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2016-3 REISE und PREISE

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DEM. REPUBLIK KONGO DIE

DEM. REPUBLIK KONGO DIE REPORTAGE Flussabenteuer AFRIKA Der Kongo ist der wasserreichste Fluss Afrikas. 4.374 Kilometer lang bahnt sich der gewaltige Strom, der an einigen Stellen bis zu 13 Kilometer breit ist, den Weg durch den zentralafrikanischen Regenwald. Wer ihn befährt, der erlebt eines der letzten Abenteuer des Kontinents. VON FABIAN VON POSER Fotos: Fabian v. Poser, wikipedia (CC BY 2.0) Frei lebende Bonobos gibt es nur im Kongo (links). Nach den Zwergschimpansen wurde die Piroge benannt (Mitte). Die helle Kalkpaste dient als Sonnenschutz und Make-up (rechts). 54 REISE & PREISE 3-2016

Am Himmel über uns türmen sich gewaltige Gewitterwolken. Wie impressionistische Gemälde hängen sie im Licht des anbrechenden Tages da. Der Kongo liegt vor uns wie ein breites, langgeschwungenes Band ohne erkennbaren Anfang und ohne Ende. Seit Stunden bereits kauert Molokai vorne auf der Nase der »HB Bonobo«. Zwei Dinge hat er dabei immer im Kopf: die Strömung und das Holz. Die Strömung ist berechenbar. »Aber Der Kongo mäandert durch das riesige, mit tropischem Urwald bedeckte Kongobecken das Holz«, sagt er, »ist die größte Gefahr.« Immer wieder hebt der 30-Jährige den Arm nach rechts oder links, um riesige Strudel zu umschiffen und gewaltigen Tropenholzstämmen auszuweichen, die unvermittelt auf dem Fluss auftauchen. Hinten sitzt Rigo auf einer Staude Kochbananen und folgt den Anweisungen am Ruder. Beide reden nur das Nötigste. Aber sie verstehen sich blind. Und das ist gut so. »Denn der Fluss verzeiht keine Fehler«, sagt Molokai. Seit zehn Jahren befahren Rigo und Molokai gemeinsam den Fluss. Meist transportieren sie mit ihrer Piroge Material von Kinshasas Hafen Maluku den Kongo flussaufwärts. Hin und wieder sind auch Menschen an Bord. Zwei Tage dauert die Reise von Maluku nach Tshumbiri. 300 Kilometer Wasser und Urwald. Sonst nichts. Wer an Bord der zwölf Meter langen Piroge reist, der reist bescheiden. Ein wackeliges Holzdach, ein paar Plastikstühle und ein unermüdlicher Motor mit 25 PS. Der Kahn ist aus einem Stamm geschnitzt und gerade so breit, dass zwei Personen nebeneinander Platz haben. Kein Klo. Zum Pinkeln müssen wir an Land gehen, aber immer nur am rechten Ufer, denn dort liegt die Demokratische Republik Kongo, von der aus wir gestartet sind. Gegenüber liegt die Republik Kongo, für die niemand an Bord ein Visum besitzt. Der Strom, der alle anderen schluckt Nzadi, der »Strom, der alle anderen schluckt«, nennen die Einheimischen den Kongo. Mit Recht. Am Kongo ist alles größer, gewaltiger als anderswo. Es ist beängstigend, mit einem Boot dieser Größe unterwegs zu sein. Stellenweise ist der Fluss bis zu 13 Kilometer breit. Ein Meer im Land. Die Ufer: am Horizont nur eine graue Illusion. Das Wasser: grau und bedrohlich. Strudel von noch nicht gesehener Größe ziehen alles in die Tiefe, was vorbeischwimmt: Blätter, Büsche, ja ganze Baumstämme. Manchmal, wenn ein Tropengewitter einen der 40 Meter hohen Baumgiganten zu Boden gerissen hat, treibt der Hunderte Kilometer auf dem Fluss – und zerschmettert so manches Boot. Viele sagen: Wer Afrika verstehen will, der muss den Kongo verstehen. Zu Recht. Vom Potenzial her ist der Kongo einer der reichsten Staaten der Erde: Gold, Diamanten, Kupfer, Kobalt, Coltan, Uran, Erdöl. Dazu kommen tropische Früchte, Kaffee und eine Natur, die es kein zweites Mal gibt: mit Waldelefanten, Gorillas, Schimpansen und den endemischen Bonobos. Allein mit seinen Agrarflächen könnte der Kongo den ganzen Kontinent ernähren. Doch er zählt zu den ärmsten Ländern der Erde. Von der brutalen Ausbeutung durch Belgiens König Leopold II. Ende des 19. Jh. hat sich das Land, selbst 80-mal so groß wie Belgien, nie erholt. 1960 wurde der Kongo als Zaire unabhängig. Was folgte, waren 40 Jahre Diktatur unter Mobutu und zehn Jahre Bürgerkrieg. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt heute bei 398 US- Dollar. Das macht den Kongo zum viertärmsten Land der Erde. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International nahm das Land 2015 Platz 147 ein, noch hinter den Komoren, Papua- Neuguinea und dem Tschad. Lastkähne wie schwimmende Städte Zusammengehalten wird dieser zerrüttete Staat nur von dem Strom, auf dem wir gerade schippern. In einem Land, in dem es weniger als 3.000 Kilometer geteerte Straßen gibt und in dem sämtliche Airlines auf den schwarzen Listen ‘ REISE & PREISE 3-2016 55

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