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Walter Schels. trans* | Magazin (Blick ins Buch)

Über mehrere Jahre begleitete Walter Schels junge Menschen, die sich als Mädchen empfinden, aber in einem Jungenkörper geboren wurden und umgekehrt. Schels' Porträts machen den schwierigen Prozess des Einswerdens mit sich selbst sichtbar. In Interviews berichten die Transmädchen und Jungen von Selbstablehnung und Selbstfindung, von Solidarität und Ausgrenzung, Freundschaft und Mobbing, von Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und der ersten Liebe. Redaktion: Beate Lakotta Sprachen: Deutsch, Englisch Format: 22,5 x 28 cm Hochwertiger Schwarzweiß-Digitaldruck auf Volumenpapier Softcover, Fadenbindung 104 Seiten

Über mehrere Jahre begleitete Walter Schels junge Menschen, die sich als Mädchen empfinden, aber in einem Jungenkörper geboren wurden und umgekehrt. Schels' Porträts machen den schwierigen Prozess des Einswerdens mit sich selbst sichtbar.

In Interviews berichten die Transmädchen und Jungen von Selbstablehnung und Selbstfindung, von Solidarität und Ausgrenzung, Freundschaft und Mobbing, von Erfahrungen mit Eltern, Geschwistern und der ersten Liebe.

Redaktion: Beate Lakotta

Sprachen: Deutsch, Englisch
Format: 22,5 x 28 cm
Hochwertiger Schwarzweiß-Digitaldruck auf Volumenpapier
Softcover, Fadenbindung
104 Seiten

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SUBTILE METAMORPHOSEN<br />

In seiner Langzeitstudie <strong>trans*</strong> zeigt <strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong> den Prozess des E<strong>ins</strong>werdens<br />

mit sich selbst. Von Beate Lakotta<br />

Leonie war das erste Transmädchen, das <strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong> im Herbst<br />

2013 in seinem Studio besuchte. Sie war in Begleitung ihrer Mutter<br />

gekommen, es war frühabends, wir saßen zusammen am<br />

großen Tisch, <strong>Walter</strong> servierte Kaffee und Kekse. Es ging darum,<br />

sich gegenseitig kennenzulernen, ein Gefühl füreinander zu<br />

bekommen. Zuvor hatte ein geme<strong>ins</strong>amer Freund, ein Arzt,<br />

<strong>Walter</strong> gefragt, ob er Lust habe, die Entwicklung einiger seiner<br />

Patienten zu dokumentieren. Als Hormonexperte behandelt der<br />

Freund seit vielen Jahren transsexuelle Jugendliche. Jungen, die<br />

als anatomisches Mädchen zur Welt gekommen sind, und Mädchen<br />

wie Leonie, die als anatomische Jungen geboren sind. Er<br />

hilft ihnen, ihren Körper ihrem als richtig empfundenen Geschlecht<br />

anzugleichen.<br />

Was der Arzt erzählte, weckte unsere Neugier. <strong>Walter</strong>, der<br />

Porträtanfragen aller Art seit vielen Jahren fast immer ablehnt,<br />

wollte sich auf dieses Langzeitprojekt einlassen. Die Idee war,<br />

die Transformation vom anatomisch angeborenen zum »richtigen«<br />

Geschlecht in bestimmten Zeitabständen fotografisch festzuhalten.<br />

Die Jugendlichen, die aus ganz Deutschland mit ihren<br />

Eltern zu ihrem Endokrinologen nach Hamburg anreisten, würden<br />

fortan den Arzttermin mit dem Besuch beim Fotografen<br />

verbinden, so war es gedacht. Natürlich würden die Eltern beim<br />

Fotografieren dabei sein und müssten auch ihr Einverständnis<br />

geben, schließlich sind alle Porträtierten anfangs minderjährig.<br />

Wenig später stand Leonie, damals 14 Jahre alt und körperlich<br />

noch zu hundert Prozent männlich, zum ersten Mal vor<br />

<strong>Walter</strong>s Kamera. Zunächst machte <strong>Walter</strong> seine charakteristischen<br />

Porträts – schwarzweiß, Mittelformat, en face, direkter<br />

<strong>Blick</strong>, wenig Mimik. Danach überließ er Leonie die Regie. Leonie<br />

strahlte selbstbewusst in die Kamera, verwuschelte ihre Korkenzieherlocken,<br />

probierte Posen aus, von niedlich bis Drama<br />

Queen. Ihr damaliger, altersangemessener Berufswunsch:<br />

Schauspielerin oder Model. Als Leonie und ihre Mutter wieder<br />

gegangen waren, blieben <strong>Walter</strong> und ich verblüfft zurück. Hätten<br />

wir Leonie getroffen, ohne ihre Geschichte zu kennen, niemals<br />

wären wir auf die Idee gekommen, dass sie etwas anderes<br />

sein könnte als – ein Mädchen.<br />

Mittlerweile umfasst die Serie Porträts von fast 30 Transmädchen<br />

und -jungen. Die jüngste Teilnehmerin war zum Zeitpunkt<br />

der ersten Aufnahme elf Jahre alt, der Älteste, Lias, ist heute 23.<br />

Ben, Leonie, Felix, Fynn, Sofia, Marie –<br />

sie wirken alle vollkommen authentisch<br />

Der Moment der Verblüffung bei der ersten Begegnung ist gleich<br />

geblieben: Ben, Leonie, Felix, Fynn, Sofia, Marie – sie alle wirken<br />

völlig authentisch. Kleidung, Körpersprache, Redeweise. Transmädchen<br />

legen mädchenhaft den Kopf schräg, Transjungen<br />

stellen sich erst mal mit verschränkten Armen vor die Kamera.<br />

Es ist, in formaler H<strong>ins</strong>icht, eine konservative Fotografie:<br />

Mädchengesichter, Jungengesichter, die ohne zu lächeln in die<br />

Kamera schauen. Ein gleichmäßiges, flaches Licht, das den Charakter<br />

dieser Serie bestimmt – wie den der meisten Serien, die<br />

<strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong> fotografiert hat. Was soll also das Besondere an<br />

diesen Bildern sein? Die meisten Betrachter sind zunächst ratlos.<br />

Erst wenn sie erfahren, was sich hinter den Porträts verbirgt,<br />

sind sie überrascht, irritiert und anschließend oft berührt. Viele<br />

fragen nach der »Vorher-nachher-Systematik« in der Serie. Sie<br />

erwarten, dass die Entwicklung von einem Geschlecht zum anderen<br />

in der äußeren Erscheinung klar erkennbar sein müsse.<br />

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