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Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) - Chandos

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CHAN 3113 BOOK.qxd 20/9/06 11:24 am Page 40Peter Hall hat einmal in einem Radio-Interview in unvergeßlicher Weise die heilsameWirkung des großen Vergebungsensemblesbeschrieben, in dem sich alle Mitwirkendennach dem Einschreiten der Gräfinzusammenfinden; besonders betonte er denkraftvollen Effekt der kurzenabwärtsschreitenden Orchesterpassagezwischen dem Ensemble und demabschließenden Chor, der die Lustbarkeiteneröffnet – ein flüchtiger Augenblick, in demalle Figuren in den Abgrund des Tragischenblicken. Untreue und Verrat könnten dieseEhen so leicht zerstören. Es gibt einenfurchtbaren Moment der Selbsterkenntnis,dann wendet man sich ab und zieht es vor,dieses Wissen um des vergänglichenVergnügens willen zu ignorieren. Der Gratzwischen Tragödie und Komödie ist sehrschmal.Es ist diese Balance zwischen den beidenPolen, die <strong>Mozart</strong> so überaus realistischerscheinen lassen und seine Opern soglaubwürdig machen. Sein besondererScharfblick zeigt sich bereits in La fintagiardiniera, die <strong>Mozart</strong> schon mit achtzehnJahren schrieb, und erreicht ihren Gipfel mitden drei Opern zu Libretti von Lorenzo DaPonte, von denen Die Hochzeit des Figaro dieerste ist. Am ausgewogensten zeigt sich dieseBalance in der Auflösung des Konflikts, docheigentlich durchzieht sie die gesamte Oper.Besonders deutlich und geradezu humorvollerscheint sie in Cherubinos Arie im Ersten Akt“Non so più, cosa son, cosa faccio” (“Ich weißnicht, was ich bin, was ich mache” – “I don’tknow what it is that I’m feeling”). Zu spürensein sollte sie auch in der teils schmerzvollen,teils erfreuten Reaktion auf Figarosmilitärische Arie “Non più andrai” am Endedes Ersten Akts (“Du wirst nicht mehrumherstreichen” – “Here’s an end to your lifeas a rover”). Die Herrlichkeiten, dieCherubino erwarten, sind nicht eigentlichmilitärischer Art.Obwohl Die Hochzeit des Figaro offiziell ausvier Akten besteht, die den vier Orten derHandlung entsprechen, ist das Werk ausmusikalischer Sicht als Zweiakter konzipiert,ähnlich den anderen beiden Da-Ponte-OpernDon Giovanni und Così fan tutte. In diesenOpern endet jede Hälfte mit einemausgedehnten Finale – ein musikalischesMittel der Handlungsgestaltung, das <strong>Mozart</strong>zum ersten Mal bereits in La finta giardinieraeinsetzte, im Finale des Zweiten Akts desFigaro jedoch zu höchster Perfektionentwickelte. Zugleich liegt hier einherausragendes Beispiel des <strong>Mozart</strong>schen Sinnsfür Ausgewogenheit vor. Von dem Momentan, als der Graf und die Gräfin in ihrSchlafzimmer zurückkehren und daseigentliche Finale beginnt, könnte dieSituation sich gleichermaßen zur Tragödie wiezur Komödie entwickeln. Tatsächlich setzt sichimmer wieder der Humor durch – gelegentlichvoller Heiterkeit, manchmal possenhaft –,trotzdem aber geht es um Leben und Tod.Walter Legge hat das Finale des ZweitenAkt wie folgt beschrieben: “Aus musikalischerSicht ist dies das meisterhafteste Ensemble,nicht nur in dieser Oper, sondern bei <strong>Mozart</strong>überhaupt. Nahezu zwanzig Minuten langfließt die Musik ununterbrochen dahin, wobeisie auf jede Drehung und Wendung derkomplexen, sich rasch entfaltenden Komödiereagiert und zugleich die Handlung und dieverschiedensten Emotionen der Beteiligtenerhellt, reflektiert und kommentiert. Schrittfür Schritt die Handlung begleitend,intensiviert die Musik die Überraschungenund vertieft die Subtilitäten, zugleich aberwirft sie über das ganze recht niedereIntrigenspiel ein magisches Gewand derbezauberndsten Klänge, die dem Geschehenzwar getreulich folgen, dieses aber in dasreinste Gold der Schönheit transformieren.”Jeder wird sich aus diesem sublimen Finaleseine Lieblingspassage auswählen. Meine istdie zeitweilige Waffenruhe zwischen denStreitenden (allerdings kaum geteilt von demwild intrigierenden Grafen) vor demAuftauchen Antonios mit seinen zerbrochenenBlumentöpfen. Die Gräfin, Susanna undFigaro singen “Deh signor, noi contrastate”(“O Herr, widersetzt Euch nicht” – “Hear mypleading, I implore you, be compassionate Ipray”), und während der Graf sich fragt, woMarcellina bleibt, wird ihr Flehen vonHörnern und Bässen im Forte verstärkt.Dieser kurze Moment erhoffter Versöhnungnimmt auf magische Weise das Ende der Opervorweg.Nach Meinung des irischen Tenors MichaelKelly, der in der Uraufführung den Basiliound den Curzio spielte, war <strong>Mozart</strong>sLieblingsnummer das Sextett im Dritten Akt.In der Tat kann dieses Stück mit seinenüberraschenden Enthüllungen undWendungen eine der komischsten Passagen dergesamten Oper sein; doch auch hier sindSusannas Wut und Verwirrung bitterer Ernst.Es gibt eine schöne Stelle nach dem Ende desSextetts, als der Graf und Curzio sich hastigzurückgezogen haben. Susanna fragt dieZurückbleibenden: “Wer könnte glücklicher4041

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