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Quality Engineering 01.2023

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IM FOKUS » KI Im Rahmen

IM FOKUS » KI Im Rahmen des Pilotprojekts WPS Analytics nutzte das Team um Andreas Rieker und Mathias Mayer (rechts) künstliche Intelligenz, um Qualitätsauffälligkeiten im Schweißprozess automatisiert und in Echtzeit zu erkennen. Bild: Audi Pilotprojekt bei Audi Künstliche Intelligenz wird auditierbar und zertifizierbar In einem Pilotprojekt hat Audi am Standort Neckarsulm gezeigt, dass sich die Qualität von Schweißpunkten in der Serienproduktion mithilfe von KI kontrollieren lässt. Die Technologie soll nun an anderen Standorten ausgerollt werden. Denn die DGQ hat geholfen, das Verfahren „auditfest“ zu machen. » Sabine Koll Rund 5.300 Schweißpunkte sind nötig, um die Karosserieteile eines Audi A6 miteinander zu verbinden. Bislang überwachten Mitarbeiter in der Fertigung die Qualität der Prozesse beim sogenannten Widerstandspunktschweißen (WPS) stichprobenartig manuell mithilfe von Ultraschall. Experten aus den Bereichen Fertigung, Innovationsmanagement, Digitalisierungsplanung und IT haben am Standort Neckarsulm nun eine deutlich smartere Art erprobt, die Qualität der Schweiß- punkte festzustellen: Im Rahmen des Pilotprojekts WPS Analytics nutzte das Team um Mathias Mayer, Fachreferent Audi Production Lab, und Andreas Rieker künstliche Intelligenz (KI), um Qualitätsauffälligkeiten automatisiert und in Echtzeit zu erkennen. Pilotiert wurden im Karosseriebau des Audi A6/A7 am Standort Neckarsulm der zugrundeliegende Algorithmus, dessen grafische Benutzeroberfläche (Dashboard) und eine Anwendung für tiefergehende Qualitätsanalysen. „Ziel des Projekts war es, dass kI-Modelle zukünftig bis zu 100 Prozent der gesetzten Schweißpunkte im Karosseriebau bewerten. Als Input dienen Daten von circa vier Millionen Schweißpunkten pro Tag mit jeweils rund 200 Variablen. Damit wollen wir eine Verringerung des Stichprobenumfangs erreichen. Die Vision lautete, die Schweißprozesse künftig automatisiert zu steuern und kontinuierlich zu optimieren“, erklärt Mayer in einem Interview mit der DGQ. 22 Quality Engineering » 01 | 2023

Mayer arbeitet bereits seit sieben Jahren am Einsatz von KI in der Produktion von Audi und sieht die Nutzung von WPS Analytics als Chance: „Der Algorithmus dient als Blaupause für weitere Anwendungen in der vernetzten Fertigung.“ Dazu gehören für ihn typische Fügeverfahren im Fahrzeugbau wie Schrauben, Nieten und Kleben. „Darüber hinaus können bestehende digitale Lösungen weiterentwickelt werden, wie zum Beispiel bei der vorausschauenden Instandhaltung, also Predictive Maintenance.“ „Nachdem der Einsatz von Algorithmus und Dashboard von WPS Analytics in Neckarsulm erfolgreich abgeschlossen ist, soll ein Rollout auf weitere Werke im Konzern erfolgen“, so Mayer gegenüber der DGQ. „Der vielversprechende Anwendungsfall wird dabei federführend von Audi im Rahmen der Industrial Cloud des Volkswagen-Konzerns vorangetrieben. Mit dieser führt der Konzern Produktionsdaten aus seinen weltweiten Fabriken in einer leistungsstarken digitalen Plattform zusammen. Das Ziel: mehr Effizienz, weniger Kosten. Jeder angeschlossene Standort kann Anwendungen für seine Maschinen, Werkzeuge und Anlagen direkt aus der Industrial Cloud beziehen und damit noch effizienter produzieren.“ Audi muss belegen, dass die Ergebnisse belastbar sind Wichtig war für Mayers Team, dass der Anwendungsfall validiert und handhabungssicher für den Produktionsprozess nutzbar gemacht wird. „Dies schließt mit ein, dass der Prozess gleichzeitig auch ‚audit- beziehungsweise zertifizierungssicher‘ abgebildet wird“, erklärt der Experte. „Praktisch gesprochen muss der Fertiger in der Produktionsstraße, beispielsweise mit Hilfe einer App, in einem Audit schlüssig argumentieren können, wie das Ergebnis der KI-gestützten Prüfung zu Stande kommt. Das Unternehmen Audi wiederum muss in einem Audit nachweisen, dass die Ergebnisse belastbar sind.“ Um diese nachgelagerten Ziele zu er - reichen, suchte der Automobilhersteller einen externen Anbieter, der über viel - fältige Qualitätssicherungs-Kompetenzen verfügt und dabei Erfahrungen aus zahlreichen Projekten in möglichst vielen weiteren Branchen mitbringt. „Bei diesem Anforderungsprofil kam eigentlich nur die DGQ in Frage“, so Mayer. „Außerdem wurde uns die DGQ auch von der eigenen Qualitätsmanagement-Abteilung empfohlen. Und der Tipp war gut, denn bei den ersten Treffen hatten wir sofort den Eindruck, dass die DGQ-Vertreter schnell erfassten, worum es uns geht und was wir benötigen, um WPS Analytics auch für Audits aufzustellen.“ Auf Basis eines umfangreichen Fragenkatalogs, ergänzt um Interviews, Workshops und einer Werksführung im Rohbau, hat die DGQ zunächst den Ist-Zustand dokumentiert. „Mit dem Ziel, den neuen Prozess vor allem hinsichtlich Verlässlichkeit und Robustheit ‚auditfest‘ zu machen, haben wir eine Gap-Analyse durchgeführt, um den Erfüllungsgrad zu quantifizieren“, erklärt Stefan Weingärtner, DGQ-Berater und Geschäftsführer von Datatroniq. Dabei wurde neben den Datenbewirtschaftungsprozessen und der im Einsatz befindlichen KI-Modelle ein besonderes Augenmerk auf die Datenherkunft gelegt. Weingärtner: „So konnte auch die Unsicherheit in der Datenerhebung – zum Beispiel durch Sensorik, SPS und Qualitätsprüfergebnisse – in die Verlässlichkeitsbewertung mit einfließen. Die identifizierten Gaps haben wir in gemeinsamen Workshops priorisiert und entspre- chende Maßnahmen zur Schließung der Gaps abgeleitet.“ Mayers Resümee: „Wenn Bereiche mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Methoden zusammenarbeiten, kann es hilfreich sein, wenn ein externer Dritter seine Sicht einbringt. Nun haben wir gezeigt, dass das, was wir tun, Hand und Fuß hat und standhält, wenn der Auditor kommt. Damit haben wir ein positives Beispiel geschaffen, damit wird es zukünftig einfacher.“ „Von außen betrachtet ist es natürlich faszinierend zu sehen, dass es technisch möglich ist, jeden Schweißpunkt auf Basis seiner individuellen Prozessdaten mittels KI-Methoden auf Qualitätskonformität zu prüfen“, lautet das Fazit von DGQ- Berater Weingärtner. „Diese Methodik kann vom Prinzip auch auf andere diskrete Fertigungsprozesse übertragen werden. Man darf aber nicht vergessen, dass KIgestützte Prüfroutinen nur dann verlässlich sein können, wenn die zugrunde liegenden Datenquellen entsprechende Daten liefern. Zum Nachweis der Wirksamkeit und somit für die Akzeptanz von KI-gestützten Prüfroutinen sollten daher die gleichen Methoden der statistischen Prozesskontrolle (SPC) verwendet werden, wie bei einer Bauteil- oder Prozess-Prüfung, um Prozessverlässlichkeit und Robustheit quantifizieren und sicherstellen zu können.“ Im Karosseriebau des Audi A6/A7 am Standort Neckarsulm wurden der zugrundeliegende Algorithmus, dessen grafische Benutzeroberfläche (Dashboard) und eine Anwendung für tiefergehende Qualitäts - analysen pilotiert. Nun, nach Abschluss des Projekts, wird die KI-Technologie auf andere Standorte des Automobilherstellers ausgerollt. Bild: Audi Quality Engineering » 01 | 2023 23

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