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Walter Schels. trans* | Magazin (Blick ins Buch)

Über mehrere Jahre begleitete Walter Schels junge Menschen, die sich als Mädchen empfinden, aber in einem Jungenkörper geboren wurden und umgekehrt. Schels' Porträts machen den schwierigen Prozess des Einswerdens mit sich selbst sichtbar. In Interviews berichten die Transmädchen und Jungen von Selbstablehnung und Selbstfindung, von Solidarität und Ausgrenzung, Freundschaft und Mobbing, von Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und der ersten Liebe. Redaktion: Beate Lakotta Sprachen: Deutsch, Englisch Format: 22,5 x 28 cm Hochwertiger Schwarzweiß-Digitaldruck auf Volumenpapier Softcover, Fadenbindung 104 Seiten

Über mehrere Jahre begleitete Walter Schels junge Menschen, die sich als Mädchen empfinden, aber in einem Jungenkörper geboren wurden und umgekehrt. Schels' Porträts machen den schwierigen Prozess des Einswerdens mit sich selbst sichtbar.

In Interviews berichten die Transmädchen und Jungen von Selbstablehnung und Selbstfindung, von Solidarität und Ausgrenzung, Freundschaft und Mobbing, von Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und der ersten Liebe.

Redaktion: Beate Lakotta

Sprachen: Deutsch, Englisch
Format: 22,5 x 28 cm
Hochwertiger Schwarzweiß-Digitaldruck auf Volumenpapier
Softcover, Fadenbindung
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VOM WEG ZUM LEBEN IM RICHTIGEN KÖRPER<br />

… und wie die Medizin Jugendlichen dabei helfen kann. Von Achim Wüsthof<br />

Als Arzt bin ich Spezialist für Hormone. Ich behandle Kinder<br />

und Jugendliche, die zu klein sind oder zu groß, zu dick oder<br />

zu dünn, deren Pubertät zu früh oder zu spät beginnt, die Probleme<br />

mit der Schilddrüse oder ihrem Zuckerstoffwechsel<br />

haben – die klassischen Gründe, weshalb Kinder zu einem<br />

Endokrinologen gehen.<br />

Seit etwa 20 Jahren kommen auch Kinder und Jugendliche<br />

zu mir, für die ihr Körper nicht zu ihrem gefühlten Geschlecht<br />

passt. Sie sind mit allen körperlichen Merkmalen eines Jungen<br />

geboren, aber von frühester Kindheit an empfinden sie sich als<br />

weiblich und wünschen sich einen passenden Körper, mit<br />

Brüsten, Taille und einer Vagina. Oder umgekehrt: Sie fürchten<br />

nichts mehr, als in die weibliche Pubertät zu kommen, denn<br />

sie empfinden sich als männlich, und dazu gehören für sie<br />

breite Schultern, Penis, Bart und tiefe Stimme.<br />

Ein komplexes Phänomen; der gesellschaftliche <strong>Blick</strong> darauf<br />

wandelt sich ständig – ebenso, wie wir darüber sprechen. Früher<br />

nannte man es „Transsexualität“. Bis heute regelt zum Beispiel<br />

in Deutschland das „Transsexuellengesetz“, wann und unter<br />

welchen Umständen eine Person ihr Geschlecht ändern darf,<br />

sowohl körperlich als auch amtlich; die meisten Betroffenen<br />

empfinden beides als Zumutung – das Gesetz ebenso wie die<br />

Bezeichnung. Sie sprechen lieber davon, trans * zu sein oder<br />

von „Transidentität“.<br />

Aber was genau ist Transsein? Lange definierten Ärzte und<br />

Forscher es als Störung der Geschlechtsidentität im Sinne einer<br />

medizinischen Diagnose. Heute bemühen wir uns,<br />

Transsein nicht mehr als „Störung“ und „krankhaft“ einzuordnen,<br />

sondern – wie die Homosexualität – als eine Normvariante,<br />

bei der das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht dem<br />

erlebten entspricht. In der Fachwelt sprechen wir von Geschlechtsinkongruenz.<br />

Das seelische Leiden daran bezeichnen<br />

wir als Geschlechtsdysphorie.<br />

Woher diese Variante von der Norm rührt, ist unbekannt.<br />

Noch heute glauben einige, dass die Erziehung eine Rolle spiele,<br />

wenn ein Kind eine transidente Entwicklung zeigt. Wissenschaftlich<br />

ist das nicht haltbar. Anatomie, Hormone und Chromosomen<br />

von Transmenschen entsprechen in der Regel dem<br />

ursprünglich zugeordneten Geschlecht. Neuroanatomisch<br />

betrachtet ähneln Strukturen gewisser Hirnareale von Transmenschen<br />

denen von Personen des gefühlten Geschlechts –<br />

schon bevor sie mit einer Hormonbehandlung beginnen.<br />

Den Jugendlichen, die zu mir kommen, ist es eher egal, woher<br />

ihre Zerrissenheit rührt. Sie leiden darunter, im falschen<br />

Körper zu leben. Nicht selten führt dieses Leid zu tiefer existenzieller<br />

Verzweiflung, Depressionen, Selbstverletzungen,<br />

Suizidgedanken, Suizidversuchen. Einer US-amerikanischen<br />

Meta-Studie zufolge nehmen sich fast sechsmal so viele Transjugendliche<br />

das Leben wie andere Teenager.<br />

Transidentität ist kein neumodisches Phänomen. Berichte über<br />

transidente Menschen gibt es aus unterschiedlichsten Epochen.<br />

Schätzungsweise einer von 5000 Menschen ist transident.<br />

Neu sind allerdings unsere medizinischen Möglichkeiten,<br />

den Körper dem gefühlten Geschlecht anzupassen. Meist unterstützen<br />

die Eltern ihr Kind auf diesem Weg. Ob als Sohn<br />

oder Tochter – die meisten wollen einfach nur, dass es glücklich<br />

wird. Die gesellschaftliche Akzeptanz dafür ist in den vergangenen<br />

Jahren gestiegen. Krankenkassen übernehmen die<br />

Kosten der Behandlung, Schulen schreiben den Wunschnamen<br />

auf das Zeugnis und die Klassenliste oder lassen zu, dass<br />

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