Die Gewalt des Ähnlichen : Concettismus in Piranesis Carceri - KOPS
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<strong>Die</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>des</strong> <strong>Ähnlichen</strong> 75 r<br />
arum concursus ist sie zugleich Bild für die <strong>in</strong>nere Logik '<strong>des</strong> Ceschehens. Ob<br />
man von "paradoxen Gleichungen" (Norbert Altenhofer), von der "Festlegung<br />
der narrativen Achse auf die grundlegende Entgegensetzung von Glück und Unglück"<br />
(Karlhe<strong>in</strong>z Stierle), ob man von Mythen-ähnlichen "Umkehrungen"<br />
spricht (Rene Girard) oder ob man chiastische Supplementarität bloßlegt (Werner<br />
Hamacher)26, immer werden narrative Strukturen der Gegenläufigkeit festgestellt<br />
und ihre oxymorale Verknüpfung als "Stabilisierung <strong>des</strong> Stürzenden", als<br />
"zufällige Wölbung" verbildlicht.<br />
Standhalten und Nieders<strong>in</strong>ken ist e<strong>in</strong> den g3nzen Text durchziehen<strong>des</strong> Gegensatzmotiv.<br />
Der allgeme<strong>in</strong>e Zusammenbruch ist der Zusammenbruch <strong>des</strong> Allgeme<strong>in</strong>en<br />
- <strong>des</strong> Gefängnisses, der Stadt, der bürgerlichen Ordnung, <strong>des</strong> Bewußtse<strong>in</strong>s<br />
und se<strong>in</strong>er Intention -, der dem Ich Existenz schenkt. Im Zusammenschlag der<br />
beiden Wandmauern, [...] wird das s<strong>in</strong>nfällig. 27<br />
So <strong>in</strong> Helmut J. Schneiders der "sozialgeschichtlichen Werk<strong>in</strong>terpretation" zugeschlagenen<br />
Deutung, folgendermaßen <strong>in</strong> Werner Hamachers "grammatologischer"<br />
Lektüre:<br />
Nicht alle<strong>in</strong> die Architektur der Kleistschen Erzählung, auch ihr Verfahren im<br />
Umgang mit Regelbegriffen folgt dem Schema der stürzenden und im Sturz sich<br />
aufhaltenden Ste<strong>in</strong>e. Darstellung ist - suspendierter - Sturz. 28<br />
<strong>Die</strong> "zufällige Wölbung" verbildlicht nicht nur den allgeme<strong>in</strong>en Bauplan <strong>des</strong> erzählten<br />
Geschehens. Vielmehr bedeutet umgekehrt das Erzählte auf all se<strong>in</strong>en<br />
Ebenen die Entfaltung <strong>des</strong> concettistischen acumens auf der Zeitachse. Rhetorisches<br />
Dispositiv dieser narrativen Expansion der "zufälligen Wölbung" ist das<br />
Erhabene.<br />
IV.<br />
<strong>Concettismus</strong> und Erhabenes liegen von jeher nahe beie<strong>in</strong>ander. Schon die Leitmetaphern<br />
s<strong>in</strong>d eng verwandt, hypsous (Long<strong>in</strong>), die "Höhe" oder "Spitze" ist<br />
mit dem concettistischen acumen fast synonym. 29 Gleich s<strong>in</strong>d auch die officia <strong>des</strong><br />
Erhabenen und der concettistischen Ähnlichkeitsoperationen, sie erzeugen admiratio<br />
und delectatio, "maraviglia" und "diletto". Staunen und Verwunderung<br />
können Steigerungen der delectatio se<strong>in</strong>, umgekehrt kann die delectatio auch<br />
durch Bewunderung gesteigert werden.<br />
26VgJ. ebd.<br />
27 Helmut J. Schneider: Der Zusammensturz <strong>des</strong> Allgeme<strong>in</strong>en. In: Wellbery: Positionen<br />
der Literaturwissenschaft (Anm. 25) S. 110-129, S. 124.<br />
28 Werner Hamacher: Das Beben der Darstellung. Ebd., S. 156.<br />
29 Vgl. dazu Susi Kotz<strong>in</strong>ger: Der Diskurs <strong>des</strong> Erhabenen bei Gogol und die longische Tradition<br />
(unveröff. MS).