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Hakoah Wien - Oper Graz

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Michael: Mit denen wachsen wir auch noch auf. Ich könnte dazu etwas sagen, aber sprich erst einmal<br />

zu Ende<br />

Ilan: Wir hatten das Gefühl, die gesamte jüdische Nation zu verändern, indem wir unseren Charakter<br />

veränderten. Wir waren nicht die mit der Kippa und der traditionellen Kleidung. Wir bewiesen, dass<br />

wir Berufe ausüben können, die nirgendwo in der Geschichte der Juden in der Diaspora möglich<br />

waren, zum Beispiel Ackerbau treiben und ein eigenes Militär aufbauen, das uns beschützt. Die<br />

Generation meines Großvaters, die die Erfahrung der Schutzlosigkeit gemacht hatte – beispielsweise<br />

bei Ausschreitungen an ihren Universitäten, wo keiner ihr Leben beschützt hätte – wollte das<br />

Stereotyp des Juden, der immer nur davonläuft und nie kämpft, verändern. Das alles gegen den<br />

Willen ihrer Elterngeneration.<br />

Yael: War Großvater nie enttäuscht über die Entwicklungen in seinem Land, das sich ja weit von<br />

seiner Vision entfernt hat?<br />

Ilan: Wenn, dann war er von sich selbst enttäuscht. Dass der Traum nicht funktioniert hat. Der Traum<br />

des Kibbuz war doch, die alten Familienstrukturen aufzulösen und eine neue Art von Familie zu<br />

schaffen – und damit neue Menschen. Ein Kollektiv, in dem alle neue Berufe lernen, in der Natur<br />

leben, wo alle das Gleiche verdienen, die gleiche Erziehung erhalten. Ideologische Konflikte gab es<br />

über die Art und Weise, dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Heute gehören die Kibuzzim, wie man<br />

weiß, zu den größten kapitalistischen Organisationen in Israel.<br />

Yael: Aber an Auswanderung hat er nie gedacht?<br />

Ilan: Zurückgehen? Niemals. Er pflegte seine Beziehung zu Österreich, fuhr jedes Jahr hierher in ein<br />

Berghotel, in Altaussee, glaube ich. Das hat er sehr genossen. Als er älter wurde, hat er immer Fotos<br />

gezeigt und lange Vorträge darüber gehalten. Das war für ihn die Reise zurück in seine<br />

Vergangenheit. Sehr berührend.<br />

Michael: Hat er irgendwann daran gezweifelt, ob seine Entscheidung, die ganze Familie nach Israel zu<br />

bringen, richtig war?<br />

Ilan: Ganz entschieden: Nein. Er war stolz darauf. Er gehörte zu der kleinen visionären Gruppe der<br />

Zionisten. Lasst mich euch daran erinnern, dass die meisten Juden wegen des Holocaust nach Israel<br />

kamen. Denkt an die Millionen Emigranten aus Russland.<br />

Michael: Warum hat er nie seine österreichische Staatsbürgerschaft erneuert, damit ich einen Pass<br />

bekomme?<br />

Ilan: Wenn der Enkel den österreichischen Pass zurück haben will, dann bedeutet das für den<br />

Großvater, dass er versagt hat. Er hat deine Gründe durchaus verstanden, dass du nämlich nicht<br />

darauf aus bist, deine Identität zu verleugnen. Aber trotzdem: wenn der Pass neben praktischen<br />

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