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zurückwirkt, entscheidet darüber; was uns die abgeklärteste, vergeistigteste Gottesvorstellung zu sein scheint, kann sich zu<br />
Zeiten als religiös völlig unfruchtbar erweisen, oder kann, – wie dies z. B. der islamitische Monotheismus unter den<br />
polytheistischen arabischen Stämmen gethan hat, – geradezu die Innigkeit der Religion schädigen. Ebenso kann unter<br />
bestimmten Umständen die grobsinnlichste Gottes Vorstellung eine Fülle religiösen Lebens in einem Volk zeitigen.<br />
So entzieht sich das religiöse Phänomen der Möglichkeit seiner wissenschaftlichen Durchdringung desto mehr, je mehr es zur<br />
Reife kommt, d. h. je mehr es sich conzentrirt und seelisch vertieft, denn es verliert damit zugleich seine gröbern, historisch<br />
fixirbaren Aeusserungsformen, seine allgemeinen und gleichmässig geltenden Normen, – es wird heimlicher, individueller, und<br />
schliesslich nur noch erfassbar in der feinen psychologischen Monographie oder dem persönlichen Erleben. In Bezug auf die<br />
Seelenprobleme der Religion gilt eben das, was von so manchem Gebiete der Wissenschaft gilt, dass in dem Maasse, als ihre<br />
Erkenntnissmethoden immer strengere und reinere geworden sind, sie ihre Beute gerade in dem Augenblick loslassen muss,<br />
wo diese anfängt am interessantesten, am problematischesten zu werden.<br />
Nun kann es sich aber ereignen, dass das, was ein religiöses Genie ganz heimlich und individuell in seinem Innern erlebt, durch<br />
ein besonders glückliches Zusammentreffen von Zeiten, Umständen und historischen Zufälligkeiten, ausnahmsweise einmal in<br />
seinen Gottesvorstellungen völlig nach aussen gelangt, – sich den absolut adäquaten Ausdruck in Worten und Bildern schafft,<br />
so dass also, wie etwa in dem Werk eines Dichters dessen höchster künstlerischer Traum, der höchste religiöse Traum der<br />
Menschheit uns in seiner ganzen Vollendung gleichsam greifbar, plastisch geworden, entgegentritt.<br />
Von allen Zaubern, die der ursprünglichen Lehre Jesu, oder dem was der Hauptsache nach dafür gilt, anhaften, ist dies wohl<br />
einer der grössten Zauber, den sie selbst auf die glaubenslosesten Menschen auszuüben vermag: dass in ihr das tiefste Sehnen<br />
und Bedürfen der religiösen Seele, des auf Gott gerichteten Gemüthes, nackt und restlos ausgesprochen zu sein scheint. Im<br />
Menschen, der ganz in der Liebe zum Gott aufgeht, kann der Gott sich natürlich auch nur spiegeln als Liebe, wenn keine<br />
fremden Vorstellungen oder Zuthaten dieses Bild verwischen oder trüben, – und der Mensch, der sich in diesem Einheitsgefühl<br />
mit seinem Gott ganz als dessen Kind empfindet, kann ihn auch nur als seinen Vater erfassen und begreifen. Insofern ist in dem<br />
Vater- und Kindschaftsverhältniss, in welchem die Jesu-Lehre Gott und Welt in Einem Liebesbilde zusammenschloss, für alle<br />
Zeiten die höchste Religiosität auf ihren klassischen Ausdruck gebracht worden.<br />
Und damit zugleich der vollkommenste Gegensatz zur ursprünglichen Entstehung der Götter durch die Menschen: Damals<br />
lehrte, brutal geredet, die Noth den Menschen beten, veranlasste ihn, sich hülfeheischend an die Götter als an die mächtigsten<br />
Hülfsmittel zu wenden, – hier dagegen ist das »Eine das Noth thut« Gott selbst und seine innigste Nähe geworden, alles Andere<br />
aber, das ganze<br />
Leben nur Mittel zur Erfüllung dieses höchsten Zweckes. Mit einem Wort: hier erst ist der seelische Widerspruch gelöst, der<br />
darin liegt, dass der Mensch vor dem menschenerschaffenen Gott, seinem eigenen Geschöpf, kniet, dieser Widerspruch, der<br />
nothwendig tief im Herzen aller Religion steckt und nur in den Augenblicken der unermeßlichsten, unbedingtesten Hingebung<br />
und Begeisterung dem Gott gegenüber seelisch überwunden werden kann. Deshalb ist auch das Neue, was die grossen<br />
Religionsstifter zu Stande bringen, eigentlich nie ein neues Erschaffen von Gottheiten, sondern vielmehr eine neue<br />
Herzensstellung zu ihnen, ein Zurechtrenken der schiefen und zweideutigen Stellung, die von vornherein, durch den irdischen<br />
Gott-Ursprung, gegeben ist.<br />
Daher verkörpert sich jedesmal dann die neue Lehre in einem einzelnen gotterfüllten Menschen, welchem der Gott sich klarer<br />
und wahrer als bis dahin enthüllt, offenbart, und welcher als der