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100 Jahre Caritas der Diözese St. Pölten

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Reportage: Wohnassistenz

Reportage: Wohnassistenz für Menschen mit Behinderungen Bedingungslose Unterstützung Wohnassistentin Marianne Schmied mit Andrea Armer Wie eine junge Mutter mit Begleitung ihren Weg geht und dabei Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung lernt. Eine helle gemütliche Wohnung mit kleiner Terrasse und Garten, bunte Kinderzeichnungen an den Türen und Wänden, eine idyllische ländliche Umgebung, wenn man aus dem Fenster schaut. Seit einigen Monaten lebt die 33-jährige Andrea Armer hier mit ihren zwei Kindern. Sie strahlt eine positive Energie aus und wirkt selbstbewusst. Doch das war nicht immer so. In den letzten zwölf Jahren ist sie durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Dabei war sie aber nie alleine. Marianne Schmied, Wohnassistentin der Caritas für Menschen mit Behinderungen, hat sie auf ihrem Weg immer begleitet. „Ich bin noch sehr jung gewesen, als ich meine Kinder bekommen habe. Celina, meine Tochter, ist jetzt elf Jahre alt, Leon ist zehn“, erzählt Andrea Armer. „Damals ist nicht immer alles so gut gelaufen. Ich habe Fehler gemacht. Ich habe auch nicht bedacht, welche Konsequenzen das hat, was ich mache. Ich sag immer, ich war jung und dumm“, meint sie mit einem Lachen. Andrea Armer lebt seit Geburt mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Als junge Erwachsene wohnte sie mit ihrem Freund in einer Umgebung, die alles andere als kindgerecht war. „Die Wohnung hatte keine Heizung, überall war Schimmel“, schildert sie. Es dauerte nicht lange, da standen die SozialarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe vor der Tür. Nun galt es rasch zu 82

handeln und die Situation zu verändern. Eine der Auflagen, damit die Kinder bei ihr aufwachsen konnten, war die Betreuung durch die Wohnassistenz der Caritas St. Pölten. Eigene Wege gehen und Entscheidungen treffen Marianne Schmied und ihre Kolleginnen und Kollegen der Wohnassistenz erkannten bald, dass Andrea Armer sehr viel Potenzial hat, jedoch im Alltag und bei der Erziehung der Kinder Begleitung und Rat braucht. Dennoch war es wichtig, dass sie ihre eigenen Erfahrungen macht. „Unser Zugang war von Anfang an der, dass wir Andrea Eigenständigkeit und Entscheidungskompetenz zugestanden haben. Nach dem Prinzip: ‚Sag uns, was du möchtest, was dein Ziel ist, und wir erarbeiten gemeinsam mit dir den Weg dorthin.‘ Es hätte genauso sein können, dass sich Andrea gegen die Kinder entscheidet. Aber das wäre dann auch ihre Entscheidung gewesen“, sagt Marianne Schmied. In all den Jahren konnte Marianne Schmied eine kontinuierliche Entwicklung bei Andrea Armer beobachten. „Sie war ja selbst fast noch eine Jugendliche, als sie mit ihrem Freund zusammengezogen ist und die Kinder bekommen hat. Sie hatte für sich noch keinen Lebensentwurf, die Einflüsse von Freunden und Bekannten waren groß. Außerdem hat sie versucht, anderen zu entsprechen, und das hat es noch schwieriger gemacht für sie“, schildert die Caritas-Mitarbeiterin. „Aber Andrea hat immer gespürt, wenn etwas nicht stimmig war, und hat daran gearbeitet.“ 83

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