Texte zur Geschichtstheorie - Max-Planck-Gymnasium Dortmund
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<strong>Texte</strong> <strong>zur</strong> <strong>Geschichtstheorie</strong><br />
Wozu noch Geschichte? Diese Frage lässt sich in regelmäßigen Abständen immer wieder stellen,<br />
und man wird nicht umhin können, hierauf passende, zeitgemäße Antworten zu geben.<br />
Die Frage ist so allgemein gestellt, dass sich sowohl professionelle Historiker (für die sie<br />
wohl auch in erster Linie gedacht ist) als auch interessierte Laien, nicht zuletzt Schülerinnen<br />
und Schüler angesprochen fühlen, um den Wert und die Stelle zu ermitteln, die Geschichte<br />
heute in stark zukunftsorientierten, kritischen Gesellschaften einnimmt, wohlwissend, dass<br />
keine einfachen Lehren mehr aus der Vergangenheit für die Bewältigung der Zukunft gezogen<br />
werden können.<br />
Geschichte als der allumfassende Zusammenhang alles Geschehens und Werdens, als die Totalität<br />
unserer Daseinserfahrung ist bis in die feinsten Verästelungen des Lebens spürbar. Wer<br />
wollte da nicht wissen, was es mit der Geschichte auf sich hat? Bei der Beschäftigung mit ihr<br />
reicht es aber heute bei weitem nicht hin, ein historisches Grundgerüst mit gesicherten Wissensbeständen<br />
über deren Verlauf anzufüllen, historische Tatsachen kennen zu lernen und<br />
einzuordnen. Eine moderne Humanwissenschaft steht unter dem dauerhaften Rechtfertigungsdruck,<br />
den Sinn und auch den Nutzen des eigenen Tuns einsichtig zu machen. Dazu<br />
bedarf es grundlegender Fragen, die über die Fachgrenzen hinweg Gültigkeit beanspruchen<br />
können: Hat Geschichte einen Sinn und wenn ja, welchen? Welche gesellschaftliche Funktion<br />
erfüllt das Fach heute? Was ist überhaupt geschichtsfähig? Wie kann man etwas Vergangenes<br />
überhaupt erkennen und als zuverlässig erweisen? Gibt es Geschichte überhaupt jenseits des<br />
Bewusstseins desjenigen, der sich mit ihr beschäftigt? Wie stellt man Geschichte glaubwürdig<br />
dar? usw.<br />
All dies sind Fragen, zu deren Beantwortung wir uns heute auf das Feld der Philosophie, der<br />
Erkenntnistheorie, der Ethik und der Sozialwissenschaften begeben müssen und die letztlich<br />
doch um das eigene Fach kreisen.<br />
Antworten auf diese Fragen sind zu allen Zeiten versucht worden und sie fallen, wie man sich<br />
leicht vorstellen kann, höchst unterschiedlich aus. Der Beginn der systematischen Beschäftigung<br />
mit ihnen ist freilich jüngeren Datums und letztlich erst in den 60er/70er Jahren des 20.<br />
Jahrhunderts anzusetzen. Als Disziplin ist die <strong>Geschichtstheorie</strong> keine Objektwissenschaft,<br />
sondern sie beleuchtet theoretisch, was ihre Bezugswissenschaft – die Geschichtswissenschaft<br />
– praktisch vollzieht. Als Nachdenken über Geschichte und die Art, ihr Erkenntnisse ab<strong>zur</strong>ingen<br />
und sie zu schreiben leistet sie aber einen wertvollen Beitrag <strong>zur</strong> Selbstaufklärung der<br />
Disziplin. Die Befassung mit Geschichte – auch und gerade in der Schule – sollte also immer<br />
auch den Blick für die Zweckmäßigkeit des Tuns – jenseits von antiquarischen und ästhetischen<br />
Lusterfahrungen – freihalten und das Bewusstsein für die Reichweite des Geschichtlichen<br />
profilieren.<br />
Diesem Ziel sollen die nachfolgend aufgeführten <strong>Texte</strong> untergeordnet sein. Es ist ein Streifzug<br />
durch die <strong>Geschichtstheorie</strong> im weitesten Sinne, wobei hier nicht nur vergangene Zeiten<br />
berücksichtigt werden, sondern der Schwerpunkt auf dem französischen Kontext liegt. Dieser<br />
hat sich immer schon als fruchtbar für das Geschäft des Historikers erwiesen. Es trifft sich<br />
gut, dass vor allem ein bilingualer Geschichtsunterricht Französisch hiervon in der Weise profitieren<br />
kann, dass alle <strong>Texte</strong>, auch die ursprünglich nicht französischsprachigen, in französischer<br />
Fassung vorliegen. Es kann helfen, den kleinen „Wettbewerbsnachteil“ bilingualer<br />
Lehrgänge bezüglich geeigneter Unterrichtsmaterialien zu minimieren.<br />
Die <strong>Texte</strong> lassen sich grob in acht Kategorien einteilen, die sich mitunter überschneiden. Versehen<br />
sind sie mit einleitenden, orientierenden Bemerkungen zum Autor der jeweiligen<br />
Publikation, zum intellektuellen Kontext sowie mit meist deutschen Vokabelhilfen und Anmerkungen,<br />
die in Zeiten vielfältiger Verknappung individueller Spielräume einen schnellen<br />
Zugriff auf die mitunter anspruchsvollen Textinhalte gewähren sollen.<br />
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