jährige hat für mehr als<br />

20 <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen gearbeitet, war in über 30 Entleihbetrieben eingesetzt:<br />

Montage in einer Fabrik für Autofedern, Ware verpacken, Steine schleppen,<br />

alles. Dabei wollte er nur, was <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen so oft versprechen -<br />

einen festen Job.<br />

Herr Z., Sie haben innerhalb von fünf Jahren in 30 verschiedenen Betrieben<br />

gearbeitet. Warum?<br />

Ich habe immer versucht, eine Festanstellung zu bekommen. Jedes Mal, wenn<br />

ich ein paar Wochen gearbeitet hatte, habe ich den Chef gefragt: Habe ich<br />

eine Chance, irgendwann?<br />

Aber es hat nie geklappt?<br />

Nein. Manche haben gesagt, ich könnte nur <strong>Leiharbeit</strong> machen bei der Firma.<br />

Das war oft so. Dann habe ich gekündigt und immer weiter gesucht.<br />

Waren Sie mal nah dran an einem festen Job?<br />

Einmal. Da haben sie zu mir gesagt: Wir nehmen dich. Doch dann haben<br />

sie einen anderen Kollegen genommen. Aber ich habe es immer weiter<br />

versucht. Manchmal habe ich über 100 Bewerbungen pro Jahr geschrieben.<br />

Aber meistens habe ich noch nicht einmal eine Antwort bekommen.<br />

Deshalb sind Sie in der <strong>Leiharbeit</strong> geblieben.<br />

Ja, aber das ging auch manchmal schief. Einmal hatte die Firma, an die<br />

ich verliehen war, keine Arbeit mehr. Eigentlich muss mir dann die Zeitarbeits­<br />

firma einen neuen Job geben. Aber die Sekretärin hat nur gesagt: Tut mir<br />

leid, geht nicht, wir melden uns vielleicht irgendwann. Jetzt muss ich dir kün­<br />

digen, sonst kostet es jeden Tag Geld.


Hat sie sich noch mal gemeldet?<br />

Nein. Das passiert oft bei <strong>Leiharbeit</strong>.<br />

Dann haben Sie aber wenigstens Unterstützung von der Arbeitsagentur<br />

bekommen?<br />

Nein. Ich bin nicht zur Arbeitsagentur gegangen. Wenn sie etwas von dir<br />

wollen, dann musst du immer da sein. Aber wenn du was brauchst, dauert es.<br />

Und wer selbst kündigt, wird mit Sperrzeiten bestraft, in denen es kein Geld<br />

gibt. Ich warte nicht auf diese Helfer von der Arbeitsagentur. Ich habe immer<br />

Gas gegeben, habe überall einen Job gesucht, in ganz Nordrhein-Westfalen.<br />

Bis zu 100 Kilometer bin ich gefahren. Obwohl man das Fahrgeld manchmal<br />

selbst bezahlen muss. Die Hauptsache ist: Ich muss mich in meiner Seele und<br />

in meinem Körper immer frei fühlen.<br />

Trotzdem muss der Mensch doch etwas essen, und das kostet Geld.<br />

Stimmt, aber mit Geld hatte ich nie Probleme. Als ich bei der ersten Leih­<br />

arbeitsfirma angefangen habe, hatte ich noch ein bisschen Geld von meiner<br />

früheren Arbeitsstelle in einer Pizzeria gespart. Davon habe ich gelebt,<br />

wenn ich keine Anstellung hatte. Und später war ich immer nur kurz arbeits­<br />

los. Mir ist es egal, ob ich für vier Euro oder fünf Euro pro Stunde arbeite.<br />

Hauptsache, ich habe was in der Tasche. Ob dreckiger Job oder sauberer Job,<br />

egal. Ich habe auch mal als Toilettenmann gearbeitet.<br />

Aber vielleicht hätte es bessere Jobs gegeben.<br />

Ich habe ja versucht, einen neuen Ausbildungsplatz zu bekommen. Bei<br />

der Arbeitsagentur habe ich zwei Tests gemacht. Aber die sagten, das sei nur<br />

Routine, und auf einen Ausbildungsplatz müsse ich lange warten.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„Dann fühle ich mich wie ein Sklave: Man hat<br />

nichts zu sagen. Man muss einfach nur arbeiten,<br />

du bist nur für diese Zeitarbeitsfirma da."


Sie haben eine Ausbildung in einer Textilienschneiderei gemacht. Hat Ihnen<br />

das bei ihren verschiedenen Aufgaben als <strong>Leiharbeit</strong>er geholfen?<br />

Nein, gar nicht. Da habe ich immer als Lagerarbeiter oder Lagerist oder<br />

im Versand gearbeitet. Damit kenne ich mich gut aus. Bei manchen Jobs habe<br />

ich nur drei Tage gebraucht, dann war ich schon drin. Aber bei Montage ist<br />

es in jedem Betrieb anders. Da muss man immer bei Null anfangen. Und bei<br />

manchen Firmen habe ich nur drei oder vier Tage gearbeitet. Oft zeigen die<br />

Kollegen dir zwei Stunden lang, wie es geht, und dann gehen sie einfach weg.<br />

Und erwarten von dir, dass du alles perfekt machst.<br />

Und wenn Sie es dann perfekt konnten, mussten Sie wieder weg.<br />

Ja, das ist einfach immer so. Deshalb hatte ich auch kaum Kontakte zu meinen<br />

Kollegen. Vielleicht ein bisschen, wenn ich mehr als drei Wochen in einem Job<br />

geblieben bin. Aber das ist dann bald wieder auseinander gegangen.<br />

Und die Vorgesetzten bei den <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen?<br />

Manche waren in Ordnung, aber manche haben auch so laut und aggressiv<br />

mit mir gesprochen. Das mag ich nicht. Dann fühle ich mich wie ein Sklave:<br />

Man hat nichts zu sagen. Man muss einfach nur arbeiten, du bist nur für diese<br />

Zeitarbeitsfirma da. „Nein" gibt es nicht. Außerdem gibt es viele Tricks beim<br />

Arbeitsvertrag.<br />

„Ich hab mich nie gut gefühlt bei Zeitarbeit.<br />

Weil du nie sicher bist."<br />

Was für Tricks waren das?<br />

Wenn zum Beispiel im Vertrag stand, dass die Überstunden ausbezahlt<br />

werden, habe ich eine Menge Überstunden gemacht. Am Ende des Monats<br />

habe ich gefragt: Wo ist das Geld? Antwort: Leider können wir das nicht<br />

bezahlen, aber du kriegst Urlaub. Und wenn ich um Urlaub gebeten habe:<br />

Momentan geht das nicht. Zu viel zu tun.


Wie sind Ihre Familie und Ihre Freunde mit dieser Unsicherheit umgegangen?<br />

Ich hab mich nie gut gefühlt bei <strong>Leiharbeit</strong>. Weil du nie sicher bist. Du kannst<br />

keine feste Beziehung aufbauen, keine Familie. Du arbeitest heute hier,<br />

morgen woanders. Heute verdienst du sieben Euro, morgen vielleicht fünf.<br />

Heute arbeitest du, morgen bist du arbeitslos. Dann musst du wieder bei Null<br />

anfangen. Und selbst wenn man Arbeit hat: 700 bis 900 Euro netto reichen<br />

vielleicht für eine Person. Nicht für zwei.<br />

*Name geändert<br />

Schlechte Noten für <strong>Leiharbeit</strong><br />

<strong>Leiharbeit</strong> — die schwa<br />

Anteil der Arbeitnehmer/-innen, die Teilzeitarbeit,<br />

befristete Beschäftigung und <strong>Leiharbeit</strong><br />

mit „negativ" oder „sehr negativ" bewertet haben<br />

befristete<br />

Teilzeit Beschäftigung <strong>Leiharbeit</strong><br />

13,7%<br />

Quelle: Ostner/Kühnel/Ebert,<br />

49,1%<br />

Repräsentative Telefonumfrage bei 2000 Haushalten, 2004<br />

©Hans-Böckler-Stiftung


Landkarte der <strong>Leiharbeit</strong><br />

Prozentualer Anteil der Leih-<br />

arbeiter/-innen an den sozialver<br />

sicherungspflichtig Beschäf­<br />

tigten in Landkreisen und kreis­<br />

freien Städten in Deutschland<br />

< 2 Prozent<br />

mm 2-4 Prozent<br />

4-6 Prozent<br />

6-8 Prozent<br />

8-10 Prozent<br />

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Juni 2007


„Ich hab die Hoffnung aufgegeben"<br />

<strong>Leiharbeit</strong> im Osten: Eine Reise durch<br />

Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen<br />

Die Suche nach einem Mann, der den <strong>Leiharbeit</strong>ern in Ostdeutschland<br />

ein Gesicht gibt, führt auf eine Parkbank in Merseburg. Da sitzt Uwe S.*,<br />

raucht billige Zigaretten vom Discounter und sagt: „Das hat doch alles<br />

keinen Sinn mehr."<br />

Der Mann aus Sachsen-Anhalt ist Mitte vierzig, aber er sieht aus wie Mitte<br />

sechzig. Die Arbeit hat ihn gezeichnet. Er reinigt die Leitungen von Chemiewer­<br />

ken, manchmal muss er in Tanks krabbeln und sie von innen sauber machen,<br />

manchmal sieht er seine Familie für Wochen nicht, weil er auf Einsatz ist. Im<br />

Moment ist Uwe S. krank geschrieben. Vor der Wende hat er in Osteuropa<br />

an Öl-Pipelines gearbeitet, im Winter, bei minus 40 Grad. „Das war hart", sagt<br />

Uwe S. „Aber damals habe ich wenigstens einen vernünftigen Lohn bekom­<br />

men." Heute basiert sein Gehalt auf einem <strong>Leiharbeit</strong>s-Tarifvertrag der „christ­<br />

lichen Gewerkschaften". „Davon kann ich kaum leben", sagt Uwe S.<br />

Geschichten wie diese gibt es viele in Ostdeutschland. Denn hier ist die<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

In der Metallbranche in Sachsen-Anhalt liegt<br />

der Anteil von <strong>Leiharbeit</strong>ern bei 15 Prozent, im<br />

benachbarten Niedersachsen bei 5,2 Prozent.<br />

Arbeitslosigkeit besonders hoch, die Löhne sind niedriger als im Westen. Und:<br />

In Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen liegt der Anteil der <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

an den Beschäftigten höher als im Bundesdurchschnitt. Nach einer Statistik<br />

der Bundesagentur für Arbeit befinden sich unter den 15 deutschen Städten<br />

mit dem höchsten <strong>Leiharbeit</strong>eranteil acht Städte aus diesen neuen Bundes­<br />

ländern: Eisenach, Dessau, Gera, Zwickau, Halle, Sonneberg, Plauen und Erfurt.<br />

So lag der Anteil in Eisenach bei 9,7 Prozent im Juni 2007, bundesweit sind<br />

es rund 2 Prozent. Zwar verweisen die Statistiker der Arbeitsagenturen darauf,<br />

dass die Zahlen nur den Sitz der <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen erfassen, nicht den Wohn-<br />

und Einsatzort der <strong>Leiharbeit</strong>er.


Es besteht jedoch kaum ein Zweifel, dass der <strong>Leiharbeit</strong>eranteil in den<br />

meisten Regionen Ostdeutschlands deutlich höher ist als im Westen. So<br />

kommt die IG Metall in einer Umfrage für die Metallbranche in Sachsen-Anhalt<br />

auf einen Anteil von 15 Prozent im Jahr 2007. Der Schnitt im benachbarten<br />

Niedersachsen liegt bei 5,2 Prozent.<br />

Sein Lebenslauf liest sich wie ein<br />

Überlebenskampf gegen die Arbeitslosigkeit.<br />

Der Soziologe Hajo Holst aus Jena versucht solche Zahlen wissenschaftlich<br />

zu erklären. „Im Osten ist die Akzeptanz von <strong>Leiharbeit</strong> insgesamt höher",<br />

sagt Holst. Hier gebe es eine Vielzahl von neuen Betrieben, die schon seit der<br />

Gründung <strong>Leiharbeit</strong>er angestellt hätten. „Da sind die Widerstände natürlich<br />

geringer." Dazu käme die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit. „Wenn der Weg<br />

zu einem neuen Job über Monate blockiert ist, dann gibt es oft gar keine<br />

andere Möglichkeit, als es mit <strong>Leiharbeit</strong> zu probieren", so der Wissenschaft­<br />

ler. „Viele schlagen sich durch, von einem <strong>Leiharbeit</strong>sjob zum Nächsten."<br />

Genauso geht es Stephan B.* Er ist 32, seine Frau hat gerade Zwillinge be­<br />

kommen, er wohnt mit ihr in einem Vorort von Leipzig. „Zeitbude" sagt er zu<br />

einer <strong>Leiharbeit</strong>sfirma und sein Lebenslauf liest sich wie ein Überlebens­<br />

kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Seit 1996 hat Stephan für 15 „Zeitbuden" ge­<br />

arbeitet, zehn Mal wurde er arbeitslos. Mal schickten die <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen<br />

den gelernten Schweißer zum Fegen, mal musste er Tiefkühlbrötchen eintüten.<br />

„Das gleiche Geld wie die fest Angestellten habe ich nie bekommen." Sein<br />

niedrigster Lohn lag bei 4,97 Euro. Seinen einzigen gut bezahlten Job hatte er<br />

bei MAN - im Westen, in München. 15 Euro bekam er da pro Stunde. „Ich<br />

hab die Schnauze voll und die Hoffnung aufgegeben", sagt Stephan B. und<br />

erzählt, dass seine Frau und er noch nie in den Urlaub gefahren sind.<br />

Seit 2003 haben die Menschen in Jena eine sehr schöne Arbeitsagentur. Sie<br />

liegt direkt an der Saale und bietet einen schönen Blick auf die Altstadt auf der<br />

anderen Seite des Flusses. Unten im Foyer stehen Computer, die die aktuellen<br />

Stellenangebote für Jena ausspucken. Zwar ist Jena in Thüringen kein Spitzen­<br />

reiter beim Anteil der <strong>Leiharbeit</strong>.


Doch auch hier erscheinen viele <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen auf dem Bildschirm:<br />

Die „Akzent Personaldienstleistungen" sucht einen Gabelstaplerfahrer.<br />

„Tertia" sucht Helfer, die „gute Kenntnisse im Regalauffüllen" haben.<br />

Im vierten Stock sitzt Agenturleiter Ulrich Gawelleck und sagt, dass „Zeit­<br />

arbeit eine ganz normale Beschäftigungsform" sei. Politische Statements gibt<br />

es von ihm zunächst nicht, er darf das nicht, er ist Beamter. „Ich habe gesetz­<br />

liche Bestimmungen und da muss ich mich dran halten", sagt Gawelleck.<br />

Irgendwann aber sagt er: „Natürlich hat man nicht immer die besten Gefühle,<br />

wenn man Menschen in Zeitarbeit vermittelt." In der aktuellen Lage sei<br />

man aber über jeden vermittelten Arbeitnehmer froh.<br />

„Natürlich hat man nicht immer die<br />

besten Gefühle, wenn man Menschen<br />

in Zeitarbeit vermittelt."<br />

Auf so eine vermeintliche Erfolgsstory verweist auch die Firma Faurecia,<br />

die in Leipzig die Autositze für BMW herstellt. Personalleiterin Elke Büchner<br />

führt durch die Werkshalle, am Band stehen meist junge Männer. „Die haben<br />

wir alle aus der Arbeitslosigkeit geholt", sagt Büchner. Rund 30 Prozent der<br />

Belegschaft sind <strong>Leiharbeit</strong>er. Sie tragen die selbe Arbeitskleidung, machen<br />

denselben Job. Büchner zeigt mit dem Finger: „<strong>Leiharbeit</strong>er, Stammbeleg­<br />

schaft, <strong>Leiharbeit</strong>er" und so weiter. Noch bis vor kurzem verdienten die Leihar­<br />

beiter bis zu 600 Euro weniger pro Monat. Das ist heute anders. Der Faurecia-<br />

Betriebsrat erreichte, dass beide Belegschaftsteile denselben Stundenlohn<br />

erhalten. „Das tut uns finanziell weh", sagt Faurecia-Geschäftsführer Joachim<br />

Sauer. „Aber so niedrige Löhne, wie wir sie damals gezahlt haben, passen<br />

nicht mehr in unsere Zeit. Die Löhne in Ostdeutschland sind ohnehin sehr tief."<br />

Eine solche Äußerung ist bemerkenswert. Ebenso bemerkenswert bei Faurecia<br />

ist der fast bedingungslose Einsatz der Stammbelegschaft für die <strong>Leiharbeit</strong>er.<br />

Der Grund: Fast alle heute fest angestellten Faurecia-Mitarbeiter fingen als<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er an. Der Autozulieferer verweist mit Stolz darauf, viele <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

in einen festen Job gebracht zu haben. Doch auch Faurecia verschweigt nicht:<br />

Der immer noch hohe Anteil an <strong>Leiharbeit</strong>ern dient der Absicherung vor schlech<br />

teren Zeiten. Sollte die Produktion einbrechen, kann sich Faurecia sehr schnell<br />

von den <strong>Leiharbeit</strong>ern trennen. „In unserer schnelllebigen Branche brauchen<br />

wir das", sagt Sauer.<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die schwarze Seite 93


Den <strong>Leiharbeit</strong>ern gefällt das nicht, aber sie trauen sich nicht, das einem<br />

Besucher der Fabrik zu sagen. Beim Werksrundgang sind die Stammbeschäf­<br />

tigten leicht zum Gespräch bereit. Die <strong>Leiharbeit</strong>er entfernen sich schnell.<br />

Trotzdem können sich die Faurecia-<strong>Leiharbeit</strong>er relativ glücklich schätzen.<br />

Denn den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft bekommt in Ostdeutsch­<br />

land nur ein Bruchteil der <strong>Leiharbeit</strong>er. Sozialforscher Holst schätzt, dass<br />

weniger als zehn Prozent der Unternehmen gleichen Lohn für gleiche Arbeit<br />

zahlen. „Wir kämpfen weiter für faire Löhne", sagt Günter Meißner, erster<br />

Bevollmächtigter der IG Metall in Halle. Auch den Anteil der <strong>Leiharbeit</strong> wolle<br />

man senken. Aber gerade das sei nicht so leicht. „Die hohe Arbeitslosigkeit<br />

im Osten führt einfach dazu, dass sich die Mitarbeiter viel gefallen lassen.<br />

Viele Unternehmen nutzen das aus", meint der Gewerkschafter. „Wir haben<br />

noch viel zu tun."<br />

*Namen geändert


<strong>Leiharbeit</strong> - die schwarze Seite<br />

„Wir haben noch viel zu tun" - so steht<br />

es im letzten Satz des schwarzen Teils über<br />

<strong>Leiharbeit</strong>.<br />

Die IG Metall tut was: Sie setzt sich ein für<br />

die Interessen der Stammbelegschaften und der<br />

<strong>Leiharbeit</strong>skräfte. In den Betrieben, in der Wirt­<br />

schaft und in der Gesellschaft. Sie macht Druck<br />

auf die Arbeitgeber, auf ihre Verbände und<br />

auf die Politik. Rund 2,3 Millionen Mitglieder der<br />

IG Metall stehen für die Forderung:<br />

Gleiche Arbeit - Gleiches Geld.


»N31I3S I3MZ<br />

IVH sanv"<br />

„Alles hat zwei Seiten" - so heißt es.<br />

Das trifft auf die <strong>Leiharbeit</strong> zu. Und auch auf<br />

dieses Buch. Es hat eine schwarze und eine<br />

weiße Seite.<br />

Über die weiße Seite der <strong>Leiharbeit</strong> berichtet<br />

der andere Teil dieses Buches.<br />

Er handelt von den Erfolgen, die hauptamtliche<br />

Gewerkschafter, Betriebsräte und Vertrauens­<br />

leute errungen haben. Das funktioniert nie im<br />

Alleingang, sondern nur solidarisch mit vielen<br />

gemeinsam. Und natürlich nur gemeinsam mit<br />

den <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>ern.<br />

Der weiße Teil des Buches handelt auch von<br />

Kolleginnen und Kollegen, die sich tagtäglich<br />

dafür einsetzen, dass die <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. Und von<br />

kleinen Schritten auf dem Weg dahin. Kleine<br />

Schritte, die aber dennoch wertvoll sind. Dieser<br />

Teil handelt auch von Betriebsräten, die Leih­<br />

arbeit gar nicht erst zulassen wollen, weil sie<br />

Beschäftigte lieber in festen oder befristeten<br />

Arbeitsverhältnissen sehen als in ungeschützter<br />

<strong>Leiharbeit</strong>. Und von <strong>Leiharbeit</strong>ern, die tatsächlich<br />

als Stammbeschäftigte übernommen werden<br />

konnten.<br />

Die Berichte sollen zeigen: Gemeinsam<br />

können wir viel erreichen. Sie machen Mut, sich<br />

weiter für „Gleiche Arbeit - Gleiches Geld"<br />

einzusetzen.


WEISSBUCH<br />

LEIHARBEIT<br />

ISBN 978-3-00-025633-2


<strong>Leiharbeit</strong> als Lohndumping:<br />

In vielen Betrieben sind <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

Beschäftigte zweiter Klasse.<br />

Unsicherer Status, geringeres<br />

Einkommen, weniger Urlaub.<br />

Das ist ein Skandal.<br />

„Gleiche Arbeit - Gleiches Geld":<br />

Wenn man <strong>Leiharbeit</strong> zulässt,<br />

dann muss dieser Grundsatz gelten.<br />

Die bundesweite Kampagne der<br />

IG Metall will <strong>Leiharbeit</strong> fair gestalten.<br />

Überall. Das ist unser Ziel.<br />

Gemeinsam in die Offensive:<br />

Für berufliche Sicherheit.<br />

Für eine gerechte Arbeitswelt.<br />

Und für eine starke Gewerkschaft.<br />

Das ist unser Auftrag.<br />

www.gleichearbeit-gleichesgeld.de<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber<br />

IG Metall Vorstand<br />

Redaktion<br />

Robert Fuß<br />

Mitarbeit<br />

Hermann G. Abmayr, lens-Jean Berger,<br />

Simone Ebel-Schmidt, Benjamin Hammer,<br />

Jork Herrmann, Melanie Hofmann,<br />

Johannes Pennekamp, Eva-Maria Simon<br />

Fotos<br />

Werner Bachmeier, Manfred Vollmer,<br />

kp works. Berlin<br />

Konzept und Gestaltung<br />

kp works. Berlin<br />

Druck<br />

apm, Darmstadt<br />

Produkt-Nr.<br />

14086-21029<br />

© September 2008


WEISSBUCH<br />

LEIHARBEIT<br />

GLEICHE ARBEIT<br />

GLEICHES GELD<br />

<strong>Leiharbeit</strong><br />

fair gestalten.


VORWORT<br />

„Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf<br />

gleichen Lohn für gleiche Arbeit". Dieses Zitat<br />

stammt aus der Allgemeinen Erklärung der<br />

Menschenrechte von 1948. Bei der <strong>Leiharbeit</strong><br />

wird dieses Menschenrecht in Deutschland<br />

tagtäglich verletzt. Hunderttausendfach.<br />

Deshalb klagen wir an: Wir nehmen es nicht<br />

hin, dass <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen bei gleicher Arbeit<br />

im Durchschnitt 30 bis 40 Prozent weniger als<br />

Stammbelegschaften verdienen. Wir nehmen es<br />

nicht hin, dass es Menschen erster und zweiter<br />

Klasse geben soll. Und wir nehmen es nicht hin,<br />

dass Unternehmen <strong>Leiharbeit</strong> missbrauchen,<br />

um Stammbelegschaften zu ersetzen und unter<br />

Druck zu setzen. Das ist die schwarze Seite<br />

der <strong>Leiharbeit</strong>, die wir in diesem Schwarzweiß­<br />

buch anprangern.<br />

Detlef Wetzel<br />

2. Vorsitzender<br />

der IG Metall<br />

Aber es gibt auch eine andere Seite: In vielen<br />

Fällen setzen sich Betriebsräte und Vertrauens­<br />

leute für die <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

ein. Weil ihnen das Schicksal derjenigen nicht<br />

egal ist, die mit ihnen tagtäglich ihre Arbeit ver­<br />

richten. In vielen Fällen konnten sie bereits Re­<br />

gelungen durchsetzen, um die Situation der Leih<br />

arbeiterinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er zu verbessern.<br />

Die Bandbreite dieser Vereinbarungen ist groß:<br />

Sie reicht von deutlichen Einkommenserhö­<br />

hungen bis zur vollständig gleichen Bezahlung<br />

(„Equal pay"). Aber es gibt auch kleine Erfolge:<br />

Etwa wenn die <strong>Leiharbeit</strong>skräfte nicht mehr<br />

den erhöhten Kantinenpreis bezahlen müssen,<br />

sondern ihr Essen genauso bezuschusst wird<br />

wie das der Stammbelegschaft.<br />

Die IG Metall hat auf dem Gewerkschaftstag<br />

im November vergangenen Jahres ihr „Leipziger<br />

Signal" beschlossen. Wir hatten uns vorge­<br />

nommen, 200 „Besser"-Vereinbarungen in den<br />

Betrieben abzuschließen. Bis August 2008<br />

hatten wir 328 solcher Vereinbarungen geschlos<br />

sen. Das Ziel, das wir uns selbst gesetzt hatten,<br />

ist also mehr als erfüllt. Auch unser anderes Ziel<br />

werden wir erreichen: Wir hatten uns vorge­<br />

nommen, im Jahr 2008 mindestens 10.000 neue<br />

Mitglieder unter den <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und<br />

<strong>Leiharbeit</strong>ern zu gewinnen. Mehrere Tausend<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er sind bereits der IG Metall bei­<br />

getreten.


Auf diesem Weg werden wir weitermachen.<br />

Wir wollen konkrete Verbesserungen für die Leih-<br />

arbeitsbeschäftigten erreichen. Dabei ist aber<br />

auch der Einsatz der <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und Leih­<br />

arbeiter gefragt: ihr Handeln, ihr Beitritt zur<br />

IG Metall. Denn eine Gewerkschaft ist nur stark<br />

im Handeln, wenn sie eine starke Mitglieder­<br />

basis hat. Verbesserungen für die <strong>Leiharbeit</strong>neh-<br />

mer/-innen können wir nur mit ihnen zusammen<br />

erreichen, nie stellvertretend für sie.<br />

Bei der <strong>Leiharbeit</strong> ist obendrein die Politik ge­<br />

fordert: Sie hat die Gesetze geschaffen, die<br />

seit 2004 zu einer dramatischen Ausweitung der<br />

<strong>Leiharbeit</strong> geführt haben. All denen, die sich<br />

dafür einsetzen, diese Regeln wieder im Sinne<br />

der Beschäftigten zu verbessern, wollen wir<br />

Fakten und Argumente an die Hand geben.<br />

Wir lassen nicht locker. „Gleiche Arbeit -<br />

Gleiches Geld" ist Menschenrecht. Wir wollen,<br />

dass es durchgesetzt wird. Dieses Schwarz­<br />

weißbuch soll ein Beitrag dazu sein.<br />

Detlef Wetzel<br />

2. Vorsitzender<br />

der IG Metall<br />

Vorwort


INHALT<br />

SICHERHEIT,<br />

GERECHTIGKEIT, GEWERKSCHAFT<br />

Die Arbeit der IG Metall-8<br />

<strong>Leiharbeit</strong> fair gestalten.<br />

„Gleiche Arbeit - Gleiches Geld"<br />

Die Kampagne der IG Metall-9<br />

Aktiv für Gerechtigkeit<br />

Vereinbarungen decken 27 Prozent<br />

der Beschäftigten ab-18<br />

Zehn Argumente für die Kampagne<br />

der IG Metall zur <strong>Leiharbeit</strong><br />

<strong>Leiharbeit</strong> kann besser werden -<br />

mit der IG Metall-20


LEIHARBEIT - DIE WEISSE SEITE<br />

Fairness ist machbar-24<br />

Ein Happy End für Ruslan -<br />

dank Betriebsrat und IG Metall<br />

Erst gab's mehr Geld -<br />

und dann die Festanstellung -25<br />

„Wenn schon <strong>Leiharbeit</strong>, dann fair"<br />

So muss <strong>Leiharbeit</strong> aussehen:<br />

Gleiche Bedingungen, gleicher Lohn-28<br />

Den Missbrauch abgestellt<br />

Planstelle statt Mini-Job-30<br />

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit<br />

Friedhelm Adam setzt sich für die<br />

<strong>Leiharbeit</strong>nehmer in seinem Betrieb ein-33<br />

„Nur für Super-Notfälle - aber wir sind da"<br />

Betriebsratsarbeit ist dringend nötig -<br />

auch unter erschwerten Bedingungen -36<br />

Ohne <strong>Leiharbeit</strong> geht's auch<br />

Zeitverträge statt <strong>Leiharbeit</strong> -<br />

Bosch-Betriebsrat setzt sich durch - 39<br />

„Der Kampf um Mehrheiten lohnt sich"<br />

IG Metall kämpft für bessere Arbeitsbe­<br />

dingungen im Dresdner Infineon-Werk-42<br />

„Es geht fast alles - aber nur mit Druck"<br />

Erfolge in der Automobilbranche-45<br />

Mit Herzblut und guten Argumenten<br />

Dank Betriebsrat organisieren sich<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er in der IG Metall-48<br />

Fair Play und Equal Pay<br />

Bei GABIS gilt: Vermittlung statt Umsatz- 50<br />

Starker Betriebsrat,<br />

starke Gewerkschaft, starke Leistung<br />

Inhalt<br />

Wie aus Leihkräften feste Mitarbeiter werden - 53<br />

„Die Situation in den Griff bekommen"<br />

„Kaskaden-Modell" ermöglicht Übernahme<br />

von <strong>Leiharbeit</strong>ern bei Siemens TS -56<br />

„Es wird keine Menschen<br />

zweiter Klasse geben"<br />

„Equal pay" und „Equal treatment"<br />

bei Mercedes-Benz in Wörth - 57<br />

Gutes Geld für gute Arbeit<br />

Betriebsrat bei Thyssen Krupp<br />

macht vor, wie's geht-58


SICHERHEIT,<br />

GERECHTIGKEIT,<br />

GEWERKSCHAFT<br />

Die Arbeit der IG Metall<br />

Die IG Metall ist die Gewerkschaft für <strong>Leiharbeit</strong>ernehmerinnen und <strong>Leiharbeit</strong>­<br />

nehmer. Gewerkschafter/-innen und Betriebsratsmitglieder in den Unternehmen setzen<br />

sich ein für „Equal pay" und „Equal treatment" - dafür, dass <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigte<br />

nicht weiter als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.


<strong>Leiharbeit</strong> fair gestalten.<br />

„Gleiche Arbeit - Gleiches Geld"<br />

Die Kampagne der IG Metall<br />

Die IG Metall hat im April 2008 eine bundesweite Kampagne zum Thema<br />

<strong>Leiharbeit</strong> gestartet. Diese Kampagne unter dem Titel „Gleiche Arbeit -<br />

Gleiches Geld" ist in mehrfacher Hinsicht Ausdruck einer neuen politischen<br />

Strategie der IG Metall.<br />

Sicherheit, Gerechtigkeit, Gewerkschaft 9<br />

Die Kampagne „Gleiche Arbeit - Gleiches Geld" geht auf einen Beschluss LEIPZIGER SIGNAL<br />

des 21. Ordentlichen Gewerkschaftstages 2007 zurück. Die Delegierten<br />

beschlossen dort das so genannte „Leipziger Signal". Es richtet sich an<br />

vier Adressaten. Im Wortlaut:<br />

An die <strong>Leiharbeit</strong>er und <strong>Leiharbeit</strong>erinnen:<br />

„ Wir sind die Gewerkschaft für <strong>Leiharbeit</strong>er!"<br />

Die IG Metall ist die Gewerkschaft für <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er.<br />

Gemeinsam mit den Stammbelegschaften werden wir die Arbeitsbedin­<br />

gungen verbessern und dafür sorgen, dass der Grundsatz „Gleiche Arbeit -<br />

Gleiches Geld - Gleiche Arbeitsbedingungen" in der <strong>Leiharbeit</strong> gilt und<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er nicht länger ungerechtfertigt benachteiligt werden.<br />

An die Unternehmer/-innen:<br />

Jetzt ist Schluss mit Missbrauch!"<br />

Der scheinbar grenzenlose Einsatz von <strong>Leiharbeit</strong>, die Verdrängung von<br />

regulärer Beschäftigung und Lohndumping durch und auf Kosten der Leihar­<br />

beiter ist ab sofort mit der IG Metall nicht mehr zu machen. <strong>Leiharbeit</strong> ist nur<br />

für kurzfristige Auftragspitzen und unvorhergesehene Arbeiten akzeptabel.<br />

Jeder Einsatz wird kritisch geprüft und Missbrauch nicht mehr zugelassen.


An die Politik:<br />

„Ihr seid für die Menschen in <strong>Leiharbeit</strong> verantwortlich!"<br />

Die Politik hat der <strong>Leiharbeit</strong> seit 2003 Tür und Tor geöffnet. Die daraus<br />

resultierende Fehlentwicklung hat zu einer Zunahme der <strong>Leiharbeit</strong><br />

geführt, die noch lange nicht abgeschlossen ist.<br />

VERANTWORTUNG Die Politik ist aufgefordert, in Verantwortung gegenüber der in der Leih­<br />

arbeit beschäftigten Menschen eine umfassende Regulierung einzuleiten, um<br />

so Beschäftigung zu existenzsichernden Bedingungen sicherzustellen.<br />

An die IG Metall:<br />

„ Wir packen die <strong>Leiharbeit</strong> aktiv, konsequent und dauerhaft an!"<br />

Die IG Metall wird sich ab sofort der Herausforderung „<strong>Leiharbeit</strong>" in allen<br />

Organisationsgliederungen stellen. Wir schaffen die Voraussetzungen,<br />

damit Betriebsräte und Vertrauensleute in den betrieblichen Auseinanderset iderset-<br />

zungen gestärkt, Leihkräfte kompetent beraten und unterstützt und die ie<br />

notwendigen Auseinandersetzungen mit der Politik und den Arbeitgeb Derverbänden<br />

geführt werden können.<br />

Für uns gilt: Die tariflichen und betrieblichen Flexibilisierungsmöglichkeiten<br />

haben Vorrang vor <strong>Leiharbeit</strong>, und der Einsatz von <strong>Leiharbeit</strong>ern muss im<br />

Umfang reguliert werden. Dort wo <strong>Leiharbeit</strong> stattfindet muss der Grundsatz<br />

„Gleiche Arbeit - Gleiches Geld" Anwendung finden. Wir streben einen<br />

aktionsfähigen Organisationsgrad bei den in <strong>Leiharbeit</strong> Beschäftigten an.<br />

Das Leipziger Signal ist die Schlussfolgerung der IG Metall aus der Entwick­<br />

lung der <strong>Leiharbeit</strong> in den letzten Jahren. Die Arbeitnehmerüberlassung ist<br />

in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach dereguliert worden, angefangen<br />

mit dem Zulassen privater Arbeitsvermittlung im Jahr 1994.<br />

Aufhebung der Regulierung der <strong>Leiharbeit</strong><br />

Die letzten - und bis jetzt geltenden - Änderungen im Arbeitnehmerüber­<br />

lassungsgesetz sind zum 1. Januar 2004 in Kraft getreten. Damit wurden die<br />

letzten flächendeckenden Regulierungen für die <strong>Leiharbeit</strong> aufgehoben:<br />

• So ist die Höchstüberlassungsdauer von <strong>Leiharbeit</strong>skräften ständig erhöht<br />

wurden. 1985 wurde sie von drei auf sechs Monate erhöht, in den Folge­<br />

jahren immer weiter ausgedehnt.


Seit 2004 gibt es überhaupt keine Höchstüberlassungsdauer mehr.<br />

Das heißt: Der Einsatz von <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen ist zeitlich unbeschränkt<br />

möglich.<br />

• Das so genannte Synchronisationsverbot ist vollständig entfallen. Bis<br />

2004 musste jeder Beschäftigte in <strong>Leiharbeit</strong> mindestens ein Viertel der<br />

Zeitdauer seines letzten Einsatzes beim Verleihbetrieb weiter beschäf­<br />

tigt werden, wenn der Einsatz bei einem Entleihbetrieb beendet war. Die<br />

Verleihfirma stand so in der Pflicht oder trug zumindest das wirtschaft­<br />

liche Risiko, für die verliehenen Arbeitskräfte eine Anschlussbeschäftigung<br />

zu finden und sie in dieser Zeit weiter zu bezahlen. Durch den Wegfall<br />

des Synchronisationsverbotes kann den <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen in dem<br />

Moment gekündigt werden, wo der Einsatzbetrieb keine Verwendung<br />

mehr für sie hat. Dadurch ist das unternehmerische Risiko in der <strong>Leiharbeit</strong><br />

vollends vom Verleihbetrieb auf die <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten übergegan­<br />

gen. Dies ist umso dramatischer, als sich die Anspruchsvoraussetzungen<br />

für den Bezug von Arbeitslosengeld in den vergangenen Jahren immer<br />

weiter verschärft haben.<br />

• Außerdem sind das besondere Befristungsverbot und das Wiederein-<br />

stellungsverbot in der <strong>Leiharbeit</strong> aufgehoben worden.<br />

• Bestehen geblieben ist einzig das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung<br />

in der Bauindustrie.<br />

Im Gegenzug zu dieser Beschneidung von Rechten wurden (zumindest auf<br />

den ersten Blick) die Rechte von <strong>Leiharbeit</strong>nehmerinnen und <strong>Leiharbeit</strong>­<br />

nehmern ausgeweitet: Sie sollen für die Zeit der Überlassung an einen Ent­<br />

leihbetrieb so zu behandeln sein wie vergleichbare Festangestellte. Dies<br />

gilt sowohl für die gleiche Entlohnung („Equal pay") als auch für die son­<br />

stigen Arbeitsbedingungen („Equal treatment"). Allerdings gibt es hiervon<br />

Ausnahmen: So kann die Anwendung eines gesonderten Tarifvertrags für<br />

Leihkräfte vereinbart werden, der ihre Bezahlung gegenüber der Bezahlung<br />

von Festangestellten mindert. Außerdem kann bis dahin Arbeitslosen für<br />

die Dauer von sechs Wochen ein reduziertes Arbeitsentgelt gezahlt werden.<br />

Öffnungsklausel statt „Equal pay"<br />

Insbesondere die Öffnungsklausel per Tarifvertrag hat dazu beigetragen,<br />

dass sich die Bedingungen für <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen dramatisch verschlechtert<br />

haben. Durch diese Öffnungsklausel wurde das Verhältnis von gesetzlichen<br />

und tarifvertraglichen Regelungen völlig auf den Kopf gestellt.<br />

Sicherheit, Gerecht


In allen anderen Wirtschaftszweigen können die gesetzlichen Bestimmungen<br />

durch Tarifverträge für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstiger ge­<br />

staltet werden: So liegt die Arbeitszeit in der (westdeutschen) Metall- und<br />

Elektroindustrie bei 35 Wochenstunden, während gesetzlich bis zu 48 bzw.<br />

60 Wochenstunden zulässig sind. Die Urlaubsdauer beträgt in der Metall- und<br />

Elektroindustrie sechs Wochen, während gesetzlich nur vier Wochen Urlaub<br />

gewährt werden müssen.<br />

Sicherheit, Gerechtigkeit, Gewerkschaft 13<br />

Die Öffnungsklausel bei der <strong>Leiharbeit</strong> stellt dieses Günstigkeitsprinzip ÖFFNUNGSKLAUSEL<br />

geradezu auf den Kopf: Tarifverträge in der <strong>Leiharbeit</strong> haben nicht die Funkti­<br />

on, gesetzliche Standards zu verbessern, sondern können diese Standards<br />

unterschreiten. In dieser Ausgangslage fühlten sich die so genannten „christ­<br />

lichen Gewerkschaften" auf den Plan gerufen, eine beispiellose Unterbie-<br />

tungskonkurrenz auszuüben.<br />

„Christliche Gewerkschaften" drücken das Lohnniveau<br />

Der Tarifvertrag zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften<br />

Zeitarbeit (CGZP) und der Arbeitsgemeinschaft Mittelständischer Personal­<br />

dienstleister (AMP) für Ostdeutschland sah in der untersten Gruppe einen<br />

Einstiegslohn von 5,77 Euro vor. Hinzu kommt, dass in Arbeitsverträgen die<br />

einzelvertragliche Bezugnahme auf diesen Tarifvertrag ausreicht. Unter<br />

diesen Umständen ist es der DGB-Tarifgemeinschaft zwar noch gelungen, mit<br />

den beiden <strong>Leiharbeit</strong>sverbänden Bundesvereinigung Zeitarbeit (BZA) und<br />

Interessengemeinschaft Zeitarbeit (iGZ) Tarifverträge zu schließen. Aufgrund<br />

der Sogwirkung durch die Vereinbarungen der „christlichen Gewerkschaften"<br />

ist das Niveau der DGB-Tarifverträge aber nur geringfügig höher ausgefallen.<br />

Die Bundesregierung hatte die <strong>Leiharbeit</strong> dereguliert in der Erwartung, da­<br />

durch zusätzliche Dynamik für den Arbeitsmarkt zu erzeugen, bislang Arbeits­<br />

lose in den Arbeitsmarkt zu integrieren und über den so genannten „Klebe­<br />

effekt" dafür zu sorgen, dass <strong>Leiharbeit</strong>erinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er in den regu­<br />

lären Arbeitsmarkt integriert werden. Diese Erwartungen haben sich durch­<br />

gängig nicht erfüllt. Zwar wird bisweilen reklamiert, dass ein Großteil des ge­<br />

genwärtigen Beschäftigungszuwachses auf die <strong>Leiharbeit</strong> zurückzuführen<br />

sei. Allerdings ist dieser Beschäftigungszuwachs nicht auf die Deregulierung<br />

der <strong>Leiharbeit</strong> zurückzuführen, sondern weitgehend auf die ohnehin günstige<br />

konjunkturelle Situation. <strong>Leiharbeit</strong> hat bis auf eine überschaubare Anzahl<br />

von Stellen als Disponent/Disponentin und anderer administrativer Tätig­<br />

keiten bei Verleihfirmen keine zusätzliche Beschäftigung erzeugt. Der Anteil<br />

des administrativen Personals der <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen beträgt nach Auskunft<br />

der 15 führenden <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen rund sieben Prozent.


14<br />

Das würde hochgerechnet bedeuten, dass von den 300.000 Stellen, die<br />

seit 2004 im Bereich der <strong>Leiharbeit</strong> entstanden sind, höchstens<br />

21.000 tatsächlich neue Jobs entstanden sind.<br />

Von den 21.000 ist noch dazu ein - nicht bezifferbarer - Teil abzuziehen,<br />

weil die Koordination und Vergütung der <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten ansonsten<br />

durch die Personalabteilungen der Einsatzbetriebe hätte erfolgen müssen,<br />

deren Arbeit ebenfalls faktisch von den Verleihfirmen übernommen worden<br />

ist. Der Rest erstreckt sich auf Arbeiten, die in den Unternehmen ohnehin<br />

anfallen.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> verdrängt reguläre Arbeitsplätze<br />

<strong>Leiharbeit</strong> hat somit dazu geführt, dass auf breiter Front bestehende reguläre<br />

VERDRÄNGUNG Beschäftigungsverhältnisse zugunsten prekärer Beschäftigungsformen ver­<br />

drängt worden sind. In der Folge hat sich die Beschäftigungssitutation nicht<br />

stabilisiert, sondern diese Entwicklung hat insbesondere wegen des geringen<br />

Entlohnungsniveaus in der Zeitarbeitsbranche im Gegenteil eher zu einer<br />

langfristigen Schwächung der Binnenkaufkraft geführt.<br />

Die IG Metall lehnt <strong>Leiharbeit</strong> nicht generell ab. Sie akzeptiert <strong>Leiharbeit</strong> —<br />

allerdings nur, um die Wechselfälle des Lebens abzudecken: das Abarbeiten<br />

von Auftragsspitzen, das Absichern von Produktionsanläufen und die Über­<br />

brückung von Krankheitsfällen.<br />

Da das durchschnittliche Arbeitsverhältnis von <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten nur<br />

drei Monate beträgt, hat es sich aufgrund der daraus resultierenden hohen<br />

Fluktuation als äußerst schwierig erwiesen, dauerhafte Vertretungsstrukturen<br />

aufzubauen, zum Beispiel Betriebsräte. Zudem ist der Kontakt der Leihar­<br />

beitsbeschäftigten zu ihrem Entleihbetrieb weitgehend auf die Disponen-<br />

ten/-innen und die Gehaltsbuchhaltung beschränkt. Weil sie nicht beim Ver­<br />

leih, sondern im Einsatzbetrieb dauerhaft präsent sind, ergeben sich kaum<br />

Kontaktmöglichkeiten zu den Betriebsräten in den Verleihbetrieben.<br />

IG Metall nutzt Strukturen in den Einsatzbetrieben<br />

Die Strategie der IG Metall setzt deshalb nicht in erster Linie bei den Ver­<br />

leihbetrieben an, sondern bei den Einsatzbetrieben. Dort verfügt die IG Metall<br />

über ausgeprägte und etablierte Vertretungsstrukturen: Betriebsräte, Ver­<br />

trauensleute, Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Das bedeutet, es<br />

müssen nicht völlig neue Strukturen aufgebaut werden, sondern es können<br />

bestehende genutzt werden.


Als Vorteil für diese neue Strategie kommt hinzu, dass das Betriebsver­<br />

fassungsgesetz die Vertretung der <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen im Einsatzbetrieb<br />

ausdrücklich zulässt: Für sie können Versammlungen abgehalten werden,<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er/-innen sind bei Betriebsratswahlen wahlberechtigt (sofern ihr<br />

Einsatz mindestens drei Monate dauert oder so lange geplant ist). Ein ge­<br />

setzgeberisches Manko besteht allerdings darin, dass <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

bei der Ermittlung der Schwellenwerte (Größe des Betriebsrats und Freistel­<br />

lungen) nicht mitzählen.<br />

Sicherheit, Gerechtigkeit, Gewerkschaft 15<br />

Die Betreuung der <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen setzt aber auch einen Mentalitäts- MENTALITÄTSWANDEL<br />

wandel und ein anderes Selbstverständnis der Betriebsräte und Betriebs­<br />

rätinnen in den Einsatzbetrieben voraus: Sie müssen erkennen, dass sie nicht<br />

nur für die Vertretung der Interessen der Stammbelegschaft da sind, son­<br />

dern müssen sich ebenso für die Belange der <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen einsetzen,<br />

auch wenn deren Arbeitgeber formal ein anderer ist. Sie müssen sich zudem<br />

nicht nur einmalig des Themas annehmen, sondern die Vertretung der Leih-<br />

arbeitsbeschäftigten als dauerhafte Aufgabe begreifen.<br />

Die Handlungsebenen der Kampagne<br />

Die IG Metall-Kampagne erstreckt sich auf drei Handlungsebenen, die in<br />

den ersten zwei Jahren der Kampagnenlaufzeit zeitlich abgestuft angegangen<br />

werden sollen:<br />

• Die betriebspolitische Ebene: Sie hat Priorität. Hier steht vor allem der<br />

Abschluss der „Besser"-Vereinbarungen im Mittelpunkt. Allerdings können<br />

sich die Aktivitäten nicht nur darauf beschränken. Da die durchschnitt­<br />

liche Verweildauer einer <strong>Leiharbeit</strong>skraft bei nur drei Monaten liegt, kommt<br />

es ebenso darauf an, die Ansprache und die Betreuung der <strong>Leiharbeit</strong>e­<br />

rinnen und <strong>Leiharbeit</strong>er zu verstetigen. Ähnlich wie die systematische An­<br />

sprache der neuen Auszubildenden in jedem Herbst muss die Ansprache<br />

der „neuen" <strong>Leiharbeit</strong>skräfte zur regelmäßigen Aktivität der Betriebs­<br />

räte werden. Nicht zuletzt darin wird sich die Nachhaltigkeit der Kampagne<br />

erweisen.<br />

• Die tarifpolitische Ebene: Bereits in der Tarifrunde 2007 ist es teilweise<br />

zu gemeinsamen Aktivitäten der <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen und der Stamm­<br />

beschäftigten gekommen. Dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zufolge<br />

dürfen <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen nicht zu Streikbrucharbeiten eingesetzt werden.<br />

Dieser Grundsatz ist in den DGB-Tarifverträgen mit BZA und iGZ noch<br />

einmal unterstrichen worden. Das Befolgen dieses Grundsatzes wird aller­<br />

dings nicht ausreichen.


Durch den Abschluss von „Equal pay"-Vereinbarungen auf breiterer Ebene<br />

Sicherheit, Gerechtigkeit, Gewerkschaft 17<br />

ist eine Situation entstanden, in der die einkommenspolitischen Interessen „EQUAL-PAY"<br />

von Stammbeschäftigten und <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen identisch sind, da sich<br />

Einkommenserhöhungen der Stammbelegschaft in vollem Umfang auch auf<br />

die <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen auswirken. Dieser Umstand sollte zu einer breite­<br />

ren Information und Mobilisierung genutzt werden. In Betrieben, in denen<br />

kein „Equal pay" gilt, geht es darum, eine Diskussion über solche Verein­<br />

barungen zu befördern und/oder um die regulären Tarifverhandlungen über<br />

eine Verbesserung der BZA-/iGZ-Tarifverträge, die Anfang 2009 anstehen,<br />

zusätzlich zu unterstützen.<br />

• Die bundespolitische Ebene: Im Herbst 2009 wird ein neuer Bundestag<br />

gewählt. Die Rahmenbedingungen, die zu einer Ausweitung und zu einem<br />

Missbrauch der <strong>Leiharbeit</strong> geführt haben, sind politisch gesetzt worden.<br />

Somit sind sie politisch auch veränderbar. Die ersten Reaktionen aus den<br />

politschen Parteien auf die IG Metall-Kampagne lassen die Hoffnung<br />

nicht unberechtigt erscheinen, dass diese Absicht zumindest teilweise auf<br />

Akzeptanz stößt. Politiker/-innen aus allen im Bundestag vertretenen<br />

Parteien (bis auf die FDP) haben inzwischen ihre Unterstützung der<br />

IG Metall-Kampagne über die eigens eingerichtete Website<br />

www.gleichearbeit-gleichesgeld.de bekundet.<br />

Die IG Metall hat das Halten von bestehenden und das Gewinnen neuer<br />

Mitglieder als zentrale Aufgabe in das Zentrum ihrer Aktivitäten gestellt. Dies<br />

ist kein Selbstzweck. Mitgliedergewinnung ist nicht unpolitisch, sondern<br />

die politischste Aufgabe der IG Metall überhaupt. An der Mitgliederstärke ent­<br />

scheidet sich nicht nur die betriebspolitische Durchsetzungsfähigkeit, son­<br />

dern auch die Akzeptanz und Durchsetzungsfähigkeit gewerkschaftlicher Posi­<br />

tionen im politischen Raum.<br />

Der Schwerpunkt auf die betriebspolitische Ebene folgt auch der Erkenntnis,<br />

dass sich die Zukunft der IG Metall „in den Betrieben, nicht auf der Straße"<br />

entscheidet, wie ihr Erster Vorsitzender Berthold Huber ausführte. Wie auch<br />

bei der Diskussion um einen branchenbezogenen Mindestlohn setzt die<br />

IG Metall in erster Linie darauf, Verbesserungen für ihre Mitglieder aus eige­<br />

ner Kraft und unter Einbeziehung der Mitglieder zu erreichen. Die positiven<br />

Beispiele, von denen einige exemplarisch im „weißen" Teil dieses Buches<br />

dokumentiert sind, belegen, dass diese Strategie erste Erfolge zeigt.


Aktiv für Gerechtigkeit<br />

Vereinbarungen decken 27 Prozent<br />

der Beschäftigten ab<br />

Die IG Metall hatte bis Anfang August 2008 insgesamt 328 Vereinba­<br />

rungen zur <strong>Leiharbeit</strong> abgeschlossen. Damit ist das Ziel der Kampagne,<br />

200 „Besser"-Vereinbarungen abzuschließen, mehr als erreicht.<br />

Insgesamt arbeiten somit 27 Prozent der Beschäftigten in der Metall- und<br />

Elektroindustrie in Unternehmen mit Vereinbarungen zur <strong>Leiharbeit</strong>.<br />

„Gleiche Arbeit - Gleiches Geld": Dieser Anspruch konnte zwar nicht überall<br />

erreicht werden. Dennoch sehen die Vereinbarungen deutliche Verbesse­<br />

rungen vor. Bisher getroffene Vereinbarungen regeln unter anderem:<br />

• Gleichbehandlung von Stamm- und Leihbeschäftigten<br />

• Vorrang von befristeten Einstellungen gegenüber dem Einsatz von<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

• innerbetriebliche Maßnahmen und befristete Einstellungen<br />

• Höchstquoten in Prozent der Gesamtbelegschaft, die beim Einsatz<br />

von <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen nicht überschritten werden dürfen<br />

• kein Einsatz von Verleihbetrieben, die Tarifverträge der „christlichen<br />

Gewerkschaften" anwenden<br />

• ausschließlich Zusammenarbeit mit Personaldienstleistern, die sich<br />

an den Tarifverträgen der IG Metall orientieren<br />

• Gewährung von Leistungszulagen<br />

• Aufwandsentschädigung bei überbetrieblichem Einsatz<br />

• Unterstützung bei der Suche nach einer Unterkunft<br />

• Bei Neueinstellungen werden bisherige <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen<br />

vorrangig berücksichtigt


Unternehmen mit Besser-Vereinbarungen (Auswahl)<br />

Unternehmen Branche<br />

Daimler/<br />

Mercedes-Benz<br />

Automobilindustrie<br />

Siemens Elektrogeräteindustrie<br />

Bosch Elektrogeräteindustrie<br />

Volkswagen Automobilindustrie<br />

BMW Automobilindustrie<br />

Audi Automobilindustrie<br />

MAN Nutzfahrzeuge, Motorenbau<br />

Ford Automobilindustrie<br />

Opel Automobilindustrie<br />

Schaeffler Wälzlagerindustrie<br />

Airbus Flugzeugbau<br />

ArcelorMittal Stahlindustrie<br />

Motoren-<br />

und Turbinen-<br />

Union (MTU)<br />

Triebwerksindustrie<br />

Porsche Automobilindustrie<br />

Bombardier Flugzeug- und<br />

Schienenfahrzeugbau<br />

Miele Elektrogeräteindustrie<br />

Eurocopter Helikopter<br />

Vereinbarungen zur Besserstellung<br />

von <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

Sicherheit, Gerechtigkeit, Gewerkschaft<br />

Zusatztarifvertrag 71<br />

Betriebsvereinbarung 131<br />

Sonstige Vereinbarung 126<br />

insgesamt 328<br />

Unternehmen Branche<br />

Hella Automobilzulieferer<br />

Salzgitter Stahlindustrie<br />

SEW-Eurodrive Elektrische Antriebstechnik<br />

Phoenix Contact Elektrische Verbindungs­<br />

und Automatisierungstechnik<br />

Linde Gase und Engineering<br />

Deckel Maho<br />

Gildemeister<br />

Werkzeugmaschinen<br />

Flender Antriebstechnik<br />

MAN Roland Druckmaschinen<br />

Schmitz Cargobull Last- und Transportfahrzeuge<br />

Honsel Automobilzulieferer<br />

Rasselstein Weißblechindustrie<br />

STILL GmbH Gabelstapler<br />

Hansgrohe Armaturen<br />

und Sanitärtechnik<br />

John Deere Landmaschinen<br />

Fujitsu Siemens Elektronikindustrie<br />

Osram Leuchtmittelindustrie<br />

Vaillant Heiztechnik,<br />

regenerative Energien


Zehn Argumente für die Kampagne<br />

der IG Metall zur <strong>Leiharbeit</strong><br />

<strong>Leiharbeit</strong> kann besser werden - mit der IG Metall<br />

<strong>Leiharbeit</strong> hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen<br />

Früher wurde <strong>Leiharbeit</strong> in erster Linie eingesetzt, um Auftragsspitzen zu<br />

bewältigen. Inzwischen dient sie immer mehr dazu, Stammbeschäftigte dauer­<br />

haft zu ersetzen. Seitdem die gesetzlichen Beschränkungen für <strong>Leiharbeit</strong><br />

2004 aufgehoben wurden, hat sich die Zahl der <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigten ver­<br />

doppelt. Laut Bundesagentur für Arbeit gab es Ende Juni 2007 bundesweit<br />

insgesamt 731.000 <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen. Berücksichtigt man die hohe<br />

Fluktuation in der Branche, sind es sogar 900.000. Davon sind 215.000 in der<br />

Metall- und Elektroindustrie tätig - unter Berücksichtigung der Fluktuation<br />

sogar 260.000.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> verdrängt reguläre Jobs<br />

<strong>Leiharbeit</strong> schafft keine neuen Jobs. <strong>Leiharbeit</strong>skräfte erledigen Arbeit, die<br />

in den Unternehmen ohnehin anfällt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung (IAB) hat belegt, dass in rund einem Viertel aller Entleihbe­<br />

triebe <strong>Leiharbeit</strong> reguläre Beschäftigung verdrängt. Die jüngste Betriebs­<br />

rätebefragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI)<br />

kommt zu demselben Ergebnis. Auch für das Deutsche Institut für Wirt­<br />

schaftsforschung (DIW) deutet vieles darauf hin, dass <strong>Leiharbeit</strong> reguläre<br />

Jobs verdrängt.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> ist keine Arbeit wie jede andere<br />

Beschäftigte in <strong>Leiharbeit</strong> müssen sich ständig auf neue Situationen ein­<br />

stellen: neue Einsatzorte, neue Aufgaben, neue Kollegen. Laut einer Studie<br />

der Technischen Universität Darmstadt leidet auch das Privatleben der<br />

Betroffenen unter <strong>Leiharbeit</strong>. Die meisten sehen ihre Situation als extrem<br />

belastend an. Ein wichtiges Fazit der Studie: <strong>Leiharbeit</strong> bietet kaum eine<br />

Zukunftsperspektive. Denn wegen fehlender Qualifikationsangebote gibt<br />

es kaum berufliche Aufstiegsmöglichkeiten.


<strong>Leiharbeit</strong> ist keine „sichere" Arbeit<br />

<strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen haben in mehrfacher Hinsicht einen unsicheren<br />

Arbeitsplatz. Für Leihkräfte ist das Risiko deutlich höher, vom Arbeitgeber<br />

gekündigt zu werden. Laut IAB endet jedes dritte Arbeitsverhältnis, weil<br />

der Arbeitgeber kündigt. In der übrigen Wirtschaft ist es nur jedes siebte. Die<br />

Fluktuation - also Jobwechsel und Jobverlust - ist extrem hoch: 60 Prozent<br />

der <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen sind nicht länger als drei Monate in der Branche<br />

beschäftigt, jede/-r zehnte <strong>Leiharbeit</strong>sbeschäftigte nicht länger als eine<br />

Woche. Im Schnitt sind <strong>Leiharbeit</strong>skräfte nur drei Monate im selben Einsatz­<br />

betrieb tätig.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> ist keine „Brücke in den Beruf<br />

Nur ein kleiner Teil der <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen wird vom Entleihbetrieb<br />

übernommen. Das IAB schätzt den so genannten Klebeeffekt auf lediglich<br />

15 Prozent, ein höherer Anteil sei „utopisch". Die Verbände der Verleihfirmen<br />

unterschlagen in ihren Wechsel-Statistiken gerne, dass <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

mitunter zwar einen neuen Job finden - aber bei einem anderen Verleiher<br />

und nicht in Stammbeschäftigung. Im Übrigen wird der Klebeeffekt durch die<br />

Allgemeinen Geschäftsbedingungen vieler <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen erschwert:<br />

Sie verlangen, dass der Einsatzbetrieb eine saftige Gebühr an den Verleihbe­<br />

trieb zahlt, wenn der Leihbeschäftigte dauerhaft dort bleiben soll, wo er<br />

eingesetzt ist.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> ist schlecht(er) bezahlt<br />

<strong>Leiharbeit</strong>skräfte verdienen deutlich weniger als die Stammbelegschaft. Einer<br />

Studie der Technischen Universität Darmstadt zufolge erhalten sie 30 bis<br />

50 Prozent weniger Entgelt. Daraus resultieren dann auch geringere Rentenan­<br />

sprüche. Besonders wenig verdienen Beschäftigte, für die der Tarifvertrag<br />

der „christlichen Gewerkschaften" gilt. Deren Tarifvertrag für Ostdeutschland<br />

sieht in der untersten Gruppe einen Einstiegslohn von 5,77 Euro vor. Das ent­<br />

spricht bei Vollzeitarbeit gerade einmal 875 Euro im Monat. Derart niedrige<br />

Entgelte sind laut IAB „kaum als existenzsichernd" anzusehen und bergen ein<br />

deutliches Armuts- und Abstiegsrisiko. Der dritte Armuts- und Reichtums­<br />

bericht der Bundesregierung weist darauf hin, dass der steigende Anteil von<br />

Niedriglöhnen eine wesentliche Ursache von Armut ist.<br />

Sicherheit, Gerechtigkeit, Gewerkschaft


<strong>Leiharbeit</strong> ist mitbestimmungsfreie Zone<br />

Für das Entleihunternehmen ist nicht nur die niedrigere Bezahlung von<br />

<strong>Leiharbeit</strong>nehmerinnen und <strong>Leiharbeit</strong>snehmer lukrativ. Vielmehr wird Leih­<br />

arbeit auch eingesetzt, um die betriebliche Mitbestimmung auszuhebein.<br />

Nur die wenigsten Verleihfirmen haben einen Betriebsrat. Selbst wenn es<br />

einen gibt, ist er weit weg-nämlich beim Verleihbetrieb. Im Einsatzbetrieb<br />

dürfen <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen zwar mitwählen, aber nur wenn sie länger als<br />

drei Monate dort tätig sind oder ein so langer Einsatz geplant ist. Doch bei<br />

der Ermittlung der Größe des Betriebsrats zählen sie nicht mit. Betriebs­<br />

räte in Einsatzbetrieben mit einem höheren Anteil an <strong>Leiharbeit</strong>er/-innen<br />

müssen sich also um mehr Beschäftigte kümmern. Für die Betreuung jedes<br />

einzelnen Arbeitnehmers bleibt somit weniger Zeit.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> ist nicht weniger produktiv<br />

Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, dass vor allem Personen mit<br />

abgeschlossener Berufsausbildung als <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-in eingesetzt<br />

werden (64 Prozent). In der Regel arbeiten <strong>Leiharbeit</strong>skräfte und Festange­<br />

stellte miteinander verzahnt. Beispiel Automobilindustrie: Wenn der eine<br />

die rechte Autotür montiert und der andere die linke, müsste das Band stän­<br />

dig anhalten, falls die <strong>Leiharbeit</strong>nehmer unproduktiver wären. Qualität<br />

wird auch bei Entleihfirmen groß geschrieben. Deshalb würden sie wohl kaum<br />

<strong>Leiharbeit</strong>nehmer beschäftigen, wenn sie wirklich schlechter arbeiteten.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> wird intensiv genutzt<br />

<strong>Leiharbeit</strong> wird besonders in größeren Betrieben eingesetzt. Bedenklich<br />

ist der Anteil derjenigen Betriebe gestiegen, in denen mehr als 20 Prozent<br />

<strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen beschäftigt sind (Intensivnutzer). Ab einer Be­<br />

triebsgröße von 150 Beschäftigten wurde <strong>Leiharbeit</strong> im Jahre 2002 nur zu<br />

2,2 Prozent intensiv genutzt. 2006 hatte sich dieser Anteil fast verfünf­<br />

facht (10,4 Prozent). Das IAB sieht darin eine „Strategie zur Senkung der<br />

Lohnkosten".


<strong>Leiharbeit</strong> etabliert das Minimum als Maßstab<br />

<strong>Leiharbeit</strong> ist seit 2004 dereguliert, so dass heute <strong>Leiharbeit</strong>skräfte unbe­<br />

grenzt im Entleihbetrieb eingesetzt werden dürfen. Außerdem darf <strong>Leiharbeit</strong><br />

auf die Dauer der Arbeit in einem bestimmten Einsatzbetrieb befristet<br />

(synchronisiert) werden. Als Ausgleich wurden <strong>Leiharbeit</strong>nehmer/-innen den<br />

Beschäftigten im Entleihbetrieb zwar formell gleichgestellt. Dieser Gleichstel­<br />

lungsgrundsatz ist jedoch eingeschränkt: Wenn im Arbeitsvertrag auf einen<br />

Flächentarifvertrag Bezug genommen wird, gelten dessen Regelungen - auch<br />

wenn sie schlechter ausfallen. So konnten die so genannten „christlichen<br />

Gewerkschaften" arbeitgeberfreundliche Tarifverträge auf unterstem Niveau<br />

abschließen.<br />

Schwerpunkte der <strong>Leiharbeit</strong>:<br />

Handwerk und Industrie<br />

Von allen Beschäftigten in <strong>Leiharbeit</strong><br />

arbeiten...<br />

Sicherheit, Gerechtigkeit, Gewerkschaft<br />

61,1%<br />

Quelle: lAB-Betriebspanel 2006, Berechnungen: Bellmann, 2007<br />

© Hans-Böckler Stiftung 2007


LEIHARBEIT -<br />

DIE WEISSESEITE<br />

Fairness ist machbar<br />

Aus der <strong>Leiharbeit</strong> in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, den gleichen Stundenlohn<br />

wie die festangestellten Kollegen, Schichtzulagen, Urlaubsgeld: Dieser Statusreport<br />

zeigt, dass <strong>Leiharbeit</strong> fair gestaltet werden kann und dass der Kampf für mehr<br />

Gerechtigkeit sich lohnt.


Ein Happy End für Ruslan -<br />

dank Betriebsrat und IG Metall<br />

Erst gab's mehr Geld - und dann die Festanstellung<br />

Erst 5,16, dann 6,85 Euro hat der <strong>Leiharbeit</strong>er Ruslan Yusifov-Gladki für<br />

seine schwere Arbeit in der Kernmacherei bekommen. Der Tariflohn der fest<br />

angestellten Kollegen für die gleiche Arbeit war mehr als doppelt so hoch.<br />

Das war 2005. Mittlerweile gehört auch Ruslan zur Kernbelegschaft der<br />

Kolbenschmidt Aluminium-Technologie AG (ATAG) im württembergischen<br />

Neckarsulm. Zunächst bekam er einen befristeten Vertrag, vor einem Jahr<br />

dann einen unbefristeten.<br />

Etwa jeder zehnte Beschäftigte des Automobilzulieferers ATAG (Motorblöcke)<br />

arbeitete im Sommer 2005 als „Leasingkraft". Einer von ihnen war Ruslan<br />

Yusifov-Gladki. Der Mann, der in Aserbaidschan aufgewachsen ist und<br />

mehrere Sprachen spricht, war entsetzt, als er im viel gelobten Deutschland<br />

erfahren musste, was <strong>Leiharbeit</strong> bedeutet: „Das ist die größte Ungerechtig­<br />

keit, die ich hier gesehen habe", sagt er. „Das ist moderne Sklaverei."<br />

„Das ist moderne Sklaverei."<br />

Ruslans „Sklavenhalter" war die Firma IVP. Das Unternehmen hatte mit<br />

dem Automobilzulieferer einen Werkvertrag abgeschlossen. Ruslan war voll<br />

in den Arbeitsprozess in der Kernmacherei integriert, weisungsgebunden<br />

und arbeitete wie fest angestellte ATAG-Kollegen - nur für den halben Lohn.<br />

„Manchmal musste ich nach der Nachtschicht wieder in der Spätschicht<br />

arbeiten. Und das vor allem im Sommer bei extrem hohen Temperaturen",<br />

erzählt der Metaller. Ein klarer Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz und<br />

die betriebliche Mitbestimmung.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

Ruslan Yusifov-Gladki


Als der ATAG-Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Müller von den unseriösen<br />

Praktiken der Firma IVP erfuhr, hat er sich bei der Personalabteilung be­<br />

schwert. Doch die kannte die Verleihfirma nicht. Es stellte sich heraus, dass<br />

das Unternehmen an den Personalern vorbei über den Einkauf angeheuert<br />

worden war.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

Der Betriebsrat konnte durchsetzen, dass Ruslan<br />

Yusifov-Gladki und andere <strong>Leiharbeit</strong>er einen<br />

Arbeitsvertrag bekamen.<br />

Auf Grund des Drucks des Betriebsrats bekommt IVP seitdem von ATAG<br />

keinen Vertrag mehr. Der Eigentümer, der Ruslan noch Geld schuldet, hat<br />

Insolvenz beantragt und ist untergetaucht.<br />

Der ATAG-Betriebsrat konnte 2005 durchsetzen, dass Ruslan Yusifov-Gladki<br />

und andere <strong>Leiharbeit</strong>er einen Arbeitsvertrag mit ATAG bekamen. „Dies ist ein<br />

Ergebnis der Vereinbarung zur Standortsicherung, die die IG Metall und der<br />

Betriebsrat mit dem ATAG-Vorstand vereinbart hatte", berichtet Betriebsrats­<br />

vorsitzender Müller. „Wir mussten dabei einige Kröten schlucken. Dafür<br />

konnten wir unter anderem die Beschäftigungssicherung bis Ende 2011 und<br />

die Reduzierung der <strong>Leiharbeit</strong> durchsetzen."<br />

20 Leasing-Verträge wurden in ein<br />

Nach der Vereinbarung wurde die <strong>Leiharbeit</strong>squote 2006 auf sechs und<br />

2007 auf drei Prozent gesenkt. Einer der ersten, die davon profitiert haben,<br />

unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt.<br />

war Ruslan Yusifov-Gladki. Insgesamt hat ATAG seither circa 30 <strong>Leiharbeit</strong>ern<br />

einen befristeten Arbeitsvertrag gegeben, der auf dem Metall-Tarifvertrag<br />

basiert. 20 dieser Verträge wurden inzwischen in ein unbefristetes Arbeitsver­<br />

hältnis umgewandelt. Insgesamt sind heute noch drei Prozent der rund<br />

1.000 Beschäftigten in Neckarsulm <strong>Leiharbeit</strong>er.<br />

„Ein Erfolg", sagt Rudolf Luz, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall im<br />

württembergischen Unterland. „Doch noch lieber wäre mir die Lösung des<br />

ATAG-Schwesterunternehmens KS in Neckarsulm. Dort haben wir die<br />

gleiche Flexibilität ohne <strong>Leiharbeit</strong> erreicht."


„Wenn schon <strong>Leiharbeit</strong>, dann fair"<br />

So muss <strong>Leiharbeit</strong> aussehen:<br />

Gleiche Bedingungen, gleicher Lohn<br />

„Wenn schon <strong>Leiharbeit</strong>, dann aber fair", sagte sich Günter Harrack,<br />

Betriebsratsvorsitzender der Firma Zumtobel Staff in Lemgo, als das Unter­<br />

nehmen vor drei Jahren entschied <strong>Leiharbeit</strong>er einzustellen. Es sollte<br />

alles fair zugehen, keine Kluft zwischen den Stammarbeitern und den Leih­<br />

arbeitern entstehen.<br />

Deshalb arbeitet Zumtobel nur mit einer einzigen <strong>Leiharbeit</strong>sfirma zusam­<br />

men, dem Netzwerk Lippe, das vom Kreis Lippe getragen wird. Warum? „Die<br />

IG Metall Detmold und das Netzwerk Lippe haben einen Vertrag abgeschlos­<br />

sen der festschreibt, dass für alle <strong>Leiharbeit</strong>er in Metall-Betrieben auch der<br />

Manteltarif der IG Metall gelten muss", erklärt Harrack. Gleiche Arbeit zu glei­<br />

chem Lohn, nur so könne das funktionieren. „Die <strong>Leiharbeit</strong>er bekommen<br />

alle Prämien, alle Schicht-, Spät, Sonder- und Schwerarbeitszulagen und auch<br />

die Treueprämien, sie werden in gleichem Maße behandelt wie alle anderen<br />

Arbeiter auch," so Harrack.<br />

Gleiche Arbeit - Gleiches Geld: Auch der Arbeitgeber<br />

weiß das zu schätzen. Seine <strong>Leiharbeit</strong>er sind<br />

motiviert und haben eine geringe Krankenquote.<br />

Und das Unternehmen fährt gut mit seiner Devise. In den vergangenen<br />

drei Jahren sind knapp 25 <strong>Leiharbeit</strong>er in die Stammbelegschaft übernommen<br />

worden. „Und es steht natürlich außer Frage, dass bei uns restlos alle Leih­<br />

arbeiter in die IG Metall eingetreten sind", sagt Harrack stolz. Anfangs seien<br />

einzelne etwas skeptisch gewesen, aber nach zwei Monaten hätten sich<br />

die meisten bedankt. „Die meinten, alles, was du uns versprochen hast, das<br />

hast du auch gehalten", erinnert sich Harrack.


Gleiche Arbeit - Gleiches Geld: Auch der Arbeitgeber weiß das zu schätzen.<br />

Schließlich hat auch er nur Vorteile: Seine <strong>Leiharbeit</strong>er sind motiviert und<br />

haben eine geringe Krankenquote. „Die standen von vorneherein hinter uns",<br />

so der Betriebsratsvorsitzende. „Es freut ja auch den Arbeitgeber, wenn der<br />

Betriebsfrieden dank Gleichbehandlung nicht gestört wird."<br />

Im März 2008 haben noch 50 <strong>Leiharbeit</strong>er bei Zumtobel gearbeitet, Ende April<br />

musste dann aber auch der letzte gehen. „Es tat allen Leid, dass sie gehen<br />

mussten - uns und den <strong>Leiharbeit</strong>ern", sagt Harrack. Die veränderte Auftrags­<br />

lage bei Zumtobel habe aber eine Anstellung von <strong>Leiharbeit</strong>ern nicht länger<br />

gerechtfertigt. „Wenn nötig, dann werden wir wieder <strong>Leiharbeit</strong>er beschäfti­<br />

gen", verrät Harrack. „Aber nur zu denselben fairen Bedingungen, wie das in<br />

den letzten drei Jahren der Fall war."<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite


Den Missbrauch abgestellt<br />

Planstelle statt Mini-Job<br />

Noch am Wochenende danach war Erich B.* fassungslos und stinksauer.<br />

„Die Firma hat die finanzielle Not einer <strong>Leiharbeit</strong>erin schamlos ausgenutzt",<br />

empört sich der Betriebsratsvorsitzende eines großen Automobilzulieferers<br />

in Süddeutschland. Als Erich B. von dem Fall erfahren hat, ist er gleich zum<br />

Arbeitsdirektor des Unternehmens gegangen. „Der Missbrauch wird<br />

abgestellt", freut sich B.<br />

Der Missbrauch war eine ganz besondere Form von Zweitjob: am selben<br />

Arbeitsplatz. Eine <strong>Leiharbeit</strong>erin war in der Retourenabteilung eingestellt. Bei<br />

einer 37,5-Stunden-Woche erhielt sie rund 1.200 Euro brutto - blieben<br />

800 Euro netto. Nach dem Ausstechen kehrte sie jeden Tag an ihren Arbeits­<br />

platz zurück und machte weiter - auf 400-Euro-Basis, als Niedriglohnkraft<br />

ihres Einsatzbetriebs. Für die Arbeitnehmerin war das praktisch. Sie brauchte<br />

halt das Geld - und konnte sogar Zeit und Geld für die Fahrt zwischen zwei<br />

Arbeitsplätzen sparen.<br />

„Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie eine<br />

ordentliche Planstelle bekommt, die regulär bezahlt<br />

wird. Die ganze Geschichte mit Mini-Jobs und<br />

<strong>Leiharbeit</strong>, das geht nicht."<br />

Erich B. fragte nach: Diese Konstruktion ist sogar rechtens. „Als Betriebsrat<br />

stehe ich fast ohnmächtig davor, dass die Kollegin 45,5 Stunden arbeitet. Und<br />

durch den Nebenjob ihr Gehalt sogar um 50 Prozent aufbessert. Das kann<br />

doch alles nicht sein." Als Erich B. nachrechnete, kam es sogar noch dotier:<br />

Denn der Einsatzbetrieb zahlte dem Verleiher für ihren regulären Einsatz<br />

einen Stundensatz von rund 15 Euro. In ihrem 400-Euro-Job erhielt die Be­<br />

schäftigte jedoch nur 12,60 Euro die Stunde.


Erich B.: „Die Überstunden waren also für die Firma noch billiger als die<br />

reguläre Arbeitszeit als <strong>Leiharbeit</strong>erin."<br />

„Die <strong>Leiharbeit</strong>sgesetzgebung hat eine himmelschreiende Ungerechtigkeit er­<br />

zeugt", sagt Erich B. Er ist überzeugtes SPD-Mitglied. „Ich schäme mich, dass<br />

meine Partei so etwas zugelassen hat." Bei dem Automobilzulieferer wird die<br />

Beschäftigte nicht mehr zwei Jobs am gleichen Arbeitsplatz verrichten. Doch<br />

B. weiß auch, dass die Frau auf den Zweitjob angewiesen ist. Er will ihr keinen<br />

Bärendienst erweisen, indem er dafür sorgt, dass sie ihren Zusatzverdienst<br />

los wird und sich anderswo andienen muss: „Sie war ja sogar begeistert über<br />

den Zweitjob. Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie eine ordentliche Plan­<br />

stelle bekommt, die regulär bezahlt wird. Die ganze Geschichte mit Mini-Jobs<br />

und <strong>Leiharbeit</strong>, das geht nicht."<br />

* Name geändert<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite


Gleicher Lohn für gleiche Arbeit<br />

Friedhelm Adam setzt sich für die Leih­<br />

arbeitnehmer in seinem Betrieb ein<br />

Die Firma Winkelmann Powertrain Components (WPC) aus Ahlen beschäf­<br />

tigt derzeit etwa 120 <strong>Leiharbeit</strong>er. Der Hersteller von rotationssymme­<br />

trischen Motorkomponenten sowie Baugruppen für Kraftstoffmodule würde<br />

ohne deren Hilfe nicht auskommen. Und gerade weil viele der <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

schon einige Jahre bei WPC arbeiten, kämpft Betriebsratsvorsitzender<br />

Friedhelm Adam dafür, dass <strong>Leiharbeit</strong>er in seinem Betrieb unter gleichwer­<br />

tigen Bedingungen arbeiten.<br />

Ihr habt bereits einige Vereinbarungen mit den <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen getroffen.<br />

Welche sind das?<br />

Fast alle <strong>Leiharbeit</strong>er, die bei uns eingesetzt sind, werden nach dem Tarif­<br />

vertrag des BZA (Bundesverband Zeitarbeit) oder des iGZ (Interessenverband<br />

Deutscher Zeitarbeitsunternehmen) bezahlt. Beide Tarifverträge haben eini­<br />

germaßen identische Grundlöhne in den Eingangsgruppen, einzelne Punkte<br />

wie Spätschichtzulagen, Sonn- und Feiertagszulagen und Überstunden sind<br />

darin entweder nicht oder schlechter geregelt. Wir haben im Januar 2008<br />

deshalb mit unseren Leihfirmen die Vereinbarung getroffen, dass in diesen<br />

Punkten ab sofort der Manteltarifvertrag der IG Metall gilt.<br />

Wie wirkt sich das genau aus?<br />

Die Leihfirmen haben verschiedene Obergrenzen bei Überstunden, bei<br />

Randstad sind das beispielsweise bis zu 263 Plusstunden. Bei uns gilt<br />

ab sofort unsere eigene Stundenregelung, die besagt, dass ab 70 Plusstun­<br />

den alles ausbezahlt wird - Überstunden und Prozente.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

Friedhelm Adam


Das hört sich ja schon sehr gut an..<br />

Ja, aber es geht noch weiter. Wir arbeiten derzeit an einer Vereinbarung, in<br />

der wir den Leistungslohn einführen wollen. Unsere Stammmitarbeiter<br />

werden nach einem Prämienakkordlohn bezahlt, das wollen wir auch für die<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er. Von unseren 120 <strong>Leiharbeit</strong>ern sind etwa 100 Facharbeiter,<br />

auch das muss berücksichtigt werden. Eigentlich müssen alle Löhne erhöht<br />

werden.<br />

„Von unseren 120 <strong>Leiharbeit</strong>ern sind etwa<br />

100 Facharbeiter, auch das muss berücksichtigt<br />

werden. Eigentlich müssen alle Löhne<br />

erhöht werden."<br />

Was heißt das konkret? Wie hoch soll der Leistungslohn sein?<br />

Unser Arbeitgeber erwartet eine Leistung von 125 bis 129 Prozent. Wir wollen<br />

den <strong>Leiharbeit</strong>ern ab Juli zunächst durchweg 125 Prozent auszahlen, danach<br />

haben wir dann Vergleichszahlen und können von da an den tatsächlich<br />

geleisteten Leistungslohn ausbezahlen.<br />

Und wie wollt ihr kontrollieren, dass die Arbeiter das Geld auch bekommen?<br />

Wir melden den Verleihern Ende des Monats, wie viel an den Mitarbeiter<br />

ausbezahlt werden muss. Außerdem bieten wir den <strong>Leiharbeit</strong>ern an, ihnen<br />

bei der Abrechnung zu helfen, damit sie wissen, wie viel sie bekommen<br />

müssen. Und wir kontrollieren auch, ob das tatsächlich passiert. Das haben<br />

wir den Firmen so angekündigt.<br />

Und da machen die Verleihfirmen einfach so mit?<br />

Im Moment sind bei uns <strong>Leiharbeit</strong>er aus sieben verschiedenen Firmen.<br />

Wir werden uns künftig auf zwei Verleiher konzentrieren. Diese beiden Firmen<br />

haben uns zugesagt, dass sie uns bei diesen Regelungen unterstützen<br />

werden.


Und der Vertrag gilt?<br />

Sollte eine der Firmen nicht mehr mitmachen wollen, dann werden wir allen<br />

kündigen. Wir wollen keine Konkurrenz innerhalb der Leihfirmen. Auch<br />

deshalb konzentrieren wir uns künftig auf die beiden Firmen. Und so können<br />

wir schwarze Schafe unter den Firmen abstoßen - obwohl das wirklich schade<br />

um die Mitarbeiter ist.<br />

Was sagen die Stammbeschäftigten zu der gesamten Situation?<br />

Sie sind auf der Seite der <strong>Leiharbeit</strong>er. Auch sie sprechen uns gezielt an und<br />

fordern uns auf, etwas für ihre Kollegen zu tun. Denn oft arbeiten sie schon<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

„Die Stammbeschäftigten sind auf der Seite der<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er. Sie sprechen uns gezielt an und<br />

fordern uns auf, etwas für ihre Kollegen zu tun."<br />

seit zwei oder drei Jahren zusammen - alles, was sie da unterscheidet ist das<br />

Einkommen. Und dafür versuchen wir ja etwas zu tun.<br />

Wissen die <strong>Leiharbeit</strong>er, was ihr für sie tut?<br />

ja, natürlich haben sie schon einiges gehört. Wenn das jetzt aber alles durch<br />

ist, werden wir eine Info-Veranstaltung nur für <strong>Leiharbeit</strong>er einberufen und<br />

ihnen erklären, was es für sie finanziell bedeutet. Wer weiß, vielleicht treten<br />

dann ja auch noch einige der IG Metall bei.<br />

Wie viele <strong>Leiharbeit</strong>er sind denn schon beigetreten?<br />

Wir haben seit gut einem Jahr 15 <strong>Leiharbeit</strong>er übernommen, und alle sind<br />

Mitglieder der IG Metall. Dazu sind noch fünf weitere <strong>Leiharbeit</strong>nehmer<br />

beigetreten. Meist machen die das, weil bei der IG Metall jemand etwas<br />

gegen ihre ungerechte Bezahlung unternimmt.


36<br />

„Nur für Super-Notfälle - aber wir sind da"<br />

Betriebsratsarbeit ist dringend nötig-<br />

auch unter erschwerten Bedingungen<br />

Sie arbeiten weit verstreut in wechselnden Unternehmen, zu unterschied­<br />

lichen Zeiten, in verschiedenen Abteilungen - ihre Kollegen kennen sie<br />

häufig nicht: Keine leichte Aufgabe für die Betriebsräte in <strong>Leiharbeit</strong>sfirmen.<br />

Kerstin Kürten arbeitet beim <strong>Leiharbeit</strong>sunternehmen Timepartner in Essen<br />

als Disponentin. Sie weist also <strong>Leiharbeit</strong>er Entleihbetrieben zu. Da sie damit<br />

keine leitende Position hat, darf sie sich auch im Betriebsrat engagieren.<br />

Nach einigen rechtlichen Auseinandersetzungen wurde der Betriebsrat Ende<br />

des Jahres 2006 gegründet. Heute ist Kürten die Betriebsratsvorsitzende.<br />

Die anderen sechs Mitglieder sind „Externe", also <strong>Leiharbeit</strong>er, die in unter­<br />

schiedlichen Betrieben in Nordrhein-Westfalen beschäftigt werden.<br />

Wenn Kürten von ihrer Arbeit erzählt, redet sie schnell und präzise. Auch<br />

wenn sie erklärt, warum in ihren Augen nur jemand aus der Verwaltung den<br />

Vorsitz eines Betriebsrates übernehmen sollte: „Welcher Mitarbeiter möchte<br />

seinen Einsatz, vor allem, wenn es eine interessante Tätigkeit ist, mit Arbeit<br />

für den Betriebsrat aufs Spiel setzen? Es ist nahezu unmöglich, diesen Job<br />

vom Betrieb des Kunden aus zu machen. Natürlich ist das rechtlich möglich.<br />

Aber die Frage ist immer, ob man es auch durchsetzen kann und der Kunden­<br />

betrieb mit dem Arbeitsausfall einverstanden ist!"<br />

Nach einigen rechtlichen Auseinandersetzungen<br />

konnte ein Betriebsrat gegründet werden.<br />

Aktuell hat Timepartner in Essen rund 120 Mitarbeiter. Die werden an bis zu<br />

30 Kunden im Ruhrgebiet entliehen. Entsprechend schwierig ist es für Kürten,<br />

den Kontakt zu halten.


Noch schwieriger ist es für die <strong>Leiharbeit</strong>er, sich zusammenzufinden:<br />

„Zeitweise arbeiten fünf von ihnen im gleichen Betrieb. Aber oft kennen sie<br />

sich durch die verschiedenen Schichten und Abteilungen gar nicht."<br />

Deshalb und aufgrund der räumlichen Entfernung zur Timepartner-Nieder­<br />

lassung und zum Betriebsratsbüro könne sich nur schwer „eine Vertrauens­<br />

basis aufbauen", und es falle nicht leicht, die Kollegen für die Betriebsrats­<br />

arbeit zu begeistern: „Bei unserer ersten Betriebsversammlung in Essen<br />

waren 13 der 120 Beschäftigten da. Viele Mitarbeiter nehmen lieber vor Ort<br />

bei den Entleihbetrieben an den Versammlungen teil."<br />

In der ganzen Zeit seit seiner Gründung sei der Timepartner-Betriebsrat nur<br />

wenige Male eingeschaltet worden: „Es scheint, als seien wir nur für Super­<br />

Notfälle da. Wenn der Mitarbeiter seine Probleme nicht mit den Ansprechpart-<br />

nem in der Niederlassung klären kann, werden wir hinzugezogen."<br />

<strong>Leiharbeit</strong>-die weiße Seite 37


I <strong>Leiharbeit</strong>er dürfen an den Betriebsratswahlen<br />

im Einsatzbetrieb teilnehmen I


Ohne <strong>Leiharbeit</strong> geht's auch<br />

Zeitverträge statt <strong>Leiharbeit</strong> -<br />

Bosch-Betriebsrat setzt sich durch<br />

Seit Jahren verhindert der Betriebsrat des Bosch-Werks Bamberg<br />

erfolgreich den Einsatz von <strong>Leiharbeit</strong>ern und setzt stattdessen auf be­<br />

fristete Beschäftigungsverhältnisse. Der Betriebsratsvorsitzende<br />

Hans Wolff im Gespräch.<br />

Du bist Betriebsratsvorsitzender des Bosch-Werks Bamberg. Ein wenig<br />

erinnert das Werk an ein berühmtes gallisches Dorf. Denn so wie dessen<br />

Einwohner immer wieder den Römern trotzten, habt ihr euch die Leih­<br />

arbeit bislang erfolgreich vom Hals gehalten. War diese Arbeitsform denn<br />

nie ein Thema?<br />

Doch, schon vor etwa sechs Jahren. Damals lief die Produktion für Bestand­<br />

teile eines Dieselmotors aus, und die Produktion der Common Rail-Technik<br />

sollte parallel dazu starten. 600 bis 700 zusätzliche Mitarbeiter waren nötig,<br />

Der Arbeitgeber wollte sie per <strong>Leiharbeit</strong> in den Betrieb holen. Wir vom Be­<br />

triebsrat wollten hingegen sozial abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse.<br />

Wie genau seid ihr vorgegangen, um <strong>Leiharbeit</strong> von Bosch in Bamberg<br />

fern zu halten?<br />

Wir setzten uns mit der Bezirksleitung der IG Metall in Verbindung und<br />

verhandelten über einen Ergänzungstarifvertrag. Denn zum damaligen Zeit­<br />

punkt durften Mitarbeiter maximal zwei Mal zwölf Wochen befristet be­<br />

schäftigt werden. Doch was Bosch brauchte, waren Beschäftigungsverhält­<br />

nisse von ein bis eineinhalb Jahren. Die IG Metall stimmte entsprechenden<br />

Vereinbarungen zu und eine Betriebsversammlung wurde einberufen.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

HansWolff


Wie konntet ihr die Beschäftigten von eurem Vorschlag überzeugen?<br />

Wir haben versprochen, dass vor allem Familienangehörige und Arbeits­<br />

lose aus der Region die befristeten Verträge bekommen. So war auf einmal<br />

die persönliche Betroffenheit da. Jeder hatte einen Sohn oder Bruder oder<br />

Bekannten, der auf der Suche nach Arbeit war. Da waren alle schnell von<br />

unserer Idee überzeugt.<br />

„ Wir haben mit offenen Karten gespielt und von<br />

vornherein gesagt, dass nach der Befristung keine<br />

Übernahme garantiert ist."<br />

Und das, obwohl es sich nur um Arbeit auf Zeit handelte?<br />

Wir haben mit offenen Karten gespielt und von vornherein gesagt, dass nach<br />

der Befristung keine Übernahme garantiert ist. Aber viele waren sehr froh,<br />

wenigstens für diese Zeit etwas zu haben. Die Arbeitslosenquote lag damals<br />

bei rund zehn Prozent. Nach Ablauf der befristeten Verträge konnten dann<br />

sogar 160 Personen fest übernommen werden.<br />

Gab es seither noch einmal eine Diskussion über <strong>Leiharbeit</strong>?<br />

Zwischenzeitlich wurden wegen einer ähnlichen Produktionsumstellung<br />

noch einmal 60 Zusatzkräfte benötigt. Die Werksleitung von Bosch hat aber<br />

keinerlei Anstalten mehr gemacht, noch einmal über <strong>Leiharbeit</strong> zu reden.<br />

Stattdessen bot sie von vornherein befristete Verträge an.<br />

Kann man die Situation bei Bosch in Bamberg auf andere Unternehmen<br />

übertragen?<br />

In vielen Fällen schon. <strong>Leiharbeit</strong> wird oftmals nur missbraucht. Unsere<br />

Manteltarifverträge sind doch so flexibel, dass man zusätzliche Arbeitskräfte<br />

problemlos über befristete Beschäftigungsverhältnisse bekommen kann.


Dennoch gibt es immer mehr <strong>Leiharbeit</strong>er in der Bundesrepublik...<br />

Ja, weil viele Betriebsräte zu schwach sind oder sich zu schwach fühlen,<br />

um sie zu verhindern.<br />

Aber warum kämpft ihr so vehement gegen <strong>Leiharbeit</strong>?<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

„Unsere Manteltarifverträge sind so flexibel,<br />

dass man zusätzliche Arbeitskräfte problemlos<br />

über befristete Beschäftigungsverhältnisse<br />

bekommen kann."<br />

Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen stellen Tarifverträge eine<br />

Mindestbedingung dar. Sobald sie durchlöchert werden, sind sie nichts mehr<br />

wert. Per <strong>Leiharbeit</strong> wird doch auch versucht, die Kosten für Festangestellte<br />

zu drücken. Es wird dabei von den Unternehmern so getan, als sei der Tarifver­<br />

trag die Höchst- und nicht die Mindestbedingung.<br />

Also sollten alle Betriebsräte gegen <strong>Leiharbeit</strong> mobil machen?<br />

Auf jeden Fall. Es muss für flächendeckende Tarifverträge gekämpft werden.<br />

Wenn es gelingt, die Belegschaft so wie hier in Bamberg mit ins Boot zu holen,<br />

können Arbeitgeber <strong>Leiharbeit</strong> nicht missbrauchen.


Dennoch gibt es immer mehr <strong>Leiharbeit</strong>er in der Bundesrepublik...<br />

Ja, weil viele Betriebsräte zu schwach sind oder sich zu schwach fühlen,<br />

um sie zu verhindern.<br />

Aber warum kämpft ihr so vehement gegen <strong>Leiharbeit</strong>?<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

„Unsere Manteltarifverträge sind so flexibel,<br />

dass man zusätzliche Arbeitskräfte problemlos<br />

über befristete Beschäftigungsverhältnisse<br />

bekommen kann."<br />

Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen stellen Tarifverträge eine<br />

Mindestbedingung dar. Sobald sie durchlöchert werden, sind sie nichts mehr<br />

wert. Per <strong>Leiharbeit</strong> wird doch auch versucht, die Kosten für Festangestellte<br />

zu drücken. Es wird dabei von den Unternehmern so getan, als sei der Tarifver­<br />

trag die Höchst- und nicht die Mindestbedingung.<br />

Also sollten alle Betriebsräte gegen <strong>Leiharbeit</strong> mobil machen?<br />

Auf jeden Fall. Es muss für flächendeckende Tarifverträge gekämpft werden.<br />

Wenn es gelingt, die Belegschaft so wie hier in Bamberg mit ins Boot zu holen,<br />

können Arbeitgeber <strong>Leiharbeit</strong> nicht missbrauchen.


„Der Kampf um Mehrheiten lohnt sich"<br />

IG Metall kämpft für bessere Arbeitsbedingungen<br />

im Dresdner Infineon-Werk<br />

„Letztes Jahr war ich in China", erzählt Wigand Cramer. „Andere waren<br />

wegen der Arbeitsbedingungen dort schockiert. Ich kannte das aus<br />

Dresden." Cramer ist IT-Spezialist der IG Metall und betreut in dieser<br />

Funktion unter anderem Infineon.<br />

Wenn er von den Zuständen in Dresden erzählt, benutzt er häufig Worte,<br />

die „besser in keinem Text stehen sollten". Denn das Thema ist brisant, die<br />

Lage angespannt und er ist ziemlich unzufrieden mit der Situation vor Ort.<br />

Noch sitzen nicht nur Mitglieder der IG Metall im<br />

Betriebsrat, doch die Zuversicht ist groß, dass der<br />

Einfluss der IG Metall ständig wachsen wird.<br />

Die IG Metall versucht seit Jahren, ihren Einfluss bei Infineon und dem<br />

Tochterunternehmen Qimonda auszuweiten. Noch sitzen nämlich nicht nur<br />

Mitglieder der IG Metall im Betriebsrat, sondern in der Mehrheit solche,<br />

die der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) zu­<br />

zurechnen sind, die von Siemens gezielt mit Millionenbeträgen aufgepäp­<br />

pelt wurde, um die IG Metall zu bekämpfen. Doch Cramer ist zuversichtlich,<br />

dass der Einfluss der IG Metall ständig wachsen wird.<br />

Aber selbst wenn die Mehrheit im Betriebsrat zu Gunsten der IG Metall<br />

kippt, liegen schwere Aufgaben vor ihr, schwant es Cramer: „Dieser unterneh­<br />

merfreundliche Betriebsrat machte bislang alles, was die Geschäftsfüh­<br />

rung wollte. Deshalb liegt da einiges im Argen." So stimmte der Betriebsrat<br />

einst der Einführung von <strong>Leiharbeit</strong> in den Dresdner Werken zu. Denn vor<br />

allem zwei Arten von Halbleitern werden in Dresden produziert: einfache<br />

Speicherchips und komplexe Prozessoren. Die Nachfrage nach Speichern ist<br />

konstant, die nach Prozessoren hingegen schwankt stark.


Da Infineon in Dresden vor allem diese „Logik"-Chips fertigen lassen will,<br />

sollte auch der Personalbedarf durch <strong>Leiharbeit</strong> flexibler werden. „Die<br />

Stammbelegschaft", sagt Cramer, „sollte auf ein Minimum reduziert werden,<br />

und die Betriebsratsmehrheit unterstützte das."<br />

Bei 30 Prozent wurde die Höchstquote für den Einsatz von <strong>Leiharbeit</strong>ern<br />

damals festgeschrieben. In Wahrheit hätten Infineon und Qimonda mittlerwei­<br />

le vier Arten von Beschäftigten, erläutert Cramer: Nicht nur Festangestellte<br />

und neu eingestellte <strong>Leiharbeit</strong>er würden beschäftigt, sondern auch befristet<br />

Beschäftigte und jene, die früher befristete Arbeitsverträge hatten und dann<br />

überredet wurden, in die <strong>Leiharbeit</strong> zu gehen. Gerade diejenigen, die in die<br />

<strong>Leiharbeit</strong> gewechselt sind, hätten jetzt „bis zu 500 Euro weniger im Monat<br />

als früher". Vor einiger Zeit wurde in Dresden zudem die Zwölf-Stunden-<br />

Schicht eingeführt - der Betriebsrat ging auch hier nicht auf die Barrikaden.<br />

Zwölf Stunden Arbeit pro Tag sind laut Gesetz gar nicht zulässig. Doch<br />

zwischendurch, erläutert Cramer, werden einfach knapp zweistündige, zum<br />

Teil unbezahlte Pausen verordnet.<br />

Widerstand gegen die Infineon-Praktiken gibt es für Cramers Geschmack viel<br />

zu wenig: „Da herrscht überall die nackte Angst." Denn die Drohung, dass<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

An den deutschen Infineon-Standorten,<br />

an denen die IG Metall die Betriebsratsmehrheit<br />

stellt, ist eine Zwölf-Stunden-Schicht bis<br />

heute undenkbar.<br />

Infineon komplett ins Ausland gehen könnte, ist sehr real - ein großer Teil der<br />

Auftragsfertigung sitzt schon jetzt in Malaysia, Singapur, Taiwan und China.<br />

„Uns fällt es schwer, Mitarbeiter zu mobilisieren. Die Stammbelegschaft<br />

glaubt, dass es sie nicht betrifft. Und die <strong>Leiharbeit</strong>er trauen sich nicht, etwas<br />

zu unternehmen, weil sie dann 'individuell abgekündigt' werden, wie die<br />

Entlassung ohne Kündigungsschutz umschrieben wird", bilanziert Cramer.<br />

Dabei kann eine gut organisierte Arbeiterschaft sehr wohl etwas bewegen:<br />

An den deutschen Infineon-Standorten, an denen die IG Metall die Betriebs­<br />

ratsmehrheit stellt, ist eine Zwölf-Stunden-Schicht bis heute undenkbar.<br />

Cramer hofft, dass die IG Metall bald auch in Dresden die Oberhand gewinnt:<br />

„Es kann doch nicht sein, dass hierzulande High Tech zu Low Cost und mit<br />

Lohndumping produziert wird."


„Es geht fast alles - aber nur mit Druck"<br />

Erfolge in der Automobilbranche<br />

In der Automobilbranche sind <strong>Leiharbeit</strong>er gefragt wie in kaum einem<br />

anderen Sektor. Denn, so das Argument der Vorstände und Politiker, mit<br />

<strong>Leiharbeit</strong>ern können Auftragsspitzen abgefedert werden, damit die<br />

Autobauer flexibel und wettbewerbsfähig bleiben. Für Gewerkschaften und<br />

Betriebsräte bedeutet dieser Wunsch nach Flexibilität vor allem eines: viel<br />

Arbeit.<br />

Wolfgang Bergmann ist Betriebsrat im Volkswagen-Werk Zwickau. Er sieht<br />

seine Aufgabe pragmatisch: „Wenn wir schon das System nicht abschaffen<br />

können, dann müssen wir wenigstens die Bedingungen so gut wie möglich<br />

gestalten." Bei VW in Zwickau scheint ihm und seinen Kollegen das gelungen<br />

zu sein: „Arbeitssuchende sind sehr interessiert daran, bei uns eine Stelle<br />

zu bekommen."<br />

Verständlich, denn einst forderte der VW-Betriebsrat das gleiche Grund­<br />

lohnniveau für <strong>Leiharbeit</strong>er wie für Stammbeschäftigte - sonst hätte er die<br />

Zustimmung zu weiteren <strong>Leiharbeit</strong>ern verweigert. Nun wird mit den Leih­<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

„Wenn wir schon das System nicht abschaffen<br />

können, dann müssen wir wenigstens die<br />

Bedingungen so gut wie möglich gestalten."<br />

arbeitsfirmen ein finanzieller Rahmen vereinbart, der einen entsprechenden<br />

Zuschlag für die Mitarbeiter garantiert. Auch Tariferhöhungen fließen in<br />

die Kalkulation ein. Der Zuschlag kommt allerdings nur zum Tragen, wenn<br />

der Mitarbeiter auch vor Ort tätig ist.<br />

Mittlerweile liegt die Quote der <strong>Leiharbeit</strong>er bei rund zehn Prozent. Sie ist<br />

auf maximal 700 Personen begrenzt. „200 langjährig beschäftige <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

wurden jetzt übernommen oder haben eine Einstellungszusage erhalten",<br />

berichtet Bergmann. Allerdings, gibt er zu bedenken, funktioniere das alles<br />

natürlich nicht einfach so: „Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen.<br />

Es geht alles immer nur mit Druck."


46<br />

„200 langjährig beschäftige <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

wurden übernommen oder haben<br />

eine Einstellungszusage erhalten."<br />

Das Verhältnis zwischen <strong>Leiharbeit</strong>ern und Festangestellten hält Bergmann<br />

für gut: „Da spielt der Konkurrenzgedanke keine Rolle. <strong>Leiharbeit</strong>er werden<br />

gleichberechtigt mit ins Team integriert." Ein Grund dafür ist sicher auch die<br />

Tatsache, dass der Organisationsgrad der <strong>Leiharbeit</strong>nehmer in der IG Metall<br />

bei nahezu 100 Prozent liegt und mit jedem neuen Mitarbeiter Gespräche<br />

geführt werden. Tatsächlich, erläutert der Betriebsrat, seien einige der Leihar­<br />

beiter sicher schon seit dem Jahr 2000 dabei: „Einige sind echte Spezialisten,<br />

manchmal sind sie besser qualifiziert als Festangestellte und entsprechend<br />

lange dabei. Mit dem ursprünglichen Sinn von <strong>Leiharbeit</strong> hat das natürlich<br />

nichts mehr zu tun." Dennoch, sagt Bergmann, können alle mittlerweile mit<br />

der Situation im VW-Werk zufrieden sein.<br />

Perspektiven für <strong>Leiharbeit</strong>er gibt es auch bei Opel in Rüsselsheim. Die<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er - überwiegend Facharbeiter und Ingenieure - sind Thema bei den<br />

Personalgesprächen und werden gezielt bei anstehenden Festanstellungen<br />

berücksichtigt.<br />

Schon lange ist <strong>Leiharbeit</strong> bei Ford in Köln geregelt. 2003 wurde dort eine<br />

Betriebsvereinbarung geschlossen, die sicherstellt, dass <strong>Leiharbeit</strong>skräfte<br />

nach dem nordrhein-westfälischen IG Metall-Flächentarifvertrag für NRW<br />

entlohnt werden. Zudem ist <strong>Leiharbeit</strong> dort begrenzt: Bei planbarer Abwesen­<br />

heit dürfen maximal 3 Prozent der Belegschaft <strong>Leiharbeit</strong>er sein. Um unge­<br />

wöhnliche Ereignisse abzufedern, können es bis zu 8 Prozentwerden.<br />

Deutlich mehr Geld als im <strong>Leiharbeit</strong>s-Tarifvertrag erhält, wer an Porsche<br />

in Zuffenhausen ausgeliehen wird. <strong>Leiharbeit</strong>nehmer bekommen pro Stunde<br />

17,02 Euro im Akkurd und 14,25 Euro im Zeitlohn.<br />

Gleiche Entlohnung für <strong>Leiharbeit</strong>nehmer und Festangestellte erreichte die<br />

IG-Metall 2007 im Rahmen einer Betriebsvereinbarung mit BMW in München.<br />

Der Autohersteiler verpflichtete sich, an allen deutschen Standorten nur<br />

noch mit Verleihfirmen zusammenzuarbeiten, die ein Grundentgelt nach dem<br />

Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie zahlen.


Eine grundsätzliche Begrenzung der <strong>Leiharbeit</strong> gilt bei Audi in Ingolstadt:<br />

Sie liegt bei fünf Prozent der Gesamtbelegschaft. <strong>Leiharbeit</strong>er im Bereich des<br />

Leistungsentgeltes erhalten in den ersten drei Monaten 13,94 Euro in der<br />

Stunde, danach 14,68 Euro. Im Bereich des Zeitentgeltes bekommen entlie­<br />

hene Mitarbeiter unabhängig von der Einsatzdauer 12,73 Euro. Die Entgelte<br />

werden um den gleichen Prozentsatz erhöht wie in der Metall- und Elektro­<br />

industrie.<br />

Auch bei Mercedes-Benz in Ludwigsfelde einigte man sich auf eine Be­<br />

grenzung der <strong>Leiharbeit</strong>: Maximal 170 entliehene Mitarbeiter darf es im Werk<br />

geben. „Damit hat sich der Betriebsrat auf relativ wenige <strong>Leiharbeit</strong>er ein­<br />

gelassen. Es war ein zäher Aushandlungsprozess", weiß Hermann von<br />

Schuckmann, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in der zugehörigen<br />

Verwaltungsstelle.<br />

Mercedes zahlt der Verleihfirma nun einen Stundensatz, der dem Verleiher<br />

die Bezahlung nach dem Grundentgelt der Metall- und Elektroindustrie<br />

ermöglicht. Die <strong>Leiharbeit</strong>nehmer haben einen Zusatz im Arbeitsvertrag, der<br />

beim Einsatz bei Mercedes eine „Mercedes-Benz-Zulage" regelt. Der Erste<br />

Bevollmächtigte warnt allerdings davor, bei dieser Regelung von „Equal pay"<br />

zu reden: „Das ist eine .Besser'-Vereinbarung, aber völlig gleich sind die<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er noch lange nicht gestellt. Schließlich bekommen sie keine<br />

Leistungsentgelte - und die machen rund 25 Prozent des gesamten Entgelts<br />

aus. Von Urlaubs- und Weihnachtsgeld ganz abgesehen."<br />

In letzter Konsequenz seien die <strong>Leiharbeit</strong>er bei Mercedes also doch<br />

„Beschäftigte zweiter Klasse", sagt von Schuckmann. Natürlich, berichtet er<br />

weiter, habe es auch über eine Entlohnung mit Leistungsentgelten Ver­<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

Mercedes zahlt der Verleihfirma nun einen<br />

Stundensatz, der dem Verleiher die Bezahlung<br />

nach dem Grundentgelt der Metall- und<br />

Elektroindustrie ermöglicht.<br />

handlungen gegeben: „Aber wir sind hier nur ein Mercedes-Werk von vielen.<br />

Zu glauben, dass man hier Regelungen umsetzen kann, die im Mercedes-<br />

Werk Untertürkheim nicht gelten, ist leider illusionär."


Mit Herzblut und guten Argumenten<br />

Dank Betriebsrat organisieren<br />

sich <strong>Leiharbeit</strong>er in der IG Metall<br />

Die Belange von <strong>Leiharbeit</strong>ern liegen Josef Sattler besonders am Herzen.<br />

Das Betriebsratsmitglied wirbt deshalb täglich für die IG Metall - mit<br />

Erfolg: Über 70 Prozent der <strong>Leiharbeit</strong>er in der Zahnradfabrik Passau sind<br />

organisiert.<br />

Sattler ist Ansprechpartner von 135 Vertrauensleuten im Passauer Werk<br />

der Zahnradfabrik Friedrichshafen. Und er ist Mitglied im Betriebsrat. In bei­<br />

den Ämtern ist es seine Aufgabe, für die Mitarbeiter da zu sein. Und eine<br />

Sache liegt Josef Sattler da besonders am Herzen: die Situation der Leiharbei­<br />

ter. Etwa 230 <strong>Leiharbeit</strong>er sind derzeit in der Zahnradfabrik beschäftigt,<br />

70 Prozent davon sind bereits in der IG Metall organisiert.<br />

Wenn Josef Sattler auszieht, um unter den <strong>Leiharbeit</strong>ern neue Mitglieder<br />

für die IG Metall zu werben, klemmt er sich immer auch die IG-Metall-Broschü­<br />

re „Fair Leihen" unter den Arm. So kann er den Arbeitern einen Überblick<br />

über ihre Situation geben. „Ich spreche die Leute gezielt an und erkläre ihnen,<br />

welche Vorteile sie haben, wenn sie in die Gewerkschaft eintreten, dass sie<br />

Rechtsschutz haben und dass wir da sind, um ihre Fragen zu beantworten",<br />

erklärt Sattler.<br />

Im Betriebsrat kämpft er mit anderen dafür,<br />

dass möglichst viele <strong>Leiharbeit</strong>er in die<br />

Stammbelegschaft übernommen werden.<br />

Oft genug kämen Leute zu ihm, die Fragen zu ihren Verträgen hätten,<br />

weil sie deren Inhalt nicht richtig kennen - die Verträge werden aber von der<br />

Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) ausgestellt. Sattler und seine<br />

Kollegen mussten sich also zunächst in deren Vertragswerke einlesen, be­<br />

vor sie den <strong>Leiharbeit</strong>ern helfen konnten.


Mit Argumenten überzeugen -<br />

die Broschüre der IG Metall zum<br />

Thema <strong>Leiharbeit</strong><br />

„Das ist auch gut für uns, dass wir die anderen Verträge mal zu sehen be­<br />

kommen und auch darüber Bescheid wissen", findet Sattler.<br />

Die Stammbelegschaft der Zahnradfabrik Passau zählt 4.100 Personen. Wenn<br />

es nach Josef Sattler ginge, wären es bald 4.330. Im Betriebsrat kämpft er<br />

mit anderen dafür, dass möglichst viele <strong>Leiharbeit</strong>er in die Stammbelegschaft<br />

übernommen werden. „Das ist uns bisher auch schon öfter gelungen", sagt<br />

Sattler. Auch die anderen Mitarbeiter würden es gerne sehen, dass Leiharbei­<br />

ter unter besseren Bedingungen arbeiten. „Die kommen auf mich zu und<br />

sagen mir, dass die Leute, wenn sie dieselbe Arbeit machen, auch dieselben<br />

Bedingungen haben sollen." Auch für höhere Stundenlöhne der <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

setzt sich Sattler im Betriebsrat ein.<br />

Die Werbung läuft gut, Sattler konnte schon viele <strong>Leiharbeit</strong>er für die<br />

IG Metall gewinnen. Auch in Zukunft hofft er, dass es so weiter geht.<br />

Sattler: „Wir wollen niemand dazu zwingen, aber dran bleiben müssen<br />

wir halt."<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite


Fair Play und Equal Pay<br />

Bei GABIS gilt: Vermittlung statt Umsatz<br />

Langzeitarbeitslos, schwer vermittelbar? Die Firma GABIS aus Speyer hat<br />

täglich damit zu tun. Als gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung ist ihr<br />

Geschäftsauftrag, schwer vermittelbare, arbeitslose oder von Arbeitslosig­<br />

keit bedrohte Menschen über die Entleihphase in ein festes Arbeitsverhält­<br />

nis zu vermitteln.<br />

„Für uns stehen nicht Umsatz und Ergebnis im Vordergrund, sondern die<br />

Vermittlung", sagt GABIS-Geschäftsführer Wolfgang Viertel. Im Durchschnitt<br />

werden vierzig Prozent der Vermittelten vom jeweiligen Entleihbetrieb<br />

übernommen.<br />

„Für uns stehen nicht Umsatz und Ergebnis im<br />

Vordergrund, sondern die Vermittlung."<br />

Aber nicht nur hier unterscheidet sich GABIS von kommerzieller Leihar­<br />

beit. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt im Schnitt 9,7 Monate im sei<br />

ben Entleihbetrieb. Außerdem entlohnt GABIS nach dem Grundsatz „Equal<br />

pay". Dies ermöglicht ein Rahmentarifvertrag, der aus dem Jahr 1996 stammt<br />

und 2004 mit der IG Metall aktualisiert wurde. Die schnelle und unbürokra­<br />

tische Zusammenarbeit mit den Kunden ermöglicht ein Höchstmaß an Flexibi<br />

lität. Faire Bedingungen und klare Absprachen sind das Markenzeichen von<br />

GABIS.<br />

Dass Menschen bei GABIS fair behandelt werden, ist in der Region um<br />

Speyer bekannt. Immer häufiger kommt es vor, dass <strong>Leiharbeit</strong>nehmer ihr Un<br />

ternehmen verlassen und zu GABIS wechseln. „Der gute Name ist die beste<br />

Empfehlung", so Wolfgang Viertel. Sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Kun­<br />

den läuft die Empfehlung größtenteils über Mund-zu-Mund-Propaganda. Auf<br />

Werbung oder Annoncen ist man nicht angewiesen.


Größter Kunde der GABIS GmbH ist die Daimler AG in Wörth. 1.200 ehemalige<br />

GABIS-Mitarbeiter konnten in den letzten viereinhalb Jahren an Daimler ver­<br />

mittelt werden. Thomas Cantzler und seine Kolleginnen und Kollegen schauen<br />

sich den Arbeitsplatz genau an, für den ein <strong>Leiharbeit</strong>nehmer gesucht wird,<br />

erst dann sucht GABIS die passenden Personen. DerVorteil dieser Methode:<br />

Für den Mitarbeiter garantiert Daimler eine feste Dauer an einem festen Ar­<br />

beitsplatz, die Firma profitiert von qualifiziertem Personal und guter Betreu­<br />

ung. Die Fluktuation ist dabei sehr gering.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

Faire Bedingungen und klare Absprachen<br />

sind das Markenzeichen von GABIS.<br />

Die gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und der Personalabteilung<br />

ist Grundlage für die Zufriedenheit bei allen Beteiligten. „Wir finden immer<br />

wieder Kunden, die unsere einfache Geschäftsidee mittragen," so GABIS-<br />

Geschäftsführer Viertel. „Wünschenswert wäre nur, dass das Modell GABIS<br />

auch im kommerziellen Bereich Schule macht."


Starker Betriebsrat,<br />

starke Gewerkschaft, starke Leistung<br />

Wie aus Leihkräften feste Mitarbeiter werden<br />

Bei der STILL GmbH, einem Gabelstaplerbauer, ist <strong>Leiharbeit</strong> verhältnis­<br />

mäßig gut geregelt. Detlef Feye, Betriebsrat und Vertrauenskörperleiter,<br />

erklärt, warum er einen fairen Umgang mit <strong>Leiharbeit</strong>ern für wichtig hält -<br />

und wie er sich gegen das Management durchgesetzt hat.<br />

Ihr habt für die <strong>Leiharbeit</strong>er in eurem Betrieb Regeln durchgesetzt, von<br />

denen andere nur träumen können. Wie habt ihr das geschafft?<br />

Durch hartes Verhandeln. 2005 ging es dem Unternehmen wirtschaftlich<br />

gar nicht gut, es gab eine Entlassungswelle. Wir haben damals mit der Arbeit­<br />

geberseite über eine Beschäftigungsgarantie bis 2011 verhandelt. Im Ge­<br />

genzug wollte die andere Seite flexiblere Beschäftigungsverhältnisse, also<br />

befristete Anstellungen - und eben auch <strong>Leiharbeit</strong>.<br />

Und darauf habt ihr euch eingelassen?<br />

Wir können uns nicht von der wirtschaftlichen Lage abkoppeln. Aber wir<br />

haben durchgesetzt, dass maximal zehn Prozent der Beschäftigungsverhält­<br />

nisse befristet sein dürfen und ebenso maximal zehn Prozent <strong>Leiharbeit</strong><br />

sein darf.<br />

Und wie hat das dann mit den <strong>Leiharbeit</strong>ern im Arbeitsalltag funktioniert?<br />

Erst mal nicht besonders gut. Das lag aber nicht an den <strong>Leiharbeit</strong>ern<br />

selbst - das sind Kollegen wie alle anderen auch. Aber sie waren nun mal<br />

Beschäftige zweiter Klasse, mit weniger Rechten, weniger Geld. Das schlägt<br />

natürlich auf die Stimmung und die Motivation - und damit auch auf die<br />

Qualität der Arbeit. Wir haben immer gesagt, dass wir absolut nichts gegen<br />

die Leute haben, sondern gegen die Beschäftigungsform. Die haben es<br />

verdammt schwer unter den Bedingungen, unter denen sie teilweise arbeiten<br />

müssen. Deshalb haben wir uns ja dann auch für eine fairere Behandlung<br />

eingesetzt, als wir 2007 mit dem Management neu verhandelt haben.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

Detlef Feye


Und was habt ihr erreicht?<br />

Eine Menge. Wir haben durchgesetzt, dass <strong>Leiharbeit</strong>er vom ersten Tag an<br />

genau so bezahlt werden wie festangestellte Kollegen. Außerdem arbeiten wir<br />

nur mit Verleihfirmen zusammen, die den eigenständigen Tarifvertrag mit der<br />

IG Metall unterschrieben haben. Wir fahren die <strong>Leiharbeit</strong> jetzt schon zurück.<br />

Ab 2009 soll sie nur noch bedarfsorientiert eingesetzt werden, also bei echten<br />

Auftragsspitzen. So ist das ja ursprünglich auch gedacht.<br />

„ Wir arbeiten nur mit Verleihfirmen<br />

zusammen, die den eigenständigen Tarifvertrag<br />

mit der IG Metall unterschrieben haben."<br />

Und darauf hat sich die Arbeitgeberseite einfach so eingelassen?<br />

Einfach so natürlich nicht. Da mussten wir schon das eine oder andere deut­<br />

liche Wort sprechen. Wir sind hier bei STILL gewerkschaftlich sehr gut organi­<br />

siert, die Belegschaft steht geschlossen hinter uns - und sie hat sich mit<br />

den <strong>Leiharbeit</strong>ern solidarisiert. Die Unternehmensführung wusste: „Wenn wir<br />

uns nicht kompromissbereit zeigen, dann werden die sich schon zu wehren<br />

wissen." Das ist eine Verhandlungsbasis auf gleicher Augenhöhe, die man<br />

braucht. Der Schlüssel war unsere starke gewerkschaftliche Position im Unter­<br />

nehmen.<br />

Und wie läuft die Zusammenarbeit mit den Verleihfirmen?<br />

Mittlerweile recht gut. Wir arbeiten mit ganz verschiedenen zusammen -<br />

mit großen und kleinen. Die wissen, wie die Bedingungen bei uns sind. Wir<br />

holen die Leute ja auch meist direkt für ein halbes Jahr oder länger. Das bringt<br />

nicht nur bei den <strong>Leiharbeit</strong>ern Sicherheit, sondern auch bei den Verleihern.<br />

Deshalb schicken sie uns heute nur noch ihre besten Leute. Viele von denen<br />

schaffen es dann ja auch in eine Festanstellung.


Wieviele sind das?<br />

Seit Ende 2007 insgesamt 130 Leute. Wir haben in zwei Wellen <strong>Leiharbeit</strong>ern<br />

befristete Festanstellungsverträge geben können. In diesem Frühjahr haben<br />

wir dann 100 befristete Stellen entfristet, darunter auch 20 bis 30 ehemalige<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er. Die haben es also innerhalb eines Jahres von der <strong>Leiharbeit</strong> zu<br />

einer unbefristeten Stelle geschafft.<br />

Und sind die dann auch Gewerkschaftsmitglieder geworden?<br />

Ja. Wir haben fast 200 neue Mitglieder dadurch gewonnen. Und von den<br />

40 Vertrauensleuten, die wir kürzlich neu gewählt haben, ist jeder dritte ein<br />

ehemaliger <strong>Leiharbeit</strong>er. Es ist sogar ein Kollege dabei, der jetzt noch als<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er tätig ist. Der hat die Akzeptanz in der Belegschaft, auch wenn er<br />

offiziell gar nicht bei uns beschäftigt ist.<br />

„Man braucht eine Verhandlungsbasis<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

auf gleicher Augenhöhe. Der Schlüssel war<br />

unsere starke gewerkschaftliche Position<br />

im Unternehmen."<br />

Aber wäre es nicht viel besser, wenn sich die <strong>Leiharbeit</strong>er bei ihrem<br />

eigentlichen Arbeitgeber, dem Verleiher, gewerkschaftlich organisieren<br />

würden?<br />

Natürlich wäre es das. Aber dazu gehört eine Menge Mut. Gerade viele kleine<br />

Verleiher buttern ihre Beschäftigten teilweise ganz schön unter. Wir ermun­<br />

tern unsere <strong>Leiharbeit</strong>er, für ihre Rechte zu kämpfen. Sie wissen, dass wir auf<br />

ihrer Seite sind. Aber aktiv werden müssen sie natürlich selbst.


56<br />

„Die Situation in den Griff bekommen"<br />

„Kaskaden-Modell" ermöglicht Übernahme<br />

von <strong>Leiharbeit</strong>ern bei Siemens TS<br />

„Die aktuelle Situation haben die deutschen Politiker ganz ohne Not<br />

verursacht", sagt Hans Hoecherl. Er ist der Betriebsratsvorsitzende bei<br />

Siemens TS in München. Er stört sich daran, dass Firmen Mitarbeiter<br />

mittlerweile so lange entleihen dürfen wie sie wollen.<br />

Früher gab es eine Begrenzung der Entleihzeit auf zwei Jahre, davor war die<br />

<strong>Leiharbeit</strong> auf wenige Monate beschränkt. Doch jetzt sei <strong>Leiharbeit</strong> „nur noch<br />

eine Form der Arbeitnehmervermittlung" und Betriebsräte mussten die<br />

Fehlentscheidungen der Politiker ausbaden und versuchen, sich gegen ein<br />

Überhandnehmen der <strong>Leiharbeit</strong> zu stemmen.<br />

Gelungen ist das bei Siemens TS im Dezember 2007, indem das so genannte<br />

Kaskaden-Modell im Rahmen eines Ergänzungstarifvertrages angewandt<br />

wurde. Das Modell verpflichtet die Geschäftsführung, bisherige Leihar­<br />

beiter fest zu übernehmen, wenn sie weitere <strong>Leiharbeit</strong>er beschäftigen will.<br />

„Wir vom Betriebsrat haben Entscheidungen nicht zugestimmt, bis eine sinn­<br />

volle Lösung gefunden war. Wir wollten verhindern, dass die Quote der<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er noch höher wird und wollten die Situation wieder in den Griff<br />

bekommen", sagt Hoecherl.<br />

So gelang es dem Betriebsrat zu erzwingen, dass die Zahl der Festangestell­<br />

ten bei Siemens TS von 540 auf etwa 590 anstieg und 60 statt 5 Mitarbeiter<br />

befristete statt <strong>Leiharbeit</strong>s-Verträge bekamen.


„Es wird keine Menschen zweiter Klasse geben"<br />

„Equal pay" und „Equal treatment"<br />

bei Mercedes-Benz in Wörth<br />

„Natürlich ist uns ein Dauerarbeitsplatz wichtiger als ein befristeter. Aber<br />

<strong>Leiharbeit</strong> und Befristungen werden nun einmal zunehmend vom Unterneh­<br />

men als Flexibilisierungsinstrument eingesetzt", sagt Ulli Edelmann, Be­<br />

triebsratsvorsitzender des Mercedes-Benz-Werkes Wörth.<br />

Von Anfang an war jedoch klar: Der Betriebsrat verlangt ein Mitsprache­<br />

recht bei der Auswahl der Verleihunternehmen. Ebenso war klar: Unterhalb<br />

von „Equal pay", also gleichem Lohn für gleiche Arbeit, wird nicht verhan­<br />

delt. Unterstützt von einer gut organisierten Belegschaft wurde sogar noch<br />

mehr erreicht; für die <strong>Leiharbeit</strong>nehmer gibt es die gleichen Zuschlagsre­<br />

gelungen, die gleichen Pausenzeiten, den gleichen Essenszuschuss in der<br />

Kantine. Auch die Entgelterhöhung aus der vergangenen Metall-Tarifrunde<br />

wurde in vollem Umfang weitergeben.<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

„Es wird im Werk keine Menschen zweiter Klasse<br />

geben. <strong>Leiharbeit</strong>nehmer sind für die Zeit, in der<br />

sie bei uns sind, unsere Kollegen."<br />

Kein Wunder, dass der Organisationsgrad unter den <strong>Leiharbeit</strong>nehmern<br />

ähnlich hoch ist wie bei der Stammbelegschaft.


Gutes Geld für gute Arbeit<br />

Betriebsrat bei Thyssen Krupp<br />

macht vor, wie's geht<br />

Alte Menschen behaupten manchmal, dass früher alles besser war.<br />

Patrick Wohlfeld ist erst Ende zwanzig, doch sicher liegt es nicht nur daran,<br />

dass er ganz anderer Meinung ist. Er ist Betriebsrat bei TKIN in Leipzig.<br />

Und dort, sagt er, war früher nichts besser.<br />

Der Name TKIN steht für „Thyssen Krupp Industrieservice GmbH". Dahinter<br />

verbirgt sich die hauseigene <strong>Leiharbeit</strong>sfirma des Weltkonzerns Thyssen<br />

Krupp. Bei der Firma lag früher einiges im Argen, berichtet Wohlfeld: „Der<br />

Haustarifvertrag orientierte sich an dem des .Unternehmerverbandes In-<br />

dustrieService + Dienstleistungen' (UIS). Allerdings hatte das Unternehmen<br />

alle in die unterste Lohngruppe eingruppiert. Es gab pro Stunde nur etwa<br />

6,35 Euro." Ein Betriebsrat fehlte. Es gab also niemanden, der die Interessen<br />

der <strong>Leiharbeit</strong>er vertrat.<br />

„Nach einem Jahr wurden alle <strong>Leiharbeit</strong>er<br />

neu eingruppiert. Jetzt gibt es nach der<br />

Einarbeitungsphase mindestens 9,62 Euro<br />

pro Stunde."<br />

Wohlfeld hatte früher für andere Zeitarbeitsfirmen gearbeitet. Als er die<br />

Zustände in Leipzig sah, wandte sich das Gewerkschaftsmitglied an die<br />

IG Metall. Im Mai 2006 gründeten die TKIN-<strong>Leiharbeit</strong>er einen Betriebsrat:<br />

„Wir waren ziemlich schnell gut organisiert. Die Belegschaft hat sofort<br />

mitgemacht. Nach einem Jahr wurden alle <strong>Leiharbeit</strong>er neu eingruppiert. Jetzt<br />

gibt es nach der Einarbeitungsphase mindestens 9,62 Euro pro Stunde."


Was sich im Rückblick so einfach anhört, war für Wohlfeld und seine Kol­<br />

legen ein harter Kampf: „Anfangs hat das der Geschäftsleitung natürlich nicht<br />

geschmeckt. Wir mussten mit einer Massenklage drohen, dann gelang die<br />

Umsetzung." Zugute kam dem Betriebsrat dabei die Tatsache, dass die Leihar­<br />

beiter von TKIN alle für Thyssen Krupp Automotive (TKA) arbeiten. „Letzt­<br />

lich waren dann auch höhere Instanzen im Haus daran interessiert, den Kon­<br />

flikt beizulegen." Denn, so Wohlfeld, diese wollen hohe Qualität und gute<br />

Leistungen: „Das kann man für 6,35 Euro ja kaum erwarten."<br />

Bei ihrer Forderung nach mehr Geld kam der Belegschaft auch die Arbeits­<br />

marktsituation zu Gute: „Es gibt immer weniger Arbeitslose. Da wären zum<br />

alten Lohn kaum Leute zu finden gewesen." Das nächste Ziel des Betriebs­<br />

rats ist eine neue Regelung bei den Arbeitsverhältnissen der <strong>Leiharbeit</strong>er:<br />

„Bislang sind 70 Prozent von ihnen nur befristet eingestellt, lediglich 30 Pro­<br />

zent haben einen unbefristeten Vertrag. Das würden wir gerne umkehren."<br />

Das Vertrauen in den Betriebsrat, meint der junge Mann, könnte dadurch<br />

weiter gestärkt werden - selbst wenn schon jetzt über 75 Prozent der Beleg­<br />

schaft in der IG Metall organisiert sind. Der funktionierende Betriebsrat<br />

trage ebenfalls seinen Teil zum Arbeitsklima bei: „Mittlerweile fühlt sich<br />

keiner mehr bloß wie eine Nummer."<br />

<strong>Leiharbeit</strong> - die weiße Seite<br />

Auch die Geschäftsleitung hat gemerkt,<br />

dass nur zufriedene <strong>Leiharbeit</strong>er gute<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er sind.<br />

Nach den anfänglichen Konflikten hat sich auch das Verhältnis zur Geschäfts­<br />

leitung entspannt. „Die legen uns keine Steine mehr in den Weg", sagt<br />

Wohlfeld. Wahrscheinlich auch, weil sie gemerkt haben, dass nur zufriedene<br />

<strong>Leiharbeit</strong>er gute <strong>Leiharbeit</strong>er sind. Der Betriebsratsvorsitzende dazu:<br />

„Seit wir die neue Vergütung eingeführt haben, ist der Krankenstand gesun­<br />

ken und die Mitarbeiter sind bereit, auch Zusatzaufgaben zu übernehmen."


»N31I3S I3MZ<br />

1VH S311V"<br />

„Alles hat zwei Seiten" - so heißt es.<br />

Das trifft auf die <strong>Leiharbeit</strong> zu. Und auch auf<br />

dieses Buch. Es hat eine schwarze und eine<br />

weiße Seite.<br />

Über die schwarze Seite der <strong>Leiharbeit</strong> berichtet<br />

der andere Teil dieses Buches.<br />

Er handelt von Ungerechtigkeit, von Ausbeutung,<br />

von unfairer Behandlung. In diesem Teil kommen<br />

Menschen zu Wort, die viel in Kauf nehmen und viel<br />

erdulden müssen. Sie wollen nur ihren Lebens­<br />

unterhalt verdienen, sie wollen teilhaben an der<br />

Gesellschaft und am Arbeitsleben. Sie haben mit<br />

Unternehmen und Unternehmern zu tun, die aus<br />

ihrer Notlage Kapital schlagen.<br />

Der schwarze Teil handelt auch von Politikern<br />

und Verbandsvertretern, die diese Ungerechtigkeit<br />

erzeugt haben oder zumindest billigend in Kauf<br />

nehmen. Er handelt von Unternehmern, die Dum­<br />

pinglöhne bezahlen und <strong>Leiharbeit</strong>er behandeln wie<br />

Menschen zweiter Klasse.<br />

Die Berichte sollen zeigen: Es gibt viel zu tun.<br />

Die Namen einiger Betroffener in diesem Teil haben<br />

wir anonymisiert. Diese Menschen wollten ihre<br />

Geschichte erzählen. Aber sie wollen nicht, dass sie<br />

deswegen weitere Nachteile befürchten müssen.<br />

Die tatsächlichen Namen dieser Personen sind uns<br />

bekannt, die Fakten sind verbürgt.

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