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2010-4 REISE und PREISE

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TIBET Samye, Tibets

TIBET Samye, Tibets ältestes Kloster, ist gekrönt mit einem goldenen Dach EINREISEERLAUBNIS Lhasa für einen Tag? Nicht alles geht! Im Reisebüro im chinesischen Xining stellt Frau Hong die dritte Kanne vom grünen Tee auf den Tisch. »Damit Sie durchhalten«, lächelt sie die beiden Touristen an. In dem dunklen Zimmer im 5. Stock eines der Hochhäuser der Stadt glühen die Telefondrähte heiß. Die Chinesin ist dabei, für sie einen Ein- Tages-Trip nach Lhasa zu organisieren – und das bereits seit drei Stunden. Doch die geplante Tour ist dem Tibet Tourist Bureau TTB, das alle Tibetreisen prüft, suspekt. Immer wieder wird die Frau vertröstet, Fragen werden gestellt. Warum die Touristen nur Der Jokhang Square im Zentrum Lhasa so kurz nach Tibet wollen? Wo sie unterkommen? Ob es dort Bekannte gibt? Nach vier Stunden Hin und Her teilt das TTB mit, das benötigte TTB-Permit nicht auszustellen. Begründung? Keine. Frau Hong verrät hinter vorgehaltener Hand, man habe Angst vor einer eigenmächtigen Verlängerung der Reise, denn niemand wäre bislang für nur einen Tag nach Tibet gereist. Die beiden Touristen nehmen’s gelassen, trinken von dem heißen Tee und buchen fünf Tage vor Ort. Das ist zwar deutlich teurer, aber Standard. Und nach einer weiteren Stunde liegt das Permit vor. Peking auf dem Heimweg. Die Touristen entdecken die Bahn zunehmend als günstige Reisemöglichkeit nach Lhasa. Sie sind davon überzeugt, der Höhenkrankheit so eher zu entgehen als auf einem Flug vom chinesischen Chengdu oder dem Weg von Nepal aus, wo keine Zeit zur Akklimatisierung bleibt. Pilger und Soldaten in Lhasa Lhasa, Hauptstadt und spirituelles Zentrum, ist die Seele Tibets. Hier pilgern täglich Hunderte von Gläubigen auf dem Barkhor, dem Pilgerrundweg im Herzen der Altstadt. »Das bewahrt vor einer schlechten Wiedergeburt«, erklärt Plema dem deutschen Touristen Paul, seinem Sitznachbarn im Zug. Rund 500 Meter misst eine Runde durch die schmalen Gassen um den 1300 Jahre alten Jokhang-Tempel, das bedeutendste Heiligtum Tibets. An den Seiten der Rundstrecke reihen sich unzählige Verkaufsstände mit Gebetsmühlen, riesigen Stoffrollen und eimergroßen Yakbutter-Stücken aneinander. Dicht gedrängt schiebt sich die bunt gekleidete Pilgermasse langsam vorwärts. Nur zu den regelmäßig patrouillierenden chinesischen Soldaten, die Protestler und andere Störenfriede abschrecken sollen, hält sie großen Abstand. Die meisten Gläubigen murmeln ihre Gebete vor sich her, andere schwingen klappernd ihre Gebetsmühlen. Drei Kilometer Luftlinie entfernt warten weitere Gläubige vor dem weltbekannten Potala- Palast um Einlass. Sie kommen aus ihren Dörfern, um Yakbutter und Khataks, die zeremoniellen Tücher, zu opfern. Die einstige Winterresidenz des Dalai Lama thront mit ihren 1.000 Räumen hoch oben auf dem Marpo Ri, dem roten Hügel, mit Blick auf die kleine tibetische Altstadt und den gesichtslosen chinesischen Teil Lhasas. Die religiöse Atmosphäre um die prächtigen, buddhistischen Klöster macht Tibets besonderen Charme aus. Schon von Weitem leiten flatternde Gebetsfahnen und die Stimmen der betenden Mönche den Weg zu ihren exponierten Lagen. In den vergangenen Jahrzehnten von China rücksichtslos zerstört, durften viele Klöster wieder aufgebaut werden. Kritiker schreiben dies dem Tourismus zu, der den vielen Chinesen, die sich hier ansiedeln, Geld in die Kassen spült. Denn die Tibeter werden im eigenen Land immer weniger. Nur noch zwei Millionen leben im »Autonomen Gebiet«, auf einer Fläche, die mehr als dreimal so groß ist wie Deutschland. Ein Meer aus sanften Tälern und schroffen Gebirgshängen scheint Tibet zu sein, mit Herden von Yaks und Schafen, die zufrieden an Flüssen grasen, mit blau funkelnden Salzseen. Sieht man an den Sandpisten verwaiste Reihenhäuser auf ihre Bewohner warten, scheint es fast, als sei Chinas Projekt »neue sozialistische Dörfer« erfolglos geblieben. Tatsächlich wurden aber allein 2008 mehr als 300.000tibetische Bauern und Nomaden in solche Dörfer zwangsumgesiedelt. Übernachtung bei tibetischen Bauern Im Kyi-Chu-Tal, fünf Jeepstunden nordöstlich von Lhasa, bahnt sich der eiskalte Kyi Chu, der Glücksfluss, den Weg zwischen den Berghängen hindurch. Zunehmend breiter passiert er die Hauptstadt und mündet schließlich in den 92 REISE & PREISE 4/2010

Yarlung Tsangpo. An seinen Ufern bündeln Bauern frisch gemähte Gerste zu unzähligen Getreidehaufen. »Manchmal ist hier eine Übernachtung mit Familienanschluss möglich«, Plemas Augen leuchten, als er Paul einige Zugkilometer weiter von seinem heißen Yak-Buttertee anbietet. Ein einzigartiger Einblick in das Leben der Tibeter in ihren ungewöhnlichen Häusern – China jedoch ein Dorn im Auge. Die Häuser, eine Kombination aus Wohnhaus und Yak-Stall, schmiegen sich mit ihren bunten Fenstern in das Gebirge. Kalt und trocken ist es hier. Nur ein Grad Celsius beträgt die durchschnittliche Jahrestemperatur. Im Sommer, wenn die Sonne steil auf die Dörfer scheint, lässt es sich tagsüber gut aushalten in der Stille, die so typisch ist für ganz Tibet. Für viele Touristen ist Lhasa vor allem Ausgangspunkt für eine Fahrt auf dem Friendship Highway nach Kathmandu in Nepal. Auf dieser Straße der chinesisch-tibetischen Freundschaft, entlang des grünen Tals des mächtigen Yarlung Tsangpo und des überwältigenden Himalaya-Gebirges, liegen Tibets zweit- und drittgrößte Orte, Shigatse und Gyantse. Wie Lhasa sind auch sie beliebte Pilgerstätten. Am Kloster Tashilhünpo in Shigatse strecken einige Pilger zur Begrüßung ihre Zungen raus. Nicht nur hier ein Ritus, um zu zeigen, dass man kein Teufel ist – denn im tibetischen Glauben hat der Teufel eine dunkle Zunge. Die Pilger umkreisen das rotfarbene Gebäude, das neben den Klöstern Drepung, Sera und Ganden in Lhasa sowie Kumbum und Labrang in Amdo eine der sechs größten Gelugpa-Institutionen ganz Tibets und Sitz des Panchen Lama ist. In Gyantse am Kloster Pälkhor Chöde gießen die Gläubigen flüssige Yakbutter in die brennenden Kerzen. Eine Opfergabe. »Früher konnten die Touristen die Strecke nach Nepal noch im Minibus zurücklegen. Aber diese Zeiten sind längst vorbei«, macht Plema die Restriktionen in seiner Heimat deutlich. Seit jährlich bis zu 3.000 Tibeter aus Tibet flüchteten, hat Nepal an der Grenze zunehmend bewaffnete Polizei stationiert. Seit Jahren steht Chinas Tibet-Politik im Brennpunkt des Weltinteresses. Prominente Gegner wie der Schauspieler Richard Gere üben immer wieder scharfe Kritik. Durch die massiven Umsiedlungen leben heute allein in Lhasa mehr Chinesen als Tibeter. Die Tibeter haben das Nachsehen. Ein Großteil der Geschäfte ist bereits in chinesischer Hand, die Arbeitslosigkeit steigt und die Unterrichtssprache an den Schulen ist Chinesisch – ein ernstes Problem für die jungen Menschen vom Lande. Tibet ist nur in der Gruppe bereisbar Die Touristen sehen die Auswirkungen nur teilweise. Seit den Aufständen im März 2008 setzt China verstärkt bewaffnete Soldaten an buddhistischen Sehenswürdigkeiten ein. Auch die Reisefreiheit ist eingeschränkt. Reisen nach und innerhalb Tibets sind nur als Gruppe und mit entsprechender Genehmigung möglich. »Wenn die Morgensonne ihre Strahlen auf den schneebedeckten Gipfel des heiligen Bergs Kailash wirft, schlägt jedes Trekker-Herz höher«, sagt der Tourguide überzeugt, während der »T27« durch Yangpachen eilt. Auf der 52 Kilometer langenKora, dem Ritualweg, der am Rande des Schneejuwels im Westen Tibets entlangführt, mischen sich reitende Hindus mit singenden Tibetern und neugierigen Travellern. Sie pilgern zwischen einem Tag in schnellem Schritt und zweiWochen mit Niederwerfungen, damit ihren Sünden vergeben wird. Bis auf 5.600 Meter geht es nach oben. Vom Fuße des Mount Everest in Süd-Tibet lassen sich noch weitere Höhen erklimmen. Hier ragen die Gipfel steil bis in den Himmel. Expeditionen vorbei an Dörfern, Gazellen und Braunbären, über Gletscher und Geröllfelder bis auf eine Höhe von über 6.000 Meter sind möglich. »Einfach fantastisch«, da sind sich Plema und Paul einig, als der »T27« um 23Uhr in den Bahnhof von Lhasa einfährt. In einem tibetischen Haus geht es sehr beengt zu. Die ganze Familie einschließlich der Großeltern isst und schläft in einem Raum. Geheizt wird mit getrocknetem Yak-Dung REISE & PREISE 4/2010 93

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