Abendprogramm (PDF) - Philharmonie Luxembourg
Abendprogramm (PDF) - Philharmonie Luxembourg
Abendprogramm (PDF) - Philharmonie Luxembourg
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
Ortes, der Handlung und der Zeit) loszusagen. Konsequent werden bei Lenz also die<br />
drei klassischen Einheiten negiert, mehrere Handlungen übereinander geschichtet. Eine<br />
Vorwegnahme des Joyceschen ‹Stundentanzes der Simultaneität›. Der Schritt von der<br />
Dramaturgie des Sturm und Drang zur Jetztzeit ist erstaunlich klein: Aufhebung der drei<br />
Einheiten führt stracks zur Aufhebung von Raum und Zeit, befindet sich im Innern der<br />
‹Kugelgestalt der Zeit›: Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit werden vertauschbar.»<br />
(Bernd Alois Zimmermann: Intervall und Zeit. – Mainz: Schott, 1974, S. 114)<br />
In den Vier kurzen Studien für sein erklärtes Lieblingsinstrument, das Violoncello,<br />
kommt er kurz vor seinem Freitod am 10. August 1970 noch einmal auf sehr<br />
subtile Weise auf das Thema Zeit zurück. Die vier kurzen Stücke sind eine<br />
konzentrierte, minimalistische Übung im musikalischen Umgang mit Tempo<br />
und Dauern. Innerhalb kürzester Zeit prallen extrem unterschiedliche Tempi und<br />
Geschwindigkeiten aufeinander. Im deutlichen Kontrast zur Form eines ‹Leipziger<br />
Allerleis› (wie sich etwas respektlos der Umgang mit unterschiedlichen Dauern<br />
in manchen Stücken der seriellen Musik beschreiben ließe) komponiert er aber<br />
hier gewissermaßen vier kurze Charakterstücke, die durch extrem unterschiedliche<br />
Zeitmaße geprägt werden.<br />
I Zwei verschiedene Stricharten für die verschiedenen Saiten oder zwei verschiedene<br />
Klangarten bei gleicher Strichart.<br />
Tempo: von langsam bis so schnell wie möglich.<br />
II Pizzicato-Studie unter Verwendung von Natur-Flageoletttönen in beliebigem Tempo,<br />
immer klingendes Pizz.<br />
III Tempo: sehr schnell<br />
IV Hohe Lagen, so langsam wie möglich. Dauer nach Abstand [der Noten].<br />
(Bernhard Günther)<br />
Alvin Lucier: Nothing is Real (Strawberry Fields Forever)<br />
Im Frühling 1990 bat mich die Pianistin Aki Takahashi, ein Klavierarrangement<br />
eines Beatles-Songs für sie zu schreiben. Sie hatte erfolgreich Musik von Erik<br />
Satie auf CD herausgebracht und die Plattenfirma bat sie, als Nächstes eine<br />
Sammlung von Lennon- und McCartney-Melodien einzuspielen. Sie nahm unter<br />
der Bedingung an, dass sie sich die Komponisten selbst aussuchen könne, die die<br />
Arrangements schrieben. Da ich mich nicht selbst auf ein bestimmtes Lied und<br />
die daran geknüpfte Stimmung und Erwartung festlegen lassen wollte, bat ich sie,<br />
ein Lied für mich auszusuchen. Sie wählte «Strawberry Fields Forever». Als ich sie<br />
fragte, warum sie gerade dieses Lied ausgesucht hatte, antwortete sie, die Textzeile<br />
«Nothing is real» erinnere sie immer an meine Musik.<br />
Melodiefragmente werden gespielt, als Cluster ausgehalten und mit einem<br />
Cassettenrekorder aufgenommen. Nach dem Ende dieses Teils wird das<br />
Band zurückgespult und durch einen kleinen Lautsprecher in einer auf dem<br />
geschlossenen Klavier stehenden Teekanne wieder abgespielt. Während des<br />
Abspielens wird der Teekannendeckel gehoben und gesenkt und zweimal<br />
die Teekanne vom Klavier genommen, wodurch sich die Klangcharakteristik<br />
verändert. (Alvin Lucier, 1990)<br />
Finally, I decided to play the sounds into a teapot, which is a little object with<br />
treasure value to many people. The resonances of the pot would reinforce certain<br />
pitches of whatever song I used. I had done something like that in Chambers<br />
where sounds are played into small resonant objects.<br />
My first attempt was a piece I called Any Beatles Song. The score simply told the<br />
player to play any Beatles song into the teapot, record it, rewind the tape and play<br />
it back. I thought that would be it. One would play the song three or four times<br />
in different keys so that most of the regions of the piano would be covered. You<br />
would be testing the resonances of the pot as well. But when Aki came over to<br />
visit me a few months later, she said she didn’t really know what to do, she was<br />
uncomfortable making so many choices. I think that she was secretly telling me<br />
that she didn’t think the piece was finished. That was fine with me; I like it when<br />
players are honest with me. So I worked on it some more and finally came up<br />
96