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4-2022 REISE & PREISE

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RECHT Lange Schlangen

RECHT Lange Schlangen beim Check-in waren diesen Sommer leider der Normalfall AUCH IN PANDEMIEZEITEN RECHT BLEIBT RECHT Der Sommer 2022 wird vielen Reisenden als Chaos-Sommer in Erinnerung bleiben. Flughäfen waren regelrecht überfordert und weit weg von einem Normalbetrieb. Aber wie gestalten sich die Fluggastrechte in so einem Fall? Bei Verspätung haftet die Airline auch heutzutage Hatte Ihr Flug eine Verspätung von mindestens drei Stunden, haben Sie grundsätzlich Anspruch auf eine pauschale finanzielle Entschädigung, je nach Flugstrecke von 250 Euro bis 600 Euro. Viele Airlines berufen sich derzeit auf einen außergewöhnlichen Umstand, weil am Flughafen zu wenig Personal für das Be- und Entladen des Flugzeugs vorhanden war. Da diese Tätigkeit in aller Regel nicht direkt von der Airline, sondern von externen Dienstleistern durchgeführt wird, heißt es gern, dass die Airline ja nun nichts hierfür könne und daher die Verspätung nicht in ihren Verantwortungsbereich falle. Gelinde gesagt ist dies grober Unfug. Der Europäische Gerichtshof hat bereits vor langem klargestellt, dass alles, was üblicherweise für die Abfertigung eines Fluges notwendig ist – auch das Be- und Entladen – in den Verantwortungsbereich der Airline fällt. Wenn externe Dienstleister von einer Fluggesellschaft damit beauftragt werden und diese schlicht zu wenig Personal haben und es hierdurch zu Verzögerungen kommt, ist das kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung. Es ist eine Ausgleichszahlung von der Airline zu leisten. Personalmangel gilt weiterhin nicht als höhere Gewalt Viele europäische Airlines haben derzeit mit akuter Personalknappheit zu kämpfen. Für die Durchführung eines Fluges ist abhängig vom Flugzeugtyp stets eine Mindestanzahl an Crewmitgliedern erforderlich. Meldet sich auch nur ein Crewmitglied kurzfristig krank und ist kein Reservepersonal vorhanden, muss der Flug annulliert werden. Oft heißt es dann von der Airline, es liege höhere Gewalt vor, da aufgrund der Coronapandemie ungewöhnlich viele Mitarbeiter gleichzeitig krank seien und man sich aufgrund des Einbruchs des weltweiten Flugverkehrs in den Vormonaten von viel Personal getrennt habe. Zudem sei man vom Ansturm der Urlauber regelrecht überrascht worden. Wäre Corona nicht in der Welt, gäbe es die Probleme nicht, also liege ein außergewöhnlicher Umstand vor. Mit dieser Argumentation kann ein Richter in aller Regel nicht überzeugt werden. Denn es ist die Verpflichtung der Fluggesellschaft, ausreichend Personal und eben auch ausreichend Reservepersonal vorrätig zu haben. Eben weil die Coronapandemie inzwischen seit mehr als zwei Jahren bekannt ist, muss entsprechend geplant werden. Hinzu kommt, dass beispielsweise sowohl die Lufthansa als auch die TUI noch Anfang 2022 in Pressemitteilungen stolz verkündet haben, dass die Buchungszahlen für den Sommer 2022 äußerst vielversprechend seien. Daher war die Entwicklung bekannt und man hätte entsprechend frühzeitig mit der Rekrutierung neuen Personals beginnen können. Wird Ihr Flug annulliert und wurden Sie weniger als 14 Tage vor dem geplanten Abflug über die Annullierung informiert, steht Ihnen also eine Ausgleichszahlung zu, sofern nicht doch ausnahmsweise mal ein außergewöhnlicher Umstand wie z. B. eine Flughafensperrung wegen eines Unwetters vorlag. Musste der Flug wegen eines Streiks annulliert werden, kommt es darauf an, ob das eigene Personal der Airline gestreikt hat. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass in diesem Fall eine Ausgleichszahlung fällig ist. So steht den von dem Lufthansa-Piloten- und dem Lufthansa-Bodenpersonal-Streik betroffenen Fluggästen grundsätzlich eine Entschädigung zu. Anders verhält es sich hingegen, wenn der Flug aufgrund eines externen Streiks annulliert werden musste. Streiken zum Beispiel die Fluglotsen, ist keine Entschädigung fällig. Bei Flugannullierung muss die Airline für Ersatz sorgen Wurden Sie mehr als 14 Tage vor Abflug über die Annullierung informiert, haben Sie zwar keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung. Dennoch stehen Sie nicht völlig schutzlos dar. Denn auch in diesem Fall muss Sie die Airline auf Ihren Wunsch hin auf eine für Sie kostenfreie Ersatzbeförderung umbuchen. Tut sie das nicht, dürfen Sie eigenständig ein neues Ticket buchen und die hierdurch entstehenden Kosten von der Fluggesellschaft ersetzt verlangen. Die Pflicht zur Verfügungstellung einer Ersatzverbindung besteht selbst dann, wenn der Flug wegen höherer 84 REISE-PREISE.de 4-2022

Gewalt annulliert werden musste. Während der Wartezeit auf den Ersatzflug muss die Airline Sie mit Erfrischungen, Mahlzeiten und – sofern aufgrund der Dauer der Wartezeit erforderlich – auch mit einem Hotelzimmer unterstützen. Tut sie das nicht, sammeln Sie einfach alle Kostenbelege und reichen diese am Ende bei der Airline ein. Die Fluggesellschaft haftet auch für Folgekosten Entscheiden Sie sich dafür, die Reise aufgrund der Annullierung gar nicht erst anzutreten, haben aber bereits vor Ort Mietwagen und Unterkunft gebucht, die nicht oder nur gegen Stornokosten storniert werden können, können Sie auch diese Kosten von der Airline ersetzt verlangen. Denn mit der Annullierung hat sie gegen den Luftbeförderungsvertrag verstoßen und ist Ihnen gegenüber aufgrund des Vertragsbruches zum Schadensersatz verpflichtet. Haben Sie eine Pauschalreise gebucht und verpassen aufgrund einer Flugverspätung oder einer Annullierung den ersten oder gleich mehrere Urlaubstage, hat der Veranstalter Ihnen den/die jeweiligen Tagesreisepreise zu erstatten. Für die Sicherheitskontrolle haften Bund oder Flughafenbetreiber Großes Ärgernis im Sommer 2022 waren insbesondere auch die oft schier unendlichen Warteschlangen sowohl bei den Checkin-Schaltern als auch bei den Sicherheitskontrollen, die nicht selten zum Verpassen des Fluges geführt haben. Grundsätzlich gilt, dass Sie rechtzeitig am Flughafen eintreffen müssen. Viele Gerichte vertreten die Auffassung, dass man in den Sommerferien zumindest 2,5 Stunden vor Abflug am Flughafen eintreffen sollte. Verpassen Sie Ihren Flug, weil Sie aufgrund einer endlosen Schlange am Check-in-Schalter Ihren Koffer erst nach stundenlanger Wartezeit aufgeben konnten, steht Ihnen grundsätzlich eine Ausgleichszahlung zu. Zudem muss Sie die Airline auf einen für Sie kostenfreien Ersatzflug umbuchen. Denn es ist nach TIPP DAS SIND IHRE RECHTE • Personalmangel ist keine höhere Gewalt, das Anrecht auf Entschädigungen z. B. bei Verspätung und Annullierung bleibt erhalten. • Bei Annullierung mehr als 14 Tage vor Abflug muss die Airline für einen Ersatzflug sorgen. • Für bei Annullierung entstandene Folgekosten (z. B. Mietwagen und Hotel) haftet die Airline. • Wird der Flug aufgrund langer Wartezeiten am Sicherheits-Check verpasst, sind Bund oder Airport-Betreiber zuständig. • Bahn zu spät? Bei Rail&Fly-Tickets sind Veranstalter bzw. Airlines zuständig, ansonsten die Bahn, die zahlt aber nicht fürs neue Flugticket. • Kommt der Koffer nicht an, muss die Airline für Noteinkäufe am Urlaubsort zahlen und nach drei Wochen eine Entschädigung. • Wenn die Airline nicht reagiert, helfen die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (https://soep-online.de) und die Schlichtungsstelle Luftverkehr (www.bundesjustizamt.de). ständiger Rechtsprechung die Pflicht einer Fluggesellschaft, den Check-in-Prozess so zu gestalten, dass dieser innerhalb einer angemessenen Wartezeit durchlaufen werden kann. Lief der Check-in einigermaßen reibungslos und verpassen Sie Ihren Flug, weil Sie mehrere Stunden an der Sicherheitskontrolle anstehen mussten, trifft die Fluggesellschaft keine Haftung. Denn für die Sicherheitskontrollen ist die Bundespolizei zuständig. In einem Präzedenzfall, in welchem eine Familie am Flughafen München ihren Flug aufgrund einer immens langen Warteschlange an der Sicherheitskontrolle verpasste, hat das Amtsgericht Erding den Flughafenbetreiber zum Schadenersatz verurteilt. Denn nach Auffassung des Gerichts sei es dessen Aufgabe, die Sicherheitskontrollstellen so zu organisieren, dass ein Fluggast diese innerhalb einer angemessenen Zeit durchlaufen kann. Mit Rail & Fly besser geschützt als mit einem regulären Bahnticket Haben Sie Ihren Flug aufgrund einer der zahlreichen Bahnverspätungen oder eines Zugausfalls verpasst, kommt es auf Ihr Ticket an. Sind Sie mit einem von einem Reiseveranstalter oder einer Airline ausgegebenen Rail&Fly-Ticket oder mit einem Air-Rail-Zug zum Flughafen angereist, ist Ihr Vertragspartner für die Zugbeförderung üblicherweise der Veranstalter oder die Airline. Diese haften dann für die Zugverspätung und kommen für die Kosten einer Umbuchung auf. Haben Sie dagegen ein normales Bahnticket für die Anreise zum Flughafen gekauft, ist Ihr Vertragspartner das jeweilige Bahnunternehmen. Die Bahn haftet bei Verspätungen jedoch nicht für Folgeschäden. Daher muss Ihnen das Bahnunternehmen keinen Schadensersatz leisten und Sie bleiben auf den Kosten eines neuen Flugtickets sitzen. Wenn der Koffer nach drei Wochen immer noch nicht da ist, gibt es Geld Besonders ärgerlich waren für viele Reisende in diesem Sommer die massiven Probleme bei der Gepäckbeförderung. Nach den Bestimmungen des Montréaler Übereinkommens gilt ein Gepäckstück nach 21 Tagen als verschollen. Wenn Sie Ihren Koffer also auch nach drei Wochen noch nicht erhalten haben, hat Ihnen die Airline sowohl den Koffer selbst als auch den Zeitwert des Inhalts zu ersetzen. Es gilt jedoch eine Haftungshöchstgrenze, die derzeit bei etwa 1.450 Euro liegt. Selbst wenn Ihr Kofferinhalt deutlich mehr Wert hat, muss Sie die Fluggesellschaft maximal mit der Haftungshöchstgrenze entschädigen. Ärgerlich ist auch, dass Sie als Fluggast die volle Beweislast für Ihre Schadenshöhe tragen. Sie müssen Ihren Kofferinhalt konkret auflisten, sowohl Kaufpreis als auch Kaufdatum der jeweiligen Gegenstände aufführen und idealerweise sämtliche Kassenzettel und Rechnungen vorlegen können. NICHT VERPASSEN! REISE & PREISE 1-2023 ERSCHEINT AM 10. JANUAR 2023 Haben Sie Ihren Koffer im Urlaub verspätet erhalten, muss Ihnen die Airline die sogenannten Noteinkäufe – also vor Ort dringend gekaufte Kleidung und Kosmetika – anteilig erstatten. Ihren Anspruch auf Erstattung der Einkäufe müssen Sie zwingend binnen 21 Tagen ab Erhalt des Gepäcks schriftlich gegenüber der Airline anzeigen. Die Frist gilt selbst dann, wenn Sie sich bei Fristablauf noch im Urlaub befinden. Haben Sie eine Pauschalreise gebucht, erhalten Sie zudem für jeden Tag, den Sie ohne Koffer verbringen mussten, 25 Prozent des Reisepreises zurück. Haben Sie Ihr Gepäck beschädigt erhalten oder wurden Sachen entwendet, müssen Sie diesen Schaden unverzüglich, also am besten noch am selben Tag, schriftlich der Airline gegenüber anzeigen. Unterlassen Sie eine unverzügliche Schadensanzeige, besteht kein Anspruch auf Schadensersatz. Vor der Klage empfiehlt sich der Kontakt mit der Schlichtungsstelle Es bestehen also umfassende Fluggastrechte, die ihre Gültigkeit auch nicht im Chaos-Sommer 2022 verloren haben. Ein guter Rat zum Schluss: Sollte Ihre Fluggesellschaft oder Ihr Reiseveranstalter nicht auf Ihre Forderung reagieren oder diese ungerechtfertigt ablehnen, ist es empfehlenswert, eine für Sie als Reisenden kostenfreie Schlichtung bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. einzuleiten (https://soep-online.de), sich an die Schlichtungsstelle Luftverkehr zu wenden (www.bundesjustizamt. de) oder einen auf Reiserecht spezialisierten Anwalt zu kontaktieren. Rechtsanwalt Moritz Walprecht ist auf Reise recht spezialisiert und gibt Antworten auf knifflige Fragen HABEN SIE FRAGEN ZUM THEMA REISERECHT? Schicken Sie Ihre Fragen an recht@reise-preise.de. Moritz Walprecht erläutert in jeder Ausgabe die Rechtslage zu ausgewählten Fragen. Antworten per E-Mail und individuelle Beratung sind leider nicht möglich. Fotos: imagebroker/imago-images 4-2022 REISE-PREISE.de 85

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