gratis! - Gemeinde Fehraltorf
gratis! - Gemeinde Fehraltorf
gratis! - Gemeinde Fehraltorf
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
n AUSSTeLLUnG<br />
Ausstellung zu «Waisenkinder – Verdingkinder»<br />
von Walter emmisberger<br />
im Sekundarschulhaus<br />
(Oktober 2011)<br />
js – Einem unerfreulichen, ja in weiten<br />
teilen beschämenden Kapitel unserer<br />
neueren Geschichte war die Ausstellung<br />
im obersten Stock des Sekundarschulhauses<br />
gewidmet. Herr Emmisberger<br />
selber kennt diese einschneidenden Erfahrungen<br />
aus seiner eigenen lebensgeschichte.<br />
An der Einführung am Dienstag,<br />
25. Oktober 2011, sprach der<br />
Historiker thomas Huonker zum historischen<br />
und gesellschaftspolitischen Hintergrund.<br />
Er beschäftigt sich seit langem<br />
mit der Aufarbeitung, man kann sogar<br />
behaupten, Aufdeckung dieser Missstände,<br />
die noch bis in die 80er-Jahre<br />
andauerten.<br />
Von schweren, körperlichen Züchtigungen<br />
mit beliebigen Gegenständen, von<br />
Abduschen mit kaltem Wasser, von Unters-Wasser-Drücken<br />
bis hin zu Zwangssterilisationen<br />
ist die Rede. Fotos, wie<br />
ein Schweizer Heimleiter 16 Kinder vor<br />
eine Walze setzt, entbehren nicht nur jeder<br />
Heiterkeit, sondern sind Zeitzeugen<br />
einer abscheulichen Haltung gegenüber<br />
«minderwertigem leben». Dass solche<br />
Missstände nicht früher aufgedeckt wurden,<br />
ist wohl damit zu erklären, dass sich<br />
die Kontrolle der Heime aufs Finanzielle<br />
beschränkte. Erst 1970 kritisierte man<br />
lautstark die Zustände in Heimen, insbesondere<br />
die Anwendung der Prügelstrafe.<br />
Wer wurde denn zum Verdingkind?<br />
Kinder von alleinerziehenden und ledigen<br />
Müttern, Kinder von Jenischen, von<br />
Fremdarbeiterinnen und sogenannt<br />
Schwererziehbare. Behörden und Heime<br />
arbeiteten oft eng zusammen. Der<br />
Spruch «Wenn du nicht spurst, kommst<br />
du ins Heim» wurde nur allzu schnell und<br />
allzu oft Realität. Zitat aus einem Bericht:<br />
«Viele Verdingkinder mussten im Heu<br />
oder auf Stroh schlafen, und zwar zu jeder<br />
Jahreszeit. In einer Winternacht war<br />
es einem Verdingbub so kalt, dass er<br />
zum Hund in die Hundehütte schlafen<br />
ging.»<br />
Die Betroffenen tragen und trugen oft<br />
ein leben lang an den Nachwirkungen<br />
und traumata einer total unglücklichen<br />
Jugendzeit. Viele brauchten Jahre zur<br />
Verarbeitung, ohne dass die prägenden<br />
Erlebnisse einfach vergessen werden<br />
konnten. Immer mehr treten jetzt an die<br />
öffentlichkeit und rütteln ihre Mitmenschen<br />
auf.<br />
Für den Rest meines Lebens<br />
All diese Zeit<br />
Für mich nicht vergebens<br />
Machte mich wachsam<br />
Hat mich gestählt<br />
Was aber wichtig und steht:<br />
Ich hab’s überlebt.<br />
Einen aktuellen Bezug bringt der Anfang<br />
November 2011 in den Kinos anlaufende<br />
Film «Der Verdingbub» vom bekannten<br />
Schweizer Regisseur Markus Imboden,<br />
der die vielen grässlichen Ereignisse von<br />
tausenden von Betroffenen konzentriert<br />
auf ein Schicksal zeigt. Herzlichen Dank<br />
an Walter Emmisberger für das Zur-Verfügung-Stellen<br />
der Ausstellung und an<br />
Herrn thomas Huonker für seine kompetente,<br />
fundierte Einführung.<br />
SchulE<br />
Sekundarschüler setzten<br />
sich mit dem Thema<br />
auseinander<br />
Anlässlich der Ausstellung vom 24. bis<br />
29. Oktober 2011 über Waisen- und Verdingkinder<br />
im Sekundarschulhaus habe<br />
ich mich dazu entschlossen, dieses grauenvolle<br />
und beschämende Kapitel der<br />
Schweizer Geschichte im Wahlfachkurs<br />
«Allgemeinbildung» zu thematisieren.<br />
Wie bei vielen Erwachsenen ist dieses<br />
thema auch bei den Jugendlichen vielfach<br />
unbekannt – obwohl zeitlich gesehen<br />
die eigenen Eltern und vor allem<br />
Grosseltern Betroffene hätten sein können.<br />
Als Einstieg habe ich deshalb eine<br />
Dokumentation von Peter Neumann gewählt,<br />
die im Jahre 2003 veröffentlicht<br />
wurde. Unter den drei darin interviewten<br />
ehemaligen Verdingkindern war auch<br />
der Schweizer Autor Arthur Honegger.<br />
Dieser hat sein Schicksal als Verdingbub<br />
bereits 1974 im Buch «Die Fertigmacher»<br />
dargelegt. Mit leitfragen zum Film<br />
ergab sich in der Klasse ein spannendes<br />
Gespräch, und die Schülerinnen und<br />
Schüler bekamen einen (ersten) Eindruck<br />
davon, was Verdingkinder teilweise erlebten.<br />
Mit diesem Vorwissen gingen wir<br />
in den obersten Stock zur Ausstellung.<br />
Diese umfasste sehr viel text, weshalb<br />
die Schülerinnen und Schüler von mir<br />
den Auftrag bekamen, sich zuerst einen<br />
Überblick zu verschaffen und dann einen<br />
text in Partnerarbeit genauer zu lesen<br />
und darüber zu diskutieren. Anschliessend<br />
stellte jede Zweiergruppe ihren<br />
text der Klasse vor, woraus wieder interessante<br />
Diskussionen im Klassengespräch<br />
entstanden.<br />
Zum Schluss machte ich die Jugendlichen<br />
darauf aufmerksam, dass in der<br />
Schweiz keine Kinder mehr arbeiten<br />
müssen, im Ausland hingegen ist Kinderarbeit<br />
immer noch sehr verbreitet. Man<br />
denke nur an die Fussball nähenden Kinder<br />
in Pakistan ...<br />
Hanna Aukia, Sekundarlehrerin<br />
11