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atw - International Journal for Nuclear Power | 01.2020

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

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<strong>atw</strong> Vol. 65 (2020) | Issue 1 ı January<br />

EDITORIAL 4<br />

USA: Tatsächlich 80 Jahre<br />

Als die Kernenergie in den 1950er- und 1960er-Jahren aus den Kinderschuhen entwuchs und erste Kernkraftwerke für<br />

die Energieversorgung kommerziell errichtet wurden, stellte sich auch die Frage nach einem geeigneten Regelwerk. Unter<br />

anderem galt es, Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren zu etablieren, die in Bezug auf die Sicherheit und damit auch<br />

Verantwortung und Akzeptanz vom ersten bis zum letzten Betriebstag und darüber hinaus diese stetig auf optimalem<br />

Niveau gewährleisten. Andererseits mussten die potenziellen und späteren Betreiber auch mit einer ausreichend sicheren<br />

Perspektive planen können, um sich für die technische und finanzielle Investition zu entscheiden.<br />

In den USA hatte der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower<br />

mit seiner „Atoms <strong>for</strong> Peace“-Rede am 8. Dezember<br />

1953 ein wichtiges politisches Signal für den nationalen und<br />

internationalen Ausbau der Kernenergie gesetzt. Die verlässliche,<br />

langfristige Perspektive in den USA eröffnete dann<br />

das U.S.-Atomgesetz von 1956. Ein darauf und weiteren<br />

Regularien basierendes zeitlich gestaffeltes Geneh mi gungskonzept<br />

gewährleistet seitdem regulatorisch und sicherheitstechnisch<br />

verlässlich den Betrieb der Kernkraftwerke. Die<br />

regulatorische Grundlage sieht vor, dass die erste Betriebsgenehmigung<br />

auf eine Laufzeit von 40 Jahren festgelegt ist.<br />

Zudem sehen die Regelungen die Möglichkeit einer<br />

Genehmi gungsverlängerung für weitere 20 Jahre vor. Eine<br />

Einschränkung für die Zahl solcher Verlängerungen besteht<br />

nicht. Eine Vorraussetzung für diese Betriebszeitverlängerungen<br />

sind entsprechende Nachweise für die Anlagensicherheit,<br />

die für den gesamten angestrebten Genehmigungszeitraum<br />

nachzuweisen und zu gewährleisten ist.<br />

In den weiteren Kernenergie nutzenden Staaten<br />

existieren teils ähnliche Regularien, teils weichen diese<br />

zum Beispiel hinsichtlich der Genehmigungszeiträume ab<br />

– Folgegenehmigungen werden z. B. für 10 Jahre ausgesprochen<br />

oder aber sind auch gänzlich unbefristet.<br />

Deutlich muss an dieser Stelle darauf hingewiesen<br />

werden, dass die individuelle Sicherheit der Kernkraftwerke<br />

unabhängig von Laufzeitregularien jederzeit zu<br />

gewährleisten ist. Sicherheit ist abhängig von der Sachlage.<br />

In den USA hatte die Aufsichtsbehörde <strong>Nuclear</strong> Regulatory<br />

Commission (NRC) in den frühen 1980er-Jahren<br />

begonnen, Alterungsprozesse und damit wichtige Aspekte<br />

der Langzeitsicherheit systematisch zu erfassen und zu<br />

untersuchen. Anfang der 1990er-Jahre war das Ergebnis,<br />

dass sich die zuvor avisierten Betriebsverlängerungen – der<br />

Atomic Energy Act stammt aus dem Jahr 1956, s. o. – auch<br />

technisch realisieren lassen. Vom Zeitpunkt her passte diese<br />

Feststellung. Anfang, Mitte der 1990er Jahre stand die<br />

Kernenergie in den USA auf dem Scheideweg zwischen<br />

Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen und kurzfristiger<br />

endgültiger Stilllegung. Nur mäßigen Arbeitsverfügbarkeiten<br />

der Kernkraftwerke von im Mittel 55 bis 70 % (Zeitraum:<br />

1970 bis 1990) und entsprechend signifikant hohen<br />

Erzeugungskosten standen günstiger werdende Erzeugungs<br />

kosten vor allem von Kohle- und Gaskraftwerken<br />

gegenüber. Die U.S.-Kernkraftwerksbetreiber entschieden<br />

sich sowohl rück- als auch in die Zukunft blickend damals<br />

richtig: Koordiniert und gemeinsam wurden in den USA<br />

Maßnahmen entwickelt und umgesetzt, um die betriebliche<br />

Zuverlässigkeit sowie die Verfügbarkeit zu verbessern, alles<br />

auch mit Blick auf Verlängerungen der Laufzeiten. Ein<br />

Ergebnis sind 164 Einzelmaßnahmen in U.S.-Kernkraftwerken<br />

mit Leistungserhöhungen in den Anlagen von in<br />

Summe 7.921 MWe (netto) – dies entspricht in etwa dem<br />

Zubau von sieben leistungsstarken Kernkraftwerken. Ein<br />

weiteres sichtbares Ergebnis ist die Steigerung der Verfügbarkeiten<br />

auf heute (2018) 92,3 % und damit das weltweite<br />

Spitzen ergebnis für den Kernkraftwerkspark eines Landes.<br />

Anders ausgedrückt, produzieren Kernkraftwerke in den<br />

USA heute 50 bis 80 % mehr Strom als vor 30 Jahren.<br />

Was die Langfristperspektiven des Kernkraftwerksbetriebs<br />

betrifft, setzte das Jahr 2000 eine erste Marke:<br />

Nach zwei Jahren Prüfung erhielten im Frühjahr des<br />

Jahres gleich fünf Kernkraftwerksblöcke als erste Anlagen<br />

in den USA überhaupt die Genehmigung für einen um<br />

20 Jahre längeren Betrieb auf dann 60 Jahre Gesamtbetriebszeit.<br />

Bis heute wurden weitere 94 Genehmigungen<br />

erteilt. Vier weitere Anträge auf Laufzeitverlängerung sind<br />

bis zum Jahr 2022 bei der NRC avisiert. Damit besitzen alle<br />

Kernkraftwerke in den USA, für die längere Betriebszeiten<br />

vom Betreiber geplant sind, die er<strong>for</strong>derliche Genehmigung<br />

bzw. der Verfahrensprozess ist initiiert.<br />

Damit nicht genug: Wie eingangs erwähnt, ist die<br />

Anzahl von weiteren Laufzeitverlängerungen auf die Erstgemnehmigungen<br />

gemäß U.S.-Regularien nicht begrenzt.<br />

Ein Ergebnis der frühen Evaluierung der langfristigen<br />

Sicherheit der U.S.-Kernkraftwerke durch die NRC war<br />

auch, dass jenseits der Betriebszeit von 60 Jahren wesentliche,<br />

die Langzeitsicherheit bestimmende Komponenten<br />

der Kernkraftwerke ohne Weiteres auch darüber hinaus<br />

gehende Laufzeiten gestatten. Im Juli 2017 veröffentlichte<br />

die NRC daher einen Leitfaden für die Evaluierung von<br />

„Folgeanträgen auf Laufzeitverlängerung“: der Leitfaden<br />

umfasst unter anderem Details zum 45 Tage dauernden<br />

Grundsatzreview für die Antragsunterlagen sowie die<br />

folgende Prüfung der sicherheitstechnischen Aspekte und<br />

der Umweltverträglichkeitsprüfung.<br />

Im Januar 2018 übermittelte der Betreiber Florida<br />

<strong>Power</strong> & Light des Kernkraftwerks Turkey Point – zwei<br />

Druckwasserreaktoren mit jeweils rund 885 MWe Bruttoleistung<br />

werden am rund 30 km südlich von Miami im<br />

U.S.-Bundesstaat Florida gelegenen Standort betrieben –<br />

den Antrag auf die zweite 20-Jahres-Laufzeit verlängerung.<br />

Am 5. Dezember 2019 teilte die NRC mit, dass sie den<br />

Antrag auf Verlängerung der Betriebsgenehmigung für<br />

beide Kernkraftwerksblöcke genehmigt habe. Dies ist<br />

erstmalig eine Genehmigung für 80 Jahre Laufzeit für ein<br />

Kernkraftwerk in den USA. Der Block Turkey Point 3 kann<br />

damit bis zum 19. Juli 2052 Strom produzieren, die Anlage<br />

Turkey Point 4 bis zum 10. April 2053. Zwei weitere<br />

Anträge für die Reaktoren Peach Bottom 2 & 3 sowie<br />

Surry 1 & 2 befinden sich im Genehmigungsprozess.<br />

Ent scheidungen zu diesen werden in 2020 erwartet.<br />

Eines haben sowohl die Entscheidung der NRC als auch<br />

der transparente Genehmigungsprozess – den Interessierten<br />

erwarten allein rund 5.000 Seiten öffentlich<br />

zugäng licher technischer In<strong>for</strong>mationen auf den Webseiten<br />

der NRC – gemeinsam: eindrucksvoll wird für die<br />

Kernenergie demonstriert, dass nicht das Alter, sondern<br />

die nach ge wiesene Sicherheit entscheidend ist.<br />

Christopher Weßelmann<br />

– Chefredakteur –<br />

Editorial<br />

USA: 80 Years Actually

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