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Das Freitagsgebet – Ursprung Bedeutung Durchführung

Das Freitagsgebet – Ursprung, Bedeutung, Durchführung - IGMG

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<strong>Das</strong> <strong>Freitagsgebet</strong> <strong>–</strong> <strong>Ursprung</strong>, <strong>Bedeutung</strong>, <strong>Durchführung</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>Freitagsgebet</strong> <strong>–</strong> <strong>Ursprung</strong>, <strong>Bedeutung</strong>, <strong>Durchführung</strong>..................................................................1<br />

A. Der Freitag <strong>–</strong> ein besonderer Tag.............................................................................................1<br />

B. <strong>Das</strong> <strong>Freitagsgebet</strong> <strong>–</strong> Voraussetzungen und Verrichtung..........................................................2<br />

1. Voraussetzungen in der Person des Betenden (persönliche Voraussetzungen)...................2<br />

2. Voraussetzungen für das <strong>Freitagsgebet</strong> an sich (Voraussetzungen zur Gültigkeit).............2<br />

3. Kritik und Bewertung der „Voraussetzungen zur Gültigkeit“.............................................3<br />

4. Fragen zur Verrichtung des <strong>Freitagsgebet</strong>s..........................................................................4<br />

a) Gebete die vor dem Fardh-Abschnitt des Dschuma-Gebets verrichtet werden sollten: ..4<br />

(1) Tahiyyatul mesdschid ..............................................................................................4<br />

(2) Die erste Sunna-Einheit des Freitag-Gebets ............................................................5<br />

b) Der Fardh-Abschnitt ........................................................................................................5<br />

c) Gebete die nach dem Fardh-Abschnitt verrichtet werden sollten:...................................5<br />

5. Empfehlung zur Art der Verrichtung des <strong>Freitagsgebet</strong>s.....................................................5<br />

C. <strong>Das</strong> Zuhri-Ahir Gebet: Unnötiges Anhängsel oder doch wichtige Erweiterung? ...................5<br />

1. <strong>Bedeutung</strong> des Zuhri-Ahir Gebets .......................................................................................5<br />

2. Kritik am Zuhri-Ahir Gebet .................................................................................................6<br />

a) Zuhri-Ahir verletzt die Gültigkeit des <strong>Freitagsgebet</strong>s......................................................6<br />

b) Zuhri-Ahir als Bid’ah und unnötige Handlung................................................................6<br />

c) Resultat.............................................................................................................................6<br />

A. Der Freitag <strong>–</strong> ein besonderer Tag<br />

Der Freitag ist zweifellos der wichtigste Wochentag im Leben des Muslims. Es stellt den Tag der<br />

Zusammenkunft und des besonderen gemeinsamen Gebets dar. Kein anderes Gebot des Islams wird<br />

so penibel, selbst von denen, die sagen würden, dass sie eher wenig mit Religion zu tun haben,<br />

befolgt, wie das <strong>Freitagsgebet</strong>. Dennoch ist die <strong>Bedeutung</strong> dieses Tages und des <strong>Freitagsgebet</strong>es bei<br />

Nicht-Muslimen kaum bekannt. Aber auch unter Muslimen gibt es ab und an Diskussionen über das<br />

richtige Begehen dieses Gebets.<br />

Doch kommen wir zunächst zum <strong>Ursprung</strong> und zur Besonderheit dieses Tages. Der Freitag heißt im<br />

muslimischen Raum, dem arabischen Namen folgend, Dschuma. <strong>Das</strong> arabische Wort Dschuma<br />

kommt von dem Wortstamm „dschem“, was so viel bedeutet wie „zusammentragen,<br />

zusammenbringen“. Der Wortstamm dschem kommt in seiner Hauptform und in Ableitungen in<br />

einer Vielzahl von Koran-Versen vor. Die Form Dschuma jedoch nur in dem neunten Vers der<br />

gleichnamigen Sure (al-Dschuma 62/9). Auf das Wort treffen wir aber in zahlreichen Hadithen, die<br />

sich zumeist mit den Geboten zu diesem Tag beschäftigen.<br />

Der Freitag selbst, der Dschuma, scheint schon vor dem Gebot des <strong>Freitagsgebet</strong>s ein<br />

Versammlungstag gewesen zu sein. So heißt es im Koran bei der Verkündung des <strong>Freitagsgebet</strong>s:<br />

„O ihr, die ihr glaubt! Wenn am Tage des Versammelns, zum Gebet gerufen wird, dann eilt zum<br />

(gemeinsamen) Gedenken an Allah und lasst den Handel ruhen. <strong>Das</strong> ist besser für euch, wenn ihr es<br />

nur wüsstet.“ (al-Dschuma 62/9)<br />

Dieser Tag hat aber nicht nur auf Grund des <strong>Freitagsgebet</strong>s eine besondere <strong>Bedeutung</strong>. Die Hadithe<br />

des Propheten zeigen uns noch einige andere Besonderheiten dieses Tages auf, insbesondere in<br />

Bezug zum Freitag als Festtag. In einem Hadith sagt der Prophet zum Dschuma(Freitag):<br />

„Der beste Tag an dem die Sonne aufgeht, ist der Freitag: Adam wurde an diesem Tag erschaffen,<br />

an diesem Tag ging er ins Paradies ein und wieder an einem Freitag wurde er aus diesem<br />

hinausgeschickt; auch das Jüngste Gericht wird an diesem Tag anbrechen.“ (Müslim, „Dschuma“,<br />

18)<br />

1


Außerdem teilte er den Gläubigen mit, dass demjenigen, der an diesem Tag die nötige Reinigung<br />

vollzieht, in die Moschee geht und die Predigt(Khutba) hört, und das Gebet verrichtet, sämtliche<br />

Vergehen, die er seit dem letzten <strong>Freitagsgebet</strong> begangen hat, vergeben werden. Auch eine<br />

Warnung dahingehend, dass demjenigen, der diesen Tag missachtet und an drei Dschuma-Gebeten<br />

hintereinander nicht teilnimmt, das Herz versiegelt wird, weist auf die Besonderheit dieses Tages<br />

hin, wenn auch in einem anderen Sinne.<br />

B. <strong>Das</strong> <strong>Freitagsgebet</strong> <strong>–</strong> Voraussetzungen und Verrichtung<br />

In Anlehnung an den Vers aus der Sure Dschuma und an die Warnungen des Propheten, ist nach<br />

den meisten Rechtsschulen das Arbeiten oder Einkaufen, also jegliches weltliche Handeln verboten,<br />

sobald der Imam mit seiner Khutba anfängt, bis das Gebet vollständig verrichtet wurde. Dies ist<br />

auch der Grund dafür, warum in vielen islamischen Staaten der Freitag ein „freier“ Tag ist.<br />

<strong>Das</strong> wichtigste am Freitag ist zweifellos das <strong>Freitagsgebet</strong>. <strong>Das</strong> erste <strong>Freitagsgebet</strong> verrichtete der<br />

Prophet auf seinem Auszug aus Mekka nach Medina. Kurz vor Medina trat der Zeitpunkt für die<br />

Verrichtung des Gebets ein und er betete im Ranuna-Tal das erste <strong>Freitagsgebet</strong>.<br />

1. Voraussetzungen in der Person des Betenden (persönliche<br />

Voraussetzungen)<br />

Damit das <strong>Freitagsgebet</strong> zur Verpflichtung wird bedarf es einiger Voraussetzungen. So ist zum<br />

<strong>Freitagsgebet</strong> jeder freie Mann verpflichtet, der sich zu der Zeit nicht auf einer Reise befindet<br />

(mukim) und sonst keine der erlaubten Entschuldigungsgründe vorweisen kann. Frauen steht die<br />

Teilnahme daran frei, es obliegt ihrem eigenen Willen, ob sie daran teilnehmen wollen oder nicht.<br />

Zur Zeit des Propheten, aber auch heute, nehmen Frauen an diesem Gebet teil.<br />

Gründe für eine Befreiung sind Krankheit, die Aufsicht über Kranke, hohes Alter, starke, die<br />

Gesundheit schädigende Hitze oder Kälte, sehr widrige Witterung und fehlende Sicherheit<br />

bezüglich Leben oder Eigentum. Ob von diesen Befreiungsgründen gebrauch gemacht wird, liegt<br />

im Ermessen des einzelnen Gläubigen, dh. auch bei widrigen Umständen ist er nicht verpflichtet,<br />

dem Gebet fern zu bleiben. Jeder muss die Entscheidung nach eigenem Gewissen und im Hinblick<br />

auf das Wohlwollen des Schöpfers selbst entscheiden.<br />

2. Voraussetzungen für das <strong>Freitagsgebet</strong> an sich<br />

(Voraussetzungen zur Gültigkeit)<br />

Bezüglich der Voraussetzungen, die für das <strong>Freitagsgebet</strong> an sich gelten, gibt es größere<br />

Differenzen unter den verschiedenen Rechtsschulen. Für ein gültiges <strong>Freitagsgebet</strong>s müssen<br />

demnach folgende Voraussetzungen erfüllt sein:<br />

- Eine Stadt: Nach den Hanefiten kann das <strong>Freitagsgebet</strong> nur in einer Stadt gebetet werden,<br />

nicht aber in kleinen Dörfern. Die Schafiiten beschränken dies aber nur auf Städte und<br />

Dörfer, also auf Niederlassungen, in denen sich Menschen von Dauer niedergelassen haben;<br />

ein Camping-Platz würde diese Voraussetzung dann zum Beispiel nicht erfüllen. Die<br />

Voraussetzung der malikitischen Rechtsschule ist ähnlich. Nach den Hanbeliten kann das<br />

<strong>Freitagsgebet</strong> nur in einer Niederlassung verrichtet werden, die von mindestens vierzig zum<br />

<strong>Freitagsgebet</strong> Verpflichteten bewohnt wird. Nach allen vier wäre aber zum Beispiel das<br />

Verrichten des <strong>Freitagsgebet</strong>es durch eine kleinere oder größere Reisegruppe auf offenem<br />

Felde ausgeschlossen.<br />

- Eine Moschee: Die klassische hanefitische Rechtsschule schränkt das <strong>Freitagsgebet</strong> auf<br />

vom Staatsoberhaupt oder dessen Vertretern zugewiesene öffentliche Moscheen ein, wobei<br />

die Anzahl irrelevant ist. Die Schafiiten sind der Ansicht, dass in einer Stadt nur in einer<br />

2


Moschee das <strong>Freitagsgebet</strong> verrichtet werden kann. Die Malikiten bestehen auch auf das<br />

Beten in einer Moschee, sehen aber die Möglichkeit zur Lockerung vor, wenn aus<br />

Platzgründen auf mehrere ausgewichen werden muss oder das Staatsoberhaupt diese Praxis<br />

erlaubt. Die Hanbeliten sind auch der Meinung, dass das Gebet nur in einer Moschee<br />

verrichtet werden muss, solange das Staatsoberhaupt nicht die Erlaubnis für das Verrichten<br />

in mehreren Moscheen gibt.<br />

- Dschemaat: Alle Rechtsschulen bestehen auf der Bedingung des Dschemaats, wobei die<br />

Anzahl der nötigen Personen, um eine Dschemaat zu bilden, strittig ist. Eine Dschemaat<br />

bezeichnet in diesem Fall die Gruppe, die zum gemeinsamen Gebet antritt. Nach Imam Ebu<br />

Hanife müssen sich außer dem Imam noch weitere drei, nach dessen Schüler Imam Yusuf<br />

nur zwei weitere zum <strong>Freitagsgebet</strong> verpflichtete einfinden. Die Schafiiten verlangen die<br />

Anwesenheit von vierzig Personen zum Gebet, die Hanbeliten verlangen diese Anzahl sogar<br />

bei der Hutba. Bei den Malikiten reicht es aus, dass außer dem Imam noch zwölf Personen<br />

beim Gebet anwesend sind.<br />

- Die Zeit(Wakit): Die Zeit für das <strong>Freitagsgebet</strong> ist unstrittig die Zeit des Mittagsgebets<br />

(Zuhr).<br />

- Ein Imam: Eine Bedingung bezüglich des Imams gibt es bei Malikiten und bei Hanbeliten.<br />

Die klassischen Hanbeliten fordern, dass das <strong>Freitagsgebet</strong> nur von einem staatlich<br />

eingesetzten Imam geleitet werden kann, die Malikiten fordern, dass dieser staatlich<br />

eingesetzte Imam auch noch mukim, dh. an dem Ort „niedergelassen, sesshaft“ sein muss.<br />

- Eine Hutba: Alle vier Rechtsschulen stimmen darin überein, dass alle die Verrichtung einer<br />

Hutba(Predigt) vor dem Gebet fordern.<br />

Der Unterschied zwischen den „persönlichen Voraussetzung“ und den „Voraussetzungen zur<br />

Gültigkeit“ liegt darin, dass bei mangelnden persönlichen Voraussetzungen die Person dennoch am<br />

<strong>Freitagsgebet</strong> teilnehmen kann. <strong>Das</strong> <strong>Freitagsgebet</strong> ersetzt auch in diesen Fällen das sonst anstehende<br />

Mittagsgebet (Zuhr). Die „Voraussetzungen zur Gültigkeit“ sind jedoch relevant in Bezug auf die<br />

Gültigkeit des Gebets an sich. Bei Nichterfüllung dieser Voraussetzungen würde das verrichtete<br />

Gebet ungültig werden, und der Muslim oder die Muslimin müsste das Mittagsgebet zusätzlich<br />

verrichten.<br />

3. Kritik und Bewertung der „Voraussetzungen zur Gültigkeit“<br />

<strong>Das</strong> Verrichten des <strong>Freitagsgebet</strong>s wird sowohl im Koran als auch in der Sahih Sunna den<br />

Muslimen aufgetragen, außerdem werden den Betenden große Belohnungen im Jenseits für die<br />

Teilnahme versprochen. <strong>Das</strong>s solch ein wichtiges Gebet beim Fehlen von einer „Voraussetzung zur<br />

Gültigkeit“ nicht verrichtet werden soll oder selbst bei Verrichtung ungültig wird und das<br />

Mittagsgebet nachgeholt werden muss, und das, obwohl die meisten der genannten<br />

Voraussetzungen ihre Gründe nicht in Koran und Sunna haben, wird natürlich nicht kritiklos<br />

angenommen. Es gibt zu der Frage, ob dies denn dem Sinngehalt des Islams entspricht, zwei<br />

Strömungen.<br />

Nach der eher den Vorausgegangenen nacheifernden Richtung sollte das <strong>Freitagsgebet</strong> zwar auch<br />

bei Fehlen der Voraussetzungen oder bei Zweifeln über deren Vorhandensein verrichtet werden, es<br />

sollte dann aber dem <strong>Freitagsgebet</strong> noch ein Gebet von vier Rek’ah (Gebetseinheiten) angefügt<br />

werden, an die Stelle des Mittagsgebets (Zuhr-Gebet).<br />

Nach Ansicht der in den Quellen bewanderten und den Willen des Anordnenden (Allah) suchenden<br />

Rechtsgelehrten gehen die „Voraussetzungen zur Gültigkeit“ nicht auf Koran oder Sunna zurück,<br />

sondern stützen sich nur auf die überlieferte Praxis.<br />

Wären Voraussetzungen wie die Verrichtung in einer Stadt, eine bestimmte Anzahl der Dschema’a,<br />

das Nötigsein der staatlichen Erlaubnis nötig damit das <strong>Freitagsgebet</strong> auch gültig ist, so hätten diese<br />

uns vom Propheten mitgeteilt werden müssen.<br />

Ein Gebet, das ohne jeden Zweifel fardh (verpflichtend) und im großen Maße empfohlen wird, kann<br />

3


nicht durch Voraussetzungen, deren <strong>Das</strong>ein sich nicht auf Koran und Sunna stützen, für ungültig<br />

erklärt oder verlassen werden.<br />

Dieser Ansicht nach muss das <strong>Freitagsgebet</strong> verrichtet werden, solange eine kleine oder große<br />

Gruppe von Teilnehmern, eine kleine oder große Niederlassung, und ein Imam, hinter dem man<br />

ohne Widerwillen beten kann, vorhanden ist (so Ibni Rüschd, Schah Weliyullah ed-Dihlewi, Siddiq<br />

Hasan Chan).<br />

Aus diesem Grund müssen die vorgenannten „Voraussetzungen zur Gültigkeit“ unter<br />

Berücksichtigung der Kritik dieser Gelehrten noch einmal betrachtet werden.<br />

- Eine Stadt: Nach der Überlieferung von Buchari (Sahih Buchari, Kapitel zu Dschuma, 11)<br />

wurde das erste <strong>Freitagsgebet</strong> außerhalb Medina in einem Dorf(Dorf Dschuwasa) in Bahrein<br />

verrichtet. In Anbetracht dessen dürfte jede kleinere Gemeinde oder Dorf für die<br />

Verrichtung des <strong>Freitagsgebet</strong>s ausreichend sein.<br />

- Dschemaat: Nach Überlieferung von Imam Schewkani gibt es fünfzehn verschiedene<br />

Meinungen bezüglich der Anzahl von Personen die für eine Dschuma-Dschemaat nötig sind.<br />

Die Zahlen reichen dabei von Imam plus eine Person bis hin zu Imam plus achtzig(!)<br />

Personen.<br />

- Eine Moschee: Selbst diejenigen, die der Meinung sind, dass das <strong>Freitagsgebet</strong> nur in einer<br />

Moschee einer Stadt verrichtet werden kann, also Schafiiten und Hanbeliten, sehen für den<br />

Fall, dass nicht genug Platz in einer Moschee ist, die Ausnahme vor, dass auf andere<br />

Moscheen ausgewichen werden kann. Bei den Hanefiten gehen die Meinungen von einer,<br />

zwei bis hin zu mehr Moscheen.<br />

- Erlaubnis des Staates: Die Hanefiten die auf diese Bedingung bestehen, stützen sich auf<br />

einen Hadith, doch die Überlieferungskette dieses Hadithes wird als schwach eingeschätzt.<br />

Damit wäre dieser Hadith für solch eine Begründung kaum brauchbar.<br />

- Die Hutba: <strong>Das</strong>s die Hutba eine Bedingung zur Gültigkeit des <strong>Freitagsgebet</strong>s ist, ist<br />

unstreitig. Kurz gesagt: Kein <strong>Freitagsgebet</strong> ohne Hutba.<br />

Abgesehen von diesen Gründen, darf wohl auch nicht vergessen werden, dass es zur Zeit des<br />

Propheten kaum denkbar gewesen wäre, dass irgendjemand nicht hinter dem Propheten das<br />

<strong>Freitagsgebet</strong> verrichtet, sondern in einer anderen Moschee. Daraus aber ableiten zu wollen, dass<br />

das Gebet nur in einer einzigen Moschee der Stadt gebetet werden kann, ist abwegig.<br />

4. Fragen zur Verrichtung des <strong>Freitagsgebet</strong>s<br />

Über die Art und Weise der Gebete die zur <strong>Freitagsgebet</strong>szeit verrichtet werden sollen, sind einige<br />

auseinander gehenden Meinungen vorhanden.<br />

a) Gebete die vor dem Fardh-Abschnitt des Dschuma-<br />

Gebets verrichtet werden sollten:<br />

Wenn es um das Gebet vor dem Fardh-Abschnitt geht, so wird von zwei Varianten gesprochen.<br />

(1) Tahiyyatul mesdschid<br />

Nach Hasan Basri, Mekhul b. Ebi Muslim, Imam Schafii, Ebu Sevr ist es Sunna, dass selbst<br />

während der Hutba zwei Rek’ah gebetet werden. Nach Imam Ebu Hanife, Imam Malik und Sufyan<br />

es-Sevri sollte man während der Hutba dies nicht tun, da der Propheten jemanden, der während<br />

seiner Hutba in die Moschee kam und beten wollte, angewiesen hatte sich zu setzen. Schewkani<br />

kommt jedoch nach Untersuchung aller Hadithe zu dem Schluss, dass die Hadithe, die das Beten<br />

des Tahiyyatul mesdschid anweisen, stärker sind.<br />

4


(2) Die erste Sunna-Einheit des Freitag-Gebets<br />

Ob es außer dem Tahiyyatul mesdschid noch ein Sunna-Gebet vor dem Fard-Abschnitt gibt ist<br />

umstritten. Hanefiten, Malikiten und Schafiiten sind der Ansicht, dass es solch ein Gebet gibt. Die<br />

Hanefiten sagen, dass dieses Gebet aus vier Rek’ah besteht, während die Restlichen der Meinung<br />

sind, dass zwar das Verrichten solch eines Gebetes empfohlen wird, nicht aber die Anzahl der<br />

Einheiten bestimmt wurde. Man solle sich demnach nach den eigenen Willen richten.<br />

Ibni Kayyim el-Dschervsiyye widerspricht jedoch diesen Ansichten. Es sei bekannt, dass der<br />

Prophet nach seinem Kommen in die Moschee auf sein Podest stieg und sich den Edhan anhörte.<br />

Was die Sahabiis beteten wäre im Rahmen eines freiwilligen Gebets zu sehen (nafile).<br />

b) Der Fardh-Abschnitt<br />

<strong>Das</strong>s der Fardh-Abschnitt aus zwei Rek’ah besteht und mit Dschemaat (also gemeinsam hinter dem<br />

Imam) gebetet werden soll, ist unstreitig.<br />

c) Gebete die nach dem Fardh-Abschnitt verrichtet werden<br />

sollten:<br />

Auch in diesem Punkt gibt es mehrere Überlieferungen und auf diese aufbauend, mehrere<br />

Ansichten. Unstrittig ist, dass es ein Sunna-Gebet nach dem Fardh-Abschnitt gibt. Die Hanbeliten<br />

sagen, die Hadithe über zwei, vier und sechs Rek’ah im Auge behaltend, dass es solch ein Gebet<br />

gibt, es aber nicht schadet, wenn man es nicht verrichtet. Imam Ebu Hanife ist der Ansicht, dass<br />

dieses Gebet aus vier Rek’ah besteht, die Imameyn (Imam Muhammed und Imam Ebu Jusuf) sind<br />

der Ansicht, dass es aus sechs Rek’ah zu je vier und zwei Rek’ah besteht.<br />

Imam Schafii tendiert eher zu vier Rek’ah, gebetet in je zwei Rek’ah-Abschnitten.<br />

Ibni Kajjim und Schevkani kommen nach der Bewertung der vorliegenden Hadithe zu dem Schluss,<br />

dass wenn der Sunna-Abschnitt in der Moschee gebetet wird vier, wenn er zu Hause verrichtet wird<br />

aus zwei Rek’ah besteht.<br />

5. Empfehlung zur Art der Verrichtung des <strong>Freitagsgebet</strong>s<br />

Wenn wir uns die relevanten Quellen und deren Bewertung durch die Mutschtehit-Imame ansehen,<br />

sollte demnach ein <strong>Freitagsgebet</strong> aus folgenden Einheiten bestehen:<br />

- Bei Ankunft in der Moschee sollten zwei Rek’ah des „Tahijjatul mescid“-Gebetes verrichtet<br />

werden. Sollte noch genügend Zeit bis zum Gebet sein, sollte man auch freiwillige Gebete<br />

(Nafile) verrichten, deren Anzahl vom eigenen Wollen abhängt.<br />

- <strong>Das</strong> Zuhören der vom Imam vorgetragenen Hutba.<br />

- Gemeinsames Verrichten des Fardh-Abschnitts des <strong>Freitagsgebet</strong>s.<br />

- Beim Verrichten in der Moschee vier, bei Verrichtung zu Hause zwei Rek’ah Sunna-Gebet.<br />

C. <strong>Das</strong> Zuhri-Ahir Gebet: Unnötiges Anhängsel oder doch<br />

wichtige Erweiterung?<br />

1. <strong>Bedeutung</strong> des Zuhri-Ahir Gebets<br />

Die Diskussion über die „Voraussetzungen zur Gültigkeit“, insbesondere die Voraussetzung des<br />

Beten-Könnens in nur einer Moschee der Stadt, hat dazu geführt, dass mittlerweile ein<br />

Gebet(Salah) aufgetaucht ist, das es weder zur Zeit des Propheten, noch zur Zeit der Ashab gegeben<br />

hat.<br />

<strong>Das</strong> allgemein unter dem Namen Zuhri-Ahir bekannte Gebet, ist nach Ansicht der Schafiiten das<br />

Mittagsgebet des Tages. Imam Schafii geht davon aus, dass das <strong>Freitagsgebet</strong> in einer Stadt nur in<br />

5


einer Moschee gebetet werden kann (Kritik dieser Ansicht, siehe Kritik und Bewertung der<br />

„Voraussetzungen zur Gültigkeit“). Sollte es dennoch in mehr als einer Moschee verrichtet werden,<br />

so ist nach Schafii nur das <strong>Freitagsgebet</strong>s der Gemeinde gültig, die es als erstes verrichtet haben.<br />

Die anderen müssten mangels gültigen <strong>Freitagsgebet</strong>s das Mittagsgebet auch noch beten.<br />

Spätere Gelehrte der schafiitischen Rechtsschule haben jedoch die Ansicht der Rechtsschule<br />

revidiert und sind zu der Überzeugung gelangt, dass bei einer überfüllten ersten Moschee das Gebet<br />

auch in einer zweiten Moschee gültig verrichtet werden kann; indem Fall schlagen diese aber<br />

dennoch vor, vorsichtshalber das Mittagsgebet noch zu beten.<br />

Die Ansichten in der hanefitischen Rechtsschule sind dazu zwar verschieden, doch Imam Ebu<br />

Hanife und Imam Muhammed gingen schon von Anfang an davon aus, dass unabhängig davon, ob<br />

es Platznot gibt oder nicht, das <strong>Freitagsgebet</strong> in verschiedenen Moscheen verrichtet werden kann.<br />

Auch die späteren Imame stimmten dieser Meinung zu. Dennoch gab es einige Rechtsgelehrten, die<br />

empfahlen, auch noch das Zuhri-Ahir Gebet zu verrichten, dass bei Aufkommen von Zweifel das<br />

nachgeholte Mittagsgebet darstellen soll, bei Fehlen von Zweifeln nur ein freiwilliges Gebet (Ibni<br />

Abidin, Jusuf en-Nebhani).<br />

2. Kritik am Zuhri-Ahir Gebet<br />

Die Kritiker dieses Zuhri-Ahir Gebets, die der Meinung sind, dass solch ein Gebet im Islam nicht<br />

vorhanden ist, teilen sich in zwei Lager auf.<br />

a) Zuhri-Ahir verletzt die Gültigkeit des <strong>Freitagsgebet</strong>s<br />

<strong>Das</strong> eine Lager kritisiert das Zuhri-Ahir Gebet, da sie der Meinung sind, gerade das Zuhri-Ahir<br />

Gebet beeinträchtige die Gültigkeit des <strong>Freitagsgebet</strong>s. Zweifel an der Gültigkeit von Gebeten,<br />

führen in der Regel gerade zur Ungültigkeit dieser Gebete. <strong>Das</strong> Beten des Zuhri-Ahirs, in der<br />

Absicht, dass es bei Ungültigkeit des <strong>Freitagsgebet</strong>s das Mittagsgebet darstellen soll, führe gerade<br />

zur Ungültigkeit des angezweifelten <strong>Freitagsgebet</strong>s.<br />

Außerdem würde es das „normale“ Volk dazu verleiten, nicht das <strong>Freitagsgebet</strong>, sondern das<br />

Mittagsgebet für diesen Tag als verplichtend anzusehen, oder beide, also sowohl <strong>Freitagsgebet</strong>, als<br />

auch Mittagsgebet als verpflichtend (fardh) anzusehen. Dies würde heißen, dass die Menschen ein<br />

Gebet, dass nicht verpflichtend ist, als verpflichtend ansehen.<br />

b) Zuhri-Ahir als Bid’ah und unnötige Handlung<br />

Eine Reihe von Gelehrten, wie Schewkani, Azimabadi, Cemaleddin el-Kasimi und Reschid Riza,<br />

sind der Ansicht, wenn die Voraussetzungen des <strong>Freitagsgebet</strong>es (wenn sie denn alle wirklich als<br />

Voraussetzungen angesehen werden können) fehlen, so kann das <strong>Freitagsgebet</strong> erst gar nicht<br />

verrichtet werden. Wenn die Voraussetzungen zur Gültigkeit vorliegen, dann ist das gebetete<br />

<strong>Freitagsgebet</strong> auch gültig und ersetzt damit auch das Mittagsgebet des Tages. <strong>Das</strong> Beten des<br />

Mittagsgebetes ist nicht nötig. Weder zur Zeit des Propheten oder seiner Gefährten, noch in der<br />

Zeit der großen Mutschtahit-Imame, wurde solch ein Gebet verrichtet. Ein Gebet, dass keine<br />

Grundlage in der Religion hat, zur Gewohnheit zu machen und das normale Volk anzuhalten, dies<br />

zu befolgen, öffnet einer unerlaubten Bid’ah („Hinzufügung“) Tür und Tor, und fällt sogar unter das<br />

Verbotene (Haram).<br />

c) Resultat<br />

Die Argumente der Kritiker, des aus Vorsicht nachträglich eingeführten Zuhri-Ahir Gebets,<br />

scheinen bei weitem zuverlässiger und stärker zu sein, als die der Befürworter.<br />

Es ist keineswegs selten, dass es zu den „gottesdienstlichen“ Handlungen oder auch bei anderen<br />

religiösen Handlungsanleitungen Meinungsverschiedenheiten unter den Gelehrten gibt, selbst<br />

innerhalb einer Rechtsschule kann man darauf treffen, daran ist auch nichts auszusetzen. In der<br />

Praxis jedoch versucht der Muslim nicht, jeder abweichenden Meinung nachzueifern, sondern wählt<br />

sich in der Regel eine Rechtsschule oder konkreter einen Mutschtahit aus und richtet sein religiöses<br />

6


Leben danach aus, und ist davon überzeugt, dass dies auch gültig und erlaubt ist.<br />

Gerade für das normale Volk wird es als ausreichend betrachtet, dass sie sich an die Anleitung<br />

dieses Mutschtahits halten, insbesondere bei Themen, bei denen es Meinungsverschiedenheiten<br />

gibt. Mehr kann von einem Durchschnitts-Verpflichteten auch nicht erwartet werden.<br />

Es ist kein Grund ersichtlich, warum gerade das <strong>Freitagsgebet</strong> aus diesem allgemeinen Schema<br />

herausfallen soll. Insbesondere wenn die Meinungsverschiedenheiten gerade nicht auf authentische<br />

Quellen gestützt werden können.<br />

Wenn irgendwo einer Rechtsschule oder einem Mutschtahit nach die Voraussetzungen des<br />

<strong>Freitagsgebet</strong>s vorliegen, dann muss dort auch das <strong>Freitagsgebet</strong> gebetet werden, wenn diese nicht<br />

vorliegen, dann auch wirklich nur das Mittagsgebet. Durch das Hinzuerfinden von nicht<br />

vorhandenen Gebeten verpflichtende (fardh) Gebete als ungültig anzusehen oder die Menschen<br />

darüber in Zweifel zu setzen, ist wohl kaum zweckdienlich. Dies schafft erneut Probleme, statt sie<br />

zu lösen und führt zu Falschinterpretationen, aber auch zu einer Distanz zwischen dem Muslim und<br />

seinem Din.<br />

Abdulgani Engin Karahan<br />

Literatur:<br />

- Karaman, Hayreddin; Islam’in Isiginda Günün Meseleleri; Band 1, S.15-40; Iz Verlag,<br />

Istanbul 2003.<br />

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