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Radiata 10 (2)

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--HABITATBEOBACHTUNGEN

--HABITATBEOBACHTUNGEN • Geochelone radiata (Strahlenschildkröte) Die Strahlenschildkröte ist die am meisten verbreitete Art und steht gleichzeitig auf Anhang I des Washingtoner Artenschutzabkommens (W A). Das ist mir persönlich unverständlich. Die Strahlenschildkröte findet man entlang der ganzen südlichen Küste. Das ist ein Gebiet von mehreren hundert Kilometern Länge. Gleichzeitig traut sie sich am weitesten von allen Arten ins Inland, und ich habe welche bis zu 100 km von der Küste entfernt gesehen. Das ergibt ein riesiges Verbreitungsgebiet und spricht für ihre große Anpassungsfähigkeit an Klima und Futterpflanzen. Im Hauptverbreitungsgebiet sind sandige bis geröllartige Böden mit meist grobem, rotem Sand dominierend. In dem riesigen Verbreitungsgebiet wachsen sehr viele unterschiedliche Pflanzen und Sukkulenten. Ich will nur ein paar nennen, die dort häufig vorkommen. Es gibt Sukkulenten wie die Wolfsmilchgewächse Euphorbia stenoclada, Euphorbia tirucalli, dann Didierea madagascariensis, Alluaudia montagnaci, Alluaudia procera, die Hundsmilchgewächse Pachypodium lamerei, Pachypodium geayi, die Affenbrotbäume Adansonia za, Adansonia ruhrostipa und natürlich wie fast überall in Madagaskar die vor 250 Jahren aus Mexiko eingeschleppten Feigenkakteen Opuntia ficus-indica und Opuntia monacantha. Die Strahlenschildkröte wird besonders von den Stämmen des madagassischen Hochlands als Delikatesse geschätzt. Zu besonderen Anlässen wie beispielsweise Weihnachten werden Tausende von lebenden Tieren per LKW in die Hauptstadt auf dem Hochland gebracht und verspeist. Auf dieser rund 900 km langen Strecke bis in die Hauptstadt gibt es zwar rund ein Dutzend Verkehrskontrollen, aber behördlich versiegelle LKWs werden nicht geprüft und die Kontrollen sind auch nicht sehr streng. Der Transport gilt in vielen Fällen noch als Kavaliersdelikt. Offiziell sind Sammeln, Transport, Verkauf und Verzehr von Schildkröten natürlich verboten. Nachdem große Schildkröten aus immer entlegeneren Gebieten gesammelt werden müssen, stiegen die Preise. Viele Madagas- sen können sich Schildkröte als Festschmaus nicht mehr leisten und sind auf Truthahn umgestiegen. Hier gilt also Marktwirtschaft: steigen die Preise, sinkt die Nachfrage. Es gibt noch eine andere Verwendung: viele Madagassen halten sich eine Strahlenschildkröte als Haustier zur Abwehr von Krankheiten, sozusagen als guten Geist des Hauses. Sie glauben, dass die Anwesenheit der Schildkröte beispielsweise Asthma heilt oder zumindest fernhält. Natürlich nehmen die Einheimischen, die es sich leisten können, auch Medikamente. Wenn Asthma dann geheilt wird oder fernbleibt, liegt es aber nicht an den Medikamenten, sondern natürlich an der Anwesenheit der Schildkröte im Hause. In Gefangenschaft gehaltene Tiere werden meist mit Abfällen von gekochtem Reis und Früchten ernährt und oft unter unsäglichen Bedingungen gehalten. Die Strahlenschildkröte findet man morgens oder abends auf Nahrungssuche. In der Mittagshitze dösen die Tiere im Schatten. Sie sind ganzjährig aktiv und sie werden sehr groß (Carapaxlänge 40 cm), aus Überlebensgesichtspunkten heraus beides sehr nachteilig. Ist auch logisch: große Tiere, die ganzjährig herumlaufen, sind natürlich leichtere Opfer als kleinbleibende Tiere, die sich darüber hinaus noch mehrere Monate im Jahr vergraben. Das gleicht die Strahlenschildkröte aber mit hoher Fruchtbarkeit und großer Anpassungsfähigkeit an Klima und Futterpnanzen aus. Eine weitere Erkenntnis noch aufgrund meiner persönlichen Beobachtung: direkt an der Küste findet sich noch eine große, farbli ­ che Vielfalt an Strahlenschildkröten von beinahe schwarzer bis fast gelber Tönung. Im Inland habe ich nur noch fast schwar7.e Tiere gesehen. Ich habe keine Idee, warum die gelbe Färbung mit zunehmender Entfernung zur Küste verschwindet (möglicherweise Einfluss durch die sich ändernden Futterpflanzen?). Meine persönliche Einschätzung bezüglich der Gefährdung ist, dass die Strahlenschildkröten zwar seltener werden, aber durch das sehr große Verbreitungsgebiet und die hohe Fruchtbarkeit der Tiere ein Aussterben nicht zu befürcht

HABITATBEOBACHTUNGEN eindeutig das Wegsammeln fürs Essen, weil da vor allem die großen, geschlechtsreifen Tiere genommen werden und deswegen der Nachwuchs ausfällt. Als zweitgrößte Gefahr sehe ich das Niederbrennen der Trockenwälder mit anschließender Bewirtschaftung. Zwar habe ich freilebende Strahlenschildkröten auch in Sekundärwald gesehen, doch besteht hier ein wesentlich geringeres Nahrungsangebot und zudem Futterkonkurrenz zu den vielen Ziegen und den anderen Haustieren, die all das Grünzeug wegfressen, was die Schildkröten für sich brauchen. Pyxis arachnoides (Spinnenschildkröte) Die Spinnenschildkröte, Pyxis arachnoides arachnoides, findet man entlang der Südküste. Sie lebt fast immer in Gebieten mit weißem Sand und mit sehr hohem nächtlichen Tau. Typische Pflanzen in ihrem · Verbreitungsgebiet sind: A lluaudia montagnaci, Alluaudia procera, Didierea trollii, Euphorbia oncoclada, Euphorbia stenoclada, Pachypodium ,?eayi, Pachypodium meridionale, Adansonia spec. etc. Die zweite Spinnenschildkröte Pyxis arachnoides brygooi, findet man weiter westlich in eher roten Sandgebieten, aber beide Verbreitungsgebiete überlappen sich deutlich. Der Unterschied zwischen den beiden Unterarten ist, dass Pyxis arachnoides arachnoides den vorderen, unteren Panzerabschnitt (pektorales Plastron) nach innen bewegen und sich damit verschließen kann, bei Pyxis arachnoides brygooi ist dieser Teil unbeweglich. Die Pflanzenzusammensetzung im Verbreitungsgebiet von Pyxis arachnoides brygooi ist zum Teil völlig anders: Es gibt keine Alluaudien mehr, dafür Didierea mada,?ascariensis, Pachypodium geayi, Adansonia rubrostipa und weitere Affenbrotbaumarten Adansonia spec. und auch viele Euphorbien. Die dritte Spinnenschildkröte, Pyxis arach- 1wides ohlonga, unterscheidet sich von den anderen dadurch, dass der Panzer wesentlich höher wird als bei den anderen beiden und dadurch fast schon in Richtung einer Strahlenschildkrütc weist. Die Pflanzen in ihrem Verbreitungsgebiet sind ebenfalls wieder andere: Es gibt beispielsweise viele kleinbleibende Euphorbien, wie Euphorbia ct1psaintmariensis, dann Alluaudia ascendens, Pachypodium lamerei, Adansonia za. Alle Spinnenschildkröten ruhen während der Trockenzeit. Dazu vergraben sie sich tief im Sand und sind dann wirklich unmöglich zu finden. Die Trockenzeit im südlichen Madagaskar wird ihrem Namen voll gerecht: es ist absolut trocken und warm bei großen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht (tagsüber ist eine Erwärmungen bis 25 °C, nachts in einigen Gebieten eine Abkühlung auf bis zu 4 °C möglich). Am Ende der Trockenzeit wird es deutlich wärmer: die Temperaturen steigen jetzt tags auf 30 bis 40 °C je nach Gebiet und nachts sinken sie nicht mehr unter 15 °C. Mit dem Beginn des Regens sieht man plötzlich viele Tiere. Sie sind auf der Nahrungssuche und suchen die frischen Blätter und vor allem die fri sch gekeimten Pflanzen, denn mit dem Regen keimt jetzt all der Samen, der seit Monaten auf der Oberfläche liegt und auf die wenigen Wochen der Regenzeit gewartet hat. Die Tiere sitzen aber auch nur so da und - wie es scheint - genießen mit offenen Augen den warmen Regen. Sie lassen sich anregnen oder sie sitzen stundenlang oder sogar über Nacht in den Wasserpfützen, die nach einem Regen zurückbleiben. Aus einer vermeintlichen Wüstenschildkröte wird so fast eine amphibisch lebende. Dieser jahreszeitliche Rhythmus mit ausgeprägter Trockenzeit (=Ruhezeit) und Regenzeit ist für Haltung und insbesondere Nachzucht wichtig. Im gesamten Verbreitungsgebiet der Spinnenschildkröten findet man ebenfalls Strahlenschildkröten, die aber, wie oben beschrieben, praktisch keine Ruhezeit halten. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Spinnenschildkröten seltener geworden sind, aber nicht direkt bedroht sind. Sie bleiben klein (Carapaxlänge 10 bis 15 cm) und halten sich in der monatelangen Trockenzeit vergraben, aus Überlebensperspckti ve sehr vernünftig. Außerdem werden sie selten fürs Essen gesammelt: sie schmecken angeblich nicht besonders und sind sowieso sehr klein RADIATA 10 (2), 2001 23

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