KANADA DIE REPORTAGE Die Schlafwagenabteile des »Canadian« sind funktional (links). In der Aussichtskuppel des Zuges haben die Reisenden freien Blick auf die vorbeiziehende Landschaft (Mitte). Fürs leibliche Wohl wird an Bord des »Rocky Mountaineers« bestens gesorgt (rechts) Ganz Kanada in einem Zug Zugfahren ist im zweitgrößten Land der Erde Naturerlebnis und entspannendes Vergnügen zugleich. Die Strecke von Toronto am Ontariosee nach Vancouver am Pazifik führt durch fantastische Landschaften. VON DAGMAR KRAPPE 68 REISE & PREISE 2/2012
Vier Nächte. Drei Tage. So lange wird sie dauern – unsere Zugfahrt einmal quer durch Kanada. 4.600 Kilometer auf Schienen. Christophs Reise ist etwas kürzer. Er steigt einige hundert Kilometer vor uns aus. In Kamloops. Denn Christoph will Cowboy werden und ist auf dem Weg zur Douglas Lake Ranch in British Columbia. Mit dem Flugzeug wäre er viel schneller gewesen – damit ist die Strecke in knapp sechs Stunden zurückzulegen. Doch der 23-Jährige liebt die Natur und will sich mit der Zugfahrt etwas Besonderes gönnen. Wie viele seiner Mitfahrer. Die meist älteren Menschen an Bord des »Canadian« haben Zeit. Sie möchten die unterschiedliche Natur der Provinzen entspannt vom Panoramawagen aus erleben. Sie freuen sich auf den Smalltalk mit den täglich wechselnden Tischnachbarn im Restaurant. In der Union Station in der Nähe des Fernsehturms CN Tower haben wir das Flaggschiff der kanadischen Bahngesellschaft VIA Rail bestiegen. Dreimal pro Woche startet der Zug Nummer Eins um 22 Uhr mitten in Toronto, um das zweitgrößte Land der Welt (nach Russland) zu durchfahren. Einmal von Ost nach West durch fünf Provinzen. Von Toronto am Ontariosee, dem kleinsten der fünf großen Seen, nach Vancouver am Pazifik. Bequeme Sessel für den Panoramablick Der »Canadian« ist funktional. Kein Plüsch, kein Schnörkel, keine Spielereien. Ein Lindwurm aus 23 chromblitzenden Waggons, gebaut in den 1950er Jahren, die gezogen werden von zwei blaugelben Diesellokomotiven. Jede von ihnen 3.000 PS stark. Schlafwagenabteile gibt es nur in der ersten Klasse. Zweierkabinen sind mit Doppelstockbett, Waschbecken und separatem Toilettenraum ausgestattet. Tagsüber werden die Betten in der Wand versenkt und zwei bequeme ockerfarbene Kunststoffsessel mit grauen Lehnen und Kopfstützen kommen zum Vorschein. Perfekt geschaffen für den Panoramablick aus dem Fenster. Alleinreisende führt Zugbegleiterin Bernadette in eine Art Wohnklo mit Sessel, Toilette und Waschgelegenheit. Zur Nacht wird hierüber ein recht komfortables Bett geklappt. Fürs schmalere Portemonnaie gibt es Liegekojen hinter dicken grauen Vorhängen. Jeder Waggon verfügt über eine geräumige Dusche. Bei über 80 Stunden Fahrzeit nicht zu unterschätzen. In der ersten Klasse reisen wir nur mit Handgepäck. Für mehr ist kein Platz. Die großen Koffer sind im Gepäckwagen hinter den beiden Loks verstaut. Im Speisewagen plaudert man besonders gern, wenn es draußen mal nicht so ‘ Der chromblitzende »Canadian« durchquert dreimal pro Woche Kanada von Ost nach West REISE & PREISE 2/2012 69
