<strong>Zeit</strong>zeuge Zaha Hadid 12 Momentum 3· 2007
Fast grenzenlos vielseitig – Zaha Hadid entwirft Feuerwehrhäuser, Museen, Bahnhöfe, Bibliotheken, Bühnenbilder – oder auch mal eine Ski-Sprungschanze Arbeit, Ausbildung, Unterhaltung und Wohnen in Einklang bringen, statt sie zu trennen. Wie werden Umwelt- und Klimaschutz sich auf ehrgeizige Architekturprojekte auswirken, auch auf Ihre? Die Materialwahl ist nicht das einzige Kriterium für die Dauer - haftigkeit eines Bauwerks. Seine Nutzungsqualität und seine Organisation sind weitere wichtige Faktoren. Viele Architekten nutzen hochentwickelte Belüftungs- und Raumgestaltungs me tho - den, um die ökologische Bilanz eines Bauwerkes zu verbessern – während mein Anliegen in der Anpassung neuer Materialien und Fertigungsmethoden besteht, die mit einem ganz neuen Paradigma der Raumgestaltung und -schaffung in Relation stehen. Was war Ihrer Meinung nach die aufregendste Phase der Architektur? Vor 90 Jahren zündete die Oktoberrevolution den stärksten Schub kreativer Energie, der jemals auf der Erde ausgebrochen ist. Dieses traumhafte Feuerwerk kreativen Überschwangs begann unter härtesten materiellen Umständen – angefeuert vom idealis - tischen Enthusiasmus eines Projekts für eine neue Gesellschaft. Leonidovs Projekt für das Lenin-Institut 1927 war seiner <strong>Zeit</strong> 50 Jahre voraus, und sein Wettbewerbsbeitrag für das sowjetische Industrieministerium 1934 – eine Komposition verschiedener Türme auf einem städtischen Podium – bleibt eine Inspiration für großstädtische Architektur von heute. Was war das schwierigste Projekt in der Architektur, auch für Sie? Das phaeno Wissenschaftszentrum in Wolfsburg ist womöglich der ehrgeizigste und vollständigste Ausdruck unserer Suche nach komplexen dynamischen und fließenden Räumen. Dieses Projekt kombiniert formale und geometrische Komplexität mit struktureller Kühnheit und materieller Ursprünglichkeit. Wir haben viel <strong>Zeit</strong> und Energie darauf verwendet, dieses Resultat zu erzielen. Wen bewundern Sie in der Architektur? Le Corbusier hat einen so starken Einfluss auf Südamerika – diese Art von Übergangslosigkeit und das Schiefe. Für mich ist Brasilia außerordentlich. Lucio Costa, der die Stadt entworfen hat, ist hier eine bahnbrechende Gestalt. Lina Bo Bardi schuf in São Paulo ein traumhaftes Museum, das Museu de Arte, und das Kultur zen trum – SESC Pompeia – mit rohem Beton, mit diesen Aus spa rungen: ziemlich erstaunlich. Wen bewundern Sie sonst noch? Mir gefallen die Entwürfe von Issey Miyake. Ich mochte seine „Pleats“ am liebsten, die knitterfreien, federleichten Kleidungs - stücke – sie sind so vielseitig. Man kann mit ihnen fast überall hinreisen. <strong>Der</strong> Panton-Stuhl ist ein Designklassiker (siehe Foto linke Seite), der so frisch und originell aussieht wie schon 1968. Es war zu seiner <strong>Zeit</strong> eine fabelhafte Konstruktion – der erste Ein-Stückein-Material-Stuhl. <strong>Der</strong> Stuhl gehört zu meinen persönlichen Favoriten, wir haben mehrere im Büro. ✺ Zaha Hadid Vita Zaha Hadid wurde am 31. Oktober 1950 in Bagdad geboren. Heute ist sie britische Staatsbürgerin. Bis 1971 Studium der Mathematik in Beirut, danach Architektur in London. Zu ihren Lehrern gehörte Rem Koolhaas, in dessen Büro sie zunächst arbeitete und dessen Partnerin sie 1977 wurde. Seit 1979 ist sie selbstständig. Hadids dekonstrukti - vistische Entwürfe galten lange als Architektur, die Aufsehen erregte und Preise gewann, aber nicht gebaut werden konnte. Es dauerte bis 1993, ehe einer ihrer Entwürfe realisiert wurde – das Feuerwehrhaus des vitra-Werks im deutschen Weil am Rhein. Seitdem entwirft sie vor allem öffentliche Gebäude, wie etwa Museen, Bibliotheken oder Bahnhöfe, aber auch Außergewöhnliches wie die Bergisel-Sprung - schanze in Innsbruck oder das Bühnenbild für eine Tournee der Pet Shop Boys. Hadid gewann zahlreiche Preise, darunter 2005 den Deutschen Architekturpreis für das Zentralgebäude des BMW-Werkes in Leipzig. 2004 erhielt sie als erste und bisher einzige Frau den Pritzker-Preis – den „Architekten-Nobelpreis“. Seit Ende der Achtzigerjahre lehrt Hadid als Professorin an renommierten Universi - täten wie Harvard, Hamburg, New York, Yale, Wien. Aktuelle Projekte: Ideal House in Köln, Schwimmsporthalle für die Olympiade 2012 in London, die Universitätsbibliothek in Sevilla. Bis zum 27. November 2007 werden ihre Arbeiten im Londoner Designmuseum gezeigt. www.zaha-hadid.com Momentum 3· 2007 13