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06_StadtBILD_Juni 2022

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Görlitz, Figurenschmuck an einem Hauseingang (Foto: Adobe Stock.de)


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Vorwort<br />

Sie halten heute die druckfrische <strong>Juni</strong>ausgabe unseres<br />

beliebten <strong>StadtBILD</strong>-Magazins in den Händen.<br />

Nach 3 Monaten Krieg im Osten Europas spüren wir<br />

täglich die Auswirkungen in Verknappung und Verteuerung<br />

vieler Waren des täglichen Bedarfs. Auch<br />

das Druckpapier wurde von dieser Entwicklung<br />

nicht verschont, so dass wir jetzt schon nicht mehr<br />

kostendeckend für den symbolischen einen Euro<br />

drucken können. Dennoch bemühen wir uns, Ihnen<br />

weiterhin jeden Monat eine Ausgabe mit historischen,<br />

aber auch aktuellen Themen zukommen zu<br />

lassen. Ausgerechnet in unserer unruhigen Zeit wurde<br />

jetzt in der Stiftskirche „St. Wenzelslaus“ im Görlitzer<br />

Vorort Jauernick eine seit fast 100 Jahren geplante<br />

zweite Glocke angebracht. Mit ihrem Geläut trägt<br />

sie ihre Botschaft ICH RUFE ZU FRIEDEN ÜBER ALLE<br />

GRENZEN HINWEG weit ins Görlitzer Land hinein.<br />

Diesem Ruf verpflichtet sein wird auch der Lausitz<br />

Kirchentag vom 24.-26. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> in Görlitz. Hierüber<br />

berichten wir in vorliegender Ausgabe genauso wie<br />

über die 60.000 kostbaren Schätze des Graphischen<br />

Kabinetts im Görlitzer Kulturhistorischen Museum,<br />

deren älteste Graphiken aus der Dürer-Zeit stammen.<br />

Dieses Graphische Kabinett gibt einen fast<br />

lückenlosen Einblick in die Kunstgeschichte bis zur<br />

Gegenwart, so dass sich jederzeit ein Besuch lohnt!<br />

Genau vor 475 Jahren traf ein Ereignis aus den Religionskriegen<br />

die Görlitzer und ihren Rat besonders<br />

hart, und zwar handelt es sich um den bekannten<br />

Pöhnfall, über den unsere Leser hier mehr erfahren.<br />

Ein etwas anderer Beitrag bringt Ihnen die Anfänge<br />

und Geschichte der Zeidelwirtschaft in der Görlitzer<br />

Heide nah. Sie haben noch nie vom Zeidelwesen gehört?<br />

Dann sollten sie diesen informativen Beitrag<br />

auf jeden Fall lesen!<br />

Etwas kulinarischer ist der Artikel über die einst bekannte<br />

Görlitzer Konditorenfamilie aus der Schützenstraße.<br />

Die Straßenbahn ist heute aus dem Görlitzer Stadtbild<br />

nicht wegzudenken. Nicht wenige Görlitzer<br />

hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Die Vergangenheit<br />

kann dafür Vorbild sein – mittlerweile<br />

fahren seit 140 Jahren Straßenbahnen durch Görlitz.<br />

Die Geschichte der Straßenbahn in der Neißestadt<br />

begann genau am 25. Mai 1882 mit der Pferdebahnlinie.<br />

Weitere Linien kamen in den folgenden Jahren<br />

hinzu. 1897 wurde das Streckennetz auf Meterspur<br />

umgebaut und elektrifiziert. Die erste städtische<br />

Pferdeomnibuslinie wurde am 5. Mai 1892 eröffnet.<br />

1901 wird auf der Zittauer Straße das neue Depot<br />

der elektrischen Görlitzer Straßenbahn eingeweiht.<br />

Heute haben hier die Görlitzer Verkehrsbetriebe<br />

(GVB) ihr Wagendepot inkl. historische Triebwagen<br />

und eine Pferdebahn. Aus Anlaß des Jubiläums<br />

„140 Jahre Straßenbahn in Görlitz“ laden die GVB<br />

zu Sonderfahrten und Führungen am 25. <strong>Juni</strong> von<br />

11.00-17.00 Uhr auf dem Betriebshof, Zittauer Straße<br />

durch das Betriebsgelände ein. Es gibt in diesem Jahr<br />

damit gute Gründe, mit einem Tag der offenen Tür<br />

an diese Görlitzer Verkehrsgeschichte zu erinnern.<br />

Aktueller hingegen ist der Beitrag über das wegen<br />

der Pandemie auf den 18. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> verschobene<br />

Kneipenmusikevent „Görlitz Rockt“, welches wieder<br />

viele Görlitzer und Besucher zu den Kneipen locken<br />

wird, da das Event erstmals unter freiem Himmel vor<br />

den Lokalen ausgetragen werden wird.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Spannung beim Lesen und<br />

viel Freude beim Besuchen der angekündigten Veranstaltungen<br />

im Monat <strong>Juni</strong>.<br />

Ihre <strong>StadtBILD</strong>-Redaktion<br />

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Einleitung<br />

3


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Wussten Sie schon, dass das Graphische<br />

Kabinett mit seinem Gesamtbestand von<br />

rund 60.000 Werken zu den bedeutendsten<br />

öffentlichen Grafiksammlungen im Osten<br />

Deutschlands zählt? Beheimatet ist es in<br />

den Sammlungen des Kulturhistorischen<br />

Museums Görlitz.<br />

Die Geschichte des Kabinetts reicht rund<br />

300 Jahre zurück. Als der aus Schweidnitz<br />

(Świdnica) stammende Johann Gottlieb Milich<br />

1726 dem Görlitzer Rat seine Bibliothek<br />

schenkte, gehörten dazu auch zahlreiche<br />

Kupferstiche. Weitere kamen im Lauf des 18.<br />

Jahrhunderts durch Schenkungen von Görlitzer<br />

Bürgern hinzu. Parallel baute auch die<br />

1779 in Görlitz gegründete Oberlausitzische<br />

Gesellschaft der Wissenschaften eine Grafiksammlung<br />

auf. Beide Bestände wurden<br />

1932 zum heutigen Graphischen Kabinett<br />

vereinigt. Einige Handzeichnungen und<br />

Druckgrafiken gingen am Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs durch Auslagerungen verloren.<br />

Sie befinden sich heute unter anderem in<br />

der Sammlung der Polnischen Akademie<br />

der Wissenschaften in Krakau (Kraków). In<br />

den Jahren der DDR wuchs der Bestand<br />

durch Schenkungen, Ankäufe und die Übernahme<br />

von Künstlernachlässen weiter an.<br />

Auch heute wird das Graphische Kabinett<br />

jährlich um zahlreiche Werke ergänzt.<br />

Die Sammlungsbestände sind sehr vielfältig.<br />

Sie umfassen Handzeichnungen und<br />

Druckgrafiken der verschiedensten Techniken<br />

vom ausgehenden 15. Jahrhundert bis<br />

zur Gegenwart. Dabei gehören nicht nur<br />

Werke von Künstlern aus Görlitz und der<br />

Oberlausitz, sondern auch aus den historischen<br />

Nachbarregionen Sachsen, Schlesien<br />

und Böhmen zum Spektrum. Folgende<br />

Schwerpunkte zeichnen den Bestand aus:<br />

Druckgrafik der Dürer-Zeit<br />

Zu den ältesten und wertvollsten Beständen<br />

des Graphischen Kabinetts gehören die<br />

Druckgrafiken der Dürer-Zeit. Dabei handelt<br />

es sich um Holzschnitte und Kupferstiche<br />

von Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä.,<br />

Martin Schongauer, Sebald Beham und anderen<br />

namhaften Künstlern des ausgehenden<br />

15. und frühen 16. Jahrhunderts. Besondere<br />

Bedeutung besitzen Dürers Drucke der<br />

Kleinen Holzschnitt-Passion aus den Jahren<br />

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4<br />

Geschichte


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Albrecht Dürer, Der ungläubige Thomas<br />

(aus der Kleinen Holzschnitt-Passion),<br />

1509/10, Holzschnitt (Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

Lucas Cranach d. Ä., Ecce homo, 1509, Holzschnitt<br />

(Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

1509/10. Aus der Wittenberger Werkstatt<br />

Lucas Cranachs d. Ä. sind unter anderem<br />

Holzschnittillustrationen zur Heiligen Schrift<br />

vorhanden. Die Wirkung solcher Druckgrafiken<br />

in Görlitz belegen die Holzschnitte von<br />

Georg Scharffenberg, der seit den 1560er<br />

Jahren in der Neißestadt tätig war.<br />

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Geschichte<br />

5


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Johann Alexander Thiele, Flusslandschaft mit Brücke, 1751, Feder und Pinsel in Braun<br />

(Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

Landschaftszeichnungen der Klassik und Romantik<br />

Im 18. und 19. Jahrhundert spielte die<br />

Landschaftszeichnung eine besondere<br />

Rolle. Das lässt sich anhand der Werke im<br />

Graphischen Kabinett umfassend darstellen.<br />

Führend auf diesem Gebiet waren<br />

Künstler aus Sachsen, insbesondere aus<br />

Dresden und Leipzig. Zu ihnen gehörte der<br />

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6<br />

Geschichte


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Christoph Nathe, Blick über die Neiße auf die Görlitzer Peterskirche, 1785, Pinsel in Wasserfarben<br />

(Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

kurfürstlich sächsische Hofmaler Johann<br />

Alexander Thiele, von dem sich zahlreiche<br />

Zeichnungen im Graphischen Kabinett befinden.<br />

Im ausgehenden 18. Jahrhundert<br />

war der aus der Oberlausitz stammende<br />

Christoph Nathe ein wichtiger Protagonist<br />

der Zeichenkunst. Seine Ansichten<br />

aus Görlitz und Umgebung, aber auch aus<br />

dem Riesengebirge und den Schweizer<br />

Alpen waren Vorläufer für die Zeichen-<br />

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Geschichte<br />

7


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Adrian Ludwig Richter, Rast im Gebirge, um 1830, Pinsel in Wasserfarben (Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

kunst der Romantik. Das Graphische Kabinett<br />

bewahrt mit rund 400 Zeichnungen<br />

den weltweit größten Einzelbestand<br />

seiner Werke. Auch die Zeichenkunst der<br />

Romantik ist durch erstrangige Arbeiten<br />

im Kabinett präsent. Dazu zählen Werke<br />

von Julius Schnorr von Carolsfeld, Moritz<br />

von Schwind oder Adrian Ludwig Richter.<br />

Sehr umfangreich ist auch die Gruppe der<br />

Zeichnungen des aus Lodenau stammenden<br />

Adolf Gottlob Zimmermann, der zum<br />

Kreis der Nazarener, einer romantischreligiösen<br />

Kunstrichtung des 19. Jahrhunderts,<br />

gehörte.<br />

Handzeichnungen und Druckgrafiken der<br />

Moderne<br />

Die grafischen Künste erlebten im Zeitalter<br />

der Moderne erneut eine große Blüte.<br />

Im Graphischen Kabinett wird dies durch<br />

Werke aus den verschiedenen modernen<br />

Stilrichtungen – dem Impressionismus,<br />

dem Expressionismus oder auch<br />

der Neuen Sachlichkeit – belegt. Der Fokus<br />

liegt hier vor allem auf Künstlerinnen<br />

und Künstlern aus Görlitz, aber auch aus<br />

Dresden und Breslau (Wrocław). Zu den<br />

wesentlichen Beispielen expressionistischer<br />

Zeichenkunst gehören die Pastelle<br />

des Görlitzers Fritz Neumann-Hegenberg.<br />

Die Neue Sachlichkeit repräsentieren Werke<br />

von Arno Henschel und Willi Schulz<br />

aus den 1920er bis 1950er Jahren. Eine<br />

besondere Gruppe bildet der moderne<br />

Kupferstich, der maßgeblich vom Görlitzer<br />

Johannes Wüsten in den ausgehenden<br />

1920er Jahren geprägt wurde. Wüstens<br />

druckgrafisches Werk ist in Gänze im Kabinett<br />

vorhanden.<br />

8<br />

Geschichte


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Fritz Neumann-Hegenberg, Schlummerndes Dorf, um 1920, Tempera (Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

Druckgrafiken aus der DDR<br />

In der DDR wurde den grafischen Künsten<br />

eine große Bedeutung zugemessen. An allen<br />

Kunsthochschulen erfolgte ein Unterricht<br />

in druckgrafischen Techniken, aber<br />

auch im Rahmen zahlreicher Mal- und<br />

Zeichenzirkel fand eine intensive Beschäftigung<br />

mit ihnen statt. Das spiegelt sich<br />

auch in den umfangreichen Beständen<br />

des Graphischen Kabinetts zur Druckgrafik<br />

aus der DDR wider. Insbesondere Dresde-<br />

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10<br />

Geschichte


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Wilhelm Rudolph, Pferd vor Ruinen, um 1949, Holzschnitt (Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

ner Künstler, die im Umfeld der dortigen<br />

Kunsthochschule tätig waren, sind mit<br />

Werken vertreten, wie z. B. Wilhelm Rudolph,<br />

Hans und Lea Grundig oder auch der<br />

aus Görlitz stammende Stefan Plenkers. In<br />

jüngster Zeit konnte diese Bestandsgruppe<br />

durch Schenkungen um zahlreiche<br />

Werke von Künstlern wie Dieter Goltzsche,<br />

Horst Weber oder Armin Schulze erweitert<br />

werden.<br />

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Geschichte<br />

11


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

Johann Gottfried Schultz, Klebeband mit Kupferstichen, angelegt um 1800 (Foto: Görlitzer Sammlungen)<br />

Grafikbände<br />

Neben zahlreichen Einzelblättern gehören<br />

auch mehrere hundert Grafikbände zum<br />

Graphischen Kabinett. Einen besonderen<br />

Schatz bilden dabei die sogenannten<br />

Klebebände. Bei ihnen handelt es sich um<br />

eine alte Form des Sammelns, bei dem die<br />

Blätter nicht einzeln, sondern in Büchern<br />

eingeklebt zusammengetragen wurden.<br />

Während in anderen Kupferstichkabinetten<br />

Klebebände im 20. Jahrhundert oft<br />

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12<br />

Geschichte


Meisterwerke auf Papier. Das Görlitzer Graphische Kabinett<br />

auf Papier<br />

wieder aufgelöst wurden, erfolgte dies in<br />

Görlitz glücklicherweise nicht. Dadurch<br />

blieben z. B. die rund 40 Klebebände, die<br />

der Oberlausitzer Johann Gottfried Schultz<br />

um 1800 zusammenstellte, bis heute in ihrer<br />

ursprünglichen Form erhalten. Auch<br />

die Bände des Görlitzer Mathematikers<br />

und Zeichners Daniel Petzold aus der Mitte<br />

des 18. Jahrhunderts sind bis heute erhalten.<br />

Gegenwärtig zeigt das Graphische Kabinett<br />

noch bis zum 16. Oktober <strong>2022</strong><br />

japanische Farbholzschnitte des 19. Jahrhunderts,<br />

darunter Meisterwerke des bekannten<br />

Malers und Grafikers Katsushika<br />

Hokusai.<br />

Kai Wenzel<br />

Da Kunstwerke auf Papier sehr lichtempfindlich<br />

sind, können sie immer nur für kurze<br />

Zeit ausgestellt werden. Das Graphische<br />

Kabinett verfügt über einen eigenen Ausstellungsraum<br />

im Barockhaus Neißstraße<br />

30. Hier werden unter wechselnden Themen<br />

Einblicke in die Sammlungsbestände<br />

gegeben. Darüber hinaus ist es möglich,<br />

sich nach Voranmeldung Grafiken während<br />

der Öffnungszeiten des Museums<br />

vorlegen zu lassen. Eine umfangreiche<br />

Publikation unter dem Titel „Meisterwerke<br />

auf Papier. Das Graphische Kabinett zu<br />

Görlitz“ gibt zudem einen Überblick über<br />

die Sammlung und ist in unserem Museumsshop<br />

erhältlich.<br />

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Geschichte 13


Sachsens größtes Kneipenfestival<br />

Görlitz Rockt!<br />

Color The Sky bringen mit ihrem handgemachten Acoustic-Rock tanzbare Lagerfeuerstimmung auf die<br />

großen Bühnen dieser Welt! (Foto: incaming media GmbH)<br />

Es gibt es wieder. Nach zwei Jahren erzwungener<br />

Pause findet das Görlitzer Kneipenmusikfestival<br />

endlich wieder statt. Auf Grund der<br />

noch im Frühjahr unklaren epidemischen<br />

Lage wurde sicherheitshalber die beliebte<br />

Musiknacht in den Frühsommer verlegt. Das<br />

bedeutet natürlich etliche Umplanungen.<br />

So wurde das Kneipenmusikfestival auf den<br />

18. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> verlegt.<br />

Da die abendlichen Temperaturen Mitte <strong>Juni</strong><br />

bereits sommerliche Werte haben können,<br />

haben wir uns entschlossen, das Kneipenmusikfestival<br />

als Open-Air-Veranstaltung vor<br />

den Gaststätten auszurichten. Falls Petrus<br />

ein paar Regenschauer schicken sollte, wird<br />

das der Stimmung keinen Abbruch tun, wir<br />

haben entsprechende Pavillons vor den Lokalen<br />

aufgebaut.<br />

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14<br />

Ausblick


Görlitz Rockt!<br />

Rockt!<br />

Das Festival beginnt mit dem Eröffnungskonzert<br />

der beliebten Görlitzer Band „Color<br />

The Sky“ im Gleis 1 im Görlitzer Bahnhof bereits<br />

17.17 Uhr. Ab 18.00 Uhr beginnen dann<br />

über 20 Bands und Künstler in und vor den<br />

verschiedenen Lokations zu spielen.<br />

Das Programm ist erneut vielfältig. So reicht<br />

die Palette der angebotenen Musikrichtungen<br />

wieder vom Alternativ-, Klassik- und<br />

Punkrock hin zu Blues und Rockabilly. Die<br />

Freunde von Pop und Schlager kommen vor<br />

dem Citycenter auf ihre Kosten. Von lateinamerikanischen<br />

Rhythmen, internationalem<br />

Pop, fröhlichem Reggae, krachendem<br />

Beat, groovendem Soul und treibendem<br />

Rock'n'Roll bis hin zu den besten Partykrachern<br />

der letzten 30 Jahre ist für fast jeden<br />

Musikgeschmack etwas dabei. Dementsprechend<br />

vielfältig sind auch die Künstler, die<br />

am 18. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> auftreten.<br />

So reicht das Angebot vom Solokünstler bis<br />

zur größeren Musikband, von lokalen Musikern<br />

bis zu überregionalen Künstlern und<br />

von melodischen Stimmen bis hin zu harten<br />

Rockern.<br />

So abwechslungsreich wie die Akteure wird<br />

auch das gebotene Musikprogramm.<br />

Eine Stadt, eine Nacht und überall Livemusik<br />

– ein unschlagbares Konzept, das am 18. <strong>Juni</strong><br />

<strong>2022</strong> Liebhaber handgemachter Livemusik<br />

auf die Beine bringt. Das Festival erstreckt<br />

sich in diesem Jahr vom Görlitzer Bahnhof<br />

bis zur Vierradenmühle an der polnischen<br />

Grenze, und dabei kann man bequem zwischen<br />

den einzelnen Locations flanieren und<br />

die Schönheit der Europastadt genießen.<br />

Dadurch wird wieder ein lebhaftes Treiben<br />

in die beschauliche Altstadt einziehen, welche<br />

zusätzlich noch durch etliche gleichzeitig<br />

stattfindende Hochzeitsfeiern belebt wird.<br />

Das Festival ist in diesem Jahr aber mehr als<br />

nur ein lieb gewonnenes Musikfestival. Es ist<br />

auch die gefeierte Rückkehr in ein Nachtleben,<br />

wie man es von früher kannte, als Corona<br />

nur eine Biermarke war. Die Maskenpflicht<br />

ist gefallen, und auch sonst gibt es keine Corona-Einschränkungen<br />

mehr. Ganz nach dem<br />

Motto: „Reclaiming Freedom - das Leben hat<br />

uns wieder“! Und entsprechend motiviert<br />

sind die Veranstalter an die Organisation herangegangen.<br />

„Wir wollen den Corona-Stress<br />

hinter uns lassen und eine gute Zeit haben“,<br />

erklärt Andreas Ch. de Morales Roque, vom<br />

Organisationsteam „Görlitz Rockt“.<br />

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Ausblick<br />

15


Sachsens größtes Kneipenfestival<br />

Görlitz Rockt!<br />

Vor dem Nachtschmied spielen die Görlitzer Altrocker „Zenker & Co“. (Foto: incaming media GmbH)<br />

In der Krebsgasse neben dem Café Oriental<br />

wird die Bühne für die Newcomer Lea &<br />

Kevin und die junge Görlitzer Band „Demianiplatz<br />

3“ zum Sprungbrett für hoffentlich<br />

weitere Auftritte.<br />

Auf dem Untermarkt sorgen „Mr. Creamy“<br />

und „Rooftop Radio“ für durchgängige Partystimmung,<br />

während auf dem Obermarkt<br />

vor dem Nachtschmied die Altrocker „Zenker<br />

& Co“ wieder mit bekannten Songs für Fröhlichkeit<br />

sorgen. In der Neißstraße sorgen die<br />

Musiker von „Instinkt“ im Barbecue wieder<br />

für gute Laune. Im Vogtshof des Studierendenclub<br />

Maus rockt Toni mit seinen Musikern<br />

der Band „Ramroad“. Wir wollen hier<br />

nicht alle Lokalitäten aufzählen. Entdecken<br />

Sie am besten selbst mit dem ausführlichen<br />

Programmheft in der Hand, welches es zu je-<br />

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16<br />

Ausblick


Görlitz Rockt!<br />

Rockt!<br />

Mr. Creamy: Mit den Rockklassikern der 80er, 90er und 2000er sorgt die Oberlausitzer Coverband für ausgelassene<br />

Stimmung und lässt die wilden Zeiten noch einmal aufleben. (Foto: incaming media GmbH)<br />

dem Eintrittsbändchen gratis dazu gibt, die<br />

einzelnen Lokale mit ihren vielseitigen Angeboten.<br />

Und so funktioniert das Kneipenfestival:<br />

Die Besucher können im Vorverkauf bei<br />

www.eventbrite.de sowie bei den bekannten<br />

Vorverkaufsstellen und in den jeweiligen<br />

Kneipen im Vorverkauf für 12,00 Euro zzgl.<br />

Gebühren Einlaßbändchen und Programmheft<br />

erwerben!<br />

An der Abendkasse kostet der Einlass 15,00<br />

Euro. Mit den Einlaßbändchen kann man<br />

in allen teilnehmenden Lokalen die unterschiedlichen<br />

Liveauftritte genießen.<br />

Kommen Sie mit Ihrer Familie und Freunden<br />

zu dem einmaligen Event und genießen<br />

Sie einen wundervollen Abend bei<br />

„Görlitz Rockt“!<br />

Bertram Oertel<br />

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Ausblick<br />

17


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Hochzeitsfoto von Willy Frenzel und Jenny Donner.<br />

Mit der Industrialisierung Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts – vorangetrieben durch den<br />

Anschluss an das preußische und sächsische<br />

Eisenbahnnetz – wurde in Görlitz die<br />

mittelalterliche Stadtanlage nach Süden<br />

und Westen hin durch gründerzeitliche<br />

Wohn- und Villenviertel erweitert.<br />

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18<br />

Geschichte


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Und im Jahre 1919 beginnt mit dem Bestehen<br />

der Meisterprüfung für das Handwerk<br />

der Konditoren die Geschichte der Konditorfamilie<br />

Frenzel.<br />

In Chemnitz startete Willy Frenzel seine<br />

berufliche Laufbahn zunächst als Konditorgehilfe<br />

in der Zeit 14. Oktober 1914<br />

bis 25. Mai 1915 bei der Konditorei und<br />

Kaffeestube „Emil Freund & Nachfolger“.<br />

Der damalige Inhaber Carl Jentzsch führte<br />

das kleine Geschäft nach und nach zu einem<br />

erstklassigen und renommierten gastronomischen<br />

Unternehmen, das er 1929<br />

in EFREUNA, Konditorei- und Kaffeehaus<br />

(ca. 400 Sitzplätze) umbenannte und das<br />

heute noch ein beliebter Ort für Kaffeekränzchen<br />

in Chemnitz ist.<br />

Zeugnis des Konditorgehilfen Willy Frenzel.<br />

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Geschichte<br />

19


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Im Mai 1915 folgte für Willy Frenzel die Einberufung<br />

zum Militär, er diente während<br />

des 1. Weltkriegs in Rumänien.<br />

Mit dem Ende des 1. Weltkriegs kehrte er<br />

1918 nach Chemnitz zurück, wo er im Dezember<br />

1919 die Meisterprüfung für das<br />

Handwerk der Konditoren ablegte. Während<br />

dieser Zeit in Chemnitz lernte er auch<br />

Frau Jenny Donner aus Mühlau kennen<br />

und lieben, die er dann später heiratete.<br />

Ca. 1921 erwarb der Konditormeister Willy<br />

Frenzel ein Haus in der Görlitzer Schützenstraße<br />

(ca. 1910 erbaut) und übernahm<br />

das Café C. Leifer im Erdgeschoß.<br />

20<br />

Geschichte


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Das Bild (unten rechts Seite 20) zeigt das<br />

Haus in der Schützenstraße eingerüstet –<br />

Datum und Grund der Baumaßnahme sind<br />

unbekannt, nach Fertigstellung zeigte sich<br />

die Fassade vereinfacht – Zierrat und Putz<br />

wurde teilweise entfernt – hinzugekommen<br />

ist der Schriftzug „Konditorei Frenzel“<br />

(Bild oben).<br />

Die Konditorei befand sich auf der rechten<br />

Seite des Gebäudes.<br />

Das Bild oben rechts zeigt den Verkaufsraum,<br />

Frau Jenny Frenzel mit zwei Mitarbeiterinnen,<br />

und rechts oben an der Wand<br />

hängt der Meisterbrief von Willy Frenzel.<br />

Geschichte<br />

21


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Auf dem Bild ist vor der Eingangstüre stehend<br />

die langjährige Mitarbeiterin Fräulein<br />

Pfriem zu sehen, sie bestand darauf<br />

mit „Fräulein“ angesprochen zu werden.<br />

Das Ehepaar Frenzel wohnte im 1. Obergeschoß<br />

rechts, direkt über der Konditorei.<br />

Hermann und Dietrich Donner (oben rechtes<br />

Bild) bei einem ihrer zahlreichen Besuche<br />

in Görlitz auf dem Dachgarten des<br />

Hauses Schützenstraße im Jahre 1944.<br />

Dietrich Donner (rechtes Bild) als „Konditor“<br />

im Innenhof des Hauses Schützenstraße<br />

in Görlitz.<br />

22<br />

Geschichte


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Diese Aufnahme stammt ebenfalls aus dem<br />

Jahre 1944 und zeigt Konditormeister Willy<br />

Frenzel inmitten seines Teams im Hof des<br />

Hauses Schützenstraße. Rechts neben Willy<br />

Frenzel mit der Bäckermütze Günter Krause,<br />

der in den 1960iger Jahren seine Meisterprüfung<br />

ablegte und ebenfalls in der Schützenstraße<br />

wohnte. Links vorne Fräulein Pfriem<br />

und in der Mitte der junge Dietrich Donner.<br />

1950 – Wolfram Donner umgeben von jungen<br />

Damen auf dem Schaufenstersims des<br />

Uhrmachermeisters Erich Schaaf in der Görlitzer<br />

Schützenstraße.<br />

Geschichte<br />

23


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Der junge Wolfram Donner genießt am<br />

Abend nach dem Essen ein gutes Eis (ca.<br />

1955).<br />

Konditormeister Willy Frenzel vor seinem Laden<br />

in der Görlitzer Schützenstraße (1957).<br />

Willy Frenzel auf dem Dachgarten seines<br />

Hauses Schützenstraße in Görlitz. Hier verbrachte<br />

er mit seiner Familie viele schöne<br />

Stunden während der warmen Jahreszeit<br />

(unten Ehepaar Frenzel 1963).<br />

24<br />

Geschichte


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Das Ehepaar Frenzel 1967 vor dem Haus<br />

Schützenstraße in Görlitz mit Frau Monika<br />

Donner und Tochter Ulrike. Im Hintergrund<br />

ist der Laden des Uhrmachers Erich Schaaf<br />

zu erkennen.<br />

Konditormeister Willy Frenzel ist Anfang<br />

der 1960iger Jahre in den Ruhestand gegangen,<br />

und hat die Konditorei und das<br />

Kaffee an den Konditormeister Weustenfeld<br />

verpachtet. Danach hatte er mehr Zeit,<br />

um sich um seine Familie zu kümmern<br />

– auf dem Bild unten begießt er 1967 die<br />

junge Kathrin Donner auf dem Dachgarten<br />

seines Hauses Schützenstraße in Görlitz,<br />

auf daß sie schneller wachsen möge.<br />

Geschichte<br />

25


Die Geschichte der Konditorfamilie Frenzel<br />

Familienfoto im <strong>Juni</strong> 1975, anläßlich des 80. Geburtstages von Konditormeister Willy Frenzel i.R. auf dem Dachgarten<br />

des Hauses Schützenstraße in Görlitz.<br />

Willy Frenzels Ehe blieb kinderlos, und von<br />

den potentiellen Erben wollte keiner das<br />

Haus mit Grundstück übernehmen, da zu<br />

Zeiten der DDR der Erhalt eines solchen<br />

Gebäudes von Einzelpersonen kaum zu<br />

stemmen war. Er verpachtete seine Konditorei<br />

und das Kaffee noch an zwei weitere<br />

Konditormeister – Rothenburger und<br />

Handke, bis er sich im <strong>Juni</strong> 1978 dazu entschloss,<br />

per Verzichtserklärung sein Haus<br />

in der Schützenstraße der Stadt Görlitz zu<br />

vermachen.<br />

Das Haus in der Schützenstraße in Görlitz<br />

wurde bis 2020 mehr oder weniger sich<br />

selbst überlassen, so dass der Zerfall seinen<br />

Lauf nahm. Nun aber sieht es so aus,<br />

als würde es einen Investor geben, der<br />

dieses Gebäude zu neuem Leben und alter<br />

Schönheit erweckt.<br />

Vielen Dank an Herrn Antonio Rankel<br />

(www.phototoniart.de) und an Herrn W.<br />

Donner für den Beitrag und die zur Verfügung<br />

gestellten Fotos!<br />

Willy Frenzel erlitt im Oktober 1987 einen<br />

Schlaganfall, an dem er am 03.11.1987 verstarb.<br />

26<br />

Geschichte


475 Jahre Pönfall<br />

Jahre Pönfall<br />

Vorgeschichte<br />

Um das Jahr 1500 stand die königlich böhmische<br />

Stadt Görlitz im Zenit ihrer wirtschaftlichen<br />

Blüte wie auch ihrer machtvollen<br />

politischen Selbstständigkeit. Sonderlich<br />

das kräftig ausgebildete Exportgewerbe der<br />

Tuchmacherei, der Fernhandel sowie eine<br />

damit verbundene überaus kluge Diplomatie<br />

gegenüber den meist schwach agierenden<br />

Landesherren waren dafür die wesentlichen<br />

Voraussetzungen gewesen. Wohl<br />

niemand in Görlitz und den anderen ebenfalls<br />

durchaus prosperierenden Städten des<br />

Bundes hätte sich vorstellen können, dass<br />

nur ein halbes Jahrhundert später die Früchte<br />

der Mühen von Generationen nahezu völlig<br />

vernichtet werden würden. Europa geriet<br />

ab Beginn des 16. Jahrhunderts in komplexe<br />

Wandlungsprozesse, die den heutigen<br />

durchaus ähneln. Die Reformation wirkte<br />

dabei als bedeutsamer Katalysator zur Ausprägung<br />

und Lösung schon länger schwelender<br />

Konflikte. Dies betraf nun auch und<br />

besonders das kleine Markgraftum Oberlausitz,<br />

Nebenland der böhmischen Krone, ein<br />

Territorium mit nur rudimentär ausgeprägter<br />

Zentralstaatlichkeit, aber mit bedeutenden<br />

partikularen Herrschaftsstrukturen. So<br />

bedingte die damalige Schwäche der Landesherrschaft,<br />

dass anders als üblich die Inhaber<br />

von Grundherrschaft, also die Räte der<br />

Sechsstädte, der Adel und die Klöster über<br />

die Konfession ihrer Untertanen entschieden.<br />

Mehrheitlich wurde das Land evangelisch.<br />

Als der böhmische König Ferdinand<br />

I. im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts<br />

an politischem Handlungsspielraum etwa<br />

durch einen Friedensvertrag mit den Osmanen<br />

und mit der Stabilisierung der Zentralstaatlichkeit<br />

in seinen Kernländern gewann,<br />

geriet auch die Lösung der bestehenden<br />

Konflikte mit den Kronnebenländern, so<br />

auch mit den Ständen der Oberlausitz (Adel<br />

und Städte) in dessen Blickfeld. Dabei ging<br />

es besonders um die Zentralisierung des<br />

Gerichts-, Steuer- und Militärwesens, den<br />

Abbau von Privilegien, dessen Ausbau frühmoderner<br />

Staatlichkeit und natürlich ebenso<br />

um die Konfessionsfrage. Zugleich strebte<br />

wesentlich der oberlausitzer Adel nach einer<br />

Lösung der Streitigkeiten mit den dominant<br />

auftretenden Sechsstädten, die ihm jedoch<br />

nur mit Hilfe des Landesherrn möglich erschien.<br />

Dazu zählte u.a. dessen Forderung,<br />

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Geschichte<br />

27


475 Jahre Pönfall –<br />

Jahre Pönfall<br />

dass die landesherrlichen Steuern der Stadtund<br />

Bürgerdörfer mit zur Quote des Adels<br />

zugerechnet werden sollten. Man forderte<br />

zwei Stimmen für den Adel auf den Landtagen,<br />

die Abschaffung der Gerichtskompetenzen<br />

der Städte auf den Dörfern adliger<br />

Grundherren wie auch erweiterte Marktund<br />

Braurechte. All diese Konflikte eskalierten<br />

dann in Folge des Schmalkaldischen<br />

Krieges, den die Katholische Liga Kaiser Karls<br />

V. und treu an dessen Seite Ferdinand I. gegen<br />

den protestantischen Schmalkaldischen<br />

Bund unter Kurfürst Johann Friedrich von<br />

Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen<br />

1546 führte. Die Stände der Oberlausitz gerieten<br />

angesichts der Geld- und Truppenforderungen<br />

König Ferdinands I. in einen<br />

schweren Gewissenskonflikt. De jure war<br />

man dem Landesherrn zu Gehorsam und<br />

Hilfe verpflichtet, praktisch sollte man sich<br />

mit den protestantischen Glaubensbrüdern<br />

in blutigen Schlachten schlagen. Wie immer<br />

suchte man daher die geforderten Leistungen<br />

zu mindern, man korrespondierte und<br />

verhandelte hinhaltend. Dazu kam, dass<br />

der sächsische Kurfürst versuchte, die Oberlausitzer<br />

in diesem Religionskrieg auf seine<br />

Seite zu ziehen. In Böhmen verweigerte die<br />

starke Ständeopposition ihrem König Truppen<br />

für den Feldzug außerhalb der Heimat.<br />

Die gegen Ferdinand revoltierenden Böhmen<br />

suchten nun auch die Unterstützung<br />

der Nebenländer der Krone. Eine fatale Situation<br />

entstand. Anfang des Jahres 1547 erklärte<br />

sich, den Zorn des Landesherrn fürch-<br />

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28<br />

Geschichte


Ende der Blütezeit des Sechsstädtebundes und der Stadt Görlitz.<br />

475 Jahre Pönfall<br />

tend, die oberlausitzische Ritterschaft bereit,<br />

1000 Reiter und die Städte, 500 Mann für<br />

zwei Monate zu stellen. Die Kriegsereignisse<br />

und das Agieren Ferdinands sollten nun<br />

aber dramatische Folgen für die Sechsstädte<br />

zeitigen. Zugleich geriet man mit dem Adel<br />

und seinem absolut feindlichen Anführer<br />

Dr. Ullrich von Nostiz aus verschiedenen<br />

Ursachen immer mehr in Streit. Den Grund<br />

für die Bestrafungsaktion Ferdinands lieferte<br />

der eigentlich vertragsgemäße Abzug des<br />

sechsstädtischen Truppenkontingents kurz<br />

vor der Entscheidungsschlacht bei Mühlberg<br />

am 24. April 1547. Das Schreiben Ferdinands<br />

mit Forderung um Verlängerung der<br />

Waffenhilfe wurde erst am Vortage (!) verfasst<br />

und erreichte die Städte erst nach der<br />

vernichtenden Niederlage des Schmalkaldischen<br />

Bundes. Es folgte ein blutiges und<br />

drastisches Strafgericht Ferdinands gegen<br />

die böhmische Ständeopposition, das deren<br />

Vertretern alle Privilegien und den Besitz<br />

entzog. Voller Schrecken verfolgte man hier<br />

die böhmischen Ereignisse und hoffte auf<br />

die königliche Gnade. Dann am 9. August<br />

erhielten die Görlitzer das wohl furchterregendste<br />

Schreiben der bisherigen Stadtgeschichte.<br />

König Ferdinand I. lud den gesamten<br />

Rat und 10 Personen aus dem Gremium<br />

der Geschworenen für den 1. September auf<br />

die Prager Burg vor. Sie sollten sich dort wegen<br />

Ungehorsam, Widersetzlichkeit und Rebellion<br />

verantworten.<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Siegfried Hoche, Ratsarchivar<br />

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Geschichte<br />

29


„Von Wegen“<br />

Wegen<br />

Unter dem Motto „VON WEGEN“ laden vom<br />

24. bis 26. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> fünf Kirchenkreise aus<br />

zwei Landeskirchen gemeinsam zum LAU-<br />

SITZ KIRCHENTAG nach Görlitz ein. Das Begegnungswochenende<br />

in der Lausitz feiert<br />

Gemeinschaft über Kirchgemeindegrenzen<br />

hinweg und gibt ein buntes Glaubenszeugnis<br />

in die Region. Seien Sie dabei und werden<br />

Sie ein Teil dieses Festes!<br />

Neben jeder Menge Musik können Sie sich<br />

auf Open-Air Gottesdienste, ein bunt gemischtes<br />

Programm in thematischen Zentren,<br />

Tagzeitgebete und spirituelle Momente,<br />

den Markt der Möglichkeiten und jede<br />

Menge gute Gespräche und nette Begegnungen<br />

freuen.<br />

Erleben Sie die Konzerte des erzgebirgischen<br />

Sängers Samuel Rösch und der a capella<br />

Band „Alte Bekannte“ oder lauschen<br />

Sie Johann Knöfels Cantus Choralis 1575.<br />

Die Ökumenischen Chortage „Atem, los!"<br />

mit dem Landesposaunentag in der EKBO<br />

sind in den LAUSITZ KIRCHENTAG eingebunden.<br />

Hunderte von Bläserinnen und<br />

Bläsern bringen die Stadt zum Klingen. Ein<br />

Freitag, 20.00 Uhr, Obermarkt: Sänger Samuel<br />

Rösch (2018 gewann er die Gesangs-Castingshow<br />

„The Voice of Germany“ und ist seitdem mit<br />

deutschsprachigem Pop unterwegs) © Julia Tuncel<br />

Kindermusical zur Emmausgeschichte wurde<br />

eigens für den Kirchentag komponiert<br />

und erlebt seine Uraufführung.<br />

Pilgern Sie zum Heiligen Grab in Görlitz<br />

oder beteiligen Sie sich an lebhaften Diskussionen<br />

über (lokal)politische, kirchliche<br />

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32<br />

Ausblick


Herzliche Einladung zum Lausitz Kirchentag<br />

Von Wegen<br />

und wirtschaftliche Themen auf dem Roten<br />

Sofa. Der LAUSITZ KIRCHENTAG lädt unter<br />

anderem ein zum Austausch über Diakonie,<br />

Kirche und Gesellschaft, Ökumene, sozialen<br />

Frieden, Jugend und Bildung.<br />

Mit dabei sind die Ministerpräsidenten Michael<br />

Kretschmer und Dr. Dietmar Woidke,<br />

Samstag, 17.30 Uhr, St. Peter und Paul: „Singt & spielt!“<br />

Sie lieben klassische Musik und wollen einen echten<br />

Ohrenschmaus erleben? Den gibt es beim Festkonzert<br />

des Landesposaunentages und des<br />

Ökumenischen Chortages der EKBO<br />

Samstag, 16.00 Uhr, Bühne Obermarkt: „Keine Kohle,<br />

aber ne Menge Energie?!“ u.a. mit: Ministerpräsident<br />

Michael Kretschmer und Bischof Dr. Christian Stäblein<br />

die Bischöfe der einladenden Landeskirchen<br />

Dr. Christian Stäblein (EKBO) und Tobias<br />

Bilz (EVLKS), Bischof Wolfgang Ipolt<br />

(Görlitz), Propst Joachim Lenz (Jerusalem),<br />

der Israel-Experte Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Dieter<br />

Vieweger, der Autor Dr. Johannes Stemmler,<br />

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Ausblick<br />

33


Herzliche Einladung zum Lausitz Kirchentag<br />

Von Wegen<br />

Pastorin und Leiterin Kirche im Dialog Dr.<br />

Emilia Handke, die Grünen-Politikerin Heide<br />

Schinowsky und die Journalistin Christine<br />

Keilholz. Viele weitere Gäste werden den<br />

Austausch zu den Themenschwerpunkten<br />

bereichern.<br />

Das Jugend-Areal lädt zu Workshops, sportlichen<br />

Aktivitäten mit Bubblefußball und<br />

Kletterwand, Chillout-Ecken und guten<br />

Gesprächen ein. Die Theatergruppe ev.<br />

Jugend Oberlausitz plant gerade ein Theaterstück<br />

mit Jugendlichen für Jugendliche.<br />

Für Kinder und deren Familien wird es unter<br />

anderem eine musikalische Familienshow<br />

mit Sebastian Rochlitzer geben. Der<br />

Kinder-und Jugendzirkus Applaudino lädt<br />

zu einem kreativen Mitmach-Programm ein<br />

– jonglieren, Einrad fahren und Akrobatik.<br />

Sonntag, 15.00 Uhr, Stadtpark: „Ich stell die Welt auf<br />

den Kopf“ – eine Familienshow mit Sebastian Rochlitzer<br />

und Handpuppe Ulfie, Kleinkunst-Elementen<br />

und jeder Menge Mitmachliedern. © Sergej Falk<br />

Wenn Sie den LAUSITZ KIRCHENTAG als<br />

Helferin oder Helfer unterstützen wollen,<br />

dann melden Sie sich gerne direkt bei Matthias<br />

Scheufele: m.scheufele@zdw.ekbo.de.<br />

Wir brauchen noch Menschen für Auf- und<br />

Umbauten, Bühnenbetreuung, Besucherlenkung<br />

und am Servicepoint. Nutzen Sie<br />

die Gelegenheit, sich bei einer Großveranstaltung<br />

einzubringen. Ein spannender<br />

Blick hinter die Kulissen ist garantiert!<br />

Planen Sie jetzt Ihr Wochenende in Görlitz.<br />

Wir freuen uns auf Sie!<br />

www.lausitzkirchentag.de<br />

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Ausblick<br />

35


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Kirche in Jauernick<br />

Nach Überlieferung des Pfarrers Olerus soll<br />

bereits 967 eine in Holz erbaute Kirche in<br />

Jauernick errichtet worden sein. Der heute<br />

vorhandene Bau geht in seinen Grundmauern<br />

auf das 13. Jahrhundert zurück. Erstmals<br />

erwähnt wurde die Kirche 1242. In diesem<br />

Jahr erwarb das Zisterzienserinnenkloster<br />

St. Marienthal das Dorf und seine Kirche.<br />

In den Jahren 1427 und 1429 wurde das<br />

Gotteshaus durch die Hussiten schwer beschädigt.<br />

Am 8. Oktober 1443 konnte sie<br />

durch Johannes Erler neu geweiht werden.<br />

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36<br />

Geschichte


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Turmabnahme am 22. <strong>Juni</strong> 2021<br />

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Geschichte<br />

37


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Glocke Petit & Edelbrock 1931<br />

Erler stammte aus der Görlitzer Gegend und<br />

wurde als Minorit 1432 Weihbischof für die<br />

Bistümer Meißen, Breslau und Prag sowie<br />

Titularbischof von Gardar auf Grönland.<br />

Sein Sitz befand sich in Zittau. Ein Teil des<br />

heutigen Kirchbaus, der Altarraum und die<br />

Sakristei dürften aus dieser Zeit stammen,<br />

das Langhaus wurde in den Jahren 1497<br />

bis 1500 errichtet. Ein mittelalterlicher Taufstein<br />

ist aus dem Jahre 1497. Die Vorhalle ist<br />

mit zahlreichen Fresken ausgeschmückt.<br />

Aber auch die Glockengeschichte der Kirche<br />

ist bemerkenswert. Glocken läuteten<br />

bereits 1438 über dem Ort. Die erste große<br />

Glocke trug die lateinische Inschrift: Da<br />

vivis gratiam, Defunctis requiem, Ecclesiae<br />

pacem, Peccatoribus veniam, Omnibus vitam<br />

acternam – verbum caro factum est.<br />

Dazu gab es auf dem schlanken Turm<br />

noch zwei kleinere Glocken mit der Inschrift:<br />

O Rex Gloriae, Veni cum pace. Lucas<br />

M(attheus).<br />

Nach ihrer Form und anderen Merkmalen<br />

wurden diese drei Glocken wahrscheinlich<br />

von dem Meister gegossen, der auch um<br />

diese Zeit die drei Glocken zu Bernstadt<br />

goss. 1615 zersprang die mittlere, wurde<br />

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38<br />

Geschichte


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Glockenguss am 11. Februar <strong>2022</strong><br />

in Zittau neu gegossen und ein Jahr später,<br />

am Neujahrstag 1616, wieder auf den Turm<br />

gebracht.<br />

Verziert waren sie mit Reliefbildnissen von<br />

Johannes und Maria neben einem Kruzifix,<br />

dem Wappen des Klosters Marienthal sowie<br />

dem Wappen des Klostervogtes Nikol<br />

von Salza auf Linda und Heidersdorf. Neben<br />

der Inschrift “ Ps. 150: laudate Dominum in<br />

Cymbalis bene sonantibus. Laudate eum im<br />

ymbalis jubilationis“ waren auch die Namen<br />

der Äbtissin Ursula Queitsch, des Sekretärs<br />

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Geschichte<br />

39


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Glockenabnahme am 24. Februar <strong>2022</strong> in Gescher<br />

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40<br />

Geschichte


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Georg Wagner, der Kirchväter und des Richters<br />

zu lesen.<br />

1867 wurden diese drei Glocken von der<br />

Firma Gruhl in Kleinwelka umgegossen. Die<br />

drei Neuen mit einem Gewicht von 651 kg,<br />

351 kg und 183 kg hatten die Stimmung fis<br />

- a - cis. Die große Glocke trug den Namen<br />

der Äbtissin Gabriela Marschner.<br />

Über den Verbleib dieses Geläutes gibt es<br />

keinen Nachweis. Es ist aber anzunehmen,<br />

dass sie dem 1. Weltkrieg zum Opfer fielen<br />

und der Rüstungsindustrie zugeführt<br />

wurden. 1931 erhielt die Gemeinde neue<br />

Glocken der Firma Petit & Edelbrock aus<br />

Gescher / Westfalen. 1942 mussten Glocken<br />

wiederum vom Turm genommen und abgeliefert<br />

werden. Nur eine 210 kg schwere<br />

Glocke mit dem Durchmesser von 700 mm<br />

ist heute noch erhalten. Der in der Holzkonstruktion<br />

des Dachreiters hängende Klangkörper<br />

mit dem Nominal cis² ist geweiht auf<br />

den Heiligen Josef und trägt die Inschrift:<br />

Sancte Joseph Patrone morientum, ora<br />

pro nobis. Weitere Verzierungen sind ein<br />

Medaillon des Hl. Josef mit Beil und Lilienzweig,<br />

gotische Friese, Blattornamente und<br />

das Gießerzeichen mit der Jahreszahl 1931.<br />

Bei Untersuchungen des Turmes wurden<br />

gravierende Schäden an der Turmkonstruktion<br />

festgestellt, die Standsicherheit<br />

war nicht mehr gegeben. Aus diesem Grunde<br />

wurde im November 2018 das Läuten<br />

eingestellt und die Kirche geschlossen.<br />

Aber erst 2021 konnte mit den Sanierungsarbeiten<br />

am Kirchturm begonnen werden.<br />

Am 22. <strong>Juni</strong> wurde die Turmhaube abgenommen<br />

und neben dem Kirchgebäude<br />

abgestellt. Zahlreiche Vorarbeiten waren<br />

notwendig, um sichere Standflächen für<br />

die Turmhaube und die Baufahrzeuge zu<br />

schaffen. Die in unmittelbarer Nähe sich befindenden<br />

Grabstellen mussten gesichert<br />

werden.<br />

Seit längerer Zeit gab es auch den Wunsch,<br />

das Geläut zu erweitern. Die noch vorhandene<br />

cis²-Glocke war in der Konstruktion<br />

der Turmhaube gelagert, so dass auch die<br />

Belastungen beim Läutevorgang direkt in<br />

die Turmkonstruktion übertragen wurden.<br />

Dass eine zweite Glocke möglich wurde, ist<br />

großzügigen Spendern zu verdanken. Prälat<br />

Birkner, Pfarrer in Jauernick von 1996 bis<br />

2009, ist es zu verdanken, dass der erforderliche<br />

Betrag gespendet wurde.<br />

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Geschichte<br />

41


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Nach Abstimmungen über die Glockenzier<br />

und die Schriftbilder sowie das Reliefbildnis<br />

der Heiligen Hedwig, Schutzpatronin Schlesiens,<br />

konnte die Glocke mit dem Nominal<br />

e² in Auftrag gegeben werden. Es bot sich<br />

an, diese Glocke in der Glockengießerei Petit<br />

& Edelbrock in Gescher Westfalen gießen<br />

zu lassen. In dieser Gießerei wurde bereits<br />

1931 die noch vorhandene Glocke gefertigt.<br />

Am 10. Februar <strong>2022</strong> machte sich eine kleine<br />

Gruppe aus Jauernick auf den Weg in das<br />

700 km entfernte Gescher, um am 11. Februar<br />

dem Glockenguss beizuwohnen. Prälat<br />

Birkner konnte Prälat Giela vom Bistum<br />

Münster gewinnen, dem Guss beizuwohnen<br />

und den feierlichen Segen für ein gutes<br />

Gelingen der Glocke zu spenden. Zwei<br />

Wochen später, am 24. Februar, war die Abnahme<br />

der Glocke in der Gießerei. Der Guss<br />

war qualitätsmäßig gelungen und auch die<br />

Tonanalyse gab keinen Anlass zu Beanstandungen.<br />

Die 130 kg schwere e²-Glocke mit<br />

einem Durchmesser von 593 mm trägt folgende<br />

Verzierungen und Inschriften:<br />

Auf der Haube die Gussnummer, am Hals<br />

umlaufend ein Fries Tauben mit Ölzweig.<br />

Flanke Avers ein Reliefbildnis der Heiligen<br />

Hedwig, darunter über dem Wolm Inschrift<br />

HL. HEDWIG BITTE FÜR UNS zwischen einem<br />

Lilienfries, dem Gussjahr und Gießerzeichen.<br />

Auf der Flanke Revers der Spruch:<br />

ICH RUFE ZU FRIEDEN ÜBER ALLE GREN-<br />

ZEN HINWEG<br />

Nach Verladen der Glocke im Fahrzeug<br />

konnte die Rückfahrt nach Jauernick angetreten<br />

werden. Bei unserer Ankunft gegen<br />

19.00 Uhr in Jauernick erwartete uns Prälat<br />

Birkner mit folgender Mitteilung zum Friedenswunsch<br />

auf der Glocke: „Ich rufe zu<br />

Frieden über alle Grenzen hinweg“ konnte<br />

für diesen Tag nicht bedeutsamer sein. Am<br />

24. Februar begann der von Russland ausgehende<br />

Krieg in der Ukraine.<br />

Am 27. März <strong>2022</strong> um 14.00 Uhr wurde zur<br />

feierlichen Glockenweihe in die ehrwürdige,<br />

historische Kirche in Jauernick eingeladen.<br />

Zahlreiche Gäste aus dem Ort, aus<br />

Görlitz und eine Jugendgruppe aus Zgorcelec<br />

nahmen an der Glockenweihe durch<br />

Bischof Ipolt teil.<br />

Nach der Segnung und Salbung der Glocke<br />

wurde diese durch einen Ministranten<br />

angeschlagen, so dass alle Besucher den<br />

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42<br />

Geschichte


Die Stiftskirche „St. Wenzeslaus“ in Jauernick erhält eine zweite Glocke<br />

„St. Glockenweihe durch Bischof Ipolt<br />

Nominalton e² wahrnehmen konnten.<br />

Im Anschluss an die feierliche Segnung<br />

konnten auf dem naheliegenden Hof des<br />

St. Wenzeslaus-Stiftes bei Kaffee und Kuchen<br />

alle Teilnehmer Gedanken, Erinnerungen<br />

und Hoffnungen auf eine friedliche<br />

Zukunft austauschen.<br />

Dipl.-Ing. (FH) Michael Gürlach<br />

Glockensachverständiger Bistum Görlitz<br />

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Geschichte<br />

43


Das Zeidelwesen in der Görlitzer Heide<br />

Görlitzer Die Bienenwirtschaft ist uralt! Die Germanen<br />

schon bedienten sich zur Herstellung des<br />

bekannten Metgetränkes des Honigs als Zusatzstoff.<br />

Besonders verdient um die Hebung<br />

der Bienenwirtschaft machte sich Kaiser Karl<br />

der Große. Auf seinem Hofe befanden sich<br />

nicht weniger als 67 Bienenstöcke. Er bestimmte,<br />

dass auf seinen Gütern besondere<br />

Zeidler sein sollten. Den Bauern befahl er, der<br />

Kirche einen Honigzins zu entrichten. Eine<br />

besondere Einrichtung zur Gewinnung des<br />

Honigs waren die sogenannten „Zeidelweiden“,<br />

erstmalig 993 in einer Urkunde Ottos III.<br />

erwähnt. Die Blütezeit des<br />

Zeidelwesens fällt in das<br />

14. und 15. Jahrhundert<br />

hinein. Die Methode des<br />

Zeidelns bestand darin,<br />

dass man in Waldungen<br />

für wilde Bienenschwärme<br />

in hohlen Bäumen Wohnungen<br />

– Beuten genannt<br />

– herrichtete. Die Bienen<br />

zogen in diese Beuten und<br />

verblieben darin ohne<br />

besondere Pflege und<br />

Wartung bis zur Zeidelzeit,<br />

nämlich bis zu dem<br />

Zeitpunkt, wo ihnen unter Anwendung von<br />

Rauch die angesammelten Honigvorräte abgenommen<br />

wurden. Die Bäume, in denen<br />

sich solche Beuten befanden, nannte man<br />

Zeidelbäume oder Beutenbäume. Sie mussten<br />

langschaftig, astrein, stark und vollholzig<br />

sein. Bevorzugt wurden Kiefern. An den Bäumen<br />

befanden sich die Zeidelzeichen, das<br />

waren Kreuze, Quadrate, Halbmonde u. a.,<br />

sie durften nicht von fremder Hand entfernt<br />

werden. Die mutwillige Entfernung zog eine<br />

hohe Strafe nach sich. Diese Beutenbäume<br />

mussten an windgeschützten Stellen in ruhigen<br />

Revieren stehen, in deren Nähe sich<br />

Wassergräben, Bäche oder Tümpel befanden.<br />

Zeideln nannte man die Entnahme des<br />

Honigs. Wie das Zeideln, diese Honigentnahme,<br />

vonstatten ging, blieb für jeden Zeidler<br />

sein eigenstes Geheimnis. All jene Bäume,<br />

die für einen solchen Honigbetrieb zugerichtet<br />

waren, fasste man unter dem Begriff<br />

„Zeidelweide“ zusammen. Streitigkeiten unter<br />

den Zeidlern entstanden manchmal über<br />

die Abgrenzung, weil sich mitunter Bienenschwärme<br />

nach dem Zeideln in Nachbargebiete<br />

begaben und sich dort niederließen<br />

und dann von den betreffenden<br />

Zeidlern zurückgeholt<br />

werden sollten.<br />

Bei dieser Gelegenheit<br />

entstanden dann oft bittere<br />

Feindschaften unter<br />

den benachbarten Zeidlern.<br />

Die jeweiligen Landesherren<br />

erließen in der<br />

Folgezeit ein Gesetz, wonach<br />

der Zeidler den Bienenschwarm<br />

so weit verfolgen<br />

konnte, als er das<br />

Zeidelbeil werfen konnte.<br />

Sehr hoch im Schwange<br />

war seinerzeit das Zeidelwesen in der Görlitzer<br />

Heide. Dort bestand sogar eine eigene<br />

Zeidelordnung und eine besondere Zeidelgerichtsbarkeit.<br />

Der berühmteste Zeidler in<br />

der Görlitzer Heide war im Jahr 1486 Nikolaus<br />

Ranfft zu Tommersdorf. Er kaufte eine Zeidelwiese<br />

erblich für 200 Mark. Ihm wurde die<br />

Verpflichtung auferlegt, von jedem Baum,<br />

den er als Beutenbaum anzeichnete, alljährlich<br />

dem betreffenden Förster 2 Groschen zu<br />

zahlen. Die Zeidler der Görlitzer Heide waren<br />

zu einer Zeidelgilde zusammengeschlossen<br />

und standen unter einem sogenannten Zei-<br />

44<br />

Geschichte


Das Zeidelwesen in der Görlitzer Heide<br />

Görlitzer delstarosten. Alljährlich fand in Görlitz eine<br />

Versammlung aller Zeidler statt, auf der die<br />

Zeidelordnung verlesen und Beschwerden<br />

und Klagen vorgebracht wurden. Eine besondere<br />

Befugnis hatten die herrschaftlichen<br />

Zeidelweiden. Sie konnten verkauft werden.<br />

Das Verkaufsrecht hatten die Mitglieder der<br />

Görlitzer Zeidelinnung. Kaufte ein Mitglied<br />

der Zeidelinnung eine solche herrschaftliche<br />

Zeidelweise und starb er ohne Erben, so fiel<br />

die Zeidelweide an die Herrschaft zurück.<br />

Ging einem Zeidler ein Baum in seiner Zeidelweide<br />

ein, so musste dieser Baum durch<br />

einen neuen ersetzt werden. Ließ die betreffende<br />

Herrschaft, der er die Zeidelweide<br />

abgekauft hatte, einen Baum schlagen, so<br />

erhielt der Zeidler daraus die sogenannte<br />

„Klotzbeute“. Er selber war verpflichtet, jährlich<br />

zwei bis drei neue Beuten zu hauen. Da<br />

die Zeidelzeichen mitunter durch Witterungseinflüsse<br />

unkenntlich wurden, musste<br />

er alle zehn Jahre sie neu einhauen. Wurde<br />

ein Baum vom Sturm umgebrochen, dass<br />

dadurch die Zeidlerei hinfällig wurde, so bekam<br />

der Zeidler 2 Groschen Stammgeld. Sehr<br />

streng verboten war das Ersteigen eines Baumes<br />

mit einem Steigeisen. Der Zeidler durfte<br />

nur, wollte er den Stamm erklettern, eine Leiter<br />

oder ein Seil benutzen. Großen Wert legte<br />

man auf die Zugehörigkeit der Zeidler zu der<br />

Zeidlerinnung. War ein Zeidler nicht Mitglied,<br />

so durfte er auf eignem Grund und Boden<br />

seine Beute errichten. Der Zins für eine Zeidelweide<br />

betrug damals 2 bis 4 Reichstaler.<br />

Bekannt war auch die Zeidelweide zu Muskau.<br />

Sie war eine der größten. Die Innung<br />

zählte beispielsweise 1769 schon 170 Personen.<br />

Diese hatten insgesamt 7000 Stöcke, sie<br />

brachten einen Zins von 73 Reichstalern.<br />

Kathrin Drochmann<br />

Impressum:<br />

Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />

<strong>StadtBILD</strong>-Verlag<br />

eine Unternehmung der<br />

incaming media GmbH<br />

vertreten durch den Geschäftsführer<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Mitglied im Deutschen Fachjournalistenverband<br />

Carl-von-Ossietzky-Straße 45 | 02826 Görlitz<br />

Tel. 03581 87 87 87 | Fax: 03581 40 13 41<br />

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Bankverbindung:<br />

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Geschäftszeiten:<br />

Mo. - Fr. von 9.00 bis 16.00 Uhr<br />

Druck:<br />

Graphische Werkstätten Zittau GmbH<br />

Erscheinungsweise: monatlich<br />

Redaktion & Inserate:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Kathrin Drochmann<br />

Dipl. - Ing. Eberhard Oertel<br />

Bertram Oertel<br />

Layout:<br />

Kathrin Drochmann<br />

Lektorat:<br />

Wolfgang Reuter, Berlin<br />

Teile der Auflage werden kostenlos verteilt, um<br />

eine größere Verbreitungsdichte zu gewährleisten.<br />

Für eingesandte Texte & Fotos übernimmt der Herausgeber<br />

keine Haftung. Artikel, die namentlich<br />

gekennzeichnet sind, spiegeln nicht die Auffassung<br />

des Herausgebers wider. Anzeigen und redaktionelle<br />

Texte können nur nach schriftlicher Genehmigung<br />

des Herausgebers verwendet werden.<br />

Redaktionsschluss:<br />

Für die nächste Ausgabe (Juli)<br />

ist am 15.<strong>06</strong>.<strong>2022</strong><br />

Geschichte<br />

45


Überbrückungshilfe IV bis <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> verlängert<br />

ETL-Steuerberatung<br />

Zwei Jahre Corona-Pandemie haben die Märkte ordentlich durcheinandergebracht. Damit Unternehmen<br />

die staatlich verordneten Coronamaßnahmen wirtschaftlich überleben können, hat die Regierung<br />

Überbrückungshilfen bereitgestellt.<br />

Am 1. April wurde die Überbrückungshilfe IV (ÜH IV) nochmal um drei Monate verlängert. Damit können<br />

Unternehmen mit der aktuellen Überbrückungshilfe Coronahilfen für den Zeitraum Januar bis <strong>Juni</strong><br />

<strong>2022</strong> beantragen, wenn sie einen coronabedingten Umsatzrückgang haben. Wichtigste Grundlage dieser<br />

Beurteilung sind dabei nicht die Umsatzzahlen im Vergleich zum Referenzmonat des Jahres 2019,<br />

sondern sachliche Fakten, die ihre Ursache in gegenwärtigen oder vergangenen Coronamaßnahmen<br />

haben. Dabei werden wirtschaftliche Faktoren, wie Lieferengpässe oder Schwierigkeiten bei der Rekrutierung<br />

von Arbeitskräften nicht anerkannt. Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn die Schwierigkeiten<br />

nachweislich darauf zurückzuführen sind, dass die Pandemie den weltweiten Absatz- und Beschaffungsmarkt<br />

bzw. den Arbeitsmarkt durcheinandergewirbelt hat. Aber auch Umsatzrückgänge, die mit<br />

Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg stehen, berechtigen nicht zur Beantragung<br />

von Überbrückungshilfe IV. Dies mag für den einen oder anderen Unternehmer nicht nachvollziehbar<br />

sein, es sind aber die Vorgaben des Bundes als Beihilfegeber, die beachtet und eingehalten werden<br />

müssen. Teilen Sie Ihrem prüfenden Dritten schriftlich mit, welche Gründe für einen coronabedingten<br />

Umsatzrückgang maßgebend sind. Wenn Sie damit Ihren prüfenden Dritten überzeugen können und<br />

mindestens in einem Monat des Förderzeitraums 30 % weniger Umsatz als im Vergleichsmonat haben,<br />

kann ein Antrag gestellt werden.<br />

Antragsfrist endet bereits am 15. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong><br />

Obwohl der Förderzeitraum bis 30. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> verlängert wurde, endet die Antragsfrist bereits am<br />

15. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong>. Aufgrund europarechtlicher Vorgaben kann diese Frist nicht verlängert werden. Da zudem<br />

alle Anträge auf Überbrückungshilfen bis zum 30. <strong>Juni</strong> <strong>2022</strong> durch die Bewilligungsstellen vorläufig<br />

beschieden sein müssen, sollten Sie bald Ihren Steuerberater mit einem Antragswunsch kontaktieren.<br />

Wirtschaftlich Berechtigte müssen im Transparenzregister eingetragen sein<br />

Im Zusammenhang mit der Antragstellung von Überbrückungshilfen war und ist auch die Offenlegung<br />

der wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister zu bestätigen. Noch war aufgrund einer Übergangsfrist<br />

zur Eintragungspflicht die tatsächliche Eintragung vielfach entbehrlich. Doch nun endet für<br />

Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH, UG [haftungsbeschränkt],<br />

Genossenschaft, Europäische Genossenschaft oder Partnerschaft) die Übergangsfrist zum 30.<br />

<strong>Juni</strong> <strong>2022</strong>. Wenn für Ihr Unternehmen eine Eintragungspflicht im Transparenzregister besteht, empfehlen<br />

wir, eine baldige Eintragung vorzunehmen. Spätestens zur Schlussrechnung der Überbrückungshilfen<br />

muss die Eintragung erfolgt sein. Wird im Nachgang festgestellt, dass die im Rahmen des Antrags<br />

erteilte Verpflichtungserklärung verletzt wurde, droht die vollumfängliche Rückzahlung der Überbrückungshilfe.<br />

Schlussrechnungen für alle Überbrückungshilfen bis 31. Dezember <strong>2022</strong><br />

Bis zum 31. Dezember <strong>2022</strong> muss für alle Überbrückungshilfen eine Schlussrechnung über den prüfenden<br />

Dritten eingereicht werden. Dabei werden die Schlussrechnungen für die Überbrückungshilfen<br />

und außerordentlichen Wirtschaftshilfen in zwei Abrechnungspaketen starten. Das Paket I ermöglicht<br />

die Schlussrechnung für die Überbrückungshilfen I bis III und die außerordentlichen Wirtschaftshilfen<br />

(November-/Dezemberhilfe) und umfasst damit die Monate <strong>Juni</strong> 2020 bis <strong>Juni</strong> 2021. Es soll ab Mitte Mai<br />

<strong>2022</strong> den prüfenden Dritten zur Verfügung stehen. In einem zweiten Paket werden dann die Schlussrechnungen<br />

für die Überbrückungshilfen III Plus und IV erfolgen.<br />

Autor: Ulf Hannemann, Freund & Partner GmbH (Stand: 29.04.<strong>2022</strong>)<br />

46<br />

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