Die Philippinen und ihre Agrarreform - keine Bewegung vor ... - Fian
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Dossier - FIAN-Deutschland<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong><br />
<strong>Agrarreform</strong> - <strong>keine</strong> <strong>Bewegung</strong> <strong>vor</strong><br />
dem offiziellen Ende?<br />
1
Impressum:<br />
Herausgeber:<br />
FIAN-Deutschland e.V.<br />
Düppelstraße 9 - 11<br />
50679 Köln<br />
fian@fian.de • www.fian.de<br />
Redaktion:<br />
Roman Herre, Olivier Hoffmann, Sarah Potthoff<br />
Fotos:<br />
© FIAN<br />
Gestaltung:<br />
Uschi Strauß<br />
Köln, August 2007<br />
2 Dossier - FIAN-Deutschland
Dossier - FIAN-Deutschland<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Vorwort........................................................................................................................... 4<br />
2. <strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> - ein Land mit vielen Gesichtern..................................................... 4<br />
3. Alles Kokosnuss?........................................................................................................... 6<br />
4. <strong>Die</strong> Hacienda Uy <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> Kokosbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen...................................... 7<br />
5. <strong>Die</strong> Umsetzung des <strong>Agrarreform</strong>programms CARP .................................................. 8<br />
6. Der legale Kampf um Land........................................................................................... 9<br />
7. Das fragliche Verhalten der deutschen EZ auf Bondoc .............................................12<br />
8. Des Menschen Recht auf Nahrung <strong>und</strong> die Arbeit von FIAN ...................................13<br />
9. <strong>Die</strong> Fallarbeit der Bielefelder FIAN-Gruppe ..............................................................14<br />
Anmerkungen ..................................................................................................................15<br />
3
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
1. Vorwort<br />
Im Jahre 1986 setzte sich der philippinische Diktator Ferdinand<br />
Marcos angesichts der Massendemonstrationen gegen<br />
seinen autoritären Regierungsstil nach Hawaii ab. Seitdem<br />
hat das Land einen Prozess der Demokratisierung durchgemacht.<br />
Doch die Schaffung demokratischer Institutionen<br />
<strong>und</strong> die formale Einführung politischer Freiheitsrechte<br />
haben die Lebensbedingungen vieler Menschen auf den <strong>Philippinen</strong><br />
nicht verbessert. Hunger <strong>und</strong> Armut beherrschen<br />
weiterhin den Alltag vieler der 87 Millionen Filipinos <strong>und</strong><br />
Filipinas. Knapp 80 Prozent der Bevölkerung, also über 65<br />
Millionen Menschen, leben von weniger als zwei US-Dollar<br />
am Tag. 30,4 Prozent leben mit weniger als einem US-Dollar<br />
pro Tag unterhalb der Armutsgrenze 1<br />
. Etwa 20 Prozent der<br />
Bevölkerung leidet an Hunger 2<br />
. <strong>Die</strong> Mehrheit der Armen (70<br />
Prozent) lebt in ländlichen Gebieten. Ursächlich hierfür ist<br />
die hohe Landkonzentration auf den <strong>Philippinen</strong>, die es<br />
einem großen Teil der ländlichen Bevölkerung nicht ermöglicht,<br />
sich ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen.<br />
<strong>Die</strong> Ineffizienz der demokratischen Institutionen auf dem<br />
Land, der fehlende politische Wille sowie Korruption <strong>und</strong><br />
Vetternwirtschaft verhindern eine Landreform zu Gunsten<br />
der Kleinbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen. Das Menschenrecht sich<br />
selbst zu ernähren wird auf den <strong>Philippinen</strong> dadurch täglich<br />
millionenfach gebrochen.<br />
Ein kurzer Überblick über die allgemeinen sozialen, wirtschaftlichen<br />
<strong>und</strong> politischen Verhältnisse auf den <strong>Philippinen</strong><br />
leitet dieses Dossier ein, um sich anschließend mit<br />
der Frage der Landverteilung <strong>und</strong> den Folgen für das Menschenrecht<br />
auf Nahrung zu beschäftigen. Das Fallbeispiel<br />
der Hacienda Uy, die südöstlich von Manila, in der Provinz<br />
Quezon, auf der Halbinsel Bondoc liegt, steht exemplarisch<br />
für die Verfehlungen <strong>und</strong> Unzulänglichkeiten bei der Implementierung<br />
des staatlichen <strong>Agrarreform</strong>programms CARP,<br />
welches 1988 mit dem Anspruch startete, die ländliche<br />
Armut durch Umverteilung landwirtschaftlich nutzbarer<br />
Flächen zu verringern.<br />
Seit 2005 begleitet die Bielefelder FIAN-Gruppe den Fall der<br />
Hacienda Uy <strong>und</strong> unterstützt die Bäuerinnen <strong>und</strong> Bauern in<br />
<strong>ihre</strong>m Kampf um Land, die sich auf der einen Seite staatlicher<br />
Untätigkeit <strong>und</strong> auf der anderen Seite den ständigen<br />
Bedrohungen <strong>und</strong> Verletzungen geltenden Rechts durch<br />
Großgr<strong>und</strong>besitzer <strong>und</strong> Guerillas ausgesetzt sehen.<br />
2. <strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> - ein Land<br />
mit vielen Gesichtern<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> bestehen aus 7.107 Inseln, die sowohl<br />
im Südchinesischem Meer als auch im Pazifik liegen. Der<br />
gesamte Archipel hat eine Fläche von 300.000 Quadratkilometern,<br />
auf dem etwa 85 Millionen EinwohnerInnen<br />
(2006) verteilt auf circa 800 bewohnten Inseln leben. <strong>Die</strong><br />
Landschaft <strong>und</strong> das Leben der Menschen sind von dem<br />
Zusammenspiel zwischen Wasser <strong>und</strong> Land geprägt. Kein<br />
Ort liegt weiter als 200 Kilometer vom Meer entfernt <strong>und</strong><br />
viele Menschen leben vom Fischfang. Der Archipel wird in<br />
drei große Inselgruppen unterteilt: Luzon im Norden, die<br />
zentral gelegenen Visayas <strong>und</strong> Mindanao im Süden. Lange<br />
weiße Sandstrände mit Palmen, saftig-grüne Reisterassen<br />
<strong>und</strong> viele Vulkane verzaubern die Landschaft <strong>und</strong> täuschen<br />
vielerorts über die schlechten Lebensbedingungen der BewohnerInnen<br />
hinweg.<br />
Der Archipel liegt in den niederen tropischen Breiten <strong>und</strong><br />
ist bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 26°C<br />
<strong>keine</strong>n großen jahreszeitlichen Schwankungen ausgesetzt.<br />
Das Land beherbergt eine vielfältige Flora <strong>und</strong> Fauna: Tausende<br />
Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten <strong>und</strong> unzählige verschiedene<br />
Insekten finden sich auf den <strong>Philippinen</strong>.<br />
Städtisches Leben<br />
<strong>Die</strong> Hauptstadt Manila mit <strong>ihre</strong>n 12 Millionen EinwohnerInnen<br />
liegt im Süden der Hauptinsel Luzon <strong>und</strong> wächst rasant.<br />
Heute leben schätzungsweise 62 Prozent der Filipinos <strong>und</strong><br />
Filipinas in Städten, Tendenz steigend. Viele Menschen sind<br />
in den letzten Jahren in der Hoffnung auf Arbeit <strong>und</strong> ein<br />
besseres Leben vom Land in die Städte migriert. Dabei handelt<br />
es sich um verarmte Kleinbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen, SaisonarbeiterInnen<br />
<strong>und</strong> FischerInnen, die auf dem Land <strong>ihre</strong><br />
Lebensgr<strong>und</strong>lagen verloren haben. Der Urbanisierungsgrad<br />
auf den <strong>Philippinen</strong> ist einer der höchsten in Asien.<br />
Manila ist geprägt durch extreme soziale <strong>und</strong> ökonomische<br />
Gegensätze. Auf der einen Seite Reichtum <strong>und</strong> Wohlstand<br />
durch einen boomenden oft international ausgerichteten<br />
Elektronik- <strong>und</strong> <strong>Die</strong>nstleistungsbereich, auf der anderen<br />
eine wachsende Zahl armer Menschen, die tagtäglich den<br />
Kampf ums Überleben antreten. <strong>Die</strong>se Gegensätze spiegeln<br />
sich auch im Stadtbild wieder: Parallel zu den schicken<br />
4 Dossier - FIAN-Deutschland
neuen Einkaufszentren wachsen die Slums. Nicht dass die<br />
<strong>Philippinen</strong> ein von Gr<strong>und</strong> auf armes Land wären, das Volkseinkommen<br />
ist nur extrem ungleich verteilt: <strong>Die</strong> Reichsten<br />
5 Prozent der Filipinos/as besitzen ein Drittel des Volkseinkommens,<br />
die Ärmsten 10 Prozent können lediglich 1,8<br />
Prozent für sich verbuchen.<br />
<strong>Die</strong> landwirtschaftliche Entwicklung<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> sind im Wesentlichen ein Agrarland. Mit 13<br />
Millionen Hektar werden mehr als ein Drittel der gesamten<br />
Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Etwa 40 Prozent<br />
der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft tätig <strong>und</strong> 62<br />
Prozent der Landbevölkerung von ihr abhängig. Trotzdem<br />
leidet die Landwirtschaft an <strong>ihre</strong>r geringen Produktivität<br />
<strong>und</strong> der allgemein schlechten Infrastruktur. Bemessen am<br />
BIP verliert der Sektor stetig an Bedeutung. <strong>Die</strong> Regierung<br />
versucht, dieser Entwicklung durch eine einseitige Förderung<br />
des Exportanbaus entgegenzuwirken. <strong>Die</strong>se Politik<br />
ist im Kontext der engen Ausrichtung der Regierung an den<br />
Strukturanpassungsmaßnahmen der Weltbank zu sehen. <strong>Die</strong><br />
Programme sehen <strong>vor</strong>, den Anbau von Exporterzeugnissen<br />
wie Bananen, Spargel oder Nutzholz, die sich für die großen<br />
Exporteure gewinnbringend auf dem Weltmarkt absetzen<br />
lassen, zu fördern 3<br />
. Dem gegenüber wird die Förderung<br />
traditioneller Nahrungsmittel, <strong>vor</strong> allem Reis <strong>und</strong> Mais, vernachlässigt,<br />
obwohl sie elementar für die Ernährungssituation<br />
der breiten Bevölkerung sind. <strong>Die</strong> Exportorientierung<br />
der Landwirtschaft hat zur Folge, dass sich die <strong>Philippinen</strong><br />
von einem Nettoexporteur zu einem Nettoimporteur von<br />
Lebensmitteln entwickelten. In den vergangen Jahren<br />
<strong>Die</strong> politischen, sozialen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Verhältnisse<br />
Dossier - FIAN-Deutschland<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
mussten große Mengen an Reis importiert werden, um die<br />
Ernährung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Das<br />
bedeutet einerseits, dass die Abhängigkeit der Bevölkerung<br />
vom Weltmarkt <strong>und</strong> dessen Preisen enorm steigt. Andererseits<br />
heißt dies, dass immer mehr Menschen <strong>ihre</strong> Nahrungsmittel<br />
einkaufen müssen - eine äußerst problematische<br />
Entwicklung bei der großen Zahl armer Menschen auf den<br />
<strong>Philippinen</strong>. 4<br />
Neben den allgemeinen Problemen hat diese Politik noch<br />
ganz konkrete Folgen für die Kleinbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen.<br />
Sie leben von der Subsistenzlandwirtschaft <strong>und</strong> dem Verkauf<br />
der Überschüsse auf den lokalen Märkten. Mit den billigen,<br />
häufig hochsubventionierten Reis- <strong>und</strong> Maisimporten<br />
können sie oft nicht konkurrieren <strong>und</strong> verlieren damit eine<br />
wichtige Einnahmequelle. Arbeitsplätze, die einen solchen<br />
Verlust auffangen <strong>und</strong> den Lebensunterhalt sicherstellen<br />
könnten, gibt es kaum.<br />
Landkonzentration als Hemmschuh<br />
der Hungerbekämpfung<br />
Ein weiterer entscheidender Gr<strong>und</strong> für die große Armut auf<br />
dem Land ist die extrem ungleiche Landverteilung. 1986<br />
verfügten zwei Prozent der Bevölkerung über 36 Prozent des<br />
Bodens. <strong>Die</strong> enorme Landkonzentration hat <strong>ihre</strong> Wurzeln in<br />
der Kolonialzeit <strong>und</strong> wurde während der Marcos-Diktatur<br />
weiter verschärft <strong>und</strong> verfestigt.<br />
<strong>Die</strong> Großgr<strong>und</strong>besitzer haben das Land oft seit Generationen<br />
an Kleinbauern -<strong>und</strong> bäuerinnen verpachtet <strong>und</strong> küm-<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> sind ein Präsidialsystem mit einem Zweikammer-Parlament, dem Repräsentantenhaus <strong>und</strong> dem Senat.<br />
<strong>Die</strong> Regierungsform beruht auf der Verfassung von 1987. Staatsoberhaupt ist seit dem 20. Januar 2001 Gloria Macapagal-<br />
Arroyo (2004 wiedergewählt). <strong>Die</strong> Landessprachen sind Filipino (Tagalog) <strong>und</strong> Englisch (allgemeine Verkehrssprache),<br />
ein wenig Spanisch <strong>und</strong> Chinesisch sowie zahlreiche weitere regionale Sprachen <strong>und</strong> Dialekte. Neben der sprachlichen<br />
gibt es eine große ethnische Vielfalt.<br />
Circa 82 Prozent der Bevölkerung sind katholische Christen, 9 Prozent evangelische Christen <strong>und</strong> 5 Prozent Muslime.<br />
Unter den restlichen 4 Prozent dominieren Buddhisten, Taoisten, Hinduisten <strong>und</strong> Anhänger animistischer Religionen.<br />
Wie viele andere Entwicklungsländer weist auch die philippinische Wirtschaft eine typische Zweiteilung auf. Auf der einen<br />
Seite wächst eine moderne Elektro-Industrie stetig <strong>und</strong> der <strong>Die</strong>nstleistungssektor boomt - letzterer erwirtschaftet allein<br />
50 Prozent des Bruttosozialprodukts. <strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> bemühen sich intensiv darum, zu einer Drehscheibe im IT-Geschäft<br />
in Asien zu werden. Neben der Montage elektronischer Bauteile spielt die Erbringung von IT-gestützten <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
(sogenannte business process outsourcing, call center) eine zunehmend wichtige Rolle. In den nächsten 5 Jahren wird mit<br />
einer Wachstumsrate von 25 bis 30 Prozent gerechnet.<br />
Auf der anderen Seite existiert ein Agrarsektor, der zwei Fünftel aller Arbeitsplätze stellt, 19 Prozent des Bruttosozialprodukts<br />
ausmacht <strong>und</strong> in weiten Teilen durch Subsistenzlandwirtschaft gekennzeichnet ist.<br />
Auf mittlere Sicht ist mit einem erheblichen Wachstum im Bergbau zu rechnen. <strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> verfügen über große<br />
Lagerstätten an Gold, Kupfer <strong>und</strong> Nickel.<br />
Ebenfalls im Aufwind befindet sich der Tourismus. <strong>Die</strong> Zahl der ins Land kommenden Touristen stieg im Jahr 2006 auf 2,8<br />
Millionen. Sollte dieser Trend gehalten werden, könnten 2010 schon 5 Millionen Touristen die <strong>Philippinen</strong> bereisen.<br />
Staatliche Unternehmen spielen <strong>vor</strong> allem im Energie- <strong>und</strong> Transportsektor eine Rolle. <strong>Die</strong> Steuerquote, also der Anteil<br />
der Steuern am BIP, ist mit 14 Prozent im Vergleich zu den Nachbarländern niedrig.<br />
5
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
mern sich um nichts weiter als das Eintreiben <strong>ihre</strong>r Pacht.<br />
<strong>Die</strong> PächterInnen müssen teilweise bis zu 75 Prozent <strong>ihre</strong>r<br />
Ernten an den Großgr<strong>und</strong>besitzer abgeben. 5<br />
Zusätzlich haben<br />
sie für alle weiteren Kosten aufzukommen <strong>und</strong> dürfen<br />
meist nicht selbst entscheiden, was sie auf dem gepachteten<br />
Land anbauen. Nur wenige der PächterInnen können<br />
von dem, was sie von <strong>ihre</strong>r Ernte behalten dürfen, <strong>ihre</strong><br />
Familien ausreichend ernähren. 6<br />
<strong>Die</strong> sozioökonomische Armut zeigt sich neben dem unzureichenden<br />
<strong>und</strong> fremdbestimmten Zugang zu Land aber<br />
auch in mangelnden Bildungsmöglichkeiten <strong>und</strong> fehlender<br />
sozialer Absicherung gegen Krankheiten, Arbeitslosigkeit,<br />
Alter <strong>und</strong> Naturkatastrophen. <strong>Die</strong> Möglichkeiten politischer<br />
Einflussnahme sind besonders in den von Landlords<br />
dominierten Enklaven praktisch nicht gegeben. <strong>Die</strong> Kleinbauern<br />
<strong>und</strong> -bäuerinnen haben somit nur sehr begrenzte<br />
Handlungsmöglichkeiten, um <strong>ihre</strong> eigene Lebenssituation<br />
zu verbessern.<br />
3. Alles Kokosnuss?<br />
Ein Produkt, dass für viele Filipinas/os von großer wirtschaftlicher<br />
Bedeutung ist, kennt man hier zulande nur als<br />
Duftstoff in Shampoos oder Duschgels - die Kokosnuss.<br />
Auf den <strong>Philippinen</strong> stehen r<strong>und</strong> 324 Millionen fruchttragende<br />
Kokosnusspalmen. Laut der Philippine Coconut<br />
Vom Taifun Durian zerstörte Kokospalmen<br />
Authority sind 3,1 Millionen Hektar der 12 Millionen Hektar<br />
landwirtschaftlich genutzter Fläche Kokosnussplantagen.<br />
Es gibt 3,5 Millionen Kokosnussbauern <strong>und</strong> 25 Millionen<br />
Filipinos/as sind direkt oder indirekt von der Kokosnussindustrie<br />
abhängig. Jedes Jahr trägt die Kokosnussindustrie<br />
durchschnittlich 1,14 Prozent zum Bruttosozialprodukt der<br />
<strong>Philippinen</strong> bei. Mit 14,6 Millionen Tonnen im Jahr sind die<br />
<strong>Philippinen</strong> der zweitgrößte Produzent von Kokosnussprodukten<br />
weltweit nach Indonesien. Der Großteil geht in den<br />
Export. 7<br />
<strong>Die</strong> Kokospalme ist für die Filipinos <strong>und</strong> Filipinas<br />
aber mehr als nur ein Exportschlager, er ist der Baum des<br />
Lebens, nicht zuletzt wegen seiner Vielseitigkeit. Im Westen<br />
kennt man <strong>vor</strong> allem Kokosnussprodukte wie das aus Kop-<br />
6 Dossier - FIAN-Deutschland<br />
ra 8<br />
gewonnene Kokosnussöl, Kokosnussmilch, Kokosnüsse<br />
zum Essen oder Seife- <strong>und</strong> Waschmittelprodukte. Doch die<br />
Kokosnuss <strong>und</strong> ihr Baum liefern den Filipinos <strong>und</strong> Filipinas<br />
noch eine Fülle anderer Produkte: Aus dem Wasser der Kokosnuss<br />
wird Kokosnusswein hergestellt, die Palmblätter<br />
werden für die Dächer der Hütten verwendet, der Stamm der<br />
Kokospalme wird als Nutzholz für den Bau der Hütten <strong>und</strong><br />
die Herstellung von Möbeln verwendet oder die Kokosnussschale<br />
zur Produktion von Kohle.<br />
Doch der Baum des Lebens ist alt geworden. <strong>Die</strong> Produktivität<br />
der überalterten Palmen nimmt ab, die Erträge sinken.<br />
<strong>Die</strong>se Tendenz wird durch die jüngsten Taifune noch<br />
verstärkt. Allein der Taifun Durian beschädigte Ende 2006<br />
ungefähr 43 Millionen Kokosnusspalmen so schwer, dass mit<br />
einer normalen Ernte erst wieder in zwei Jahren zu rechnen<br />
ist. 9<br />
Ein Bauer bei der Copraherstellung<br />
Betroffen davon sind alleine im Süden Luzons knapp<br />
200.000 Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen. Nichtsdestotrotz ist die<br />
Gesamtentwicklung zu einem guten Teil hausgemacht. Denn
Mittel für die Entwicklung der Kokosnussindustrie <strong>und</strong> die<br />
Verjüngung der Plantagen sind <strong>vor</strong>handen. Das bekannteste<br />
Beispiel dafür ist der Coco Levy F<strong>und</strong>, der 1973 vom damaligen<br />
Präsidenten Marcos initiiert <strong>und</strong> heute zwischen 100<br />
<strong>und</strong> 250 Milliarden Pesos (umgerechnet zwischen 1,5 <strong>und</strong><br />
4 Milliarden Euro) schwer ist. <strong>Die</strong>se Gelder wurden aber<br />
großteils zweckentfremdet oder direkt von Günstlingen der<br />
Marcos-Diktatur veruntreut. Bis heute wird zudem darum<br />
gestritten, ob der Fond privat oder staatlich ist. <strong>Die</strong>s ist<br />
nicht unerheblich für die Verwendung der Gelder. Würde<br />
er nachträglich als privat eingestuft, müssten die Gelder<br />
nicht zwangsläufig in die Entwicklung des Kokosnusssektors<br />
fließen <strong>und</strong> könnten so dem ursprünglichen Sinn des Fonds<br />
entfremdet werden. 10<br />
Zurzeit befassen sich die philippinischen<br />
Gerichte mit diesen Fragen. <strong>Die</strong> Gelder selbst bleiben<br />
solange eingefroren.<br />
<strong>Die</strong> Kleinbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen leiden am meisten unter<br />
diesem Entwicklungsstillstand. Staatliche Investitionen in<br />
die überalterten <strong>und</strong> teilweise zerstörten Plantagen sind<br />
dringend notwendig. Zudem könnten die Gelder aus einem<br />
staatlichen Fond auch zur Finanzierung noch ausstehender<br />
Reformmaßnahmen im Rahmen des CARP verwendet werden.<br />
4. <strong>Die</strong> Hacienda Uy <strong>und</strong> <strong>ihre</strong><br />
Kokosbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen<br />
Ungefähr zweih<strong>und</strong>ert Kilometer südlich von Manila in der<br />
Provinz Quezon liegt die Halbinsel Bondoc, eine der ärmsten<br />
Regionen der <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> ein Brennpunkt der Landkonflikte.<br />
<strong>Die</strong> meisten dortigen Gemeinden sind in niedrigsten<br />
Einkommensklasse eingestuft. So auch San Narciso, wo die<br />
Kokosbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen der Hacienda Uy ihr Zuhause<br />
haben.<br />
Wie auch in den anderen Gemeinden der Halbinsel Bondoc<br />
liegt die gleichnamige Hauptstadt von San Narciso am Meer.<br />
Wasserleitung aus Holz<br />
Dossier - FIAN-Deutschland<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
Eine Bäuerin der KBMP auf dem Weg zum Markt<br />
Hier gibt es einen Markt, eine Polizeistation <strong>und</strong> einen Bürgermeister,<br />
der normalerweise aus einer finanzkräftigen<br />
<strong>und</strong> politisch einflussreichen Großgr<strong>und</strong>besitzer-Familie<br />
stammt. In San Narciso nimmt zur Zeit Victor Reyes, der<br />
mächtigste Großgr<strong>und</strong>besitzer Bondocs, die Position des<br />
Bürgermeisters ein. Alleine in San Narciso besitzt er etwa<br />
14.000 Hektar Land, gefolgt von der Familie Uy mit etwa<br />
3.500 Hektar.<br />
<strong>Die</strong> meisten der fast 40.000 BewohnerInnen der Gemeinde<br />
San Narciso sind Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen, viele davon PächterInnen<br />
der Großgr<strong>und</strong>besitzer-Familie Uy. <strong>Die</strong> Familie Uy<br />
fordert von <strong>ihre</strong>n PächterInnen eine Ernteabgabe von 60<br />
Prozent, obwohl dieses feudale Abgabesystem<br />
(sog. sharecropping) auf den<br />
<strong>Philippinen</strong> verboten ist.<br />
Neben dem <strong>vor</strong>gegebenen Anbau von<br />
Kokosnüssen kultivieren die meisten<br />
Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen etwas Reis<br />
oder Mais. Soweit möglich halten sie<br />
Schweine, Hühner oder Wasserbüffel.<br />
Besonders stolz sind einige Bauern<br />
auf <strong>ihre</strong> Kampfhähne, die sie zumeist<br />
liebevoll pflegen.<br />
Der Großteil der Dörfer der Gemeinde<br />
liegt in den Bergen <strong>und</strong> ist lediglich<br />
über unwegsame Trampelpfade zu Fuß,<br />
mit dem Pferd oder dem Wasserbüffel<br />
zu erreichen. In der Regenzeit verwandeln<br />
sich die Wege in den Bergen<br />
in ein Schlammfeld <strong>und</strong> sind nahezu<br />
unpassierbar. <strong>Die</strong> wenigsten Dörfer<br />
sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
7
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
zu erreichen, kaum eines ist an das Stromnetz angeschlossen<br />
geschweigedenn an die öffentliche Wasserversorgung.<br />
<strong>Die</strong> Kinder müssen häufig eine St<strong>und</strong>e oder mehr bis zur<br />
nächsten Schule laufen. Nach der Gr<strong>und</strong>schule endet für<br />
sie die Schulzeit, da <strong>ihre</strong>n Familien die finanziellen Mittel<br />
für Schulgeld, -uniform, -materialien <strong>und</strong> Transport fehlen.<br />
Für eine ausreichende Ges<strong>und</strong>heitsversorgung reicht das<br />
Einkommen der Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen ebenfalls nur in<br />
den seltensten Fällen.<br />
Harte Zeiten<br />
Derzeit gestaltet sich die Ernährungssituation auf Bondoc<br />
Peninsula besonders schwierig. <strong>Die</strong> Supertaifune Milenyo<br />
<strong>und</strong> Durian haben im September <strong>und</strong> Dezember 2006 einen<br />
Eine vom Taifun zerstörte Hütte<br />
Großteil der Kokospalmen <strong>und</strong> Bananenstauden zerstört. Je<br />
nach Stärke der Schäden wird mit Ernteausfällen von bis zu<br />
zwei Jahren gerechnet. <strong>Die</strong>s bedeutet oft den kompletten<br />
Verlust der Einnahmequelle. Vielerorts sind zudem die Häuser<br />
beschädigt oder komplett zerstört, sodass viele Familien<br />
zurzeit unter freiem Himmel oder in provisorischen Lagern<br />
leben müssen. Aufgr<strong>und</strong> der hohen Ernteabgaben haben die<br />
Familien <strong>keine</strong> Möglichkeiten, Ersparnisse für Krisenzeiten<br />
zurückzulegen. Zwar gibt es offizielle Hilfen vom Staat, doch<br />
reichen diese bei weitem nicht aus, um die Familien zu ernähren.<br />
In einigen Gegenden reicht es nur noch für ein bis<br />
zwei Mahlzeiten am Tag.<br />
In dieser prekären Lebenssituation suchen die Betroffenen<br />
nach neuen Möglichkeiten, um ihr Überleben zu sichern. Einige<br />
ziehen in der Hoffnung, Arbeit zu finden, nach Manila,<br />
andere gehen fischen, produzieren Trockenfisch oder stellen<br />
Holzkohle her <strong>und</strong> verkaufen <strong>ihre</strong> Produkte auf den lokalen<br />
Märkten. <strong>Die</strong> Großgr<strong>und</strong>besitzer versuchen oft, die PächterInnen<br />
an <strong>ihre</strong>n neuen Geschäften zu hindern. Sie beanspruchen<br />
das Meer, den Strand <strong>und</strong> oder gar die von den<br />
Taifunen zerstörten Bäume als ihr Eigentum. Sie versuchen<br />
mit allen Mitteln das Abhängigkeitsverhältnis aufrechtzuerhalten,<br />
bildet dies doch die Gr<strong>und</strong>lage <strong>ihre</strong>s Wohlstands <strong>und</strong><br />
<strong>ihre</strong>r politischen Macht.<br />
Für bessere Lebensumstände <strong>und</strong> eine gesicherte <strong>und</strong> ausgewogene<br />
Ernährung ist eine Landumverteilung zwingend<br />
notwendig. Der Zugang zu eigenem Land <strong>und</strong> die Bereitstellung<br />
entsprechender Rahmenbedingungen sind notwendige<br />
Gr<strong>und</strong>lage zur Umsetzung <strong>und</strong> Gewährleistung des Rechts<br />
auf Nahrung.<br />
5. <strong>Die</strong> Umsetzung des<br />
<strong>Agrarreform</strong>programms CARP<br />
In der Geschichte der <strong>Philippinen</strong> gab es mehrere Ansätze,<br />
um durch Landreformen die extrem ungleiche <strong>und</strong> ungerechte<br />
Verteilung von Bodenbesitz zu beheben. Leider<br />
haben diese Ansätze <strong>keine</strong> gr<strong>und</strong>legende Veränderung der<br />
Situation gebracht. Oft fehlte der politische Wille des Staates,<br />
sich gegen die Großgr<strong>und</strong>besitzer durchzusetzen. <strong>Die</strong>s<br />
gilt besonders für die Halbinsel Bondoc.<br />
<strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>idee des CARP<br />
<strong>Die</strong> aktuell laufende <strong>Agrarreform</strong>, das Comprehensive Agrarian<br />
Reform Programme (CARP), ist 1998 nach dem Sturz der<br />
Marcos-Diktatur implementiert worden. Sie ist ein umfassender<br />
Ansatz, ländliche Armut zu bekämpfen, hatte aber<br />
auch zum Ziel, das große Protestpotential der verarmten<br />
Landbevölkerung zu entschärfen. Neben diesem staatlichen<br />
Ansatz kämpft die maoistische New People‘s Army (NPA),<br />
seit 1969 für eine radikale <strong>Agrarreform</strong> beziehungsweise<br />
Agrarrevolution. Unterstützung findet die NPA besonders<br />
bei der armen Landbevölkerung. Auch dadurch sah sich die<br />
Regierung gezwungen, eine <strong>Agrarreform</strong> umzusetzen.<br />
Das CARP selbst erfasst in einem ersten Schritt alles landwirtschaftlich<br />
nutzbare Land. Jedem Pächter <strong>und</strong> jeder<br />
Pächterin sowie jeder/m LandarbeiterIn stehen im Zuge<br />
dieses Programms drei Hektar Land <strong>und</strong> drei weitere pro<br />
Erbe zu. Neben der Landumverteilung sieht das umfassende<br />
(engl. comprehensive) Programm <strong>vor</strong>, die Begünstigten<br />
durch Infrastrukturmaßnahmen, Bildungsprogramme,<br />
Kleinkredite <strong>und</strong> die Schaffung verbesserter Absatzmöglichkeiten<br />
zu unterstützen.<br />
<strong>Die</strong> Kritik am Programm<br />
Trotzdem gab es <strong>vor</strong> allem aufgr<strong>und</strong> der angemessenen<br />
Entschädigungszahlungen an die Großgr<strong>und</strong>besitzer von<br />
Anfang an Kritik am CARP. <strong>Die</strong> Landreformbegünstigten<br />
müssen ihr erworbenes Stück Land nach <strong>und</strong> nach in Raten<br />
abzahlen. Zum einen widerspricht dies dem Gr<strong>und</strong>gedanken<br />
der Umverteilung <strong>und</strong> zum anderen sind die so genannten<br />
Entschädigungszahlungen meist viel zu hoch angesetzt.<br />
Außerdem erfolgt die Landvermessung <strong>und</strong> -verteilung erst<br />
nach einer Antragstellung <strong>und</strong> nicht allein aufgr<strong>und</strong> des<br />
Gesetzes. <strong>Die</strong> AntragstellerInnen wissen somit nicht, ob das<br />
beantragte Land überhaupt durch das Programm erfasst ist.<br />
<strong>Die</strong> Langwierigkeit der nötigen Schritte bilden eine zusätzliche<br />
große Hürde im Reformprozess. Auch bietet das Programm<br />
zu viele Möglichkeiten, aus dem Enteignungsprozess<br />
ausgenommen zu werden: Alles nicht ackerbaulich genutzte<br />
Land, das heißt Weideland, für Tourismus, Industrieanlagen<br />
<strong>und</strong> Freizeiteinrichtungen ausgeschriebener Boden wie<br />
auch die großen für den Weltmarkt produzierenden Frucht-<br />
8 Dossier - FIAN-Deutschland
plantagen sind ausgeschlossen. <strong>Die</strong>s führt beispielsweise<br />
dazu, dass einige Landlords während einer Vermessung ihr<br />
Vieh von Ackerland zu Ackerland treiben, um es als Weideland<br />
deklarieren zu lassen <strong>und</strong> damit aus der Landreform<br />
ausgeschlossen zu werden. 11<br />
Insgesamt wird kritisiert, das CARP ähnele eher einer Immobilienagentur<br />
als einer Landreform. Der Staat nehme<br />
lediglich eine vermittelnde Rolle zwischen ungleichen Partnern<br />
ein <strong>und</strong> wirke nicht als eine Instanz, welche die Rechte<br />
der BürgerInnen mit Staatsgewalt durchzusetzen versuche.<br />
Den unterschiedlichen Machtverhältnissen zwischen Großgr<strong>und</strong>besitzern<br />
<strong>und</strong> Antragstellern wird im Prozess <strong>keine</strong><br />
Rechnung getragen.<br />
Ein Antrag auf Land <strong>und</strong> seine Folgen<br />
<strong>Die</strong> Großgr<strong>und</strong>besitzer versuchen nicht nur, die Landreform<br />
zu umgehen, sondern richten <strong>ihre</strong>n Unmut auch direkt<br />
gegen die AntragstellerInnen. In vielen Fällen werden die<br />
PächterInnen, nachdem sie einen Antrag auf Land gestellt<br />
haben, von den bewaffneten Schlägertrupps der Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
vertrieben. Anschließend werden sie durch<br />
PächterInnen ersetzt, die <strong>keine</strong>n Anspruch auf eigenes Land<br />
anmelden. AntragstellerInnen oder PächterInnen, die sich<br />
gegen das illegale Abgabesystem wehren, werden von den<br />
Großgr<strong>und</strong>besitzern kurzerhand des <strong>Die</strong>bstahls bezichtigt,<br />
<strong>Die</strong> Landreform der New People‘s Army<br />
<strong>Die</strong> New People‘s Army (NPA) spricht der philippinischen<br />
Regierung die Legitimität ab <strong>und</strong> lehnt von daher jegliche<br />
staatliche Reform ab- so auch das <strong>Agrarreform</strong>programm<br />
CARP. Sie kritisiert die <strong>vor</strong>gesehene Entschädigung<br />
für Großgr<strong>und</strong>besitzer. Ihre zentrale Kritik richtet<br />
sich aber gegen die Annahme, das Programm könne<br />
etwas an den gr<strong>und</strong>legenden Strukturen <strong>und</strong> Machtverhältnissen<br />
im Lande ändern. Sie sehen das CARP<br />
lediglich als ein Alibiprogramm der Regierung, dass die<br />
arme Landbevölkerung beschwichtigen soll <strong>und</strong> so eine<br />
wirkliche Umverteilung von Land verhindert.<br />
<strong>Die</strong> NPA selbst kämpft für eine revolutionäre <strong>Agrarreform</strong>,<br />
in der Großgr<strong>und</strong>besitz gänzlich umverteilt werden<br />
soll. Sie finanzieren <strong>ihre</strong>n Kampf, indem sie in den<br />
von ihnen beeinflussten Gebieten eine so genannte Revolutionssteuer<br />
erheben. PächterInnen <strong>und</strong> LandarbeiterInnen,<br />
die auf der Gr<strong>und</strong>lage des CARP einen Antrag<br />
auf Land gestellt haben, werden immer wieder von der<br />
NPA eingeschüchtert <strong>und</strong> bedroht. Paradoxerweise kooperiert<br />
die NPA sogar mit einigen Großgr<strong>und</strong>besitzern -<br />
zwei Erzfeinde mit dem gemeinsamen Ziel das staatliche<br />
<strong>Agrarreform</strong>programm zu behindern. Es wird vermutet,<br />
dass die Großgr<strong>und</strong>besitzer eine Revolutionssteuer an<br />
die NPA zahlen. <strong>Die</strong> NPA versucht im Gegenzug dafür zu<br />
sorgen, dass die PächterInnen <strong>und</strong> LandarbeiterInnen<br />
<strong>keine</strong> Anträge auf Land stellen <strong>und</strong> die Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
<strong>ihre</strong> Haziendas behalten können. Dadurch hat<br />
die NPA unter <strong>ihre</strong>n AnhängerInnen an Glaubwürdigkeit<br />
verloren.<br />
Dossier - FIAN-Deutschland<br />
was häufig eine Inhaftierung zur Folge hat. Hohe Kautionen<br />
<strong>und</strong> Verdienstausfälle treffen die Familien hart. <strong>Die</strong>se Art<br />
der Kriminalisierung ist ein typisches <strong>und</strong> häufig angewendetes<br />
Mittel in Enklaven, in denen die politische Macht über<br />
Recht <strong>und</strong> Unrecht entscheidet.<br />
Fazit<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
Bisher wurde im Rahmen des CARP <strong>vor</strong> allem öffentliches<br />
<strong>und</strong> freiwillig verkauftes Land verteilt. <strong>Die</strong> wenigsten<br />
Großgr<strong>und</strong>besitzer wurden von der Regierung unter Druck<br />
gesetzt <strong>und</strong> das Instrument der Zwangsenteignung wurde<br />
nur in den seltensten Fällen angewendet. <strong>Die</strong>s geschah<br />
meist dann, wenn es sich um Haziendas politischer Gegner<br />
handelte.<br />
Angaben der philippinischen Regierung zufolge sind 6 der<br />
für das CARP <strong>vor</strong>gesehenen 10 Millionen Hektar an die BäuerInnen<br />
verteilt worden. 12<br />
Allerdings ist diese Aussage mit<br />
Vorsicht zu genießen. Dabei handelt es sich zum größten<br />
Teil um Staatsland 13<br />
, die mächtigen Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
blieben weitgehend verschont. Hinzu kommt, dass lediglich<br />
60 bis 70 Prozent der Begünstigten das ihnen zugesprochene<br />
Land tatsächlich kontrollieren. Sie erhalten statt<br />
eines Landtitels ein Anteil an einer Firma beziehungsweise<br />
den Unternehmeraktien <strong>und</strong> bleiben folglich in der Abhängigkeit<br />
des Großgr<strong>und</strong>besitzers, da dieser weiterhin<br />
entscheidet, was angebaut wird. In vielen Fällen wird den<br />
Begünstigten die notwendige <strong>und</strong> versprochene staatliche<br />
Unterstützung verweigert. So können sie <strong>vor</strong> allem in der<br />
Startphase wirtschaftlich kaum überleben. Viele mussten<br />
ihr gerade erworbenes Land wieder an den Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
zurückvermieten, um anschließend erneut als LandarbeiterIn<br />
für diesen zu arbeiten. Wieder andere sind im Bereich<br />
des Vertragsanbaus für den Weltmarkt gestrandet <strong>und</strong><br />
haben, obwohl sie die Landbesitzenden sind, de facto <strong>keine</strong><br />
Kontrolle über die Produktion. <strong>Die</strong> Entscheidungsmacht<br />
bleibt in den Händen von Konzernen oder den <strong>vor</strong>herigen<br />
Großgr<strong>und</strong>besitzern, welche außerdem alle Zulieferdienste<br />
wie Traktoren, Sprühflugzeuge, Verpackung usw. besitzen<br />
<strong>und</strong> die Kleinbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen mit Leichtigkeit in<br />
Abhängigkeit halten können.<br />
Inzwischen ist die Landverteilung fast vollständig zum Stillstand<br />
gekommen, <strong>und</strong> das CARP läuft Ende 2008 aus. Landwirtschaftlich<br />
nutzbares Land, das unter die Landreform<br />
fällt, bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht verteilt ist,<br />
wird nicht weiter verteilt. Zusätzlich ist die Fläche des einst<br />
als landwirtschaftlich nutzbar deklarierten Landes im Laufe<br />
der Jahre aufgr<strong>und</strong> massiver Nutzungsumwidmungen enorm<br />
reduziert worden. Das ursprüngliche Ziel vom CARP ist nicht<br />
erreicht worden <strong>und</strong> trägt in vielen Gebieten kaum zu einer<br />
gerechteren Entwicklung <strong>und</strong> der besonders im ländlichen<br />
Raum notwendigen politischen Demokratisierung bei.<br />
6. Der legale Kampf um Land<br />
<strong>Die</strong> eben aufgezeigten Probleme <strong>und</strong> Behinderungen legaler<br />
<strong>und</strong> angemessener Landreformen zeigen sich auch am bereits<br />
<strong>vor</strong>gestellten Fall der Familie Uy <strong>und</strong> deren Pächter in<br />
San Narciso. Den Großteil des Landes der Halbinsel Bondoc<br />
9
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
Marktgestützte Landreform<br />
<strong>Die</strong> Weltbank entwickelte Mitte der 1990er Jahre das Modell der marktgestützten Landreform.<br />
Mit diesem Ansatz spricht sie <strong>Agrarreform</strong>en zwar wieder eine zentrale Bedeutung bei<br />
der Armuts- <strong>und</strong> Hungerbekämpfung zu, auf den zweiten Blick beruht dieses Modell jedoch<br />
nicht auf der Logik traditionell umverteilender Landreformen. <strong>Die</strong>sem ‚neuen‘ Ansatz liegt<br />
die These zugr<strong>und</strong>e, dass eine erfolgreiche Landreform Anreize zu einer freiwilligen Beteiligung<br />
der Gr<strong>und</strong>besitzer schaffen müsse. Das marktgestützte Landreformmodell verzichtet<br />
auf das Kernelement klassischer <strong>Agrarreform</strong>en, die Möglichkeit der Enteignung von Gr<strong>und</strong>besitz.<br />
Es setzt einzig auf die Logik des freien Marktes. Der Landmarkt wird von allen Restriktionen<br />
befreit beziehungsweise liberalisiert <strong>und</strong> die Preise sind abhängig von Angebot<br />
<strong>und</strong> Nachfrage. Durch die sofortige Auszahlung des vollen Marktpreises an die Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
sollen Anreize für den Verkauf von Land geschaffen werden. Potentielle KäuferInnen<br />
erhalten einen Kredit <strong>und</strong> müssen ihn innerhalb einer bestimmten Frist vollständig <strong>und</strong><br />
verzinst zurückzahlen. Der Erfahrung nach beteiligen sich Großgr<strong>und</strong>besitzer jedoch kaum<br />
an dieser freiwilligen Landreform, da ihr Land <strong>vor</strong> allem wichtiges Statussymbol <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lage<br />
<strong>ihre</strong>r Macht ist. Zudem steigen die Landpreise durch die staatlichen Kredite oft stark<br />
an. <strong>Die</strong> ‚Begünstigten‘ sind durch die Verschuldung nicht in der Lage, notwendige Erstinvestitionen<br />
zu tätigen <strong>und</strong> viele verlieren ihr Land bereits nach kurzer Zeit wieder. Dadurch,<br />
dass die ländlichen Armen durch den Landkauf auf Kredit das Programm finanziell tragen<br />
sollen, wird die Gr<strong>und</strong>idee der Umverteilung von Land ad absurdum geführt. 14<br />
Auch die philippinische Regierung, bekannt für ihr Weltbank-konformes Handeln, setzt<br />
mehr <strong>und</strong> mehr auf dieses Prinzip des freiwilligen Verkaufs von Boden.<br />
teilen sich die drei Großgr<strong>und</strong>besitzer-Familien Uy, Reyes<br />
<strong>und</strong> Matias. 15<br />
<strong>Die</strong> Gr<strong>und</strong>lage für <strong>ihre</strong>n Großgr<strong>und</strong>besitz haben<br />
sich die Familien zur Zeiten der Marcos-Diktatur geschaffen.<br />
<strong>Die</strong> Familie Uy erwarb schon einiges Land in den 1960ern,<br />
<strong>vor</strong> allem aber die Zeit des Kriegsrechts von 1972 bis 1981<br />
nutzten die Familien zur massiven <strong>und</strong> illegalen Aneignung<br />
von Land. Als damaliger Bürgermeister der Gemeinde San<br />
Narciso nutzte Juanito Uy seine politische Macht, um seiner<br />
Familie öffentliches Land zu übertragen. Aufgr<strong>und</strong> des<br />
anhaltenden politischen Einflusses der Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
blieben <strong>ihre</strong> Ländereien bis heute weitestgehend von der<br />
staatlichen <strong>Agrarreform</strong> CARP verschont.<br />
Auch als 1990 das Bondoc Development Program (BDP),<br />
ein Entwicklungsprojekt der philippinischen Regierung mit<br />
Unterstützung der deutschen Entwickungszusammenarbeit<br />
(siehe Kap. 7) gestartet wurde, blieben die großen Landbesitztümer,<br />
wie jene der Familie Uy, nahezu unangetastet.<br />
Das änderte sich erst, als im Juli 1996 die Verantwortlichen<br />
des BDP die Nichtregierungsorganisation PEACE (Philippine<br />
Ecumenical Action for Community Empowerment)<br />
beauftragten, mögliche Antragsteller über <strong>ihre</strong> Rechte<br />
aufzuklären, zu organisieren <strong>und</strong> im <strong>Agrarreform</strong>prozess zu<br />
begleiten. Im folgenden Jahr gründete sich so die People‘s<br />
Organisation KMBP (Kilusang Magbubukid ng Bondoc Peninsula),<br />
eine Vereinigung aller lokalen Bauernorganisationen<br />
auf der Halbinsel Bondoc, die sich für eine Umverteilung im<br />
Sinne des staatlichen <strong>Agrarreform</strong>gesetzes einsetzt.<br />
Wer Recht will, lebt gefährlich<br />
Seit Mitte 1996 haben auch die PächterInnen der Uy-Ländereien<br />
Anträge auf Zuteilung von Land beim Department<br />
of Agrarian Reform (DAR), eingereicht. Allerdings ohne<br />
Erfolg - im Gegenteil: Kurz nachdem die ersten Landanträge<br />
eingingen, begannen von den Großgr<strong>und</strong>besitzern ange-<br />
heuerte Schlägertrupps mit der systematischen<br />
Bedrohung der AntragstellerInnen.<br />
<strong>Die</strong>se wurden zunächst<br />
verbal eingeschüchtert. Im weiteren<br />
Verlauf eskalierte die Gewalt dramatisch<br />
- von der Zerstörung von Eigentum<br />
über Vertreibung von <strong>ihre</strong>m Land<br />
bis hin zur Anwendung physischer<br />
Gewalt <strong>und</strong> Ermordung. In dem Dorf<br />
San Vincente, dass zur Gemeinde San<br />
Narciso gehört, wurden seit 1998 vier<br />
lokale Bauernführer der KMBP brutal<br />
umgebracht. Der größte Teil des dortigen<br />
Landes gehört der Familie Uy oder<br />
befindet sich unter <strong>ihre</strong>r Kontrolle. 16<br />
Neben den Bedrohungen durch die bewaffnete<br />
Privatarmee des Landbesitzers<br />
Uy spielt die NPA in dieser Region<br />
eine wichtige Rolle. Sie bedroht <strong>und</strong><br />
schikaniert die AntragstellerInnen<br />
<strong>und</strong> ist nachweislich für einen der vier<br />
Morde verantwortlich. Nur in einem<br />
Fall wurde der Täter festgenommen,<br />
kam aber nach kurzer Zeit für eine<br />
Kaution von umgerechnet 680 Euro<br />
wieder frei.<br />
In der Vergangenheit haben die in der KMBP organisierten<br />
Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen die Regierung mehrmals aufgefordert,<br />
sie <strong>vor</strong> der Bedrohung durch die bewaffneten Angestellten<br />
der Uy-Familie zu schützen. Es gab mehrere Treffen<br />
mit Vertretern des DAR <strong>und</strong> anderen Regierungsstellen wie<br />
dem Justizministerium, dem Department für soziale Gerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> Entwicklung oder dem Umweltministerium. <strong>Die</strong><br />
Das gelobte Land? Am Zaun der Uy-Ländereien<br />
10 Dossier - FIAN-Deutschland
Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen haben <strong>ihre</strong>n<br />
Anspruch auf Schutz <strong>vor</strong> Bedrohung,<br />
Besitz von Land <strong>und</strong> sofortige Erfassung<br />
<strong>ihre</strong>s Besitzes deutlich gemacht.<br />
Seitens der Regierung wurden bisher<br />
jedoch <strong>keine</strong> konkreten Maßnahmen<br />
ergriffen, diesen berechtigten Forderungen<br />
nachzukommen.<br />
<strong>Die</strong> Bilanz des BDP ist bezüglich der<br />
Umverteilung der Ländereien der Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
vernichtend. Bis heute,<br />
über zehn Jahre nach den ersten Anträgen,<br />
ist ein einziges Stück Land einem<br />
Antragsteller zugesprochen worden.<br />
Aktuelle Situation<br />
<strong>Die</strong> Nachfolger der ermordeten Bauernführer<br />
aus San Vicente werden bis heute von Uys Privatarmee<br />
<strong>und</strong> der NPA bedroht. Der Bruder eines Ermordeten konnte<br />
Ende 2003 nur knapp einem Angriff der NPA entkommen. Er<br />
ist floh daraufhin nach Manila <strong>und</strong> lebt dort seit Januar 2004<br />
mit seiner Familie im Büro von PEACE. Ein anderer lokaler<br />
Bauernführer hat im letzten Jahr eine Anzeige gegen zwölf<br />
Personen, die ihm mit Mord drohten, erstattet. Es handelt<br />
Interview mit dem Landantragsteller Cipriano Janson<br />
Dossier - FIAN-Deutschland<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
Eine BäuerInnenversammlung der KMBP<br />
sich dabei um die bewaffneten Angestellten von Uy. Sie befinden sich<br />
seit November letzten Jahres in Untersuchungshaft. <strong>Die</strong> Anhörung des<br />
Falls wurde inzwischen zum dritten Mal verschoben, da der Antragsteller<br />
<strong>keine</strong>n Anwalt hatte. Bei der vierten Anhörung im März 2007 wurde<br />
er durch einen von PEACE organisierten Anwalt vertreten. Im Juli folgt<br />
eine weitere Sitzung, in der neue Zeugen gehört werden sollen.<br />
Cipriano Janson, 40 Jahre alt, verheiratet <strong>und</strong> Vater von 10 Kindern, ist Bauer <strong>und</strong> lebt vom Kokosnuss-, Reis- <strong>und</strong> Maisanbau. Außerdem<br />
ist er Mitglied der Bauernbewegung auf Bondoc <strong>und</strong> Vizepräsident der lokalen Untergruppe des Dorfes Centro in der Gemeinde San<br />
Narciso.<br />
Interviewer: Wann haben Sie Ihren Landantrag gestellt?<br />
Cipriano: Im Jahr 2003.<br />
Interviewer: Was passierte nachdem Sie Ihren Antrag gestellt haben?<br />
Cipriano: Seit ich den Antrag gestellt habe, bedrohen mich bewaffnete Angestellte des Großgr<strong>und</strong>besitzers. Seit drei Jahren traue<br />
ich mich nicht mehr ins Nachbardorf, weil mir von einem der Angestellten mit Mord gedroht wurde, nachdem ich mit dem Boykott des<br />
Abgabesystems an den Landbesitzer begonnen habe. Mit dem Boykott habe ich nach der Landantragstellung angefangen. Ich gebe<br />
<strong>keine</strong>n Teil meiner Ernte an den Landbesitzer <strong>und</strong> seine Angestellten, weil ich glaube, dass das Land mir gehört.<br />
Interviewer: Gab es auf Ihre Landantragstellung eine Reaktion von der NPA (New People‘s Army)?<br />
Cipriano: Seit Beginn der Anträge, sagt die NPA zu den Leuten „Wieso stellt ihr Anträge? Der Landbesitzer ist doch fair. Hört auf<br />
Anträge zu stellen!“ Als ich noch jünger war, war ich selbst bei der NPA. Als jedoch nichts passierte, bin ich wieder ausgeschieden.<br />
Interviewer: Wie verhält sich die Großgr<strong>und</strong>besitzerfamilie Uy gegenüber Ihnen, seit Sie den Antrag auf Land gestellt haben?<br />
Cipriano: Wir mussten Anträge stellen, damit solche Sachen wie mit den Zäunen nicht passieren. Manchmal kommt das Vieh von Uys<br />
Land durch den Zaun <strong>und</strong> frisst unsere Ernte. Als ich den Manager von Uy fragte, ob sie den Zaun nicht reparieren könnten, meinte<br />
er: „Wenn du nicht akzeptieren kannst, wie diese Dinge funktionieren, dann verschwinde besser von hier!“ Von den 40 Prozent der<br />
Ernte, die mir <strong>und</strong> meiner Familie bleiben, kann ich mir fast nichts leisten. Zusätzlich bekommen wir das Geld dafür immer erst sehr<br />
spät. July zum Beispiel (ein anderer Bauer) hat seinen Anteil immer noch nicht bekommen, nach einem Jahr. Im Augenblick ist unser<br />
Status wie der von Arbeitern; wir können erst dann Bauern genannt werden, wenn wir unser eigenes Land haben. Ich hoffe, die Leute<br />
von der Regierung werden uns dabei helfen.<br />
Interviewer: Wie hat sich Ihr Antrag entwickelt?<br />
Cipriano: Es gibt einen Einspruch von Uy. Er behauptet die 395 Hektar, für die wir Anträge gestellt haben, seien Weideland (Weideland<br />
ist vom <strong>Agrarreform</strong>gesetz ausgenommen). Wir wissen, es ist kein Weideland. Es gibt aber noch <strong>keine</strong> Resultate vom DAR. Es<br />
wird nicht möglich sein, den Fall <strong>vor</strong> 2008 abzuschließen. Nur wenn das CARP für zehn Jahre verlängert wird, kann unser Fall gelöst<br />
werden.<br />
Interviewer: Was machen Sie, wenn das CARP nicht verlängert wird?<br />
Cipriano: Falls das CARP nicht hilft, bewaffnen wir uns <strong>und</strong> kämpfen für unser Land!<br />
Das Interview führte Olivier Hoffmann im Januar 2007. Im Februar 2007 hat der Oberste Gerichtshof zugunsten der Landbesitzerfamilie<br />
Uy entschieden. <strong>Die</strong> 395 Hektar Land sind als Vieh- <strong>und</strong> Weideland klassifiziert worden <strong>und</strong> damit vom CARP ausgeschlossen.<br />
11
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
<strong>Die</strong> Kriminalisierung des Landkampfes auf Bondoc Peninsula<br />
Gegen viele der Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen Bondocs wurde seit <strong>ihre</strong>m Antrag auf Land Anzeige von einem der Großgr<strong>und</strong>besitzer erstattet.<br />
Aktuell (März 2007) handelt es sich um 69 Haftbefehle von insgesamt 259 Fällen gegen 274 PächterInnen. 17<br />
In fast allen Fällen lautet die Anklage Kokosnussdiebstahl, Betreten von Privateigentum oder mutwillige Sachbeschädigung. <strong>Die</strong><br />
Landlords kennen die schwierige ökonomische Situation <strong>ihre</strong>r PächterInnen <strong>und</strong> versuchen, diese zu <strong>ihre</strong>n eigenen Gunsten auszunutzen.<br />
Allein schon durch die Anzeige verschlechtert sich die Lebenssituation der Angeklagten ernorm. <strong>Die</strong> Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen<br />
müssen zu Gerichtsterminen erscheinen <strong>und</strong> jedes Mal eine mehrstündige, für sie schwer oder gar nicht zu zahlende Busfahrt auf sich<br />
nehmen. Anhörungen werden oft willkürlich verschoben. Für die Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen bedeutet dies, einem weiteren Gerichtstermin<br />
beiwohnen zu müssen, da bei Nichterscheinen die sofortige Festnahme droht. Zusätzlich zum finanziellen <strong>und</strong> zeitlichen Aufwand<br />
werden sie in <strong>ihre</strong>r <strong>Bewegung</strong>sfreiheit eingeschränkt. <strong>Die</strong> angeklagten AntragstellerInnen können jederzeit durch die Polizei<br />
in Gewahrsam genommen werden.<br />
In einigen Fällen erfahren die Angeklagten lediglich durch die bewaffneten Angestellten des Großgr<strong>und</strong>besitzers von <strong>ihre</strong>n Anzeigen.<br />
Sie selbst haben nie ein Schreiben von einer staatlichen Stelle bekommen. Nach dem gleichen Muster verlaufen die Festnahmen.<br />
Sie werden häufig nicht von der philippinischen Polizei, sondern von den bewaffneten Angestellten der Großgr<strong>und</strong>besitzer<br />
durchgeführt.<br />
<strong>Die</strong> anhängenden Verfahren werden wenn möglich als Kriminaldelikte eingestuft; so verbleiben die Fälle bei der Gerichtsbarkeit<br />
<strong>vor</strong> Ort. Würden sie als Konflikte im Rahmen der <strong>Agrarreform</strong> eingestuft, müssten sie <strong>vor</strong> dem jeweiligen Provinzgericht verhandelt<br />
werden, das oft nicht mehr in der direkten Einflusssphäre der Landlords liegt.<br />
<strong>Die</strong> drei großen Landbesitzerfamilien auf Bondoc kriminalisieren <strong>ihre</strong> PächterInnen durch willkürliche Anzeigen <strong>und</strong> versuchen, sie<br />
damit davon abzubringen, sich für ihr Recht auf Land einzusetzen. <strong>Die</strong> traditionellen Seilschaften der Großgr<strong>und</strong>besitzer zu Polizei<br />
<strong>und</strong> Justiz kommen ihnen dabei zu Gute.<br />
<strong>Die</strong> Großgr<strong>und</strong>besitzerfamilie Uy hat in letzter Zeit mehrfach<br />
versucht, ihr Land von der <strong>Agrarreform</strong> auszuschließen,<br />
indem sie es als Weideland klassifizieren lassen wollte.<br />
Das letzte Urteil in dieser Frage ist im Februar 2007 vom<br />
Obersten Gerichtshof zugunsten der Familie Uy ausgefallen.<br />
<strong>Die</strong> Anträge der PächterInnen auf die Umverteilung von 350<br />
Hektar des Uy-Landes sind damit abgewiesen, das Land<br />
ist vom CARP ausgenommen, <strong>und</strong> für die PächterInnen ist<br />
der legale Weg, Land zu bekommen, ausgeschöpft. Für die<br />
AntragstellerInnen auf 133 bzw. 456 Hektar des von der Familie<br />
Uy beanspruchten aber nicht nachweislich genutzten<br />
Landes, steht die Frage der Landklassifizierung weiterhin<br />
aus.<br />
7. Das fragliche Verhalten der<br />
deutschen EZ auf Bondoc<br />
Aller Anfang ist schwer<br />
<strong>Die</strong> deutsche Entwicklungszusammenarbeit, genauer die<br />
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), hat sich<br />
seit 1990 im Rahmen des Bondoc Development Programme<br />
(BDP) auf der Halbinsel engagiert. Zu Beginn konzentrierte<br />
sich das BDP auf den Ausbau der Infrastruktur, <strong>vor</strong> allem<br />
den Straßenbau. Für diese eindimensionale Konzeption von<br />
ländlicher Entwicklung wurde das Programm anfangs stark<br />
kritisiert. Im Zentrum der Kritik stand zudem der Vorwurf,<br />
das Infrastrukturprogramm diene in erster Linie der Aufstandsbekämpfung<br />
gegen die Rebellen.<br />
Mitte der 90er Jahre wurde ein Programmschwerpunkt zur<br />
Stärkung der lokalen sozialen Strukturen integriert. Durch<br />
das Community Organising (CO) wurden die Gemeinden über<br />
<strong>ihre</strong> Rechte im Rahmen des CARP aufgeklärt <strong>und</strong> bei den oft<br />
langwierigen Rechtsprozessen unterstützt. Zudem führte<br />
das Engagement der GTZ auf Bondoc dazu, dass die <strong>Agrarreform</strong>behörde<br />
sich ‚auf die Finger geschaut‘ fühlte, was den<br />
Entscheidungsprozess in vielen Fällen beschleunigte.<br />
Im CO arbeitete die GTZ eng mit der philippinischen NRO<br />
PEACE Fo<strong>und</strong>ation zusammen <strong>und</strong> übertrug ihr einen Großteil<br />
der Aufgaben. Ein zentraler Gedanke des CO ist es, nachhaltige<br />
soziale Strukturen zu schaffen, die auch nach Ablauf<br />
des Programms fortbestehen.<br />
Umorientierung zeigt Wirkung...<br />
<strong>Die</strong>ser Teil des BDP zeigte sich als sehr erfolgreich, auch weil<br />
die AntragstellerInnen durch die internationale Präsenz<br />
einen gewissen Schutz <strong>vor</strong> der Willkür der Landlords - sei<br />
es durch die Beeinflussung der lokalen Gerichtsbarkeit oder<br />
durch direkte Gewaltausübung - genossen. <strong>Die</strong>se Situation<br />
ermutigte viele Pächter, überhaupt erst einen Antrag auf<br />
Land zu stellen. 18<br />
Zudem konnten sich durch die deutsche<br />
Präsenz Organisationsstrukturen entwickeln, die unter anderen<br />
Umständen im Keim erstickt worden wären. Es schien,<br />
als ob die quasi-feudalen Machtstrukturen zu bröckeln<br />
begannen.<br />
...<strong>und</strong> das Ende des Fortschritts<br />
Im Jahr 2003 wurde das viel versprechende <strong>und</strong> auf vielen<br />
Ebenen erfolgreiche Projekt gestoppt. Folge des Rückzugs<br />
war eine Welle der Gewalt <strong>und</strong> Kriminalisierung gegen die<br />
AntragstellerInnen <strong>und</strong> BauernführerInnen. Detailliert<br />
12 Dossier - FIAN-Deutschland
dokumentiert wurde diese Entwicklung 2006 durch eine<br />
von FIAN durchgeführte Untersuchungsmission <strong>und</strong> die<br />
Berichte der MenschenrechtsbeobachterInnen von IPON 19<br />
:<br />
Seit 2003 wurden vier Bauernführer ermordet <strong>und</strong> Anfang<br />
2007 dokumentierten die BeobachterInnen die grausame<br />
Verstümmelung eines Antragstellers. 20<br />
Begründet wurde der Rückzug zum einen mit dem Überschreiten<br />
der Förderhöchstdauer für Projekte. Zum anderen<br />
argumentiert das BMZ, dass die Gemeinden durch das CO so<br />
gestärkt wären, dass sie sich gegen die Willkür der Landlords<br />
<strong>und</strong> der NPA ausreichend zur Wehr setzen können. Auch das<br />
übliche follow-up für ein solches Projekt wurde nicht durchgeführt,<br />
obwohl ein von FIAN <strong>und</strong> PEACE <strong>vor</strong>geschlagenes,<br />
dringend notwendiges Rechtsbeistandsprogramm <strong>keine</strong>r<br />
großen Ressourcen bedarf. Der Verweis auf die philippinische<br />
Regierung, die kein Interesse an einer Fortführung<br />
habe, ist unbefriedigend. Denn letztendlich bestimmt die<br />
deutsche Politik die Schwerpunkte <strong>ihre</strong>r Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Durch hartnäckiges Drängen von PEACE <strong>und</strong> FIAN unternahm<br />
die GTZ 2005 dann doch noch eine Untersuchungsmission,<br />
um den Vorwürfen der Gewalteskalation <strong>und</strong> zunehmender<br />
Menschenrechtsverletzungen seit dem Ende des Projekts<br />
nachzugehen. Jedoch wurden weder die Betroffenen <strong>vor</strong><br />
Ort <strong>und</strong> die PEACE Fo<strong>und</strong>ation - die zentralen Akteure - noch<br />
FIAN an der Untersuchungsmission beteiligt. Vor diesem<br />
Hintergr<strong>und</strong> ist das Ergebnis der Untersuchungsmission<br />
zu sehen, das zu dem Schluss kommt, <strong>keine</strong>n Anstieg der<br />
Gewalt beobachten zu können <strong>und</strong> somit auch <strong>keine</strong>rlei<br />
Handlungsbedarf zu sehen.<br />
In einem Brief an das BMZ schildert die PEACE Fo<strong>und</strong>ation<br />
die Entwicklung völlig anders: „<strong>Die</strong> deutsche Regierung<br />
kam nach Bondoc, stocherte in einem Hornissennest herum<br />
<strong>und</strong> als die Hornissen zum Angriff ansetzten machten<br />
sie sich auf <strong>und</strong> davon. Sie ließen die bei weitem Verw<strong>und</strong>barsten<br />
alleine. Dabei muss betont werden, dass die ‚Hornissenstiche‘,<br />
von denen hier gesprochen wird, Mord, versuchten<br />
Mord, Vertreibung <strong>und</strong> Zerstörung privaten Eigentums<br />
einschließen.“ 21<br />
Schwerwiegende Vorwürfe an die deutsche<br />
EZ.<br />
Auch <strong>vor</strong> dem Abzug der GTZ gab es Gewalt auf Bondoc, aber<br />
sie war nicht so flächendeckend <strong>und</strong> massiv. <strong>Die</strong> aktuellen<br />
Geschehnisse tragen dazu bei, dass die aufgebauten sozialen<br />
Strukturen <strong>und</strong> die Organisationen der Kleinbauern<br />
wieder geschwächt <strong>und</strong> möglicherweise zerschlagen werden.<br />
Das kann nicht im Sinne der deutschen Entwicklungszusammenarbeit<br />
sein, die Nachhaltigkeit als Leitmotiv <strong>ihre</strong>s<br />
Handelns <strong>vor</strong>gibt.<br />
8. Des Menschen Recht auf<br />
Nahrung <strong>und</strong> die Arbeit von FIAN<br />
Etwa 80 Prozent der Hungernden weltweit leben auf dem<br />
Land. Ein Hauptgr<strong>und</strong> für die ländliche Armut ist die hohe<br />
Landkonzentration in den Händen weniger Großgr<strong>und</strong>besitzer.<br />
In vielen Ländern kommt somit der Frage der<br />
Dossier - FIAN-Deutschland<br />
Porträt: Danilo „Danny“ Carranza<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
Seit Februar 1994 arbeitet Danilo Carranza,<br />
genannt Danny, bei der PEACE Fo<strong>und</strong>ation (Philippine<br />
Ecumenical Action for Community Empowerment),<br />
einem philippinischen Netzwerk, das<br />
sich aus autonomen Institutionen <strong>und</strong> Organisationen<br />
zusammensetzt, die das gemeinsame<br />
Ziel eint, <strong>Agrarreform</strong>en durchzusetzen <strong>und</strong><br />
die ländliche Entwicklung <strong>und</strong> den Demokratisierungsprozess<br />
<strong>vor</strong>anzutreiben. Danny ist 39<br />
Jahre alt, verheiratet <strong>und</strong> hat drei Kinder. Seine Arbeit bei PEACE<br />
ist die Analyse von Umsetzung, Veränderungen <strong>und</strong> Auswirkungen<br />
des staatlichen <strong>Agrarreform</strong>gesetzes CARP, von dem er sagt, es<br />
sei das „Produkt seiner Zeit, (...) als die Eliten Kompromisse eingehen<br />
mussten, um eine scheinbare Umwandlung von autoritärer<br />
Herrschaft zu einem demokratischeren System zu vollziehen. Weil<br />
es aber das Produkt eines Kongresses ist, der von Landbesitzern<br />
dominiert wurde, hat das Gesetz lauter Hintertürchen, die sie (die<br />
Landbesitzer) benutzen können um der Landreform zu entgehen<br />
oder sie zu verlangsamen.“<br />
Gefragt, was es braucht um die <strong>Agrarreform</strong> <strong>vor</strong>anzutreiben, meint<br />
Danny zum einen politischer Wille, wobei man der Tatsache ins Auge<br />
sehen müsse, dass die höchsten politischen Kreise selbst Landbesitzer<br />
oder von Landbesitzern beeinflusste oder bestochene Personen<br />
sind, die wenig bis kein Interesse an einer Umverteilung haben.<br />
Zum anderen müsse das <strong>Agrarreform</strong>gesetz reformiert werden. Das<br />
(einzig) Gute an der derzeitigen <strong>Agrarreform</strong> sei, dass es einem erlaube,<br />
die Politik wegen der Nicht-Umverteilung des Landes in die<br />
Verantwortung zu nehmen, wofür es <strong>vor</strong> der Verabschiedung des<br />
CARP <strong>keine</strong> gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage gab.<br />
Zu dem Fall Uy hat Danny eine besondere Verbindung, war er doch<br />
einer der ersten so genannten Community Organizer, die auf der<br />
Bondoc Halbinsel die Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen organisierten. „Vor<br />
unserem Eintritt in das Gebiet (1996), waren die PächterInnen des<br />
Landbesitzers Uy noch nicht organisiert <strong>und</strong> wussten nicht, dass das<br />
<strong>vor</strong>herrschende Abgabesystem (60 Prozent für den Landbesitzer, 40<br />
Prozent für die PächterInnen) seit 1988 illegal war.“<br />
Wie aber löst man das Problem der Landumverteilung? Auch darauf<br />
hat Danny eine Antwort: „<strong>Die</strong> PächterInnen müssen in der Lage<br />
sein, an dem Prozess teilzunehmen um den Ausgang der <strong>Agrarreform</strong><br />
mit zu beeinflussen. Ihr eigenes Engagement ist gefragt. (...)<br />
Das garantiert natürlich nicht, dass die Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen ihr<br />
Land bekommen werden. Es verbessert lediglich <strong>ihre</strong> Chancen zur<br />
Teilnahme an den Mechanismen, von denen sie aus ökonomischen<br />
oder politischen Gründen traditionell ausgeschlossen waren.“<br />
Landverteilung bei der Armuts- <strong>und</strong> Hungerbekämpfung<br />
eine zentrale Bedeutung zu. Nicht nur auf den <strong>Philippinen</strong><br />
sehen sich Kleinbauern <strong>und</strong> -bäuerinnen, Landlose <strong>und</strong><br />
PächterInnen in <strong>ihre</strong>m lokalen Umfeld Großgr<strong>und</strong>besitzern<br />
gegenüber, die die politische <strong>und</strong> ökonomische Macht bei<br />
sich bündeln. <strong>Die</strong> Durchsetzung <strong>ihre</strong>r Rechte ist für die Betroffenen<br />
langwierig <strong>und</strong> geht oft einher mit der Bedrohung<br />
<strong>ihre</strong>s Lebens <strong>und</strong> dem <strong>ihre</strong>r Familien. Für eine effektive<br />
Durchsetzung <strong>ihre</strong>r Rechte ist es deswegen äußerst wichtig,<br />
den Prozess aus der lokalen Isolation zu befreien. FIAN leis-<br />
13
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
tet einen Beitrag dazu, indem es einen öffentlichen Raum<br />
für die Forderungen der Menschen schafft.<br />
1999 haben FIAN <strong>und</strong> die internationale Kleinbauernbewegung<br />
La Via Campesina gemeinsam die weltweite<br />
<strong>Agrarreform</strong>kampagne Brot, Land <strong>und</strong> Freiheit gestartet.<br />
In diesem Rahmen unterstützen sie Kleinbauern<br />
<strong>und</strong> -bäuerinnen <strong>und</strong> Landlosen bei <strong>ihre</strong>m rechtmäßigen<br />
Kampf um Land. Ziel der Kampagne ist es, umverteilende<br />
<strong>Agrarreform</strong>en wieder als ein zentrales Mittel zur Bekämpfung<br />
von Hunger <strong>und</strong> Armut auf die Agenda staatlicher<br />
Politik <strong>und</strong> internationaler entwicklungspolitischer<br />
Akteure zu bringen.<br />
Im Rahmen internationaler Verpflichtungen haben die<br />
<strong>Philippinen</strong> das Menschenrecht auf Nahrung im Rahmen<br />
des UN-Pakts für wirtschaftliche, soziale <strong>und</strong> kulturelle<br />
Menschenrechte anerkannt. Der Pakt weist <strong>Agrarreform</strong>en<br />
eine zentrale Bedeutung bei der Umsetzung des<br />
Rechts auf Nahrung zu. Im ländlichen Raum ist der Zugang<br />
zu Land <strong>und</strong> den notwendigen Produktionsmitteln<br />
für die Mehrheit der Bevölkerung Voraussetzung für die<br />
Umsetzung des Rechts sich zu ernähren.<br />
<strong>Die</strong> von FIAN <strong>und</strong> La Via Campesina organisierten Untersuchungsmissionen<br />
auf den <strong>Philippinen</strong> erwiesen sich<br />
als sehr öffentlichkeitswirksam <strong>und</strong> boten den philippinischen<br />
Bauernbewegungen in <strong>ihre</strong>m Kampf um Land<br />
eine wichtige Unterstützung. Dabei wurden konkrete<br />
Fakten gesammelt <strong>und</strong> dokumentiert wie auch Kontakte<br />
zu den Betroffenen <strong>und</strong> <strong>ihre</strong>n Organisationen aufgebaut.<br />
Gegenseitiger Austausch <strong>und</strong> direkter Kontakt zwischen den<br />
Betroffenen <strong>und</strong> FIAN ist Voraussetzung <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lage für<br />
eine erfolgreiche <strong>und</strong> dauerhafte Zusammenarbeit.<br />
9. <strong>Die</strong> Fallarbeit der<br />
Bielefelder FIAN-Gruppe<br />
<strong>Die</strong> Bielefelder FIAN-Gruppe begleitet den Fall Uy inzwischen<br />
seit anderthalb Jahren. Nachdem im Frühjahr 2004 Belinda<br />
Formanes von PARRDS (Partnership on Agrarian Reform and<br />
Rural Development Services) <strong>und</strong> Rebecca Ruga, Mitglied der<br />
lokalen Bauernorganisation KMBP (Kilusang Magbubukid ng<br />
Bondoc Peninsula), im Rahmen einer von FIAN organisierten<br />
R<strong>und</strong>reise zu einer Abendveranstaltung in Bielefeld zu Gast<br />
waren, hat sich die Bielefelder Gruppe dazu entschlossen,<br />
den Fall Uy zu übernehmen.<br />
Zunächst bedeutete das für die Gruppe, sich allgemein<br />
über die <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> insbesondere über das <strong>Agrarreform</strong>programm<br />
CARP <strong>und</strong> den Landkonflikt zu informieren.<br />
Anschließend wurde ein regelmäßiger E-Mail-Kontakt<br />
zu Belinda Formanes <strong>und</strong> Danny Carranza von der PEACE<br />
Fo<strong>und</strong>ation aufgebaut, um die aktuellen Entwicklungen des<br />
Landkonfliktes verfolgen zu können. In Absprache mit den<br />
Leuten <strong>vor</strong> Ort <strong>und</strong> dem internationalen Sekretariat von<br />
FIAN wurde im April 2006 eine FIAN-Eilaktion erarbeitet<br />
<strong>und</strong> durchgeführt. Mitglieder <strong>und</strong> UnterstützerInnen aus<br />
aller Welt forderten die Verantwortlichen im Fall Uy per<br />
Brief <strong>und</strong> Fax auf, das <strong>Agrarreform</strong>programm CARP im Sinne<br />
Passieren verboten - das Abschneiden des Wegs zum Markt als Repression<br />
der PächterInnen <strong>vor</strong>anzutreiben <strong>und</strong> für die Sicherheit der<br />
AntragstellerInnen zu sorgen.<br />
Zum Internationalen Tag der Landlosen (17. April) organisierte<br />
die Bielefelder Gruppe 2006 gemeinsam mit dem<br />
deutschen FIAN-Büro <strong>und</strong> der Gruppe Bondoc Solidarity<br />
aus Hamburg eine Protestaktion <strong>vor</strong> der philippinischen<br />
Botschaft in Berlin. Der Dokumentarfilm Bodenbesitzen.<br />
Stimmen von Philippinischen Kokosbauern der FilmemacherInnen<br />
Janina Dannenberg <strong>und</strong> Johannes Richter wurde an<br />
die Fassade der Botschaft projiziert <strong>und</strong> PassantInnen wurden<br />
aufgefordert, an der Eilaktion teilzunehmen.<br />
Der Kontakt <strong>und</strong> die Zusammenarbeit zwischen der FIAN-<br />
Gruppe Bielefeld <strong>und</strong> der Gruppe Bondoc Solidarity hat bis<br />
heute Bestand. Ein Mitglied der Bielefelder Gruppe hat<br />
an dem von Bondoc Solidarity in Zusammenarbeit mit den<br />
Bauern <strong>und</strong> Bäuerinnen von KMBP <strong>vor</strong>bereiteten Menschenrechtsbeobachtungsprojekts<br />
auf Bondoc teilgenommen.<br />
<strong>Die</strong> Bielefelder FIAN-Gruppe plant weitere Aktionen <strong>und</strong><br />
Informationsveranstaltungen um möglichst viele Menschen<br />
für das Thema Menschenrechte <strong>und</strong> die Situation auf Bondoc<br />
zu sensibilisieren, denn Öffentlichkeit schaffen ist eine<br />
wichtige Komponente der Menschenrechtsarbeit.<br />
14 Dossier - FIAN-Deutschland
Anmerkungen<br />
1 Niklas Reese, Rainer Werning (Hg.), Handbuch <strong>Philippinen</strong><br />
2006; National Economic Development Authority<br />
(NEDA) 2004, Second Philippines Progress Report on the<br />
Millenium Development Goals<br />
2 FAOSTAT 2007: http://faostat.fao.org<br />
3 Sogenannte low volume, high value Produkte. Laut FA-<br />
OSTAT stieg die bspw. Anbaufläche von Bananen von 1998<br />
bis 2005 um knapp 30 Prozent, die von Spargel von 1993 bis<br />
2001<br />
4 Vgl. Niklas Reese, Rainer Werning (Hg.), Handbuch <strong>Philippinen</strong><br />
2006<br />
5 Den kläglichen Rest der Ernte müssen sie oft unter<br />
Marktpreis an den Landlords verkaufen, da dieser in vielen<br />
abgeschiedenen Regionen auch die Märkte dominiert.<br />
6 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die Entwicklung des Anteils<br />
der PachtbäuerInnen von 48 Prozent (1977) auf 52 Prozent<br />
(2004) sehr negativ zu bewerten.<br />
7 FAOSTAT 2007: http://faostat.fao.org<br />
8 So wir das getrocknete Kokosnussfleisch genannt.<br />
9 <strong>Die</strong> alten Palmen sind zudem besonders anfällig für Naturkatastrophen.<br />
10 Zudem wäre ein privater Fonds von einer Prüfung durch<br />
den Rechnungshof ausgenommen.<br />
11 <strong>Die</strong> Antragsteller nennen dieses allen bekannte System<br />
den Viehkreisel, mit dem mit einer handvoll Kühen eine ganze<br />
Hacienda aus dem <strong>Agrarreform</strong>prozess rausfällt.<br />
12 Vgl. Armin Paasch in: Neues Deutschland 18.April 2006<br />
Dossier - FIAN-Deutschland<br />
13 In vielen Fällen wurde das Staatsland schon <strong>vor</strong>her<br />
gemeinschaftlich genutzt <strong>und</strong> ist somit kein Indiz für eine<br />
verbesserte Lebenssituation der Begünstigten.<br />
14 Weiterführende Literatur: FIAN 2006 Zugang zu Land<br />
- Zwischen Markt <strong>und</strong> Menschenrechten; FIAN Fact-Sheet: <strong>Die</strong><br />
Landpolitik der Weltbank<br />
15 <strong>Die</strong> Familie Uy besitzen etwa 3.500 Hektar, die Familie<br />
Reyes 14.000 Hektar <strong>und</strong> die Familie Matias knapp 3.000<br />
Hektar.<br />
16 Auch das meiste Gemeindeland dort ist unter Kontrolle<br />
der Familie. Selbst einen Antrag auf dieses Gemeindeland<br />
sehen sie als einen Angriff auf <strong>ihre</strong> Hoheitsrechte an.<br />
17 QUARDDS, lokale NRO<br />
<strong>Die</strong> <strong>Philippinen</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>Agrarreform</strong><br />
18 1996/97 gab es so die ersten Anträge auf auf Landübertragung<br />
auf den Territorien der Großgr<strong>und</strong>besitzer.<br />
19 Das International Peace Observers Network IPON sendet<br />
MenschenrechtsbeobachterInnen auf die Halbinsel um<br />
durch <strong>ihre</strong> Anwesenheit <strong>und</strong> eine sie unterstützende internationale<br />
Öffentlichkeit dazu beitragen, dass es nicht zu<br />
neuen Menschenrechtsverletzungen kommt.<br />
20 Dem Bauern wurde eine Hand abgehackt <strong>und</strong> das Gesicht<br />
verstümmelt. Vgl. IPON 2nd Human Rights Report 2007;<br />
Weitere Informationen bei IPON (www.ipon-philippines.org)<br />
Das Projekt ist Ende Oktober 2006 angelaufen <strong>und</strong> soll bis<br />
mindestens 2008, zum <strong>vor</strong>läufigen Ende des CARP, durchgeführt<br />
werden.<br />
21 Brief der PEACE Fo<strong>und</strong>ation als Reaktion auf die Ergebnisse<br />
der Untersuchungsmission der GTZ, Januar 2006<br />
15