Biberach Kommunal 13/12 - Stadt Biberach an der Riss
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BiBerach kommunal<br />
3<br />
Aus den Städtischen Archiven<br />
luft<strong>an</strong>griffe auf <strong>Biberach</strong> am <strong>12</strong>. april 1945<br />
Ein Bild <strong>der</strong> Zerstörung. Foto: BIKO<br />
am <strong>12</strong>. april 1945 um 10.16 uhr blieb<br />
die Turmuhr von St. martin stehen, als<br />
Bomben auf <strong>Biberach</strong> fielen.<br />
Das schlechte Wetter am <strong>12</strong>. April 1945<br />
führte zu einem – für <strong>Biberach</strong> – verheerenden<br />
Irrtum: versehentlich warf<br />
eine Gruppe <strong>der</strong> 386. Bombergroup <strong>der</strong><br />
US-Airforce einen Teil ihrer Bombenlast<br />
auf die <strong>Biberach</strong>er Innenstadt ab,<br />
<strong>an</strong>statt, wie gepl<strong>an</strong>t, auf Kaufbeuren.<br />
In <strong>der</strong> Folge starben 57 Menschen, 14<br />
wurden verletzt. Zwischen Ulmer Tor<br />
und Obstmarkt wurden 37 Gebäude<br />
zerstört und <strong>13</strong>9 Häuser mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
beschädigt.<br />
Um 10.16 Uhr blieb die Turmuhr von<br />
St. Martin aufgrund <strong>der</strong> gewaltigen<br />
Erschütterungen <strong>der</strong> Bombeneinschläge<br />
stehen. Diese waren bis in die<br />
Umgebung von Laupheim zu spüren<br />
gewesen. H<strong>an</strong>s Willbold berichtet in<br />
seinem Buch „Der Luftkrieg zwischen<br />
Donau und Bodensee“, dass <strong>Biberach</strong>er<br />
Augenzeugen sich <strong>an</strong> sieben<br />
Flugzeuge erinnerten, die sich in geringer<br />
Höhe von Osten her <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong><br />
näherten. Bei diesen h<strong>an</strong>delte es<br />
sich, laut Willbold, um zweimotorige<br />
Bomber vom Typ Douglas A-26 „Inva<strong>der</strong>“.<br />
Deren tödliche Last: insgesamt<br />
42 Sprengbomben zu je 226,8 Kilogramm.<br />
Die Schwäbische Zeitung lässt in<br />
einem Artikel vom <strong>12</strong>. April 2005 Augenzeugen<br />
<strong>der</strong> Katastrophe zu Wort<br />
kommen. So berichtet Leonore Mayer-<br />
Mühlschlegel über das Chaos in <strong>der</strong><br />
Ulmer-Tor-Straße: „Ich bin irgendwie<br />
über allerlei Trümmer bis zum Gasthaus<br />
‚Ochsen‘ geraten. Jem<strong>an</strong>d rief<br />
um Hilfe. Im Haus Schnei<strong>der</strong>-Sch<strong>an</strong>z<br />
lag Herr Sch<strong>an</strong>z schwer verletzt in<br />
seiner Werkstatt. Frau Keller von <strong>der</strong><br />
Flaschnerei war im Treppengelän<strong>der</strong><br />
ihres Hauses eingeklemmt. M<strong>an</strong><br />
konnte ihr nicht helfen. Erst später erfuhr<br />
ich von den vielen Toten, die auf<br />
<strong>der</strong> Straße lagen; m<strong>an</strong>cher hatte im<br />
Ulmer Tor vergeblich Schutz gesucht<br />
…“. Klara Mast, damals im Arbeitsamt<br />
beschäftigt, berichtete: „… in<br />
diesem Moment kamen fünf Bomber<br />
im Tiefflug über den K<strong>an</strong>onenberg<br />
direkt über unsere Köpfe geflogen.<br />
Das bedeutet nichts Gutes, sagten<br />
wir uns und gingen schleunigst in<br />
den Keller – und schon bebte die Erde<br />
vom Fall <strong>der</strong> Bomben. Nach einiger<br />
Zeit <strong>der</strong> grausamen Stille gingen wir<br />
nach oben, um zu sehen, was geschehen<br />
war. Hinter dem Kirchturm st<strong>an</strong>d<br />
Rauch. Bald kamen die ersten Meldungen<br />
aus <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>: Bahnhofstraße,<br />
Ulmer-Tor-Straße, Bürgerturmstraße,<br />
Pfluggasse und Obstmarkt sind getroffen.<br />
Es hat Tote gegeben. Es konnte<br />
keine Entwarnung gegeben werden,<br />
weil <strong>der</strong> Luftdruck die Sirenen<br />
auf dem Rathaus zerstört hatte. Wir<br />
beschlossen nachzusehen, was passiert<br />
war. Unterwegs sahen wir viele<br />
aufgeregte Menschen, je<strong>der</strong> wusste<br />
etwas <strong>an</strong><strong>der</strong>es. Ich sehe heute<br />
g<strong>an</strong>z klar vor meinen Augen, wie ein<br />
M<strong>an</strong>n eine abgerissene H<strong>an</strong>d g<strong>an</strong>z<br />
vorsichtig am Mittelfinger haltend,<br />
in die Kirche trug. Dort waren schon<br />
die ersten Toten nie<strong>der</strong>gelegt worden.<br />
Wir kämpften uns durch das<br />
Chaos bis zur Bürgerturmstraße 27.<br />
Alles um uns br<strong>an</strong>nte und rauchte.<br />
Unser Amt st<strong>an</strong>d noch, aber die Fen-<br />
ster waren ausgerissen, Decken und<br />
Wände eingestürzt. An einem Stuhl<br />
sah ich noch meine selbst gestrickte<br />
Trachtenweste hängen. Ich hätte sie<br />
gerne geholt, wurde aber nicht durchgelassen.<br />
Später habe ich mir gedacht,<br />
warum wolltest du die Weste haben,<br />
wo so viele Menschen verletzt und tot<br />
waren. Es ist eigenartig, was uns in so<br />
einer Situation wichtig ist“.<br />
Der Name <strong>Biberach</strong> taucht in keiner<br />
Chronik <strong>der</strong> US-Airforce auf. Für den <strong>12</strong>.<br />
April wird in <strong>der</strong> „History of the Army Air<br />
Forces in World War II-Combat Chronology<br />
1941-1945“ nur über Angriffe auf<br />
Kempten, Göppingen und Hof berichtet.<br />
Lediglich hinter dem Vermerk „plus<br />
a town area <strong>an</strong>d a casual traffic object“<br />
verbergen sich die schrecklichen Ereignisse<br />
in <strong>Biberach</strong> <strong>an</strong> diesem Tag.<br />
Bereits am 19. April 1945 fallen erneut<br />
Bomben auf die <strong>Stadt</strong>, die vier Menschenleben<br />
for<strong>der</strong>n. Auch hier erinnert<br />
sich Leonore Mayer-Mühlschlegel in <strong>der</strong><br />
Schwäbischen Zeitung <strong>an</strong> grausame<br />
Details: „Eine knappe Woche später fielen<br />
nochmals Bomben, die das Gebiet<br />
um den Bahnhof, die Chemiefabrik des<br />
Apothekers Jena trafen. Wie<strong>der</strong> war ich<br />
schnell <strong>an</strong> dem Ort <strong>der</strong> Einschläge. Dort<br />
bot sich mir ein erschütterndes Bild.<br />
Eine junge Frau mit ihrem Baby auf dem<br />
Arm wurde vom Luftdruck unter einen<br />
Holzstapel geschleu<strong>der</strong>t. Ihre tödlichen<br />
Verletzungen vermag ich nicht zu schil<strong>der</strong>n,<br />
sie waren zu schlimm.“<br />
Quellen: H<strong>an</strong>s Willbold „Der Luftkrieg zwischen<br />
Donau und Bodensee“, .Kurt Diemer: „1945: Ende<br />
und Anf<strong>an</strong>g im L<strong>an</strong>dkreis <strong>Biberach</strong>“ aus: Zeit und<br />
Heimat, 8. Mai 1985, Achim Zepp: „Bomben auf<br />
<strong>Biberach</strong> am <strong>12</strong>. April 1945.“<br />
37 Gebäude wurden zerstört und <strong>13</strong>9 Häuser beschädigt. Foto: BIKO