E-Paper

Aufrufe
vor 2 Jahren

2007-4 REISE und PREISE

  • Text
  • Airways
  • Airlines
  • Reise
  • Flug
  • Strand
  • Emirates
  • Thailand
  • Thai
  • Hotels
  • Wwwreisepreisede

KANADA DIE REPORTAGE l l

KANADA DIE REPORTAGE l l ti k Mu u ti in Ontario Dass Multikulti nicht immer explosiv sein muss, beweist die kanadische Metropole Toronto. Von Greektown bis Little India – die Kapitale der Provinz Ontario präsentiert sich tolerant und beschwingt, fast wie eine ständige Vertretung der Expo. Auf dem Land hingegen gibt »Mutter Erde« den Ton an, der Mensch hört zu. VON ALEXANDRA KUITKOWSKI Sommer in der Stadt. Nichts für Kreislaufschwache. Es ist laut, unerträglich laut, alle paar Minuten kämpfen sich Feuerwehrwagen mit kreischenden Sirenen durch den Verkehr. Oder Ambulanzfahrzeuge. Oder die Cops. Taxifahrer hupen ebenfalls gern. In den Straßenschluchten von Toronto flirrt die Hitze, und hier, Downtown, im Einkaufs- und Finanzdistrikt,ist Amerika so, wie Europäer es aus unzähligen US-Serien kennen. Wie New York oder wie Chicago, das gar nicht so weit entfernt auf der anderen Seite der großen Seen liegt. Die Skyline mit dem CN- Tower, dem höchsten frei stehenden Gebäude der Welt,kann da durchaus mithalten.Was aber ist typisch kanadisch an Ontarios einziger Millionenmetropole? Bruce Bell,Buchautor,Stadtführer und Lebenskünstler,beantwortet die Frage mit einem strammen Fußmarsch. Ein paar Blocks weiter:Bäume spenden Schatten,und die Häuser sehen aus wie in England zu Queen Victorias Zeiten.Ein reines Wohnviertel.Vom Lärm ist nichts mehr zu hören. »Von wegen Stress. Ist das nicht ein herrlicher Tag?«, fragt Bruce, der vor Jahren seinen Bürojob hinschmiss, um tagein, tagaus in seiner Stadt unterwegs sein zu können.Ein leidenschaftlicher Lokalpatriot mit Sendungsbewusstsein. Täglich plant er für seine Gäste – er nennt sie Freunde und behandelt sie entsprechend – eine kleine Weltumrundung zu Fuß. Weiter geht es vorbei an der Uni – ein bisschen Oxford,ein wenig mehr Harvard – zum Kensington Market, wo Schluss ist mit der Beschaulichkeit. Aus den Fenstern der viktorianischen Häuser schallt Musik auf die Straße: Reggae und Hip Hop. Einwanderer aus der 84 REISE & PREISE 4/2007

Toronto ist ein Potpouri der Nationalitäten. In wohl keiner anderen Großstadt dieser Welt leben kulturelle Gruppen so einvernehmlich mit- und nebeneinander. Im Bild: gut gelaunter Nachtschwärmer (links). Volksfeststimmung auf der »Canadian National Exhibition« (rechts) Karibik,Lateinamerika und Portugal haben sich in dem einst jüdisch dominierten Marktquartier niedergelassen,dazu Studenten und Künstler aller Couleur. Ethno-Lokale, Second-Hand- Läden,kleine Boutiquen,in denen Nachwuchsdesigner sich als Trendsetter versuchen, und Obst- und Gemüsehändler mit üppigem Sortiment reihen sich aneinander. In Toronto lebt jeder nach seiner Façon Bruce braucht eine Stärkung: Kaffee und Kuchen. Zufällig ist in dieser Gegend einer seiner Lieblingsbäcker zu Hause. Ein anderer Spezi von Bruce backt gleich um die Ecke in Chinatown, kaum einen Coffee-to-go entfernt. Wieder ein anderer Mikrokosmos. Asien in Amerika, Garküchen, Straßenhändler, Karaoke-Bars inklusive. Chinesische Schriftzeichen überall,sogar die Straßenschilder sind zweisprachig. Und so könnten wir stundenlang weitermarschieren. Hinüber ins griechische Viertel, nach Little Italy und weiter nach Klein-Indien. Fast die Hälfte der zweieinhalb Millionen Einwohner Torontos gehört einer der mehr als achtzig verschiedenen ethnischen Minderheiten an. »So ist Kanada«, erklärt Bruce, »die Leute kommen her und bringen ihre Kultur und Lebensweise mit. Wir sind kein Schmelztiegel wie die USA, hier verschmilzt überhaupt nichts. Alle behalten ihre Identität und leben friedlich nebeneinander her. Das funktioniert ziemlich gut.« Findet auch Joseph Aigner, ein gebürtiger Münchener,der seit fast vierzig Jahren in der Metropole am Lake Ontario lebt. Aigner ist Kunsthandwerker:Kirchenfenster und Kuppeldächer sind sein Metier. Er ist gut. Seine Glasarbeiten sind international gefragt,obwohl ihm der deutsche Meisterbrief fehlt. Aigner: »Wenn du hart arbeitest, hast du hier alle Chancen. So weit hätte ich es daheim nicht gebracht. Dafür bin ich natürlich dankbar. Und trotzdem bin ich im Herzen Deutscher geblieben.« Schön. Aber wo leben denn nun die Kanadier, deren Herz nicht für eine irgendeine alte Heimat schlägt? Die Eishockeyfans und Bärenbezwinger. Die jeden Morgen ihre Pfannkuchen in Ahornsirup ertränken? Die müssten doch auch irgendwo zu finden sein? Bruce lacht. »Versuch’s mal auf dem Land. Da müssten sie sein.« Zum Pow Wow auf die Insel des Manitu Also hinaus in die Wildnis.Meilen schinden.Die Distanzen imponieren: Deutschland, Frankreich und Italien zusammen würden in den verwunschenen und über weite Strecken unberührten Wäldern Ontarios Platz finden. Lange vor den weißen Siedlern hatten die Ureinwohner die Schätze dieses Landstrichs entdeckt.Auf Manitoulin Island im nördlichen Huron-See, der größten Süßwasser-Insel der Welt,versuchen sie heute ihr Ideal von einem Leben im Einklang mit der Natur zu verwirklichen und an Besucher aus aller Welt weiterzugeben. Sie veranstalten Wanderungen und Kajaktouren oder Workshops für Kunsthandwerk und Heilkräuterkunde.Übernachtet wird – auf Wunsch – stilecht im Tipi, dem Indianerzelt. ‘ Das wohl bekannteste Gesicht Torontos: die Skyline mit CN-Tower und dem Skydome REISE & PREISE 4/2007 85

© 2023 by REISE & PREISE