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Walter Schels. trans* | Magazin (Blick ins Buch)

Über mehrere Jahre begleitete Walter Schels junge Menschen, die sich als Mädchen empfinden, aber in einem Jungenkörper geboren wurden und umgekehrt. Schels' Porträts machen den schwierigen Prozess des Einswerdens mit sich selbst sichtbar. In Interviews berichten die Transmädchen und Jungen von Selbstablehnung und Selbstfindung, von Solidarität und Ausgrenzung, Freundschaft und Mobbing, von Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und der ersten Liebe. Redaktion: Beate Lakotta Sprachen: Deutsch, Englisch Format: 22,5 x 28 cm Hochwertiger Schwarzweiß-Digitaldruck auf Volumenpapier Softcover, Fadenbindung 104 Seiten

Über mehrere Jahre begleitete Walter Schels junge Menschen, die sich als Mädchen empfinden, aber in einem Jungenkörper geboren wurden und umgekehrt. Schels' Porträts machen den schwierigen Prozess des Einswerdens mit sich selbst sichtbar.

In Interviews berichten die Transmädchen und Jungen von Selbstablehnung und Selbstfindung, von Solidarität und Ausgrenzung, Freundschaft und Mobbing, von Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und der ersten Liebe.

Redaktion: Beate Lakotta

Sprachen: Deutsch, Englisch
Format: 22,5 x 28 cm
Hochwertiger Schwarzweiß-Digitaldruck auf Volumenpapier
Softcover, Fadenbindung
104 Seiten

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Doch genau das ist bei diesen jungen Menschen nicht der Fall;<br />

es sind subtile Metamorphosen.<br />

Die meisten waren schon lange vor Beginn der Behandlung<br />

äußerlich nicht dem Geschlecht zuzuordnen, das in ihrem Ausweis<br />

verzeichnet war. Manche waren das nie. Eltern erzählen<br />

von erbitterten Kämpfen mit Dreijährigen vor dem Kleiderschrank<br />

oder vor dem Friseurbesuch. Von Kindern, die sich<br />

heimlich die Brust mit Paketklebeband abschnüren oder ankündigen,<br />

sich den Penis abzuschneiden.<br />

in Deutschland erst nach dem 18. Geburtstag stattfinden kann,<br />

ein Zielpunkt in ihrem Leben.<br />

Genauso viele erzählen aber auch von der beeindruckenden<br />

Solidarität ihrer Eltern, Geschwister, Freunde, Lehrer, Mitschüler.<br />

Von der Offenheit ihrer Umgebung, die sie umso mehr beglückt,<br />

weil sie damit nicht gerechnet hatten. Manchmal kommen<br />

ganze Familien mit zum Fototermin, und <strong>Walter</strong> und ich<br />

sind jedes Mal berührt vom starken Zusammenhalt, den sie<br />

ausstrahlen.<br />

Zum Projekt gehören Interviews mit den Porträtierten, die wir<br />

auf Video aufzeichnen. In all diesen Gesprächen kehrt als Motiv<br />

die frühe Gewissheit wieder, im falschen Körper zu stecken.<br />

Fast alle berichten von einer Zeit, in der sie annahmen, der einzige<br />

Mensch auf der Welt zu sein, dem dieses Schicksal widerfährt.<br />

Bis sie irgendwann erfuhren, dass ihr Lebensgefühl einen<br />

Namen hat: Transsexualität.<br />

Viele Transkinder berichten von Scham und Geheimhaltung,<br />

von Schuldgefühlen und Suizidgedanken. Manche Geschichten<br />

sprengen die Familie. „Mein Vater gibt meiner Mutter<br />

die Schuld daran, dass ich so bin“, so haben wir es mehrfach gehört.<br />

Viele Transkinder teilen fundamentale Erfahrungen: Sie<br />

erleben, wie sich Freunde abwenden. Sie leiden unter Hänseleien<br />

auf dem Schulhof, Demütigungen im Sportverein, dem bürokratischen<br />

Hindernislauf bei den Ämtern. Natürlich kommt<br />

in allen Interviews, die wir aufzeichnen, früher oder später die<br />

Rede auf das Schultoilettenproblem, den E<strong>ins</strong>atz von Gummibusen<br />

und Kompressionswäsche, auf Themen wie Brustamputation<br />

und den Aufbau des Pseudopenis.<br />

Viele berichten, dass sie sich wegen ihrer »falschen« äußerlichen<br />

Merkmale nicht <strong>ins</strong> Schwimmbad trauen. Häufig kreisen<br />

ihre Gedanken um chirurgische Fragen. Der Druck, den viele in<br />

den sozialen Netzwerken erleben, ist hoch. In Trans-Chats gibt<br />

es eine regelrechte Konkurrenz darum, wer als erster Hormone<br />

bekommt oder bei wem die Brust schon wächst oder der Bart.<br />

Für viele ist die große geschlechtsangleichende Operation, die<br />

Sie sehnen sich nicht nach einem Leben<br />

als Freak am Rande der Gesellschaft, sondern<br />

nach Normalität<br />

Vor nicht allzu langer Zeit war Transsexualität noch ein Tabu.<br />

Heute ist es ein Medienthema. Betroffene wagen sich an die Öffentlichkeit.<br />

Sie wollen sich nicht länger verstecken. Und ihre<br />

Erfahrungen und Geschichten stoßen auf Interesse. Die Bilder,<br />

die in diesem Zusammenhang entstehen, unterscheiden sich<br />

stark in ihren fotografischen Ansätzen. Bettina Rheims beispielsweise<br />

hat vor einigen Jahren eine Serie mit Porträts von<br />

Transmenschen fotografiert. Die Teilnehmer wurden dafür<br />

weltweit gecastet. Rheims zeigt sie als Protagonisten einer<br />

schillernden Welt, viel nackte Haut, erotisch aufgeladene<br />

Gesten.<br />

Mit der Realität der Jugendlichen, die sich von <strong>Walter</strong> porträtieren<br />

lassen, hat das wenig zu tun. Sie sehnen sich nicht nach<br />

einem Leben als Freak am Rand der Gesellschaft, sondern nach<br />

Normalität – ein bürgerlicher Beruf, Partnerschaft, Kinder. Aber<br />

sogar das Sprechen über das Thema kann manchmal kompliziert<br />

sein: Viele lehnen den Begriff »transsexuell« ab, weil darin<br />

die Silbe »sex« steckt. Im Englischen bezeichnet »sex« das anatomische<br />

Geschlecht; im deutschen Sprachraum denkt man<br />

dabei unwillkürlich an etwas Sexuelles. Dadurch bekommt<br />

diese Bezeichnung aus Sicht der Betroffenen etwas Voyeuristi-<br />

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