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2014-4 REISE und PREISE

ECUADOR DIE REPORTAGE

ECUADOR DIE REPORTAGE Aber bitte mit Hut! Vom harten Andenklima gezeichnet: die 66-jährige Carmen in traditioneller indianischer Kleidung Rauchende Vulkane, koloniale Haciendas und bunte Indianerdörfer machen Ecuador zu einem faszinierenden Reiseziel. Die Wege im Äquator land sind kurz. Wer morgens im Hochland einen Panamahut kauft, kann ihn schon am Nachmittag im Dschungel als Sonnenschutz tragen. TEXT & FOTOS MARTINA KATZ Matildo Agualsaca zieht eine Maniok-Wurzel aus dem Urwaldboden. Mit einer Machete hackt sie der 64-jährige Dschungelführer in fingerlange Stücke, schält die Rinde ab und legt das weiße Innere in einen Beutel. »Hier im Amazonasgebiet Ecuadors, dem Oriente, nennen wir die Pflanze Yuca«, erzählt er. »Ich kenne sie, seit ich als junger Mann als Goldsucher unterwegs war. In den abgeschiedenen Regionen, in denen wir schürften, gab es keine Läden. Also gingen wir auf die Jagd, Wasserschweine und Rehe erlegen. Oder nach essbaren Wurzeln suchen. Die Yuca war immer eine Delikatesse. Auf dem Feuer geröstet, mit Dschungelfarn verfeinert, schmeckt sie wie Kartoffel mit Spinat.« Matildo hängt den mit Maniok gefüllten Beutel um die Schulter und bahnt sich den Weg zurück zu seiner Urwaldlodge beim Dorf Ahuano. Das Amazonastiefland nimmt wie eine bombastische Oase von der Größe Portugals den gesamten Osten Ecuadors ein. Brettwurzelbäume, Wanderpalmen, Bambus und Kakaobüsche formen hier den größten Regenwald des Landes. Zahlreiche Flüsse durchziehen das saftige Grün. In den Baumwipfeln kreischen rote Aras, Kolibris saugen an Paradiesvogelblumen, Tukane und Webervögel flattern durch die Luft. Auf dem Río Napo, einem Zufluss des Amazonas, steuert ein Junge ein Einbaumkanu durch das Wasser. Sein Ziel: der Dschungelstrand in Misahuallí. Der weiche Sand lockt täglich Scharen von Familien, Einheimische und Touristen. Sie baden im seichten Nass, kaufen den Mädchen am Ufer Zuckerrohrstangen ab und füttern die Kapuzineraffen, die aufgeregt in den Bäumen umherspringen – ein unerwarteter Trubel im ruhigen Oriente. Ecuador, das seinen Namen wegen der Lage 1830 während einer französisch-spanischen Expedition zur Vermessung des Äquators erhielt, nutzt das Amazonasgebiet schon seit Jahrzehnten für den Dschungeltourismus. Aber nicht nur das. Mehr als drei Viertel der landesweiten Erdölexporte werden aus der Nordregion über eine kilometerlange Pipeline zum Pazifik gepumpt. Neuerdings soll ein weiteres Förder- 82 REISE & PREISE 4-2014

gebiet im Süden entstehen, gut versteckt vor den Urlaubern. Immer wieder gab es Streit zwischen dem armen Staat und der indigenen Bevölkerung wegen Korruption, Umweltverschmutzung und Krankheiten, allen voran mit den Kichwa(Quechua), der größten Volksgruppe im Oriente. Doch auf die Einnahmen, die dem Staat um Präsident Rafael Correa jährlich mehrere Milliarden Dollar in die Kassen spülen, will man nicht verzichten. Bananen- und Rosenexporte reichen eben nicht für eine Modernisierung der Straßen und den Ausbau der Bahnlinie. Quito: Magische Metropole im Hochland Der Großteil der 15 Millionen Ecuadorianer bekommt von all dem kaum etwas mit. Er lebt geballt im Großraum der Metropole Quito, der höchstgelegenen Hauptstadt weltweit, wo die imposante Statue der Schutzheiligen Maria über die UNESCO-Weltkulturerbe-Altstadt mit ihren prächtigen Kolonialbauten und kostbaren Kirchen wacht, oder siedelt verstreut in der Sierra, dem zentralen Hochland. Das zieht sich mitten durch die Republik, entlang der Panamericana von Nord nach Süd. Mestizen, Afro-Ecuadorianer und Indígenas wohnen hier auf Höhen über 2.000 Metern in einer völlig anderen Welt. In der durch Erdbeben geschundenen Stadt Ibarra ziehen Hirten mit ihren Ziegen durch die Straßen und verkaufen deren Milch direkt in den Mund, auf dem Lebensmittelmarkt liegen ganze Schweine und Meerschweinchen am Spieß auf dem Grill. Nur einen Katzensprung ist es in den Nebelwald oder bis nach El Angel: knorrige Papierbäume in Moos gehüllt und kreisende Kondore über mannshohen Mönchsblumengewächsen machen aus dem Páramo-Naturschutzgebiet einen Märchenwald. Nicht weniger traumhaft zeigt sich die Cuicocha-Lagune am Vulkan Cotacachi. Wie kleine Südseeinseln sprießen Eilande aus ihrem Wasser, ein Boot tuckert auf dem Nass, Wanderer umrunden den Kraterrand – der »Meerschweinchensee« ist ein beliebtes Ausflugsziel der Otavaleños. Zwar schwören die Bewohner der Andenstadt Otavalo noch immer auf ihren Kunsthandwerkermarkt, doch schon lange ist es auf dem Plaza Poncho nicht mehr so spannend wie auf den traditionellen Märkten im Süden. Im Parque Central gibt es dafür ecuadorianisches Leben in Hülle und Fülle: Frauen in hübsch bestickten Blusen, mit Goldketten behängt, schlendern umher, Männer mit Zöpfen und Alpargatas, weißen Sandalen, sitzen im Schatten der Palmen. Auf der Straße der Vulkane Moderner geht es im Süden zu. Im Wallfahrtsort Baños, der mit ein paar Reiseagenturen und seiner entspannten Fußgängerzone Ambato als das Tor zum Oriente gilt, planscht ‘ Ein seltener Anblick: der Gipfel des Chimborazo, einmal frei von Wolken Wanderung im von Moosen und Farnen überzogenen Märchenwald von El Angel Die Statue der Schutzheiligen Maria thront weithin sichtbar über Quitos Altstadt REISE & PREISE 4-2014 83

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