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Handbuch des Staatsrechts der BRD §25

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H. F. Zacher: Das soziale Staatsziel 25<br />

Die zweite Dimension, das soziale Einwirken <strong>der</strong> internationalen Gemeinschaft<br />

auf die Staaten, findet Ausdruck vor allem in <strong>der</strong> Formulierung sozialer<br />

Rechte sowie in <strong>der</strong> Schaffung von Organisationen mit spezifisch sozialer<br />

Aufgabenstellung. Die Tradition, im Völkerrecht „soziale Rechte" zu formulieren,<br />

geht auf den Vertrag von Versailles (1919) zurück 52 . Art. 427 dieses<br />

Vertrages enthielt „in Anerkennung <strong>des</strong>sen, daß das körperliche, seelische<br />

und geistige Wohlergehen <strong>der</strong> Lohnarbeiter vom internationalen Standpunkt<br />

aus von höchster Bedeutung ist", eine Reihe von sozialpolitischen „Grundsätzen",<br />

die in <strong>der</strong> Sache als soziale Rechte <strong>der</strong> Arbeitnehmer bezeichnet werden<br />

dürfen. Die Allgemeine Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte <strong>der</strong> Generalversammlung<br />

<strong>der</strong> Vereinten Nationen (1948) nahm Rechte auf soziale Sicherheit<br />

(Art. 22), Arbeit, angemessenen und gleichen Lohn und Koalitionsfreiheit<br />

(Art. 23), Erholung und Freizeit (Art. 24), „eine Lebenshaltung, die Gesundheit<br />

und Wohlbefinden ... gewährleistet" (Art. 25 Nr. 1), Schutz <strong>der</strong> Mütter<br />

und Kin<strong>der</strong> (Art. 25 Nr. 2), Bildung (Art. 26), kulturelle Teilhabe (Art. 27)<br />

und „eine soziale und internationale Ordnung, in welcher die in <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden<br />

können" (Art. 28), auf: Mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche,<br />

soziale und kulturelle Rechte (1966) suchen die Vereinten Nationen, diese<br />

Ziele weiter zu entwickeln und den Staaten verbindlich zu machen 53 .<br />

13<br />

Die Einwirkung <strong>der</strong><br />

internationalen<br />

Gemeinschaft auf die<br />

Staaten<br />

Die Europäische Sozialcharta (1961) 54 umschreibt Rechte auf Arbeit,<br />

gerechte, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, ein gerechtes Arbeitsentgelt,<br />

kollektive und organisierte Wahrnehmung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />

und Arbeitgeber, Berufsberatung und berufliche Ausbildung, Schutz <strong>der</strong><br />

Gesundheit, soziale Sicherheit, Fürsorge und soziale Dienste, Rehabilitation<br />

<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ten, Schutz <strong>der</strong> Arbeitnehmerinnen, Schutz <strong>der</strong> Mütter, <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Jugendlichen und <strong>der</strong> Familien, Freizügigkeit <strong>der</strong> Erwerbstätigen<br />

und Schutz <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>arbeitnehmer und ihrer Familien. Durch eine Reihe<br />

von Übereinkommen und Empfehlungen 55<br />

hat sich <strong>der</strong> Europarat bemüht,<br />

diese Ziele zu konkretisieren und die Staaten darauf zu verpflichten.<br />

Unter den Internationalen Organisationen von sozialer Relevanz 56<br />

ragt die<br />

Internationale Arbeitsorganisation heraus 57 . 1919 gegründet, formulierte sie<br />

noch vor Ende <strong>des</strong> Zweiten Weltkrieges (1944) in Philadelphia soziale Ziele<br />

gerade auch für die Staaten (Abschnitt II):<br />

14<br />

Sozialpolitik <strong>des</strong><br />

Europarates<br />

15<br />

Internationale<br />

Arbeitsorganisation<br />

52 Zur Vorgeschichte, insb. älteren Versuchen s. Guy Perrin, Die Ursprünge <strong>des</strong> Internationalen Rechts <strong>der</strong><br />

Sozialen Sicherheit, 1983.<br />

53 Der Pakt legt folgende Rechte nie<strong>der</strong>: auf Arbeit (Art. 6), gerechte und günstige Arbeitsbedingungen<br />

(Art. 7), Gewerkschaften und Streik (Art. 8), soziale Sicherheit (Art. 9), Schutz <strong>der</strong> Familie (Art. 19), „auf<br />

einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie" (Art. 11), Gesundheit (Art. 12), Bildung<br />

(Art. 13). Zur Pflicht <strong>der</strong> Staaten zur Verwirklichung dieser Rechte s. dort Art. 2.<br />

54 Näher Hans F. Zacher, Europäische Sozialcharta, in: StL 7 , Sp. 460ff. m. w. Nachw.<br />

55 S. Zacher, Grundfragen (N48), S. 486.<br />

56 Für die weltweiten Organisationen s. Köhler (N49).<br />

57 Statt an<strong>der</strong>er: Winfried Haase, Die Internationale Arbeitsorganisation. Stärken und Wirkungsweise, in:<br />

Michael Haupt/Brigitte Pfister-Gaspary (Hg.), Internationale Sozialpolitik. 1982, S. 113ff.<br />

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