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medizin&technik 05.2020

■ [ MEDIZIN IM DIALOG

■ [ MEDIZIN IM DIALOG ] Wo sich Metalle aus Prothesen ablagern Implantate | Forscher der Charité haben analysiert, wie Metalle aus Endoprothesen freigesetzt werden und sich im Gewebe anreichern. Die Erkenntnisse sollen helfen, Materialien zu optimieren. Legierungen von Endoprothesen setzen Metalle wie Kobalt, Chrom und Titan frei. Wie sich diese spezifisch in Knochen und Knochenmark verteilen, zeigt die räumlich hochaufgelöste Synchrotron-Röntgenfluoreszenzanalyse von humanen Biopsien (Bild: Naujok/ Charité) Moderne Endoprothesen sollen Patienten mit chronisch degenerativen Gelenkerkrankungen eine schmerzfreie Beweglichkeit ermöglichen. Frühere Arbeiten zur Implantatstabilität belegten, dass es an den Reibungsflächen zu einem Abrieb von Metallen kommen kann. Diese Rückstände können zur Osteolyse und somit zu einer frühzeitigen Lockerung der Implantate führen. Eine mögliche ständige Freisetzung von Metallen aus anderen Teilen der Prothese wurde bisher außer Acht gelassen. Die Forschungsgruppe um Dr. Sven Geißler am Julius-Wolff-Institut für Biomechanik und Muskuloskeletale Regeneration der Charité hat sich dieser Frage nun gewidmet. Untersucht wurde die räumliche Verteilung und lokale Toxikokinetik freigesetzter metallischer Verschleiß- und Korrosionsprodukte im umliegenden Knochengewebe. Dafür wurde ein neues Synchrotron-basiertes Röntgenfluoreszenz-Bildgebungssystem eingesetzt. Es zeigte sich, dass partikuläre und gelöste Metalle aus Endoprothesen im umliegenden Knochen und im Knochenmark in überphysiologischen Konzentrationen vorhanden sind. Die kollagenhaltige Schicht, die nach der Operation das Implantat verkapselt, isoliert dieses nicht in dem Ausmaß wie bisher angenommen. Nach Angaben der Forscher trägt ihre Untersuchung dazu bei, die Risiko-Nutzen-Bewertung von Medizinprodukten zu verbessern. Sie zeige, dass diese nicht nur Biokompatibilitätstests von Ausgangsmaterialien umfassen sollte. Vielmehr müssten auch Verschleiß- und Korrosionsprodukte berücksichtigt werden. In nachfolgenden Untersuchungen sollen die biologischen Konsequenzen der Metallfreisetzung erforscht und neue Ansätze entwickelt werden, die eine zuverlässige präklinische Testung von Implantatmaterialien in humanen Zellen und in im Labor gezüchteten Geweben erlauben. Wundbehandlung Membran aus Cellulose wirkt antimikrobiell und lässt Keimen keine Chance Stammzellforschung Gewebe gezüchtet mit Funktionen des Gehirns (Bild: Tatiana Shepeleva/stock.adobe.com) Dringen Keime in eine Wunde ein, können sie eine Infektion oder Blutvergiftung verursachen. Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) haben Cellulose-Membranen entwickelt, mit denen sich Infektionen durch antimikrobielle Bestandteile verhindern lassen. Das Team um Empa-Forscherin Katharina Maniura vom Biointerfaces-Labor in St. Gallen stellte hierzu feine Membranen Staphylococcus-aureus-Bakterien sind unter den Keimen mit Antibiotika-Resistenzen häufig anzutreffen. Die Peptide auf den Cellulosemembranen jedoch machen ihnen den Garaus aus Cellulose mittels Electrospinning her. Die Cellulosefasern mit einem Durchmesser von unter 1 μm wurden zu einem dreidimensionalen Gewebe in mehreren Schichten gesponnen. Besonders flexibel und stabil wurden die Membranen, wenn Polyurethan integriert wurde. Für den antibakteriellen Effekt sorgen Eiweißbausteine – so genannte Peptide –, die sich an die Cellulosefasern binden. Sie sind einfacher herzustellen als größere Proteine, die auch empfindlicher auf die chemischen Bedingungen in einer Wunde reagieren. Die Peptid-haltigen Membranen erwiesen sich als für menschliche Hautzellen gut verträglich. Für Bakterien wie Staphylokokken waren sie hingegen ein Todesurteil. „In Bakterienkulturen wurden über 99,99 Prozent der Keime durch die Peptid-haltigen Membranen abgetötet“, so Maniura. Künftig sollen die antimikrobiellen Membranen mit weiteren Funktionen ausgestattet werden. www.empa.ch Bioengineered Neuronal Organoids sind Gewebe, die morphologische Eigenschaften eines menschlichen Organs zeigen – zum Beispiel des Gehirns. Solches Gewebe, neuronale Netzwerke mit Funktionen des Gehirns, haben Forscher nun erstmals aus humanen, induzierten pluripotenten Stammzellen kultivieren können. Beteiligt waren Wissenschaftler der Universitätsmedizin Göttingen, des Exzellenzclusters Multiscale Bioimaging (MBExC) sowie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Das Gewebe entwickelte Funktionen, die für die Entwicklung von Lernen und Gedächtnisfunktionen bedeutend sind. Die Bioengineered Neuronal Organoids eignen sich zur genaueren Erforschung des Verlusts von Lernfähigkeit und Gedächtnis bei neurodegenerativen Erkrankungen. Die Forscher sind nach eigenen Angaben weit davon entfernt, das menschliche Gehirn in seinen Funktionen nachzubilden. Die zellulären Prozesse beobachten zu können, sei aber faszinierend. 16 medizin&technik 05/2020

Knochenzement mit Laser entfernen Endoprothetik | Das Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) will ein Endoskop-basiertes Lasersystem entwickeln, mit dem Ärzte alten Knochenzement bei einer Revisionsoperation künftig schonender entfernen können. Hüftprothesen erreichen mit durchschnittlich 10 bis 15 Jahren eine lange Verweildauer im Körper. Doch pro Jahr werden weltweit etwa eine Million Prothesen eingesetzt. Somit kommt die so genannte Revision, also das Einsetzen einer neuen Prothese, insgesamt relativ häufig vor. Eine Möglichkeit, die Prothese stabil zu verankern, bietet Knochenzement, der das Implantat im Knochen fixiert. Im Zuge einer Revisionsoperation muss der alte Knochenzement komplett abgetragen werden. Bisher erledigt der Chirurg das mit Kraftaufwand mechanisch oder mittels Ultraschall. Beide Prozeduren sind sehr zeitaufwendig. Forscher des LZH wollen den Ärzten eine Alternative ermöglichen. Sie entwickeln ein starres Endoskop, durch das ein Laserstrahl und eine Kamera geführt werden. Der Operateur soll mit dem Laser den alten Zement zunächst segmentieren, um ihn Auch mit frisch hergestellten Knochenzementproben wollen die Wissenschaftler des LZH den Laserabtrag testen und verbessern dann leichter entfernen zu können. Das Videobild gibt direkte Sicht auf den Knocheninnenraum. Eine integrierte selektive Beleuchtung soll zudem den Kontrast zwischen Zement und Knochen verstärken, um Knochen und Knochenzement leichter zu unterscheiden. Die Gruppe Biophotonik des LZH wird die spektroskopische Analyse des gealterten Knochenzements, den Laserabtragprozess sowie einen klinischen Demonstrator entwickeln. Langfristig soll die Operationsdauer verringert und der Eingriff schonender werden. Die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) fördert das Projekt, bei dem das LZH und die Helios Endo-Klinik Hamburg eng zusammenarbeiten. www.lzh.de (Bild: LZH) Weitere Infos: Wir suchen neue Kollegen: Wollen Sie Teil unseres Teams werden und in diesen Zukunftsmärkten arbeiten? Dann freuen wir uns über Ihr Interesse und Ihre Bewerbung. 05/2020 medizin&tec hn i k 17

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