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ST:A:R_16

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<strong>ST</strong>/A/R PRINTMEDIUM WIEN Nr.<strong>16</strong><br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

/ /R<br />

Winter 2007/08<br />

Mounty R. P. Zentara<br />

Weltkulturerbe*<br />

Mounty R. P. Zentara<br />

Nikon-Fotoshooting: Tolstoj & Gerngross<br />

04Z035665M – P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien • Adresse: 1060 Wien Capistrangasse 2/8 • office@star-wien.at • Europa € 3,00<br />

Star-Architekt Jiffy<br />

CoopHimmelb(l)au<br />

AUTO-<strong>ST</strong>/A/R<br />

David Staretz<br />

Die Möwe<br />

Jonathan Meese<br />

KLO-Kapelle<br />

Waran<br />

FRANCE-<strong>ST</strong>/A/R<br />

Chris & Brigitte berichten<br />

Manfred Stangl<br />

Ganzheitliche Ästhetik<br />

NEUE WIENZEILE<br />

Christian Schreibmüller<br />

<strong>ST</strong>/A/R-VERKÄUFER<br />

Thomas Frechberger<br />

Städteplanung / Architektur / Religion<br />

*Idee: Stani Bachofen<br />

Kunstsammler


2 <strong>ST</strong>/A/R Buch I - Weltkulturerbe<br />

Nr. 15/2007<br />

EDITORIAL: Die <strong>ST</strong>/A/R-Herausgeber<br />

DIpl.Ing.Heidulf Gerngross MS & Dr.Phil.Wladimir Jaremenko-Tolstoj…<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

Kult ist<br />

abonnierbar<br />

www.star-wien.at<br />

…arbeiten an der 1000-seitigen <strong>ST</strong>/A/R-Zeitung – ein Architekturmonument<br />

NCCA (Nashional Centre for Contemporary Arts)from Moskow in Wien in<br />

CEC in Burgasse 21<br />

from 24 janvar bis 24 februar from 14.00 -19.00 opening event<br />

24.01.08 19.00<br />

kurator Vitalii Pazukov,<br />

Elena Mildner,Maxim Smirnov,<br />

DU<br />

Heidulf Gerngross<br />

russian video art artists:<br />

Sinii Sup<br />

Vladimir Logutov<br />

Sinie Nosy<br />

Leonid Tishkov<br />

Vladimir Tarasov<br />

Vladimir Tarasov “Inside-out”,<br />

2006, «First river», 2007<br />

Blue soup “Way out” 2005<br />

PROVMYZA (Galina Mzynikova,<br />

Sergey Provorov)“The Fugue”,<br />

2006<br />

Vladimir Logutov “ The Park”,<br />

2005


Nr. 15/2007<br />

Buch I - Weltkulturerbe <strong>ST</strong>/A/R 3<br />

Nach dem Ausscheiden von <strong>ST</strong>/A/R-Mitbegründer Thomas Redl als Herausgeber stellen wir ihm<br />

!<br />

als unsere Anerkennung seiner tatkräftigen Mitwirkung auch in Zukunft die Seite 3 zu seiner frei-<br />

¡en Meinungs- und Gestaltungsäußerung zur Verfügung – lebenslänglich. Heidulf Gerngross<br />

Bildende Kunst, Wien und Apfelstrudel<br />

„Vincents verschenktes Ohr ist am Ziel.“<br />

Wiener Walzer, Stephansdom, Fiaker und Gründerstil - unser geliebtes historisches Wien.<br />

In Wien blüht der Tourismus und mit ihm die Klischees - die K & K Tradition, die Sissi Tradition, die Schönbrunn<br />

Tradition, die Mozart Tradition, die Johann Strauß Tradition, die Wien um die Jahrhundertwende<br />

Tradition ... - die Stadt ist eine vermarktbare Gesamtmuseums-Erlebniswelt.<br />

Diese Bilderwelten sind mediale Erfindungen, die erfunden wurden und laufend erfunden werden. Es stellt<br />

sich die Frage: Was ist mit der Gegenwart, was mit dem Jetzt? Wohin ist uns das Jetzt verloren gegangen?<br />

Und was ist in den letzten 40 Jahren passiert? Schläft Wien den Dornröschenschlaf, aus dem es endlich wach<br />

geküsst werden sollte?<br />

Betrachtet man das Feld der Architektur, so hat die Stadt die letzten 50 Jahre verschlafen. Es wurde größter<br />

Wert darauf gelegt, die historische Substanz hochglänzend zu polieren, doch es wurden kaum zeitgenössische<br />

Architekturprojekte an neuralgischen Punkten der Stadt gebaut. Wenn etwas realisiert wurde, wurde<br />

es mitunter so zusammengestutzt, dass nur mehr ein kraftloser Stumpf als Relikt übrig geblieben ist. Es ist<br />

bemerkenswert, dass „Weltarchitekten“ wie Coop Himmelb(l)au in den letzten 20 Jahren ihres Schaffens nur<br />

marginale Bauten in Wien realisierten, obwohl sie sonst international zentrale und städtebaulich wesentliche<br />

Projekte schufen. (1)<br />

Paul Celan<br />

Um in dem verstaubten und konservativen Humus dieser Stadt zu überleben und Luft zum Atmen zu bekommen,<br />

muss man als Kreativer, als Künstler, als Architekt eine radikale und fast autistische Position einnehmen.<br />

Nur so kann man hier überleben.<br />

Wolf Guenter Thiel beschreibt dieses Phänomen in seinem Essay „Ornamentlosigkeit als Zeichen geistiger<br />

Kraft“ und erläutert die beherrschenden Matrixsysteme der Stadt und die von Künstlern und Kreativen hierzu<br />

eingenommene Haltung anhand der aktuellen abstrakten Gegenpositionen in der Bildenden Kunst.<br />

In den Wiener Museen sitzen unsere Direktoren und verkaufen das traditionelle Bild der Stadt. Sie sind selbst<br />

ein Teil des Inventars und sie residieren und nehmen gönnerhaft mittlerweile die Position von „Museumsfürsten“<br />

ein. Sie sehen ihre Aufgabe in der des gnädigen Feudalherren mit angeschlossenem Hofstaat. Abgebildet<br />

auf den Covers von Lifestylemagazinen haben sie noch nicht wahrgenommen, dass sie selbst nicht der Anlass<br />

des Ganzen sein sollten, sondern die Kultur und die Künste. Bei Ausstellungen in diesen Häusern wird die<br />

Elite der Gesellschaft zu Vor-Vorführungen (Pre-Openings) geladen. Diese Audienzen werden den Führungsschichten<br />

aus Wirtschaft und Kultur und den dazugehörigen erfolgreichen Künstlern gewährt. Man ist unter<br />

sich und genießt die angenehme Klassenteilung. Dies alles ist das Gegenteil von Demokratisierung und hat<br />

nichts mit der offenen Gesellschaft zu tun, für die die Kunst immer wieder eingetreten ist.<br />

Es bedarf aber dieser Kunst, die nicht mit einem Auge opportunistisch sympathisierend auf die Potentaten<br />

der Kunstszene schielt, sondern - mit Theodor Adorno gesprochen - es schafft den Menschen ein befreiendes<br />

Primärerlebnis zu ermöglichen und die restaurative Reaktion in ihrer gesellschaftlichen Enge zu überwinden.<br />

(1) derzeit ist eine umfassende Schau von Coop Himmelb(l)au im MAK zu sehen.<br />

Thomas Redl, Dezember 2007<br />

Die Skulptur „Türkish Delight“ von Olav Metzel, temporär installtiert im öffentlichen Raum des Karlsplatz durch die Kunsthalle Wien (geplant war von Oktober bis April),<br />

war ein punktgenaues Statement zur aktuellen gesellschaftlichen Problematik. Das Werk ist zweimal beschädigt worden und wurde daher aus dem öffentlichen Raum<br />

entfernt. Derzeit befi ndet sich dort der leere Sockel und eine Umzäunung mit Plakaten, die den aktuellen Verlauf dokumentieren. Die Skulptur hätte eine öffentliche<br />

Auseinandersetzung herbeiführen können, leider sind bestimmte Teile unserer Gesellschaft nicht dazu bereit.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch I - Weltkulturerbe<br />

<strong>ST</strong>/A/R 5<br />

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inserat star 14.12.07.indd 1<br />

17.12.2007 10:10:07 Uhr


6 <strong>ST</strong>/A/R Buch I - Weltkulturerbe<br />

Nr. 15/2007<br />

Mazda


Nr. 15/2007<br />

Buch I - Weltkulturerbe <strong>ST</strong>/A/R 7<br />

Fotos: martin.hesz@gmail.com<br />

Walls & Floor<br />

(without the Ceiling)<br />

bis 03.02.2008<br />

Walls & Floor (without the Ceiling) – Diese Ausstellung entsteht als gemeinsames Projekt mit Kulturkontakt Austria.<br />

Dan Perjovschi und Nedko Solakov operieren mit Bild und Text. Mit wenigen Strichen, humorvoll, subversiv und mit zuweilen beißender Ironie kommentieren<br />

sie den gesellschaftlichen und kulturpolitischen Status quo: Dan Perjovschi und Nedko Solakov. Von Bukarest und Sofia aus haben sie in den letzten 15 Jahren die<br />

internationale Kunstwelt erobert – zuletzt waren sie auf der 52. Biennale in Venedig, auf der documenta 12 in Kassel (Solakov) und im MoMA in New York (Perjovschi)<br />

vertreten. Walls & Floor ist im Zeitraum von einerWoche in situ im Tresor des BA-CA-Kunstforums entstanden. Mit Edding und Bleistift ausgestattet haben<br />

sie die Ausstellungswände und -böden sowie den architektonischen Umraum erobert.


8 <strong>ST</strong>/A/R Buch I - Weltkulturerbe<br />

Nr. 15/2007<br />

Inhaltsangabe<br />

Buch 01 -<br />

Weltkulturerbe<br />

Seite 1–8<br />

Buch 02 -<br />

Brandl<br />

Seite 9–<strong>16</strong><br />

Buch 03 -<br />

Jiffy<br />

Seite 17–24<br />

Buch 04 -<br />

Kunst<br />

Seite 25–32<br />

Buch 05 - Wiener<br />

Kunst <strong>ST</strong>/A/R<br />

Seite 33–40<br />

Buch 06 -<br />

Literatur<br />

Seite 41–48<br />

Buch 07 -<br />

FRANCE-<strong>ST</strong>/A/R,<br />

Seite 49–56<br />

Buch 08 -<br />

Grausam,<br />

Seite 57–64<br />

Buch 09 -<br />

<strong>ST</strong>AR-book<br />

Seite 65–72<br />

Buch 10 -<br />

Back from Egypt<br />

Seite 73–80<br />

Buch 11 -<br />

Auto-<strong>ST</strong>/A/R<br />

Seite 81–88<br />

Buch 12 -<br />

KONZETT<br />

Seite 89–96<br />

Thomas Frechberger der Neue <strong>ST</strong>/A/R-Verkäufer<br />

Interview mit Thomas<br />

Frechberger 05. 12. 2007, Café Kafka<br />

T. R.: Du hast die Wienzeile mit begründet.<br />

T. F.: 1990.<br />

T. R.: 1990. Was waren da die Beweggründe, was war<br />

die Intention?<br />

T. F.: Das ist ganz klar, das habe ich auch immer<br />

gesagt. Nachdem ich Germanistik und Publizistik<br />

studiert habe und mir einfach dieser akademische<br />

Betrieb vollkommen auf den Geist gegangen ist, wollte<br />

ich etwas Neues gründen, etwas Eigenständiges, ein<br />

eigenes Publikationsorgan. Das habe ich mit Günther<br />

Geiger gemacht unter anderen, und das habe ich aus<br />

dem Boden gestampft.<br />

T. R.: Wie lange hast du dann mitgewirkt?<br />

T. F.: Von Anfang an und ich halte sie noch immer im<br />

Zaum.<br />

T. R.: Jetzt bis du ja neben dem, dass du Gründer der<br />

Wienzeile warst, sehr lange schon schriftstellerisch<br />

tätig.<br />

T. F.: Als Lyriker.<br />

T. R.: Als Lyriker, und was sind deine Schwerpunkte,<br />

oder was willst du als Lyriker vermitteln?<br />

T. F.: Vermitteln?<br />

T. R.: Anders gefragt, willst du deine Lebenssituation,<br />

deine Lebenserfahrung umsetzen?<br />

T. F.: Nein, es ist die Liebe zur Schönheit der Sprache,<br />

die man bei meinen Texten finden kann.<br />

T. R.: Wie viele Bände hast du herausgebracht?<br />

T. F.: Drei, und der vierte ist jetzt in Arbeit.<br />

T. R.: Jetzt bringen wir ein Gedicht aus einem Band<br />

von dir in der nächsten <strong>ST</strong>/A/R-Zeitung. Du hast die<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Zeitung gesehen und auch ein paar verkauft.<br />

Was hältst du von der <strong>ST</strong>/A/R-Zeitung?<br />

T. F.: Die <strong>ST</strong>/A/R-Zeitung ist eine wichtige Zeitung.<br />

Ich habe gestern in der Handelsakademie in Rohrbach<br />

im Mühlviertel eine Lesung gehalten und habe sie dem<br />

Direktor gegeben, der hat sie nicht gekannt. Er hat gesagt,<br />

<strong>ST</strong>/A/R, interessant, Architektur, Städteplanung<br />

Aus dem Buch „Fantasien” von Thomas Frechberger<br />

erschienen bei VIZA, ISBN: 3-900 7992-03-8<br />

und Religion,<br />

er hat das nicht<br />

gekannt. Er hat<br />

gesagt: „Was verlangst<br />

du dafür?“<br />

Ich hätte sagen<br />

können, was weiß<br />

ich: „10 Euro.“<br />

Aber ich habe sie<br />

ihm geschenkt.<br />

T. R.: Kannst du<br />

mit dem Inhalt<br />

und der Art<br />

der Publikation<br />

etwas anfangen?<br />

Findet du eine Art<br />

Thomas Frechberger<br />

Identifikation, ein<br />

bisschen ...<br />

T. F.: Identifikation,<br />

nicht unbedingt, weil ich bin ein Lyriker. Aber wenn<br />

man das so betrachtet, zum Beispiel Friedrich Achleitner,<br />

der aus der Architektur kommt, da gibt es eine<br />

Querverbindung zur Literatur, das ist natürlich wichtig.<br />

Oder wenn ich mir die Kathedralen anschaue und die<br />

Architektur im Allgemeinen, dann weiß ich einfach<br />

– wie zum Beispiel bei meinem dritten Buch, ein palindromatisches<br />

Buch, das Reversat - dass die Architektur<br />

und die Literatur und die Musik und die Malerei, dass<br />

das irgendwie zusammengehört.<br />

T. R.: Das finde ich auch. Das sind verschiedene Medien,<br />

die aber doch ineinander fließen und sich bestenfalls<br />

gegenseitig befruchten und ergänzen. Jetzt hätte<br />

ich eine Frage. Du hast gesagt, es kommt demnächst<br />

ein neuer Band von dir. Kannst du darüber schon etwas<br />

sagen, wie es heißt, was es für einen Inhalt hat?<br />

T. F.: Ja, das werden die Lyrikalien sein, den Band nenne<br />

ich Lyrikalien. Da fragen sie mich natürlich schon,<br />

das klingt so nach Fäkalien. Ich sage dann darauf: „Das<br />

kommt aber eher von den Mineralien“, und Steine gibt<br />

es ja viele schöne, viele schöne Steine, und so werde ich<br />

wieder einmal einen Gedichteband hinlegen, und das<br />

wird dann mein vierter sein.<br />

Impressum<br />

<strong>ST</strong>/A/R Printmedium Wien<br />

Europäische Zeitung für den direkten kulturellen Diskurs<br />

Erscheint 4 x jährlich, Nr. <strong>16</strong>/2007, Erscheinungsort Wien.<br />

Medieninhaber:<br />

<strong>ST</strong>/A/R, Verein für Städteplanung/Architektur/Religion<br />

A–1060 Wien, Capistrangasse 2/8<br />

Herausgeber: Heidulf Gerngross<br />

Chefredakteur: Wladimir Jaremenko-Tolstoj<br />

Vertriebsdirektor: Dr. Christian Denker<br />

Redaktion: Heidulf Gerngross, Wladimir Jaremenko-Tolstoj, Elisabeth Gschaider,<br />

Will Alsop, Bischof Arsenik (Religion), Andrea Baczynski (Fotos), Rudolf Gerngross (Waran),<br />

David Staretz (Auto-<strong>ST</strong>/A/R), Christian Denker, Thomas Redl (Kunst), Oxana Filippova<br />

(Performance Art), Sarah Kolb & Rouven Dürr, Herbert Wulz (Neue Medien),<br />

Sergej Volgin (Philosophie), Ismael Basaran (Wien-Türkei)<br />

Auslandskorrespondenz: Angelo Roventa (Rumänien), Valie Airport (Russland),<br />

Ivor Stodolsky (Finnland), Alex Alexeev-Popov (Ukraine), Wolf Günther Thiel (Berlin),<br />

Brigitte Bercoff (Paris), Mirjana Rukavina (Slovenien)<br />

Organisation: <strong>ST</strong>/A/R-Team<br />

Artdirektion & Produktion: Mathias Hentz<br />

Druckproduktion: Michael Rosenkranz<br />

Interviewtranskription: Michaela Mair, Valie Airport<br />

Druck: Herold Druck und Verlags AG, Wien<br />

Vertrieb: <strong>ST</strong>/A/R, Morawa GmbH.<br />

Aboservice: starabo@morawa.com<br />

Bezugspreis: 3,- Euro (inkl. Mwst.)<br />

Kontakt: grafik@star-wien.at<br />

Cover: Mounty R.P. Zentara; Foto-shooting: Gerngross/Tolstoj<br />

ABO<br />

GEHEN,<br />

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KAUFEN<br />

<strong>ST</strong>/A/R ist ein Gesamtkunstwerk und unterliegt dem Urheberrecht.<br />

<strong>ST</strong>/A/R wird gefördert von: Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.<br />

<strong>ST</strong>/A/R dankt allen BeitragslieferantInnen, MitarbeiterInnen, KünstlerInnen,<br />

UnterstützerInnen und FreundInnen.


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch II - Brandl <strong>ST</strong>/A/R 9<br />

Foto: Andrea Baczynsky<br />

GLÜCKSPILZ<br />

FOREVER<br />

FÜR DIE GALAKTISCHE <strong>ST</strong>/A/R-COLLECTION: 76 X 56, ÖL AUF LEINWAND, HERBERT BRANDL


10 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Brandl<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

„Ornamentloosigkeit als Zeichen<br />

geistiger Kraft“ von Wolf Günter Thiel<br />

Als wir begannen zu glauben, es gäbe eine spezifische<br />

Abstraktion in Wien, haben uns selbst befreundete<br />

Kollegen abgeraten. Erstens sei der Begriff „Abstraktion“<br />

völlig tradiert und unbrauchbar und dann sei Abstraktion<br />

kein Phänomen, das sich auf einen spezifischen Ort wie Wien<br />

applizieren ließe. Überhaupt sei nach den Simulationstheorien<br />

von Jean Baudrillard die Realität ein einziges Simulakrum und<br />

als solches per se abstrakt. Hier hätten wir aufhören können!<br />

Motiviert hat uns die große Anzahl von auffälligen abstrakten<br />

Phänomenen im Gesichtsfeld der zeitgenössischen Kunst,<br />

die wir sahen und verstehen wollten und die es deshalb zu<br />

bezeichnen galt. Also fuhren wir fort zu recherchieren und<br />

nannten das Vorhaben „Abstraktion Wien“.<br />

Es gibt eine sehr große Anzahl von Künstlern in Wien,<br />

die in ihrer Arbeit, seien es Experimentalfilme, Malerei,<br />

Zeichnung, bis hin zur Musik und Poetik Phänomene der<br />

nichtfigurativen oder konkreten Abstraktion verarbeiten. Nun<br />

können wir mit Markus Brüderlin einen hervorragenden<br />

einen Kunsthistoriker und Kurator nennen, der ein in<br />

den 90er Jahren künstlerisches Aktionsfeld im Bereich<br />

der Abstrakten Kunst mit Neo Geo bezeichnet hat. Wir<br />

glauben aber nicht, dass die Phänomene, die uns in unserer<br />

Recherche beschäftigen, mit den Theorien zur Postmoderne<br />

gänzlich erklärbar sind. Diese von Brüderlin identifizierte<br />

formalistische und geometrische Bildsprache hat man<br />

auch als postmoderne Malerei verstanden. Für uns ist<br />

diese Theorie und Beschreibung nicht ausreichend und<br />

greift wesentlich zu kurz. Die Bildsprache, die wir meinen,<br />

zeichnet sich nicht wie bei Brüderlin durch Homogenität<br />

und Vergleichbarkeit aus, sondern durch eine künstlerische<br />

Haltung zur Abstraktion. Gleichfalls geht es uns nicht um<br />

die Gruppe von Künstlern, die unter dem Ausstellungstitel<br />

oder Stielbegriff Neo Geo zusammengefasst wurden. Diese<br />

Künstler bestätigen unsere These, hätten uns aber nicht<br />

dazu geführt diese aufzustellen. Wir glauben es gibt eine<br />

Generationen übergreifende Überzeugung und Haltung sich<br />

durch eine konkrete Abstraktion der Vereinnahmung durch<br />

ein architektonisches sowie urbanes Gestaltungssystem und<br />

einem kulturindustriellen Vermarktungssystem zu entziehen.<br />

Künstler, die wir meinen, setzen sich bewusst und überzeugt<br />

ins Oppositionsverhältnis zu diesen Systemen. Diese Haltung<br />

glauben wir ist durch die spezifische Ausformung der<br />

Gestaltungs- und Vermarktungssysteme vor dem historischen<br />

Prospekt Wiens und seiner zeitgenössischen, abgeleiteten,<br />

kulturindustriellen Erlebniswelt Wien spezifisch. Deshalb<br />

nennen wir das Phänomen „Wiener Abstraktion“.<br />

Als Adolf Loos 1908 in seiner Polemik „Ornament und<br />

Verbrechen“ seinen Unmut über die Ornamente seiner Zeit<br />

niederschrieb, war dies bestimmt durch die durchdachte und<br />

überzeugte Haltung eines Modernisten im Selbstverständnis,<br />

in Wien mithin wahrscheinlich eines Avantgardisten. Loos<br />

1870 in Brünn geboren und 1933 in Wien gestorben bezieht<br />

sich in dieser Polemik auf Louis H. Sullivan, dessen Wirken<br />

und Werk er zwischen 1893 und 96 in den Vereinigten<br />

Staaten kennen gelernt hatte. Seine eigene Idee bestand darin,<br />

dass man bei der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen<br />

wie auch von architektonischen Baukörpern ganz auf das<br />

Ornament verzichten solle. In seiner Polemik drückt sich Loos<br />

folgendermaßen aus:<br />

„Traurig gingen die Menschen dann zwischen den Vitrinen<br />

umher und schämten sich ihrer Impotenz. Jede Zeit hatte<br />

ihren Stil, und nur unserer Zeit soll ein Stil versagt bleiben?<br />

Mit Stil meinte man das Ornament. Da sagte ich: Weinet<br />

nicht! Seht, das macht ja die Größe unserer Zeit aus, dass sie<br />

nicht imstande ist, ein neues Ornament hervorzubringen.<br />

Wir haben das Ornament überwunden, wir haben uns zur<br />

Ornamentlosigkeit durchgerungen.“ Mit wir meint Loos<br />

sich und seine modernistischen Kollegen. Er bemerkt dann<br />

sarkastisch, die Ornamentsuche sei staatlich anerkannt<br />

und durch Staatsgelder subventioniert, Staatsgelder der<br />

Doppelmonarchie am Anfang des 20 Jahrhunderts; einige<br />

Jahre vor dem verlorenen 1. Weltkrieg und dem Untergang<br />

dieser Doppelmonarchie am 31. Oktober 1918. Die Vertreter<br />

der letzten Generation imperialer Macht wollten sich wie<br />

viele vor ihnen durch ihre eigenen Ornamente ablesbar in die<br />

Stil - und Architekturgeschichte einschreiben. Loos kritisiert<br />

dies und zwar nicht nur für die imperialen architektonischen<br />

und gestalterischen Ansprüche, sondern im Allgemeinen.<br />

Insbesondere der Satz „wenn aber das Ornament schön<br />

ist“, den Loos polemisch als Gegenargument gegen seine<br />

eigene Ansicht einsetzt, wird uns in den Schlussfolgerungen<br />

beschäftigen. So schreibt er, Loos, „allen kultivierten<br />

Menschen, erhöht das Ornament die Lebensfreude nicht“.<br />

Wenn er schon 1908 schreibt „ Da das Ornament nicht<br />

mehr organisch mit unserer Kultur zusammenhängt, ist<br />

es auch nicht mehr der Ausdruck unserer Kultur. Das<br />

Ornament, das heute geschaffen wird, [gemeint, ist der<br />

Zusammenhang des Bauens und Gestaltens im Allgemeinen]<br />

hat keinen Zusammenhang mit uns, hat überhaupt keine<br />

menschlichen Zusammenhänge, keinen Zusammenhang<br />

mit der Weltordnung. Es ist nicht entwicklungsfähig.“<br />

Diese Beobachtung, die Loos 1908 beschreibt, wird vom<br />

Erklärungsgehalt, bezogen auf unsere heutige Welt, erheblich<br />

deutlicher. Wenn schon 1908 die Menschen keinen Bezug<br />

zu den Ornamenten hatten, wie sieht dies heute aus. Eine<br />

Ornamentik verschiedener Stile, die die Stadt wie eine<br />

Gestaltungsordnung durchdringt. Sie kann uns heute nichts<br />

bedeuten außer einem Gefallen an den architektonisch<br />

historischen Charakteristiken, einer Reihe von Zeitstilen,<br />

die mit dem 1. Weltkrieg ihre eigentliche Bedeutung, die<br />

Repräsentanz imperialer Macht, vollständig einbüßten. Die<br />

Bedeutung der Ornamentik war schon während der Bauphase<br />

den normalen Menschen, wie Loos sagt, unzugänglich, um<br />

wie viel mehr muss dies heute auf die Menschen zutreffen.<br />

„Wien bleibt Wien“ – und das ist wohl das Schlimmste, was<br />

man über diese Stadt sagen kann, so schreibt Alfred Polgar.<br />

„Wenn aber das Ornament schön ist?“ Jenseits der Polemik:<br />

Wir sprechen hier nicht über Bauten der Renaissance,<br />

des Barock oder des Klassizismus, sondern über die<br />

seit Mitte des 19. Jahrhunderts markant einsetzenden<br />

architektonischen Neo-Stile, wie sie sich in den Bauten der<br />

Ringstrasse zeigen. Wer findet denn eigentlich Bauten wie<br />

das „Kriegsministerium“ mit dem Monumentaladler, oder<br />

das Kunsthistorische -und das Naturhistorische Museum mit<br />

ihren Legionen an auf den Rändern der Dächer angeordneten<br />

Skulpturen schön? Bei einer Straßenumfrage jedenfalls<br />

konnten Passanten, Wiener wie Touristen auf diese Frage<br />

keine genauen Angaben machen. Die Touristen sprachen<br />

über die alten Palais, die Pracht der Bälle, Sissi, die sie sich<br />

immer noch wie Romy Schneider vorstellen und viele andere<br />

von der Stadt Wien und ihren Tourismusstrategen erdachten<br />

Erlebniswelten. Diese Erlebniswelten des Stadtmarketings<br />

oder mit Theodor Adorno der Kulturindustrie füllen die<br />

imperiale Architektur in den Köpfen der Touristen mit<br />

Phantasievorstellungen auf. Sie stellen sich vor wie Romy<br />

Schneider als Sissi durch die Flure der Hofburg stürmt, mit<br />

Frühlingsduft und Marschmusik. Allein, sehen wir genauer<br />

hin, sehen wir die Möbel dieses Filmes im Hofmobiliendepot,<br />

übrigens die originalen Ausstattungselemente der Sissi<br />

Filme, und sehen uns wie Franz Kafka mit dem „Schloss“<br />

konfrontiert, das sich auch im Verlauf nicht erschließen will.<br />

Wenn wir die imperiale, bis heute repräsentativ<br />

herausgehobene Architektur Wiens betrachten und uns<br />

vorstellen, dass nach dem Verlust des ersten Weltkriegs<br />

aus der Weltmacht Wien ein Kleinstaat geworden war, so<br />

bekommt die Polemik „keinen Zusammenhang mit der<br />

Weltordnung“ und „nicht entwicklungsfähig“ eine tiefere<br />

und nachhaltige Bedeutung. Die Architektur der Ringstrasse<br />

zeugt bis heute vom imperialen Machtanspruch des 19.<br />

Jahrhunderts. Sie repräsentiert nach wie vor diese verlorene<br />

Pracht der Macht. Sie unterscheidet sich trotz ähnlicher<br />

Architektur erheblich von anderen imperialen Städten wie<br />

London oder Paris, vergleichbar nur mit St. Petersburg, das<br />

während des Stalinismus, in Leningrad umbenannt, mit<br />

einer ähnlichen imperialen Bedeutungslosigkeit konfrontiert<br />

wurde. London und Paris hingegen behielten durch<br />

ihre Kolonialmacht, den Commonwealth und heute als<br />

Wirtschaftszentren einer globalen Wirtschaft den imperialen<br />

Gestus bei und füllen ihre Imperialarchitektur seither aus.<br />

In Wien wird die imperiale Architektur bis heute gehegt<br />

und gepflegt und als eines der herausragenden touristischen<br />

Sensationen vermarktet.<br />

Wie erreicht die Kulturindustrie die imperiale Architektur<br />

und die Ornamentik nicht nur imaginativ im Inneren zu<br />

beleben, sondern sogar, dass diese Neo-Stile (Jugendstil?) von<br />

Bildungsreisenden und anderen Kultur beflissenen Touristen<br />

als schön empfunden werden? Es liegt an einer Matrix aus<br />

Symbolen und Bedeutungsträgern, die die Kulturindustrie<br />

gezielt einsetzt, um die Erlebniswelt Wien mit großer<br />

Strahlkraft zu vermarkten und so das Bedürfnis nach Konsum<br />

zu wecken. Jean Beaudrillard untersucht in seinen frühen<br />

Schriften der 60er und 70er Jahre die symbolische Funktion<br />

von Gebrauchsgegenständen, die „reine Zeichen“ seien.<br />

So werden die Gebrauchsgegenstände, die Loos meint und<br />

„Der dialektische Kritiker an der Kultur<br />

muss an dieser teilhaben und nicht<br />

teilhaben. Nur dann lässt er der Sache und<br />

sich selber Gerechtigkeit widerfahren“.<br />

(Theodor Adorno)<br />

für die er eine Ornamentlosigkeit fordert, von Beaudrillard<br />

nicht als Gegenstände des Gebrauchs angesehen, sondern<br />

in ihrer ideellen Dimension als konsumierbare Zeichen<br />

oder Bedeutungsträger bezeichnet. Der Mensch lagert in<br />

seinem privaten Umfeld viele solcher Bedeutungsträger an<br />

und indiziert hierdurch seine eigene Persönlichkeit nach<br />

außen und konstruiert seine Identität wunschgemäß. Hierzu<br />

gehört moderne Kunst genauso wie die Devotionalien einer<br />

Pilgerreise oder Reisesouvenirs. In seiner Rezeption wird der<br />

Mensch insbesondere anhand solcher attributiv eingesetzter<br />

Bedeutungsgegenstände erkannt und in ein gesellschaftliches<br />

Umfeld eingeordnet. So wird dem „traditionellen<br />

Geschäftsmann“ gerne eine bestimmte Kleidung, ein<br />

bestimmtes Benehmen und ein bestimmter Lebensstandard,<br />

der sich durch sein Auto, sein Haus oder eine exklusive<br />

Sammelleidenschaft ausdrückt, zugeordnet, während der<br />

Künstler im Bewusstsein der Menschen immer noch der<br />

idealistische, mittellose und versponnene Grenzgänger<br />

und Außenseiter ist. Der Konsum, so schloss Beaudrillard<br />

damals, ist eine ‘’absolut idealistische Praxis’’. Dies können<br />

wir anhand der schon beschriebenen Auskünfte der Touristen<br />

nur bestätigen. Übertragen auf das Phänomen der imperialen<br />

Architektur und der Funktion der Kulturindustrie bedeutet<br />

dies, dass die Donaumonarchie genauso vorging und ihre<br />

architektonischen Vorstellungen dementsprechend anordnete.<br />

Was ist aber, wenn diese Bedeutungsträger wie sie<br />

Beaudrillard beschreibt, in der dritten Generation vererbt<br />

werden? Was bedeutet dies für das einzelne Objekt? Stellen<br />

sie sich vor sie erben einen Aschenbecher, den ihr Ur-Ur-<br />

Ur-Großvater bei einem Opernball hat mitgehen lassen, als<br />

eine Erinnerung an den ersten Ball mit seiner zukünftigen<br />

Ehefrau, ihrer Ur-Ur-Ur-Großmutter. Dieser Aschenbecher<br />

wird ihnen jetzt mit einer unüberschaubar großen Anzahl<br />

anderer Gegenstände aus über drei Generationen vererbt.<br />

Können sie ihm die gleiche Bedeutung beimessen, wie ihr<br />

Vorfahr, wobei ihre Ur-Großmutter diese Bedeutung schon<br />

nicht mehr kannte. Wohl kaum. Er hätte für sie vielleicht<br />

die Bedeutung eines wertvollen historischen Stück Augarten<br />

Porzellans , aber wohl kaum den ideellen Wert, den es für<br />

ihren Vorfahr gehabt hat. Ein möglicher Gebrauchswert wäre<br />

vor dem Hintergrund der Kostbarkeit des Porzellans eigentlich<br />

ungewöhnlich. Wenn wir also diese beiden Sachverhalte<br />

des privaten, persönlichen und des öffentlichen Raumes<br />

vergleichen, muss diese Sichtweise übertragbar sein. Die<br />

ursprüngliche Bedeutung der Ornamente im öffentlichen<br />

Raum, jenseits aller Loosschen Polemik sind schlichtweg nicht<br />

mehr verstehbar, es sei denn Sie sind Architekturhistoriker,<br />

Denkmalpfleger oder geschulter Stadtführer. Dies bedeutet<br />

wir können auf sie maximal unter kunsthistorischen<br />

oder architekturhistorischen Gesichtspunkten schauen<br />

und dann stellen sich völlig andere nämlich akademische<br />

Fragen und zwar vermutlich für nicht einmal 1% der<br />

kulturellen Bildungselite. Beaudrillard unterscheidet<br />

verschiedene historische Formen von Simulacren (Imitation,<br />

Produktion, Simulation) und beschäftigt sich besonders<br />

mit dem Simulacrum der Simulation als dem dominanten<br />

Simulacrum der durch Massenmedien bestimmten<br />

Gegenwartsgesellschaft. Das Kennzeichen dieses modernen<br />

Simulacrums besteht nach Baudrillard darin, dass die<br />

Unterscheidung zwischen Original und Kopie, Vorbild und<br />

Abbild, Realität und Imagination unmöglich geworden und<br />

einer allgemeinen „Referenzlosigkeit“ der Zeichen und Bilder<br />

gewichen sei. Dass diese Ornamente durch die Kulturindustrie<br />

verblendet und überblendet als schön wahrgenommen<br />

werden, ist auf die Simulationstiefe der kulturindustriellen<br />

Matrix zurückzuführen: Ergebnis ist ein massenmedial<br />

vermitteltes Simulakrum Wien.<br />

Was eigentlich ist eine Kulturindustrie, was tut sie und<br />

wie dekonstruiert die Kunst mit der wir uns eigentlich<br />

beschäftigen wollen, dieses Bild. Was ist eine Matrix und<br />

wie können sich zwei unterschiedliche Matrixsysteme auf<br />

das Wienbild von Künstlern auswirken und wieso führt dies<br />

zu einer spezifischen Art und Haltung zur Abstraktion?<br />

Kulturindustrie, so Theodor Adorno sei die “willentliche<br />

Integration ihrer Abnehmer von oben”. Der Begriff wie<br />

wir ihn für uns annehmen wollen bezieht sich auf die<br />

Beschreibung, die Adorno in der „Dialektik der Aufklärung“<br />

(Adorno/Horkheimer 1948) vornimmt, nämlich auf die<br />

industrielle Fertigung und Vermarktung von „Kulturgütern“.<br />

Uns interessiert im Folgenden die Gegenüberstellung von<br />

kultureller Ware und authentischer Kunst. Der Begriff<br />

Kulturindustrie ist erst einmal so weit gefasst, dass er die


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch II - Brandl <strong>ST</strong>/A/R 11<br />

kulturellen Institutionen , sowie die architektonischen und<br />

kulturellen Attraktionen Wiens im weiteren mit einbezieht,<br />

vom Burgtheater bis zum Heurigen, von den Lippizanern über<br />

das Mozartjahr, bis hin zu den Wiener Sängerknaben und<br />

dem Opernball.<br />

„Mit Kulturindustrie meint Adorno später die gesellschaftliche<br />

Implikation von kulturellen Ereignissen und Erzeugnissen.<br />

Adorno erhoffte, aus den Thesen zur Kulturindustrie eine<br />

Antwort auf die Frage zu finden, weshalb die antagonistische,<br />

aus kulturmarxistischer Sicht in sich widersprüchliche,<br />

kapitalistische Gesellschaft, stabil ist. Dieser soziale Kitt, wie<br />

ihn Erich Fromm nannte, sollte die Kulturindustrie sein,<br />

welche als Mittel von Herrschaft und Integration agiert.“<br />

Betrachten wir das Phänomen noch einmal mit Beaudrillard.<br />

Die Simulation besteht aus einer Modellfindung oder<br />

Modellerfindung. Das heißt die Kulturindustrie entwickelt<br />

aus Wien ein neues Modell, ein verkaufbares Produkt.<br />

Dieses Modell umfasst alle kulturellen Attraktionen und<br />

Auffälligkeiten und wird zur Erlebniswelt Wien stilisiert<br />

und so vermarktet. Es wird also ein Modell von Wien<br />

und nicht der reale Ist-Zustand Wien vermarktet. Dies ist<br />

marktwirtschaftlich oder kulturindustriell nachvollziehbar<br />

und verstehbar, allein die Kunst wie sie Adorno fordert,<br />

folgt anderen Prinzipien. Sie ist aufgefordert sich genau<br />

von diesem Simulakrum Wien abzusetzen und ihm etwas<br />

entgegenzusetzen, die Authentizität der Kunst und die<br />

Primärerfahrbarkeit von Kunst.<br />

Verschiedentlich wurde schon der Begriff der Matrix<br />

benutzt. Hierbei verstehen wir den Begriff der Matrix als ein<br />

gestalterisches und gestaltendes Ordnungssystem nach dem<br />

der öffentliche, insbesondere der urbane und architektonisch<br />

umbaute Raum zuerst nach imperialen, später nach<br />

ökonomisierbaren, repräsentativen Gesichtspunkten geordnet<br />

wird. Diese Ordnung dominiert bis heute das Stadtbild; sie<br />

reicht von den frühen Neo-Stilen, über Gründerzeitstil bis hin<br />

zum Jugendstil. Der hier forcierte Canon an Ornamenten,<br />

Symbolen, Plastiken und Reliefs dominiert das Stadtbild<br />

bis heute, ohne dass der Wiener den Schlüssel zu diesem<br />

Codesystem besitzt.<br />

Die Kulturindustrie als zweites Ordnungssystem vermarktet<br />

den architektonischen und urbanen Raum und füllt ihn an mit<br />

der virtuellen Erlebniswelt Wien. Diese virtuelle Erlebniswelt<br />

Wien ist zu großen Teilen künstlich wie zum Beispiel der<br />

historisch überlieferte Klatsch und die Sissi Filme bis heute<br />

bezeugen. Darüber hinaus werden Veranstaltungen wie der<br />

Wiener Opernball und das Neujahrskonzert zu weltweit<br />

ausgestrahlten Belegen dieser Erlebniswelt Wien. Diese<br />

virtuelle Welt ist eine reine Konsumwelt, wie Adorno sagen<br />

würde, eine die keine authentischen Kunsterlebnisse zulässt,<br />

sondern Kulturgüter verkaufen muss und will.<br />

Diese beiden Matrixsysteme sind fest miteinander verwoben,<br />

sind aber trotz allem zu unterscheiden in eine historisch<br />

geprägte reale architektonische, urbane Gestaltungsmatrix und<br />

eine kulturindustrielle Vermarktungsmatrix. Beide Welten<br />

durchdringen sich ständig und überall und stabilisieren<br />

sich gegenseitig. Sie treffen an zwei Orten in jedem Jahr<br />

weltweit wahrnehmbar aufeinander: beim Operball und<br />

beim Neujahrskonzert und bei beiden genau im Moment des<br />

Abspielens des Walzers „An der schönen blauen Donau“ (1867<br />

komponiert) von Johann Strauß (Sohn).<br />

Mirjana Rukavina<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Präornamentale Rotation 1,2,3<br />

Präornamentale Rotation 1,2,3<br />

http://www.mirjanarukavina.net<br />

1 Wir sind Thomas Redl, Hofstetter Kurt, Lucas Gehrmann und Barbara Doser.<br />

2 Vgl. http://www.prestel-kuenstlerlexikon.de/search.php?type=detail&id=890&sear<br />

chkey= am 20.11.07<br />

3 gemeint sind Künstler, wie Ernst Caramelle, Hemut Dorner oder Helmut Federle<br />

bis hin zu Gerwald Rockenschaub ... Vgl.z.B. Brüderlin, Markus (ed.). Postmoderne<br />

Seele und Geometrie. Perspektive eines neuen Kunstphänomens. Trendsetting oder<br />

Paradigmenwechsel, Kunstforum International, no. 86 (1986); Neo-Geo, 1986: Geometria<br />

nova (Ausst.-Kat.), Kunstverein München 1986; Neo-Geo, 1995: Monochromie,<br />

Geometrie (Ausst.-Kat.), Sammlung Goetz, München 1995; Wiehager, Renate<br />

(ed.). Minimalism and After. Traditionen und Tendenzen minimalistischer Kunst in<br />

Europa und den USA von 1950 bis heute. DaimlerChrysler Collection. Neuerwerbungen<br />

für die Sammlung 2000 bis 2006, Berlin, 2007<br />

4 Loos bezieht sich auf den Satz von Louis H. Sullivan: „Es könnte uns nur zum<br />

Besten gereichen, wenn wir für eine Zeitlang das Ornament beiseite ließen und<br />

uns ganz und gar auf die Errichtung von in ihrer Nüchternheit schön geformten<br />

und anmutigen Bauwerken konzentrierten.“ Hierauf bezieht sich Loos in seiner<br />

Fundamentalkritik am Jugendstil und der Prachtarchitektur der Jahrhundertwende.<br />

Ein weiterer Text von Sullivan, der für die Diskussion von großer Bedeutung ist:<br />

„The Tall Office Building Artistically Considered in Lippincott‘s Magazine aus dem Jahr<br />

1896 (form follows function). In diesem Text geht es jedoch in erster Linien darum<br />

wie sich die Form eines Gebäudes oder eines Gegenstandes sich von seiner Funktion<br />

ableitet. Als Architekt wurde Sullivan zum Begründer des Architekturbüros Sullivan<br />

& Adler, welches prägend für die so genannte Chicagoer Schule war. Die in den knapp<br />

20 Jahren bis zur Jahrhundertwende errichteten Gebäude von Sullivan erlangten<br />

Bekanntheit und schrieben Architekturgeschichte.<br />

5 Zitiert nach Ulrich Conrads. Programme und Manifeste zur Architektur des 20.<br />

Jahrhunderts. Vieweg: Braunschweig/Wiesbaden, 1981, S. 15ff.<br />

6 Wir meinen insbesondere die repräsentativen Bauten, die Wiener Ringstrasse und<br />

die Stadterweiterungen die seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Am 1.<br />

Mai 1865 wurde die 6,5 Kilometer lange und 57 Meter breite Ringstrasse feierlich<br />

eröffnet. An ihr entstand eine Reihe monumentaler Bauwerke, wie sie noch heute<br />

auf der Welt einzigartig ist. Neben staatlichen Repräsentationsbauten, großzügigen<br />

Plätzen und Parkanlagen ließen sich zahlreiche vermögende Persönlichkeiten aus<br />

Wirtschaft und Adel einen Platz an der Ringstrasse sichern und ein Palais erbauen.<br />

Entlang dieser Straße, der Wiener Ringstraße auch der Erweiterungsbau der kaiserlichen<br />

Hofburg, große Museen, die die kaiserlichen Kunst- und Natursammlungen<br />

beherbergten, ein Parlamentsgebäude für den Reichsrat, die Neue Universität, das<br />

Neue Rathaus, das Hofburgtheater und eine zum Andenken an die Errettung des<br />

Kaisers vor einem Attentäter im Jahre 1853 gestiftete Votivkirche. Der Grossteil der<br />

Ringstrassenbebauung wurde in der Zeit zwischen 1869 und 1888 erbaut, wobei<br />

der dominierende Baustil der Historismus ist, also eine zeitgenössische Anlehnung<br />

an Renaissance, Gotik und Barock. Das Schönheitsprinzip folgte Heraklit, der die<br />

Schönheit in einer zu harmonischer Einheit gefassten Mannigfaltigkeit sah. Der<br />

Abschluss der Bautätigkeit am Ring wurde erst 1913 mit der Fertigstellung des<br />

Kriegsministeriums erreicht, als der Ringstraßenstil schon ein wenig unmodern<br />

geworden war, wie das etwa gleichzeitig von Otto Wagner im Jugendstil gebaute<br />

Postsparkassengebäude zeigt. Der größte Teil der (äußeren) Bausubstanz hat sich bis<br />

heute erhalten und die Innere Stadt Wien ist seit 2001 Unesco Weltkulturerbe..<br />

Vgl. z.B. http://www.planet-vienna.com/spots/ringstrasse/ringstrasse.htm<br />

7 ibid.<br />

8 Die Zurückhaltung des Kaisers erlaubte es Adolf Loos, genau gegenüber dem<br />

barocken inneren Burgtor der kaiserlichen Hofburg im Jahre 1910 sein umstrittenes<br />

erstes schmuck- und ornamentloses Wohnhaus zu bauen. Franz Joseph soll die Hofburg<br />

seit damals stets durch andere Tore verlassen haben im Gegensatz zu seinem<br />

Sohn Kronprinz Rudolf – nahm er nie selbst aktiv an den neuen kulturellen und<br />

intellektuellen Strömungen Anteil; sie berührten ihn nicht.<br />

9 Diese Befragung ist keine soziologische Studie und folgt keinen empirischen Forderungen,<br />

sondern entsprach einem spontanen Wissensdrang und umfasste nicht<br />

mehr als 15 Passanten. Sie ist weder aufgezeichnet noch dokumentiert, sondern verstand<br />

sich als künstlerische Intervention im öffentlichen Raum. Es wäre jedoch von<br />

hohem Interesse eine wirkliche Befragung in diesem inhaltlichen Zusammenhang<br />

vorzunehmen und sich den realen Ist-Zustand vor Augen zu führen. Hier gibt es ein<br />

erhebliches Erklärungsdefizit.<br />

10 Als Bestätigung meiner Vermutung bezüglich der Kulturindustrie kann ein<br />

Besuch im Hofmobildepot genügen, in denen man auf allen Erklärungsbildschirmen<br />

immer wieder eben diesen Sissi Film sieht. Erstaunlicherweise zu einem Drittel für<br />

chinesische Gäste auf Mandarin.<br />

10 Mit einer Fläche von 676.615 km 2 und 52,8 Mio. Menschen (1914) war Österreich-<br />

Ungarn, flächenmäßig nach Russland, der zweitgrößte und von seiner Bevölkerungszahl,<br />

nach Russland und dem Deutschen Reich, der drittgrößte Staat Europas. Heute<br />

leben auf einer Fläche von 88.871 km 2 8.3<strong>16</strong>.000 Menschen Vgl. http://www.<br />

statistik.at .<br />

12 Als Gast in Wien könnte man vorschnell der Meinung sein, die Melancholie in<br />

Wien sei durch den Verlust des Weltmachtstatus bei gleichzeitiger Konservierung<br />

der Imperialarchitektur entstanden. Barbara Doser schrieb mir in einer Korrektur<br />

einen Hinweis zu Sigmund Freud: „In seinem Aufsatz Trauer und Melancholie von<br />

1917 schreibt Sigmund Freud, die Melancholie sei dadurch gekennzeichnet „dass<br />

die Herabsetzung des Selbstgefühls nicht durch die positive Trauerarbeit behoben<br />

wird. Die Melancholie ist seelisch ausgezeichnet durch eine tief schmerzliche<br />

Verstimmung, eine Aufhebung des Interesses für die Außenwelt, durch den Verlust<br />

der Liebesfähigkeit, durch die Hemmung jeder Leistung und die Herabsetzung des<br />

Selbstgefühls, die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen äußert und bis<br />

zur wahnhaften Erwartung der Strafe steigert. Diese selbstzerstörerischen Aspekte<br />

sieht Freud als Ursache für die Suizidgefährdung der Melancholiker. Loos jedenfalls<br />

behauptet diese überkommenen Ornamente, die Zeichen dieser ehemaligen Macht,<br />

machen krank. Als er diese Polemik schrieb waren dies Ornamente und Symbole<br />

noch durch die Macht des Staates bedeutend und repräsentierten die Macht, hatten<br />

also eine Funktion und eine Bedeutung, die sich vermittelte und vermittelt wurde,<br />

auch wenn Loos dies bestreitet. Um wie viel mehr müssten die Ornamente nach<br />

Loos krank machen, wenn die Legitimierung und Bedeutung der Ornamente durch<br />

die dahinter stehende Staats- und Weltmacht wegfällt. Was macht ein Staat, der eine<br />

Weltmacht war, mit den Symbolen der Macht, wenn diese abhanden gekommen<br />

ist, was bedeuten diese Symbole die für Macht stehen, wenn die Macht abhanden<br />

gekommen ist? Ein übergroßes Mahnmal, Denkmal? Wohl eher eine Denkmal-Matrix,<br />

die im Falle von Wien die ganzen Innenstadtbezirke überzieht. „Wenn aber das<br />

Ornament schön ist?“ Wie wir wissen ist dies reine Geschmackssache.<br />

13 Dieses Künstlerbild ändert sich gerade in den letzten zwei Jahrzehnten. Es wird<br />

weniger und weniger über Kunst gesprochen und mehr und mehr über Auktionsergebnisse,<br />

Preise und Geld. Dieser Trend bewegt sich auf seinen Zenit zu und wird<br />

sich dann, wenn in einer wirtschaftlichen Krise die Lose für zeitgenössische Kunst<br />

zurückgehen wieder neu ausdifferenzieren.<br />

14 Die Geschichte des Wiener Porzellans beginnt 1718. Bereits acht Jahre nach der<br />

Erfindung des „Weißen Goldes“ durch Johann Friedrich Böttger (1709) wurde die<br />

Wiener Porzellanmanufaktur eröffnet. Seitdem genießt die Manufaktur großes Ansehen.<br />

Ein Spezialprivilegium, am 25. Mai 1718 durch Kaiser Karl VI. unterzeichnet,<br />

verlieh Claudius Innocentius du Paquier, dem k.u.k. Hofkriegsagenten, eine Monopolstellung:<br />

er hatte die alleinigen Rechte Porzellan innerhalb der österreichischen<br />

Kronländer zu erzeugen. In der heutigen Porzellangasse (im 9. Wiener Bezirk)<br />

fertigte man das Wiener Porzellan, mit dem das Kaiserhaus und der höfischen Adel<br />

ausgestattet wurden. Heute ist dieser spätbarocke Stil als die „Du-Paquier-Periode“<br />

bekannt. Am 2. Mai 1923 wird die Porzellanmanufaktur im Schloss Augarten – dem<br />

heutigen Standort – wieder eröffnet. Unter dem neuen Namen „Wiener Porzellanmanufaktur<br />

Augarten“ soll die Tradition der ehemaligen kaiserlichen Manufaktur<br />

fortgesetzt und um neue Impulse bereichert werden. Die Manufaktur öffnet sich<br />

modernen Strömungen und realisiert Entwürfe von zeitgenössischen Künstlern wie<br />

Josef Hoffmann, Michael Powolny, Franz von Zülow und anderen Vertretern der<br />

Wiener Werkstätte. Vgl. hierzu http://www.augarten.at .<br />

15 Besonders zu empfehlen die Fingerpuppen im Museumsshop der Albertina: von<br />

Freud, Gandhi bis Frida Kahlo... sehr schön auch der Museumsshop im Belvedere<br />

wo es einen Handgroßen Teddy mit Textildruck eines Klimt-sujets zu kaufen gibt...<br />

<strong>16</strong> http://de.wikipedia.org/wiki/Kulturindustrie am 19.11.2007<br />

17 An dieser Stelle werden die Kritiker ansetzen und sehr zu Recht darauf hinweisen,<br />

das sich selbstverständlich bei einem Besuch des Kunsthistorischen Museums vor<br />

einem Bild von Carravaggio, der Albertina vor einer Dürerzeichnung oder des Operhauses<br />

während einer Mozartoper eine Primär Erfahrung einstellt. Diese im Rahmen<br />

einer Reiseplanung geplanten Erlebnisse sind terminiert und in einen Gesamtablauf<br />

eingetaktet und deswegen vorgesehen. Ob eine Primär Erfahrung vorauszusehen<br />

und zu planen und somit kalkuliert verkauft und konsumiert werden kann ist eine<br />

Frage, der wir in diesem Kontext nicht weiter nachgehen können.<br />

18 Der Walzer ist ein Drehtanz im 3/4 –Takt. Seine Blütezeit erlebte der Walzer als<br />

Wiener Walzer im 19. Jahrhundert mit Johann Strauß Vater und Sohn. Das Wort<br />

Walzer stammt von dem Begriff walze.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch II - Brandl<br />

<strong>ST</strong>/A/R 13<br />

Mode von Oleg Feldman<br />

Mode von Oleg Feldman<br />

Foto: <strong>ST</strong>/A/R<br />

DU<br />

Prêt-à-porter in Odessa !!!<br />

Ukrainische Modeschau,<br />

Défilé März 2007


14 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Brandl<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

<strong>ST</strong>/A/R-ARCHITEKT ANGELO ROVENT<br />

Angelo Roventa<br />

Architekt und Priester<br />

„Soofil“ oder „a fute gaina in cur“<br />

Pygmalion-Theater, Alserstrasse 43, plant Gastrollen im neuen Rum<br />

Tolstoj „Der Hühnervögler“ wird von Tino Geirun und Ana Terzer in


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch II - Brandl <strong>ST</strong>/A/R 15<br />

A BAUT EIN THEATER IN RUMÄNIEN<br />

Neubau Ateliertheater für 300 Personen als Erweiterung der<br />

Nationaltheaters - Teatrul National „Vasile Alecsandri“ Iasi<br />

Ort: Iasi - Hauptstadt des Bezirks Moldau - Rumänien<br />

Architekt: Angelo Roventa<br />

Theaterdirektor: Cristian Hadji - Culea<br />

Zimmermann: Andreas Rabanser<br />

Spengler: Arno Bereuter<br />

Montage der Holzkonstruktion: 4 Wochen<br />

18 LKW Transporte zwischen Vorarlberg und Iasi über die<br />

Alpen und über die Karpaten (im Winter !)<br />

Kosten: 250.000 e<br />

änischen Theater. Das Theaterstück von Wladimir Jaremenkos<br />

Rumänische übersetzt.<br />

www.pygmaliontheater.at


<strong>16</strong> <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch II - Brandl<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Coop Himmelb(l)au<br />

webdesign_Caballero<br />

Europameisterschaft<br />

Heroen der Weltarchitektur<br />

Wolf D. Prix, Helmut Swiczinsky<br />

Bild aus dem Katalog „Beyond the Blue“<br />

Ausstellung im MAK bis 11.05.2008 HINGEHEN!<br />

Wolf D. Prix, telefoniert mit Gloria Gerngross


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch III - Jiffy <strong>ST</strong>/A/R 17<br />

Peter Zsivcsec<br />

Star-Architekt<br />

„Wir arbeiten mit der Tradition, mit<br />

großer Ehrfurcht, bewegen uns im<br />

Jetzt mit aller Selbstverständlichkeit,<br />

und planen für die Zukunft die<br />

Räume der guten Wünsche.“<br />

Peter Zsivcsec<br />

Star-Architekt


6<br />

15<br />

15<br />

6<br />

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T.F.<br />

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7<br />

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6<br />

18 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Jiffy<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Weg in die Freiheit<br />

Bürogebäude<br />

S‹D ANSICHT<br />

NORD ANSICHT<br />

GRUNDRISS<br />

14 6<br />

7 400<br />

400<br />

400 400<br />

400<br />

400<br />

3994<br />

3974<br />

4820<br />

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6 14 786<br />

14 6<br />

400 400<br />

400<br />

400 400<br />

7 6<br />

210 317 130 350 400 400 320 130 350 400 400 317 130 353 400 213<br />

826<br />

W<br />

S<br />

N<br />

O<br />

O<strong>ST</strong> ANSICHT<br />

BEBAUTE FLƒCHE H‹HNER<strong>ST</strong>ALL: = 500.04m2<br />

BEBAUTE FLƒCHE EIERLAGER: = <strong>16</strong>9.50m2<br />

BEBAUTE FLƒCHE ‹BERDACHTER AUSLAUF: = 319.52m2<br />

BEBAUTE FLƒCHE GESAMT: = 989.06m2<br />

BRUTTOGESCHOSSFLƒCHE: = 989.06m2<br />

2052<br />

400<br />

256<br />

270<br />

158<br />

270<br />

256<br />

400<br />

208<br />

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429<br />

275<br />

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208<br />

253<br />

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250<br />

270<br />

250<br />

253<br />

250<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

PH100<br />

PH100<br />

AUSLAUFKL.INNEN<br />

PH120<br />

PH120<br />

AUSLAUFKL.INNEN<br />

1328<br />

PH120<br />

AUSLAUFKL.<br />

1404<br />

PH120<br />

PH120<br />

PH120<br />

PH120<br />

AUSLAUF<br />

<strong>16</strong>0.00 m2<br />

+0.00<br />

PH120<br />

60<br />

AUSLAUFKL.<br />

1333<br />

1260<br />

AUSLAUF<br />

<strong>16</strong>0.00 m2<br />

+0.00<br />

100 AUSLAUFKL.INNEN<br />

50<br />

+0.00<br />

PH120<br />

SCHRAPPER<br />

+0.25<br />

SCHRAPPER<br />

H‹HNER<strong>ST</strong>ALL: 456.00 m2<br />

+0.00<br />

PH120<br />

204 403 320 130 350 400 320 130 384 366 400 317 130 353 400 213<br />

A A<br />

PH120<br />

PH120<br />

PH120<br />

PH120<br />

1333<br />

1330<br />

AUSLAUFKL.INNEN<br />

PH120<br />

60<br />

AUSLAUFKL.<br />

AUSLAUFKL.INNEN<br />

PH120<br />

PH120<br />

EIERLAGER<br />

159.00 m2<br />

+0.00<br />

PH100<br />

PH100<br />

PH100<br />

PH100<br />

PH100 PH100<br />

100<br />

200<br />

200<br />

100<br />

250<br />

200<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

100<br />

203<br />

250<br />

340<br />

467<br />

238<br />

103<br />

192<br />

261<br />

380<br />

561<br />

144<br />

561<br />

380<br />

2040<br />

2052<br />

373<br />

237 136<br />

+2.22<br />

-0.15<br />

WE<strong>ST</strong> ANSICHT<br />

SCHNITT A-A<br />

DN 7<br />

1109<br />

180 <strong>16</strong><br />

196<br />

120 80 27 <strong>16</strong><br />

<strong>16</strong><br />

227 +0.00<br />

296 <strong>16</strong><br />

+3.58<br />

+0.25<br />

+0.00<br />

+2.22<br />

-0.15<br />

EINREICHPLAN M 1:100<br />

BAUVORHABEN:<br />

NEUBAU VON 2 H‹HNER<strong>ST</strong>ƒLLEN<br />

<strong>ST</strong>ALL D UND <strong>ST</strong>ALL E<br />

BAUWERBER:<br />

TONI`S HANDELS GmbH<br />

GLEIN 14<br />

8720 KNITTELFELD<br />

BAUPLATZ:<br />

GRUND<strong>ST</strong>‹CK:<br />

271<br />

GEMEINDE:<br />

RACHAU<br />

KG:<br />

GLEIN<br />

ORTSCHAFT:<br />

GLEIN<br />

BAUWERBER:<br />

GEMEINDE:<br />

GRUNDEIGENT‹MER:<br />

PLANVERFASSER:<br />

BAUF‹HRER:<br />

7 400 400 400 400 400 400 400 400 400 400 400 400 7 6<br />

14 6 3974 6 14 786 14 6<br />

3994 826<br />

4820<br />

6<br />

158<br />

270 15 256<br />

400 6 256 15 270 400<br />

2052<br />

DATUM:<br />

MƒRZ 2003<br />

PAUSEN:<br />

6x<br />

<strong>ST</strong>ATIK LAUT BAUAUSF‹HRENDER FIRMA<br />

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FUNDAMENTE AUF TRAGFƒHIGEM BODEN UND<br />

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Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch III - Jiffy <strong>ST</strong>/A/R 19<br />

Wohnhaus Bernhard Schwaiger<br />

„Man schmeckt den Unterschied…“<br />

www.triobeef.at


Städteplanung / Architektur / Religion Buch III - Jiffy<br />

<strong>ST</strong>/A/R 21<br />

Inserat_WB_Dez_07 18.12.2007 18:22 Uhr Seite 1<br />

Wienerberger<br />

B u i l d i n g<br />

Va l u e : e i n e<br />

k l a re Vi s i o n<br />

für Ziegel<br />

Wienerberger hat als Hersteller keramischer Baumaterialien<br />

eine klare Vision: Building Value. Wir wollen mit Hilfe unsere r<br />

N a t u r p rodukte bleibende Werte schaffen. Innovation, Beständigkeit,<br />

Verlässlichkeit, Sicherheit und Qualität haben für uns<br />

höchste Bedeutung. Auf diese Weise tragen wir zur Lebensqualität<br />

jedes Einzelnen bei. Unsere Produkte werden für<br />

Menschen gemacht, unter strenger Bedachtnahme auf unsere<br />

Umwelt. Wir sind überzeugt mit unseren keramischen Baus<br />

t o ffen den höchsten ästhetischen und baulichen Ansprüchen<br />

g e recht zu werd e n .<br />

Wienerberger AG<br />

T +43 (1) 60 192-0, www. w i e n e r b e r g e r. c o m


22 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Jiffy<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Jiffys Feuerschale<br />

Lust am Leben. umgeben<br />

von einer wundervollen<br />

Landschaften<br />

im Herzen Europas.<br />

St. Margarethen b. Knittelfeld<br />

homepark@belvida.at


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch III - Jiffy <strong>ST</strong>/A/R 23<br />

<strong>ST</strong>/A/R empfiehlt…<br />

und grüßt<br />

<strong>ST</strong>EFAN SARES<br />

Gönner und<br />

Kulturfreund<br />

Rouven Dürr<br />

Austrian writer Gabriele Petricek<br />

(Zimmerfluchten, 2005, Von den<br />

Himmeln, demnächst) and american<br />

actor Daniel Benzali (Murder One,<br />

1995, Murder at <strong>16</strong>00, 1997,<br />

The Grey Zone, 2001) in front of<br />

the Restaurant Match 65, 29 East<br />

65th street, New York, NY, on a<br />

sunny tuesday in November 2007.<br />

Petricek writes on a new novel and<br />

Benzali recently returned to Broadway<br />

theatres.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

NEU! OPERNGASSE 20B, 1040 WIEN


24 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch III - Jiffy<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

LieberGotthilfmir<br />

Vladimiro und Heidulfu Gerngross<br />

wer mich kennt<br />

kennt die welt<br />

und wer die welt kennt,<br />

kennt mich nicht. was ich weiß,<br />

weiß nur die APA<br />

und die APA weiß nichts<br />

war is over- let’s fight<br />

forever dead in the bead<br />

peace for everybody<br />

mein film wird vom<br />

St/A/R TV erfilmt und hollywood geht pleite.<br />

fernseheverbot für alle polizistinnen.


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch IV - Kunst <strong>ST</strong>/A/R 25<br />

RZ_inserat.qxd 06.11.2007 11:06 Uhr Seite 1<br />

k/haus<br />

exitus.<br />

tod alltäglich<br />

20. 10. 07 — 06. 01. 08<br />

künstlerhaus<br />

karlsplatz 5<br />

1010 wien<br />

künstlerhaus<br />

100 Jahre Bestattung Wien<br />

täglich<br />

10 –18 uhr<br />

donnerstag<br />

10 – 21 uhr<br />

www.k-haus.at<br />

Anna Konik, „Disco Relaxation“


26 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV - Kunst<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

ROUTE DE LA MORT<br />

Interview mit Wittigo Keller, Kurator der Ausstellung Exitus-Tod alltäglich<br />

Thomas Redl: Wie ist die Ausstellung „Exitus - Tod alltäglich“<br />

konzipiert?<br />

Wittigo Keller: Generell muss man sich Gedanken machen,<br />

wie es zu dem Thema und dem Ansatz der Ausstellung gekommen<br />

ist. Das war die erste Stufe der Problematik: Wie zeigen<br />

wir ein solches Thema und wo zeigen wir es. Wir wissen,<br />

dass heuer 2007 die Bestattung Wien 100-jähriges Bestehen<br />

feiert. Das war der erste Ansatzpunkt. Wir wissen, dass heuer<br />

in den Geschäften, wo immer man hinblickt, der Totenkopf<br />

von Pullovern, Hauben, Schals, Gürtelschnallen, Turnschuhen,<br />

Taschen etc. auf uns einwirkt, dass es Kinderserien diesbezüglich<br />

von Dior bis Lagerfeld gibt. Und wir wissen, dass<br />

das Künstlerhaus innovative Thematiken neu aufbereitet sehr<br />

schätzt. Das waren drei Elemente, die zusammen kamen und<br />

es entstand ein Kooperationsprojekt zwischen Künstlerhaus<br />

und Bestattung und so wurde die Möglichkeit geschaffen<br />

dieses Thema hier im Haus an die Öffentlichkeit zu bringen.<br />

Vom Konzept her haben sich verschiedene Ansatzpunkte<br />

ergeben: Zum einen ist das Haus von der Architektur Grundriss<br />

mäßig symmetrisch angelegt und genau diese Symmetrie<br />

wurde bewusst als Gestaltungsebene eingesetzt. Wir haben<br />

die drei Elemente des Ritualdesigns - Symmetrie, Frontalität<br />

und Erhabenheit - ganz bewusst durchgezogen. Symmetrie<br />

wie wir sie von Kultbauten wie Friedhöfen, Kirchen, Schlössern<br />

und dergleichen kennen: die Räume teilweise diagonal<br />

gestaltet und wir haben von jeder Öffnung, von jeder Raumfüllung<br />

in den anderen Raum, die Möglichkeit ein ganz<br />

prägnantes Objekt erkennen zu können. Wir haben vor allem<br />

den großen Raum in einer exakten Diagonale gesetzt, wo wir<br />

dann im Zentrum ähnlich einem Altar unser Trauerzentrum<br />

errichtet haben, wo es möglich ist über Akustik die Themen<br />

von Trauer in Form von Melodien, in Form von Trauertexten<br />

und Gedichten auf sich einwirken zu lassen. Wir haben versucht,<br />

diese Frontalität des Zuganges zu schaffen, damit ein<br />

Dialog zwischen dem Ausstellungsexponat und dem Besucher<br />

entstehen kann.<br />

Vom inhaltlich Thematischen her, war es notwendig verschiedene<br />

Ebenen und Themenbereiche zusammen zu bringen,<br />

zu komponieren. Und so haben wir das Bestattungsservice<br />

- jene Institution, die vielleicht am Intensivsten tagtäglich sich<br />

mit diesem Thema auseinandersetzt -, die Kulturgeschichte,<br />

die Kunst, die historische genauso wie die zeitgenössische,<br />

und die Alltagskultur zusammengebracht und Raum übergreifend<br />

präsentiert. Wir sind vollkommen von einer Raumthematik,<br />

Raumbeschriftungen weggegangen und haben das<br />

so genannte Raumprinzip des Insularen eingesetzt, wo wir<br />

über die Farbe Rosa gewisse Flächen setzen, die sich durch<br />

die ganze Ausstellung ziehen, nicht nur am Boden begehbar,<br />

sondern auch erhaben in den einzelnen Vitrinen, die die<br />

Vielfältigkeit der verschiedenen Themen in einem Raum wie<br />

eine Perlenkette aneinander reiht und uns eine Chronologie<br />

einer zeitlichen Abfolge, einer Reise, einer Route de la morte<br />

ermöglicht.<br />

T.R.: Auffällig an der Ausstellung ist, dass es eine Parallelität<br />

zwischen sehr zeitgenössischen Arbeiten und alltagsrituellen<br />

Bildern und Gegenständen bezogen auf den Tod gibt. Das ist<br />

eine neue Zusammenstellung.<br />

W.K.: Es ist zumindest eine relativ ungewohnte Möglichkeit<br />

des Betrachtens wie es normalerweise in einer Ausstellung<br />

noch nie gemacht worden ist, weil es eine gewisse Schwierigkeit<br />

im Sinne des Präsentativen bedeutet. Man muss dem Betrachter<br />

die Möglichkeit eines Zuganges geben, er muss eine<br />

Art Leiter, einen Anhaltspunkt finden und das ist über das<br />

thematische Konzept des Strukturellen, dieses insulären Prinzips<br />

gemacht worden. Das ist genau dass Spannende: denn<br />

die Alltäglichkeit des Todes, die wir dauernd erleben - in der<br />

heutigen Zeit ist das Motiv und die Gefahr des Todes größer<br />

denn je: zu falschen Zeit am falschen Ort zur falschen Stelle,<br />

und schon hat es uns erwischt - ist unwahrscheinlich und<br />

befremdlich geworden und gleichzeitig permanent präsent.<br />

Dies thematisiert z. B. die junge polnische Künstlerin Anna<br />

Konik in ihrer Installation: Es befindet sich ein drehender<br />

Disko-Schädel „Disco Relaxation“ in einem Achteckraum mit<br />

tausenden leicht in der Fläche sich ändernden facettierten<br />

Spiegeln, die ihre Reflexionen an die Wand werfen in zwei<br />

verschiedenen Richtungen gegeneinander. Die Dimension<br />

des konkreten Todes, wie er aufblitzt in einer spaßigen Unterhaltungskultur,<br />

um gleich wieder weg zu sein, weil wir<br />

ihn nach hinten drängen wie in einem Screen, beginnt dort<br />

zu wirken und gleichzeitig erfolgt damit die Auflösung der<br />

konkreten Welt. Das ist eine spannende Geschichte, die wir<br />

immer wieder in einzelnen Elementen zeigen, indem wir<br />

vielleicht auch ganz leicht provokante Ebenen und Bereiche<br />

zusammenstellen, damit dieser Reibungseffekt passiert.<br />

Lucinda Devlin mit ihren gewaltigen Fotografien der Todeskammern<br />

und Hinrichtungszellen wurden mit der Anatomie,<br />

dem Inneren des Körpers und der psycho- und medizintherapeutischen<br />

Auseinandersetzung kombiniert, genauso wie mit<br />

Särgen, die im Bereich der Kunst und weniger im Sinne der<br />

Funktion operieren, um gleich daneben den Leichenschmaus<br />

zu präsentieren, eines der gewaltigsten Momente im Sinne<br />

der psychischen Kompensation nach einem Begräbnis, um<br />

diesen Erstschockszustand zu überwinden, um mit dieser<br />

Übersteigerung des Theatralischen wieder einen kleinen Zugang<br />

zur profanen Welt geben zu können.<br />

T.R.: Wien und der Tod hat ja eine bestimmte Verwandtschaft.<br />

Der Zentralfriedhof, dieses leicht Morbide ist auch<br />

eine Tradition in dieser Stadt.<br />

W.K.: Ich bin ganz glücklich, dass diese Tradition „Wien und<br />

der Tod“ heißt und nicht „der Wiener und der Tod“, wobei<br />

„Der Tod muss a Wiener sein“ ist, glaube ich, mittlerweile<br />

schon urheberrechtlich geschützt. Wenn wir die ganzen<br />

Nicht-Wiener Künstler durch die Epochen hindurch, egal ob<br />

Maler, Schriftsteller, Bildhauer oder Musiker, betrachten,<br />

fällt auf, wer länger in dieser Stadt gearbeitet hat, bei dem<br />

tritt automatisch die Thematik des Todes sehr massiv in der<br />

Arbeit auf, da muss die Stadt dieses Flair oder diesen Ansatzpunkt<br />

haben. Mir selbst ist dies passiert, ich komme aus dem<br />

Westen von Österreich an der Schweizer Grenze, bin zum<br />

Studieren nach Wien gekommen und war nach einem dreiviertel<br />

Jahr kannte ich jeden Friedhof und beschäftigte mich<br />

mit der Thematik. Das ist eine spannende Geschichte und<br />

nicht umsonst hat sich hier in Wien eine der grandiosesten<br />

Funeralkulturen entwickelt, die z.B. 1867 begonnen hat, als<br />

die erste private Bestattungsanstalt gegründet wurde, die die<br />

Idee, die Vision hatte, den Bürger und seinen Letztabgang bis<br />

zur Perfektion zu inszenieren. Der schöne Name war: ORTA<br />

PRIE<strong>ST</strong>L POMP FUNEBRE. Man kann sich fragen: Warum<br />

das hochnäsige Französische in Wien?<br />

Das ist ganz einfach, weil sch die bessere Gesellschaft vom<br />

Proletariat unterscheiden wollte und genauso wie der Adel<br />

in der Freizeit Französisch sprach. Daher kommt der gemütliche<br />

Terminus „Pompfüneberer“, jene Symbolfigur des<br />

Uniformierten mit der klassischen Zweispitz-Kopfbedeckung<br />

als Prototyp der „schenen Leich“ schlechthin. Diese schene<br />

Leich war für einen gehobenen Mittelstand einerseits vom<br />

ideologischen Level andererseits von der Intensität des Geldtascherls<br />

eine Möglichkeit, sich in der Ewigkeit zu manifestieren.<br />

Diese schöne Leich als letztes Event und ein besonderes<br />

Denkmal auf dem Zentralfriedhof in der Nähe der Ehrengräber<br />

waren Highlights, für die es sich gelohnt hat zu leben.<br />

T.R.: Ich weiß nicht, ob es ein Novum ist oder ob es so etwas<br />

Wittigo: Sitzsarg, Hommage an René Magritte, 2001,<br />

Installation © Wittigo<br />

in anderen Städten auch gibt, in Wien gibt es das Bestattungsmuseum,<br />

wo die Tradition des Bestattens musealisiert wurde.<br />

W.K.: In diesem Zusammenhang hat in Wien natürlich ein<br />

Museum gefehlt. Interessant ist, dass es das weltweit erste<br />

über Totenkult und Bestattungswesen überhaupt war, 1967<br />

an die Öffentlichkeit gegangen. Der Initialpunkt des Ganzen<br />

war die Situation, dass diese frühen Bestattungsanstalten konzessionsfreie<br />

Gewerbe waren, d.h. jeder Wiener ohne Ausbildung,<br />

ohne Befähigungsnachweis konnte damals Bestatter<br />

werden und ganz im Sinne der vielleicht etwas lakonischen<br />

Aussage „Sterben tut jeder. Für Kunden ist gesorgt“ wundert<br />

es uns nicht, dass innerhalb von nur fünf Jahren 87 Privatbestattungen<br />

in Wien tätig waren, mit der unangenehmen<br />

Nebenerscheinung eines aggressivsten Konkurrenzkampfes.<br />

Da dies sehr unseriös ausgeartet ist, hat der damals waltende<br />

Bürgermeister Karl Lueger 1907 entschieden, dass dem<br />

ein Ende gesetzt werden muss und der Gemeinde Wien die<br />

alleinige Zuerkennung der Genehmigung für Begräbnisse<br />

gegeben wurde. Die Problematik damals war, dass diese 87<br />

bestehenden Bestattungsunternehmen zurück übernommen<br />

werden mussten, sie wurden käuflich zurück erworben und<br />

es dauerte Jahrzehnte, bis die letzte 1951 in die Gemeinde<br />

übergegangen ist. Ab dann war die Bestattung ein allein tätiges,<br />

Monopol orientiertes Unternehmen mit einer Frequenz<br />

von etwa 22.000 Begräbnissen pro Jahr. Das hat sich wieder<br />

im Jahr 2002 durch neue Regelungen abrupt geändert, wo<br />

liberalisiert wurde und wodurch wir heute wieder die privaten<br />

Bestattungen haben.<br />

In diesem Spannungsfeld entstand das Bestattungsmuseum,<br />

weil ganz am Anfang durch die Übernahme der Privaten auch<br />

das Inventar mitgenommen wurde und den Mitarbeitern<br />

der Bestattung einfach eine Sammlung vor Augen geführt<br />

werden sollte, um einen kleinen Einblick in die Geschichte<br />

zu geben. Klarerweise ist das Interesse der Öffentlichkeit<br />

erwacht, darum wurde dieser Teil des Bestattungsunternehmens<br />

1967 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br />

20 Jahre später habe ich das Museum in einer vollkommen<br />

neuen Art konzipiert und präsentiert. Wir führen auch dort<br />

keine chronologische Zeitgeschichte vor Augen, sondern in<br />

Form von Überblicksthemen schaffen wir rituelle Ecken und<br />

Installationen, damit wird nicht nur die Thematik des Todes<br />

und Totenkultes im Sinne einer intellektuellen Sichtweise<br />

der Betrachtung vermittelt, sondern kann sehr stark über<br />

das mentale Element von Seiten des Betrachters aufgenommen<br />

werden. Es entsteht auch hier der Dialog zwischen<br />

dem Artefact und dem Publikum. Das Spannende in diesem<br />

Museum ist, dass es derzeit nur mit Führung besichtigbar<br />

ist und in diesem Führungskonzept habe ich auch eine ganz<br />

neue Dimension des sogenannten Edutainments entwickelt,<br />

d.h. eine Mischung zwischen Education, Informationsträger,<br />

Ausbildung – wir sind mit sehr vielen Fachinstitutionen und<br />

Universitäten in laufender Verbindung - und des Entertainments,<br />

um den Tod leicht satirisch angehaucht dem Publikum<br />

näher zu bringen.<br />

„Pompfüneberer“<br />

und die „schöne Leich“, barocke Üppigkeit bis in den Tod<br />

und von Sparsamkeit geprägte Kuriositäten wie der<br />

„Klappsarg“ Kaiser Josephs II., der wieder verwendet werden<br />

konnte: Das Bestattungsmuseum der Bestattung Wien gibt<br />

mit rund 1.000 Ausstellungsstücken einen umfassenden<br />

Einblick in Bestattungswesen, Begräbnisrituale und das<br />

besondere Verhältnis der Wiener zum Tod.<br />

1040 Wien, Goldeggasse 19 · Tel. (01) 501 95-0 ·Tel. Anmeldung erforderlich<br />

www.bestattungwien.at


Nr. 15/2007<br />

Buch IV - Kunst <strong>ST</strong>/A/R 27<br />

Interview mit<br />

Martin Rasp<br />

Foto: Thomas Redl<br />

Berchtesgaden<br />

Ateliersituation Martin Rasp<br />

Hinweise auf Vergehen und<br />

Vergänglichkeit<br />

Thomas Redl: Meine erste Frage an dich: Ein wesentlicher<br />

Punkt deines künstlerischen Prozesses ist die Arbeitsmethode.<br />

Kannst du etwas über deine Methodik erzählen?<br />

Martin Rasp: Also, die Bilder dauern ihre Zeit, und es geht in<br />

erster Linie einmal darum, Dinge zu finden, und dann daraus<br />

etwas zu machen, wobei das Finden eine eigene Geschichte ist.<br />

Wenn man etwas finden will, findet man nichts. Man muss also<br />

oder soll absichtslos die Landschaften, die Gegenden durchstreifen,<br />

dann findet man natürlich Dinge. Eine Schweizerin<br />

die ich in Ischia getroffen habe, hat einmal gesagt: „Ich habe<br />

den Eindruck, die Dinge finden mich.“ Und das trifft natürlich<br />

auch auf mich zu, weil ich erlebe, dass wenn man zu viel<br />

will, eigentlich gar nichts passiert. Das andere wären dann<br />

noch die Orte, die ich aufsuche.<br />

T. R.: Du suchst spezielle Orte auf, die für dich, man kann fast<br />

sagen, eine bestimmte Aura haben, und dort hältst du dich<br />

auf. Das ist ein Teil deines künstlerischen Arbeitsprozesses.<br />

M. R.: Ich suche Orte auf die entleert sind oder wo Zeugnisse<br />

von früheren Zeiten spürbar sind, aber auch natürliche Orte wie<br />

zum Beispiel den Flusslauf des oberitalienischen Tagliamento<br />

oder Strände und Inseln von Dalmatien. Verschwindende<br />

Orte sind zum Beispiel Lubenice auf der Insel Cres oder auch<br />

Industriebrachen in Großstädten, in Ostberlin etwa, oder<br />

Randbezirke von Budapest oder auch ehemalige Arbeitslager<br />

auf den Bergen, wie auf der Rudolfshütte. Es interessieren<br />

mich nicht die Berge, sondern diese Zeugnisse einer versunkenen<br />

Zeit, und jemand hat einmal geschrieben: „Orte der<br />

Verlassenheit ziehen Martin Rasp magisch an.“ Ich glaube,<br />

das hat er so richtig gesehen. Ich mache das natürlich nicht so<br />

bewusst, sondern es zieht mich mit einem inneren Kompass<br />

an so einen Ort hin, der mich einfach fasziniert, und dann<br />

geht es eigentlich mit dem Suchen los.<br />

T. R.: An diesen Orten findet eine Sichtung statt, und du<br />

nimmst von diesen Orten Fundstücke mit, die du dann im<br />

Atelier zu Materialcollagen, zu Objekten zusammenstellst.<br />

M. R.: Ja, und hauptsächlich gehen mir Gegenstände nahe,<br />

wo irgendwo Geschichte spürbar ist oder auch das Thema<br />

des Scheiterns oder der Lauf der Zeit drinnen liegt. Also zum<br />

Beispiel angeschwemmte Schiffsteile oder einfach Dinge,<br />

die die Menschen zurückgelassen haben. Ich habe jetzt in<br />

Tagliamento wieder ein großes Tuch mit einer interessanten<br />

Aufschrift gefunden. Es sind eigentlich Gegenstände, die vom<br />

Lauf der Zeit, ich will nicht sagen, gedemütigt, aber doch verändert<br />

worden sind, von der Natur verändert worden sind, vom<br />

Regen, von der Sonne, vom Wind, und die dann für mich noch<br />

eine ganz eigene Aura haben, also Gegenstände, die eigentlich<br />

so zwischen nicht mehr und noch nicht angesiedelt sind. Und<br />

diese Dinge bringen mich einfach zum Nachdenken und sind<br />

auch der Impuls, indem ich sie beachte und sie dann mitnehme.<br />

Natürlich gibt es auch diese Ansicht, dass ein Stein, den<br />

ein Kind aufgreift und mitnimmt und in eine Tasche steckt,<br />

auch noch eine Bedeutung bekommt, weil dieses Kind den<br />

Stein in die Tasche gesteckt hat. Das kann man bei meinen<br />

Dingen vielleicht nicht ganz so stark sagen, aber indem ich<br />

diese verlorenen und von unserer Gesellschaft nutzlos ausgespieenen<br />

Dinge, die mich eigentlich faszinieren, mitnehme,<br />

kriegen sie natürlich zusätzlich eine Bedeutung.<br />

T. R.: Sie werden eigentlich so etwas wie rückgeführt in einen<br />

Bedeutungszusammenhang.<br />

M. R.: Ja, dieses Fließen und dieses Vergehende, das halte ich<br />

ein bisschen auf, indem ich diesen Gegenständen auf Zeit<br />

wieder eine neue Existenz gebe, kann man etwas pathetisch<br />

vielleicht sagen. Also, sie sind nicht für ganz verloren, sondern<br />

sie leben halt in meinen Arbeiten wieder ein Stück lang<br />

weiter. Ich meine, ewig leben sie auch nicht weiter, weil meine<br />

Arbeiten natürlich auch nicht ewig sind. Das ist ein riesiger<br />

Irrtum, dass man meint die Künstlerinnen oder Künstler leben<br />

in ihren Arbeiten weiter. Das ist sicher nicht der Fall, sie<br />

verschwinden in Depots und in 30 Jahren spricht über dies<br />

oder das kaum jemand mehr. Aber es geht eigentlich um das<br />

Tun, das andere ist nebensächlich.<br />

T. R.: Wenn man deine Objekte ansieht, tauchen bestimmte<br />

Elemente, bestimmte vergängliche Fundstücke, immer wieder<br />

auf. Das Boot, Flugzeuge und ähnliches und das Boot<br />

ist natürlich ein sehr, auch mythologisch, belegtes Symbol<br />

und Element. Es gibt in der ägyptischen Mythologie, im<br />

ägyptischen Totenbuch die Barke, die Barke dient der Seele<br />

als Gefährt durch die Unterwelt. Welche Bedeutungen und<br />

Bezüglichkeiten hat das Boot für dich?<br />

M. R.: Das Boot hat also mit Sicherheit nicht diese mythologische<br />

Bedeutung, die du jetzt geschildert hast, sondern das<br />

Boot ist einfach eine Metapher für Aufbruch, für Weite, für<br />

Abenteuer, für Freiheit und ...<br />

T. R.: Mit dem Boot findet auch immer eine Überfuhr statt.<br />

M. R.: Richtig. Es gibt natürlich auch diesen Wunsch, dass<br />

dort drüben am anderen Ufer die Welt besser ist, was natürlich<br />

ein Irrtum ist. Es ist also auch diese Sehnsucht, dass man<br />

einen Ort verlässt und einen besseren oder interessanteren<br />

Ort findet. Aber ich meine, ein Boot beinhaltet natürlich auch<br />

die Metapher, dass man am Wasser geborgen ist, relativ geborgen.<br />

Man kann mit einem Boot also in gewisser Weise ein<br />

anderes Element bewältigen. Natürlich ist ein Boot auch eine<br />

Metapher für Scheitern und Schiffbruch usw. Wenn man an<br />

die Segelschiffe von früher denkt, die waren am Wasser relativ<br />

schnell, aber wenn sie in Strandnähe gekommen sind, dann<br />

war es sehr gefährlich, besonders bei Sturm, weil sie dann<br />

manövrierunfähig waren. Und natürlich gibt es auch diese<br />

Geschichten, die von Schiffbrüchen und Scheitern erzählen.<br />

Also es ist für mich ein Symbol der Bewegung und der Weite,<br />

aber es kann natürlich auch ein Symbol des Scheiterns sein.<br />

Es ja auch diese Philosophie, dass man sagt, ich mische mich<br />

nicht ein, wenn das Schiff scheitert, dass man sagt, ich schaue<br />

nur zu, ich schaue der Welt zu, wie etwas passiert. Aber ei-


Städteplanung / Architektur / Religion Buch IV - Kunst<br />

<strong>ST</strong>/A/R 29<br />

Ateliersituation<br />

gentlich, denke ich, sollte man nicht Zuschauer sein, sondern<br />

sich schon auch in die Welt einmischen. Wenn man nur bedenkt,<br />

was aus der Schifffahrt auch in die Sprache eingeflossen<br />

ist: „sich an einen Strohhalm klammern“ und, und, und.<br />

Also, Schiffe finde ich einfach faszinierend, vielleicht auch<br />

weil ich an der Donau aufgewachsen bin. Ich meine, heutzutage<br />

in unserer globalisierten Welt spielt das nicht mehr<br />

eine so große Rolle, es gibt die Containerschiffe, die auf Kurs<br />

eingestellt werden. Vielleicht gibt es noch Segler, die dieses<br />

Abenteuer haben. Aber trotzdem ist ein Schiff als Metapher<br />

für mich unbedingt immer noch präsent und hat auch nach<br />

wie vor eine Bedeutung.<br />

T. R.: Wenn man dein Werk jetzt kunstgeschichtlich betrachtet,<br />

kann man sagen, dass die Kunstströmungen aus den 60er<br />

und 70er Jahren, also einerseits Arte Povera in Italien und<br />

andererseits Bewegungen, die in Deutschland stattgefunden<br />

haben, Joseph Beuys zum Beispiel, wesentliche Impulse für<br />

Richtungen ändern sich<br />

ja ständig, und sicher<br />

denkt man einmal, dass<br />

das vielleicht noch breiter<br />

angelegt werden soll. Ich<br />

fotografiere ja auch oder<br />

habe schon Aktionen gemacht,<br />

aber das bin halt<br />

irgendwie ich, und ich soll<br />

irgendwo auch nicht meine<br />

Authentizität hergeben,<br />

um auf irgendwelche<br />

Züge aufzuspringen. Das<br />

wäre ein Thema, über das<br />

man lange reden kann, wie<br />

man eigentlich doch strategisch<br />

geplant wird, wie<br />

man irgendwo ein breites<br />

Betätigungsfeld findet oder<br />

wie man Aufmerksamkeit<br />

erregt. Ich glaube immer<br />

noch daran, dass sich die<br />

Qualität in erster Linie<br />

über das Werk definiert.<br />

Natürlich sollte man dann schauen, dass Leute, die in dem<br />

Metier drinnen sind und die ein gutes Urteil abgeben können,<br />

die Arbeiten sehen, da soll man schon Angeln auswerfen.<br />

Wenn man keine Angeln auswirft, ist man total isoliert,<br />

und Rückmeldungen braucht man schon. Angeln auswerfen<br />

genügt, ob dann einer anbeißt, das ist ein anderes Thema,<br />

aber wenn man keine Angeln auswirft, kann auch nichts anbeißen.<br />

T. R.: Jetzt gibt es für mich noch einen interessanten philosophischen<br />

Ansatz. Wir haben unsere menschliche Existenz<br />

zwischen den zwei Feldern cultura und natura, zwischen der<br />

Kultur des Menschen und dem zweiten Element, der Natur als<br />

archaisches, ursprüngliches Element angesiedelt. Man könnte<br />

behaupten, dass du in deiner Arbeit versuchst, die Trennung<br />

zwischen diesen zwei Bereichen aufzuheben, dass dich vielleicht<br />

eine Sehnsucht treibt, Zivilisation und Natur zusammenzuführen.<br />

Kannst du damit etwas anfangen?<br />

wo man, wenn man will, seine 35 Programme haben kann.<br />

Möglichkeiten oder Zeichen unserer Zeit, die sind da einfach<br />

weg, es stört, sage ich unter Anführungszeichen, niemand.<br />

Man kann sich selbst einbringen und man sieht dann andere<br />

Dinge oder wird auf etwas aufmerksam, was man vorher kaum<br />

wahrgenommen hat, und das Wahrnehmen ist ja nach wie vor<br />

eine entscheidende Sache. Es ist ein riesiger Unterschied, ob<br />

ich mit einem Flugzeug über 5000 Kilometer von A nach B,<br />

meinetwegen nach Indien, Südostasien oder nach Südafrika,<br />

fliege oder ob ich jetzt mit einem Auto von A nach B reise,<br />

da erlebe ich natürlich schon mehr, oder ob ich zum Beispiel<br />

zu Fuß irgendwohin gehe oder mit dem Fahrrad fahre. Also<br />

da sehe ich viel mehr, nehme ich viel mehr wahr als wenn<br />

ich in einem Flugzeug von A nach B fliege. Dieses Reisen ist<br />

ja jetzt wieder ganz anders geworden. Früher hat man sich<br />

vorbereitet auf den Abschied, man hat Abschied genommen,<br />

man hat ein Geschenk mitgenommen, man hat es den neuen<br />

Leuten gegeben, und man hat nicht gewusst, wie es da wird.<br />

Heutzutage beschwert man sich, dass der Wasserhahn im<br />

Hotel nicht geht. Man hat nicht gewusst, wie das wird, man<br />

hat sich also wirklich ausgesetzt, man hat denen ein Geschenk<br />

zur Beruhigung gegeben. Dann hat man das neu erlebt und<br />

war offen für die neue, unbekannte Gegend. Das mache ich<br />

halt in kleiner Form noch so, indem ich Orte aufsuche, die<br />

quasi nicht in der Wüste Gobi liegen, die in meiner weiteren<br />

Umgebung sind, das ist für mich sehr wichtig.<br />

T. R.: Jetzt haben wir ja über den Faktor Zeit gesprochen. Es<br />

gibt einen Punkt im Arbeitsprozess, wo man definiert, das ein<br />

Objekt fertig ist, das es ein fertiges Kunstwerk ist. Das definiert<br />

man einerseits selbst, und andererseits wird das auch<br />

durch Galeristen, durch Museumsleute, durch den ganzen<br />

Betrieb, der das Kunstwerk dann teilweise auch in sehr abstrakter<br />

Form in Preiskategorien festlegt, bestimmt. Jetzt<br />

könnte man die Idee entwickeln und sagen: Okay, es ist etwas<br />

von einem Rohmaterial zu einem informierten oder belegten<br />

Material geworden, also zu einer Sache, die spricht – zu einem<br />

Kunstwerk, wenn man will. Man könnte das ganze aber auch<br />

wieder rückführen, indem man definiert, wann wandert ein<br />

Objekt vom Museum wieder in die Natur zurück und wird<br />

dem Kreislauf des Vergehens wieder einbezogen. Was hältst<br />

du von dieser Idee?<br />

Hauptsächlich gehen mir Gegenstände nahe, wo irgendwo Geschichte spürbar ist oder<br />

auch das Thema des Scheiterns oder der Lauf der Zeit drinnen liegt. ... also Gegenstände,<br />

die eigentlich so zwischen nicht mehr und noch nicht angesiedelt sind.<br />

deine Arbeit waren?<br />

M. R.: Ich meine, aus den 70ern eigentlich mehr, weil ich bin<br />

ja erst Anfang der 70er Jahre zur Collage gestoßen, und ich<br />

habe dann gemerkt, dass das mein Ding ist. Und man sieht<br />

natürlich auch Ausstellungen und Werke, die ähnlich gelagert<br />

sind. Man sagt, irgendwo ist das mein Ding auch, was die machen.<br />

So ist dann schon ein gewisser Einfluss entstanden, aber<br />

eigentlich hilft es einem nicht sehr viel, die Fläche ist nach wie<br />

vor leer. Und wenn man bei der Documenta noch einen Beuys<br />

erlebt hat, dann hilft das einem selbst eigentlich sehr wenig.<br />

Man kann vielleicht Philosophien aufnehmen oder kann diese<br />

Grenzüberschreitungen, die er ja doch gemacht hat, zur<br />

Kenntnis nehmen, aber eigentlich geht es schon um einem<br />

selbst, und wenn man selbst kein Naheverhältnis zu Dingen<br />

herstellen kann, dann hilft das ganze Wissen über verschiedene<br />

Künstler einfach nichts. Sicher in den 70er Jahren war<br />

die Objektkunst auch sehr wichtig und es hat auch die Kunst<br />

der Assemblage gegeben. Das kommt aus früherer Zeit, da<br />

könnte man jetzt bei der Collage bei Picasso anfangen, dann<br />

könnte man über Schwitters gehen, und Rauschenberg ist<br />

wieder von Schwitters beeinflusst, so ist das alles verzahnt,<br />

und Beuys hat natürlich auch seine Antennen ausgefahren<br />

und hat geschaut, was da läuft. Da gibt es ja sehr verwandte<br />

Arbeiten von Tapies zum Beispiel und Beuys und es gibt die<br />

Fluxus- und Happeningbewegung dieser Zeit. Sicher komme<br />

ich von der Collage her, die ich dann zum Objekt weiter entwickelt<br />

habe. Das ist eigentlich mein Ding.<br />

T. R.: Das hast du beibehalten in deinem Werkverlauf der<br />

letzten 25, 30 Jahre. Das ist ein Kontinuum, ein wesentliches<br />

Element deines Werks - die Collage und das Objekt. Jetzt bewegst<br />

du dich in deiner Lebensweise eigentlich nicht in den<br />

Zentren, wo die Kunst stattfindet. Siehst du dich selbst als<br />

Autodidakt, als Einzelgänger, als Zurückgezogener?<br />

M. R.: Das ist eigentlich nicht das Entscheidende, sondern entscheidend<br />

ist, dass man einfach arbeitet. Sicher sind Kontakte<br />

nicht schlecht, damit man Rückmeldungen bekommt oder<br />

jemand die Arbeit schätzt. Aber eigentlich möchte ich gar<br />

nicht in einer Stadt leben, obwohl ich Städte natürlich auch<br />

kenne und sie schon bereist habe. Stile, Entwicklungen und<br />

M. R.: Ich habe eigentlich keine kopfmäßig gesteuerte<br />

Botschaft. Wenn da jemand irgendetwas erkennt, ist es schön.<br />

Ich denke aber, dass ich vielleicht subjektiv gesehen doch<br />

ein bisschen aus den Nachklängen der deutschen Romantik<br />

schöpfe, wir haben ja, wie schon gesagt,<br />

auch andere Künstler, die in der<br />

Richtung weiter arbeiten. Es ist vielleicht<br />

ein bisschen zu hoch gegriffen,<br />

aber ich sehe durchaus Verwandtschaft<br />

oder Parallelen zwischen einer<br />

Ruinenlandschaft des Kaspar David<br />

Friedrich und meinen vom Schicksal<br />

gedemütigten Objekten die ich mache<br />

und den Menschen zeige. Also dieser<br />

Hinweis auf Vergänglichkeit, da sehe<br />

ich schon eine gewisse Parallelität. Und<br />

die Natur, sicher ich lebe in den Bergen<br />

und bin am Flachland in Niederbayern<br />

an der Donau aufgewachsen, also<br />

da wird man irgendwo schon durch<br />

Landschaften und Flüsse, durch Berge<br />

geprägt, und die Sehnsucht ist ja natürlich<br />

das Meer, wie sie die Deutschen<br />

auch schon früher nach dem Süden gehabt<br />

haben.<br />

T. R.: Jetzt suchst du immer wieder<br />

dort, wohin du dich hinbegibst, die<br />

Einsamkeit und die bewusste Zeit, wo du dich aus dem alltäglichen,<br />

sozialen Leben ausklinkst. Ist das ein wichtiger Schritt<br />

für deine Arbeit und deine Reflexion?<br />

M. R.: Ja, das ist natürlich schon sehr bedeutend, weil wir ja<br />

wissen, dass das Leben auch aus Kontrasten besteht, und es<br />

gibt da genügend Beispiele, die will ich gar nicht aufzählen, wo<br />

man sagt: Jetzt will ich für mich sein, mich kasteien oder nachdenken,<br />

dann bin ich wieder im Getriebe unserer Welt. Also<br />

für mich sind diese Orte, wo wenig Menschen sind, einfach<br />

auch wichtig, weil man da eher zu sich selber kommt. Man hat<br />

keinen Geräuschpegel, man hat keine Einflüsse, man hat nicht<br />

auf der Straße 500 Menschen, die an einem vorübereilen, und<br />

man sieht die Reklame nicht, und man hat keinen Fernseher,<br />

M. R.: Das ist eine wunderbare Frage, weil ich das nämlich<br />

einmal ausgeführt habe. Ich habe zum Beispiel an der<br />

Mündung des Tagliamento ein altes, kaputtes Schiff gefunden<br />

und habe das dann nach Hause gefahren. Dann habe ich öffentlich<br />

gesagt, wenn es jetzt von Ausstellung zu Ausstellung<br />

transportiert wird – es war eine Ausstellung nur über das<br />

Schiff, die Metapher Schiff – dann bringe ich als Abschluss<br />

dieses Schiff wieder zurück, fahre wieder hinunter und lege<br />

es wieder an den Strand hin, und es weiß niemand, dass es<br />

schon in Ausstellungen oder im Museum war. So etwas gefällt<br />

mir gut. Und ich habe einmal in Werfen ein Luftschiff<br />

Ateliersituation<br />

aus Schwemmholz von der Salzach gemacht, ich mache ja<br />

auch viele Flugmodelle aus diesen Gegenständen, und dieses<br />

Luftschiff haben wir innerhalb der Burgmauern in Werfen<br />

aufgehängt und da ist es im Wind hin und her geschaukelt.<br />

Dann habe ich es einmal in Salzburg ausgestellt, einmal in<br />

Wien, und irgendwo wollte es mir ein Flieger dann abkaufen,<br />

ich habe aber gesagt: Das gebe ich nicht her. Antizyklisch.<br />

Und dann ist es immer weniger und weniger geworden, weil<br />

es nicht so stabil gemacht war, es war aus Schwemmholz.<br />

Ich habe dann dieses Schwemmholz genommen, bin nach<br />

Werfen gefahren und habe es dort wieder an den Fluss gelegt.<br />

Also solche Zyklen gefallen mir natürlich schon sehr gut.<br />

T. R.: Das ist eigentlich genau der Gedanke, der mir in den<br />

Kopf gekommen ist, den du wirklich vollzogen hast. Wir sind<br />

heute in einer Zeit, in der wir einen permanenten Hang zur<br />

Archivierung und Musealisierung haben, es sind in den letzten<br />

20 Jahren enorm viele Museen gebaut worden, und es ist ein eigenes<br />

Verhältnis zwischen Archivierung und Vergänglichkeit<br />

entstanden. Gleichzeitig ist auch der Versuch in unserem<br />

Leben präsent beim menschlichen Körper die Vergänglichkeit<br />

aufzuhalten. Es gibt die kosmetische Industrie und es gibt ständig<br />

diese Überlegungen, das Alter zu verzögern. Es wirkt so,<br />

als ob wir in unserer Zeit mit dem Faktor Vergänglichkeit und<br />

Vergehen gar nicht mehr umgehen können, und daraus resultiert<br />

vielleicht auch dieser starke Hang zum Musealisieren<br />

und Archivieren. Und jetzt ist natürlich eine Kunst, die die<br />

Vorgänge von Vergehen und Vergänglichkeit stark mit einbezieht,<br />

so etwas wie ein Aufzeigen, dass wir trotzdem diesen<br />

Zyklen verhaftet sind.<br />

Arbeitstisch<br />

M. R.: Das kann man so sehen, dass das Leben endlich ist, dass<br />

das in gewisser Weise dargestellt wird. Ich denke schon, dass<br />

wir uns einfach über schöne Dinge im Leben freuen, keine<br />

Frage und wunderbar, aber natürlich den Tod, den soll man<br />

nicht ausgrenzen. Man muss natürlich schon sagen, dass es<br />

richtig ist, wenn sich Dinge weiterentwickeln, und der Medizin<br />

verdanken wir sicher viel, zum Beispiel dass wir länger leben.<br />

Aber ich meine, deswegen ist der Tod nicht ausgeschaltet. Ich<br />

finde es einfach ganz schön dumm, muss ich eigentlich sagen,<br />

wenn man heute sagt: Ich lasse etwas an mir verändern, weil<br />

bestimmte Dinge an mir sind ja furchtbar. Da entstehen halt<br />

dann diese Einheitsmenschen, die alle gleich lange Haare haben<br />

oder alle gleich ausschauen. Also das ist natürlich schon<br />

auch ein Zeichen dieser Oberflächlichkeit und dieser quasi<br />

optischen Geschichte, die jetzt in unserer europäischen Welt<br />

oder auch bei den Amerikanern abläuft, aber wo die Tiefe eigentlich<br />

nicht mehr so zum Tragen kommt. Das bemerkt man<br />

dann auch oft in Dialogen: Ist das Okay für dich? Ja. Ist das<br />

wirklich Okay für dich? Für mich ist das ok, oder so. Es wird<br />

eigentlich nicht die ganze Breite besprochen, es ist immer alles<br />

nur vom Erfolg abhängig. Nach meiner Ansicht ist Erfolg<br />

eigentlich der, wenn man sich mit der Sache, die einen fasziniert<br />

intensiv beschäftigt, und wenn man sich mit etwas stark<br />

beschäftigt, dann kommt automatisch etwas heraus. Sicher<br />

brauche ich dann Leute, die das reflektieren. Wir erleben ja<br />

die ganzen Prozesse bei den großen Firmen oder Banken, wo<br />

das schnelle Geld einfach alles ist, aber Gott sei Dank gibt es<br />

noch viele Menschen, die sagen: Ich möchte einen gewissen<br />

Wohlstand, aber Geld ist nicht alles. Ich war neulich wieder in<br />

Kroatien unten und habe keine Platte zum Arbeiten gehabt,<br />

da bin ich zu irgendeinem Taucher hingeschickt worden, und<br />

er mir eine Balsaplatte von einem Schiff gegeben, da wollte<br />

Detail einer Arbeit


30 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV - Kunst<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

ich ihm zwanzig Euro geben, und er hat mich beschämt. Er<br />

sagte zu mir: Was ist Geld? Oder wie sie früher gesagt haben,<br />

wenn man mit den Leuten gesprochen hat: Ja, im Sommer<br />

arbeite ich. Was machst du im Winter? Sagt er: Leben.<br />

T. R.: Es ist eine andere Wahrnehmung von Zeit und<br />

Lebenszyklen.<br />

M. R.: Es ist einfach eine andere Herangehensweise. Sicher<br />

geht es jetzt ins Politische und das führt natürlich zu weit.<br />

Ich habe ja früher selbst viel politisch gearbeitet. Ich kenne<br />

mich bei Bürgerinitiativen aus und ähnlichem. Ich brauche<br />

in meiner Kunst kein Polit-Design über das Elend unserer<br />

Welt machen, wo ich nicht weiß, ob das überhaupt eine<br />

Auswirkung hat; wo dann diese Bilder teuer von den wohlhabenden<br />

Leuten gekauft werden, und im Grunde genommen<br />

geht es den Armen nicht besser, das stelle ich schon sehr in<br />

Frage. Da ist es viel gescheiter, wenn man wirklich politisch<br />

arbeiten will, sich in allen möglichen Organisationen oder<br />

Bürgerinitiativen einzubringen oder was vor Ort zu verändern<br />

ist, zu verändern. Ein Video über die Wohnungssituation alter<br />

Menschen in Hongkong zu zeigen, was natürlich in das<br />

Weltspiegelmagazin und Fernsehen passt, ich weiß nicht, ob<br />

das gesellschaftsverändernde Wirkung hat. Ich zweifle das<br />

sehr stark an.<br />

T. R.: Es gibt natürlich auch den politischen Chic in der Kunst,<br />

wo man behauptet, man setzt sich mit Trendthemen auseinander,<br />

und es hilft einem dann sich im Kunstmarkt zu positionieren.<br />

M. R.: Genau richtig.<br />

T. R.: Und andererseits ist der Kunstmarkt, wie viele andere<br />

Bereiche des Wirtschafts- und Kapitalmarktes, ein Markt,<br />

der eine sehr starke Eigendynamik entwickelt hat, und es<br />

gibt astronomische Preise und es geht vor allem darum,<br />

Geld zu verschieben oder zu vermehren. Das hat alles mit<br />

dem Kunstobjekt, mit dem Künstler und mit der ursprünglichen<br />

Funktion eines Bildes nichts mehr zu tun und hat<br />

keinen Bezug mehr dazu. Es ist an sich schon abstrakt den<br />

Wert eines Bildes mit Geld auszudrücken, weil Kunst sich<br />

nicht standardisieren lässt und es nicht in das standardisierte<br />

Wirtschaftsspiel passt.<br />

M. R.: Das Bildermachen und der Kunstmarkt, das sind für<br />

mich nach wie vor zwei ganz verschiedene Sachen. Es war<br />

vor kurzem interessant zu lesen, dass Gerhard Richter ein<br />

Interview in der Süddeutschen Zeitung geben wollte, und er<br />

es dann wieder untersagt hat. Es ist aufgenommen worden,<br />

und dann hat er es nicht freigegeben. Der Journalist hat dann<br />

über das Interview berichtet, was rechtlich nicht angreifbar<br />

ist, und in dem Bericht war zu lesen, das Gerhard Richter,<br />

der ja, wie wir wissen, in der Rankingliste und auch bei den<br />

Preisen die Nummer 1 ist, über den ganzen Kunstmarkt riesig<br />

geschimpft hat, dass es einfach nicht mehr reell zugeht, wie<br />

sich das Ganze als Selbstläufer entwickelt, und er hat dann<br />

Ich glaube immer noch daran, dass sich<br />

die Qualität in erster Linie über das Werk<br />

definiert.<br />

auch noch über andere Dinge geschimpft. Also sogar ein sehr<br />

erfolgreicher Künstler, erfolgreich vom Bekanntheitsgrad, von<br />

der Qualität, von den Einnahmen her, der ja froh sein müsste<br />

und sich zurücksetzen und irgendwo happy sein könnte, das<br />

es bei ihm so gut funktioniert, regt sich also richtig auf.<br />

T. R.: Dieser Kunstbetrieb ist im negativen Sinn sehr abstrakt<br />

geworden, aber vielleicht ist wieder eine Sehnsucht zu spüren,<br />

wo man eigentlich zu den ursprünglichen Funktionen<br />

der Kunst zurück will, wo die Kunst in einem fast rituellen<br />

Gebrauch wieder eingebunden ist und im weitesten Sinn<br />

eine spirituelle Funktion ausübt. Vielleicht steckt in dieser<br />

Unzufriedenheit diese Sehnsucht drinnen.<br />

M. R.: Das kann ich mir durchaus so vorstellen.<br />

T. R.: Und ich glaube, die Problematik besteht auch darin,<br />

dass das Rituelle, das Magische, das Spirituelle immer stärker<br />

aus unserer Gesellschaft verbannt wurde und dass hier<br />

ein Vakuum vorhanden ist, denn es ist doch ein wesentliches<br />

Bedürfnis der menschlichen Existenz, magische und spirituelle<br />

Bezüge zu haben, die über das Rationale hinausgehen.<br />

Man kann auch sagen, schöpferisches und künstlerisches<br />

Schaffen hat einen magischen Zug und der führt letztendlich<br />

ins Spirituelle und findet dort seine wirkliche Funktion und<br />

nicht in der abstrakten Welt der Kapitalflüsse.<br />

M. R.: Na klar, wie wir jetzt die Kunst in 100 Jahren bewerten,<br />

das wissen wir nicht, oder wer jetzt sehr geschätzt wird, was<br />

mit dem in 50 Jahren ist, wissen wir auch nicht. Ich denke<br />

aber doch, dass die Leute, die sich mit der Materie auseinandersetzen,<br />

die über Kunst reden, die Kunst vermitteln, die<br />

also die Sprache der Bilder erklären, dass die schon erkennen,<br />

ob es sich um ein authentisches Werk handelt ist oder<br />

ob da jemand irgendwo aufgesprungen ist auf den Zug des<br />

Mainstream. Man kann natürlich auch sagen, das man anhand<br />

des Werkes spürt, ob es dem oder der Künstlerin ein<br />

persönliches und starkes Anliegen war 1und dann ist auch<br />

schnell spürbar, ob etwas authentisch ist. Und ein Thema ist<br />

natürlich: Was ist mit diesem Künstler oder mit der Künstlerin<br />

in 20, in 30, in 40 Jahren? Springt sie/er dann wieder auf einen<br />

neuen Kunstzug auf? Ich denke aber doch, dass man mit<br />

zunehmender Lebenszeit und Lebensalter eine gewisse Mitte<br />

und ein eigenes Weltbild entwickelt, und an dem gilt es zu<br />

arbeiten, um dieses Weltbild sichtbar zu machen.<br />

T. R.: Das ist ein sehr schöner Abschluss. Danke für das<br />

Interview.<br />

Ateliersituation, Detail<br />

Martin Rasp<br />

1940 geboren in Vilshofen/Donau (D); 1971-77 Studium an der<br />

Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst, Salzburg.<br />

Mehrmalige Auszeichnungen und Preise u.a. des Salzburger<br />

Kunstvereins (1975, 80, 83), der Sommerakademie Salzburg (1976)<br />

und des Landes Salzburg (1985).<br />

Arbeitsaufenthalt in Berlin, Südkorea,Dresden, Budapest.<br />

Lebt und arbeitet in Berchtesgaden.<br />

Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im<br />

In- und Ausland (Auswahl)<br />

1975 Museum Castelvechio, Verona<br />

1978 „Palette“, Galerie im Traklhaus, Salzburg (E)<br />

1979 Wilhelm Lehmbruck Museum , Duisburg<br />

1982 „Tagliamento 81“, Galerie Armstorfer, Salzburg (E)<br />

1985 „Orte der Steine“, Galerie Weihergut, Salzburg (E)<br />

1987 Galerie Kremer, Gelsenkirchen (E)<br />

1988 „Die Moderne in Salzburg“<br />

Museum Carolino Augusteum, Salzburg<br />

1989 „Im Lauf der Zeit“, Tengelmanngalerie, Köln (E)<br />

1994 „Vom Schwinden der Dinge“, Galerie an der<br />

Stadtkirche, Bayreuth (E)<br />

1996 „Materialcollagen“ Museum der Moderne Rupertinum<br />

Salzburg (E)<br />

1998 „Dinge sprechen“, Museum Moderner Kunst, Passau (E)<br />

2000 Zwischen Land und Meer“, Galerie Weihergut, Salzbug (E)<br />

2002 Museum der Stadt Rovinj, Kroatien (E)<br />

2003 Niemandsland“ (mit Gerald Piffl), Museum Moderner Kunst,<br />

Passau und Galerie Weihergut, Salzburg (E)<br />

2006 „Orte der Verlassenheit“, Galerie im Traklhaus/Studio, Salzburg (E)<br />

„Über alle Berge“, Installation, Land Art Hellbrunn, Salzburg<br />

2007 „Positionen der Stille “ Galerie Weihergut Salzburg<br />

Vertreten auf internationalen Kunstmessen:<br />

Art Collogne, Köln Kunst , VIENNAFAIR Wien<br />

Martin Rasp wird seit über 20 Jahren durch die Galerie Weihergut vertreten –<br />

Stammhaus Biberngasse, Salzburg. Februar/März 2008 findet eine umfangreiche<br />

Einzelschau in der Galerie statt. Vertreten auf der VIENNAFAIR 2008 und<br />

Art Cologne, Kunst Köln.<br />

www.weihergut.at<br />

MARTIN RASP


Nr. 15/2007<br />

Buch IV - Kunst <strong>ST</strong>/A/R 31<br />

Entfernung des Vorläufigen<br />

Ein Mädchen zu sein heißt, es ist noch keine Frau.<br />

Es ist zwar Jungfrau, auch schon als Mädchen,<br />

aber eben keine Frau, denn einer Frau mag<br />

etwas Mädchenhaftes ankleben, aber wenn sie<br />

ein Mädchen ist, ist sie ein „es“ und keine Frau.<br />

Jedenfalls kann man die Begriffe so streng trennen<br />

- wenn man will.<br />

Diese Arbeit von Thomas Strobl zeigt das Gesicht<br />

eines Mädchens. Der Blick ist verloren, sie<br />

blickt in eine Sphäre, über die der Betrachter<br />

mutmaßen muß. Das ist insofern erstaunlich,<br />

als das Mädchengesicht dem Betrachter frontal<br />

zugewandt ist. Tatsächlich liefert das Format in<br />

Überdimensionierung das Mädchengesicht dem<br />

Betrachter geradezu aus. Die Haut ist bestürzend<br />

glatt, porentief rein, da würde Perwoll noch<br />

mächtig fusseln gegen. Die Konturen wirken<br />

fotografisch genau - allerdings stellt sich heraus,<br />

daß sie mit verschiedenen, sublim gesetzten<br />

Kontrastfarben in ein untergründig arbeitendes<br />

abstraktes Spannungsfeld eingearbeitet sind. Der<br />

Kopf taucht spontan und doch präzise aus dem<br />

Bild auf - aber eben nicht der Blick. Das Mädchen<br />

hat die Freiheit, woanders hin zu sehen. Der<br />

Betrachter wird seinen Blick nie fixieren können.<br />

Dadurch ist es Thomas Strobl gelungen, eine<br />

Distanz zu erzeugen, die dem Sujet - ein Mädchen,<br />

noch keine Frau - Respekt erweist, Tribut an die<br />

Unüberschaubarkeit des Lebensabschnittes, in<br />

dem ein Mädchen ein Mädchen ist.<br />

Thomas Strobl<br />

www.tom.qu.am<br />

Gesche Heumann / Wien<br />

„diese person leidet unter den worten<br />

stendhals“ – 2007,<br />

öl auf leinwand, 130 x 110 cm<br />

Rahmungen in<br />

musealer Qualität<br />

RAHMEN-ATELIER ROBERT SUITNER • A-1180 Wien . Vinzenzgasse 28 • T/F: +43 1 406 67 14<br />

Mobil: +43 699 126 43 776 • Mail: robert.suitner@aon.at


32 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IV - Kunst<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Einige Ähren einer<br />

Ästhetik der Ganzheit<br />

v. Manfred Stangl<br />

Kunst ist nicht Gott. Und auch nicht zu vergotten; ums Leben<br />

geht’s, um ein erfülltes Sein, nicht darum, berühmt und<br />

genial zu glänzen im Scheinwerferschein.<br />

Das unsinnige Spiel mit der Kunst, der Missbrauch ihrer Stilmittel<br />

und Prinzipien zum Zwecke sich selbst zu erhöhn hört<br />

nur auf, erkennt sich der Kunstschaffende in folgenden Sätzen:<br />

irgendwie stimmts schon - jeder Mensch ist ein Künstler; doch ist<br />

ein jeder Künstler erst einmal ein Mensch.<br />

Kunst steht nicht außerhalb des Lebens oder gar der Welt. Sie ist<br />

Teil unsres Wachsens und Lachens oder unsrer inneren Leere<br />

und der kompensatorischen Jagd nach dem Geld oder dem Fluch,<br />

höchster Aufmerksamkeit hinterher zu rennen.<br />

Die Form hat den Inhalt verschlungen; der ist dann zum Code<br />

verdaut, der wird als Hauptinhalt besungen: was am Meisten<br />

wie Kunst aussieht wird eloquent geschwätzig zum Meisterwerk<br />

aufgebaut.<br />

Nur weil was sich mysteriös ziert, heißts nicht gleich bedeutende<br />

Kunst. Jeder durchgestylte Unsinn ist weder postwendend Kunst<br />

noch genial, oft präsentiert sich uns Blödsinn oder Alltagsgegenstands-Pessimismus-Kitsch<br />

inferior banal.<br />

Ästhetik der Ganzheit integriert, was Moderne und Vernunft orientierte<br />

Zeiten ausschließen. Intuition und Gefühl, Lebensfreude<br />

und Buntheit mögen wie Sommergras in einem milden Regen<br />

aus den dampfenden Aschen der linearen Einförmigkeit moderner<br />

Un-Welten sprießen.<br />

Die Mondin spricht: „Schaut den Krokus, den Himmel, die<br />

Birken; schaut mit geschlossenen Augen, dass ihr begreift. Schaut<br />

mit Haut und Atem so lange, bis ihr mit dem Wesen seht, statt<br />

mit den Wörtern. Dann erblickt ihr in einem Tautropfen den<br />

Himmel wohnen, und mich zusammen mit ihm. Dann nehmt ihr<br />

grundlegend wahr: das Große und das Kleine, Schönes und Hässliches,<br />

alles und nichts, was ihr Welt nennt und was die Nicht-<br />

Welt existieren gemeinsam in Einem. Alles ist Teil einer Welt,<br />

einer ungetrennten, aufeinander bezogenen und damit einander<br />

verantwortlichen Welt. Alles ist eins.“<br />

„Ideologie, gefährlich“, zischts hinter einem Spiegel hervor, „wer<br />

von Einem spricht meint sicherlich was anders oder sich selbst.<br />

Auf jeden Fall klingts bedenklich.“<br />

Der Himmel stöhnt: „Ingenieure des Geists haben Welt und<br />

Augen vermessen im Glauben, in Skalen, Genen und Vernetztem<br />

den Alphatierchen-Gott zu finden. Kunstmarkt-Künstler bauen<br />

die Welt neu aus Kunststoff und aus verkrampft originellen<br />

Bildern einer sinnlich entstellten Welt. Dabei zählt nur Macht,<br />

Konkurrenz, Sieg, Erfolg und Geld. Das verschleiern sie hinter<br />

Heldengeschichten vom Zynismus und dem Vernichten. Ihr<br />

Hohn gilt der Bescheidung, allem wahrhaft Schönen und dem<br />

Verzichten.“<br />

Die Mondin fährt fort, „Doch Verzicht auf die lässig, provisorisch<br />

und aktuelle Behübschung der Fassaden und auf selbstdarstellerische<br />

Gesten schenkt innere Zufriedenheit, gibt dem Dasein<br />

tiefren Sinn und verweist, wo in der Kunst noch steckt Leben<br />

drin. Die Kunst aber, die jung, dynamisch, originell, besonders,<br />

außergewöhnlich und einmalig daherkommt ist Huldigung der<br />

Moderne, weil sie die Werte des Ich-Kults frommt.“<br />

Der Himmel strahlt: „Lange habe ich die Mondfrau vermisst.<br />

Strenge Männer hatten sie vor dem Tagesanbruch geraubt, als sie<br />

ihre Lampen entbrannten, heller als die Sonne zu strahlen und<br />

Atome zu spalten voll Gier und auch List. In der Dämmerung<br />

sangen die Frauen zärtlich die Mondin zurück. Heut Abend blickt<br />

sie mich leuchtend an. Ich liebe, ich bin entzückt.“<br />

Das Tuscheln wird lauter: „Wie kitschig, konservativ und entrückt.“<br />

Der Himmel seufzt: „Ich sagte bereits: Ich liebe. Bin ich<br />

deshalb reaktionär und verrückt?“<br />

Die Erde klagte dem Baum, wie sehr sie die Zäune schneiden. Er<br />

winkte die Schwalbe herbei, die ließ einen Buchsamen aus ihrem<br />

Schnabel fallen. Der Same keimte, gedieh, sprengte das Leiden.<br />

„Halt!“ schrieen da die Land- und Handvermesser, „Gewalt!<br />

Aggression! Wo ist’s Sprachmesser? Uns darf keiner pflanzen,<br />

entgrenzen unsre Weiden!“ Der Same reifte zum Baum. Das<br />

Geschrei wurde sehr laut, ging zeitweise über in Jaulen: „Brutalität!<br />

Da will uns wer töten! Wir versperrten die Töchter der Nacht<br />

zu Recht hinterm Zaun. Entschlüpfen sie, erwürgt uns der Faun<br />

und jede Frau und jeder Mann wird zuvor brutal vergewaltigt und<br />

die geschändeten Leiber verscharren wir zwischen den Büschen.<br />

Schützt der Intellekt uns nicht, wird die Nacht mit ihren modrigen<br />

Schatten uns erwischen.“<br />

Wind, Wasser, Erde und Wind beben: „In eurer Angst vor dem<br />

Leben erschuft ihr aus Wörtern, Bildern und Ideen eine zweite<br />

Welt, in der ihr glaubt, endlich zu verstehen. Den Herbst verflucht<br />

ihr als Mörder, weil er welke Blätter verweht, den Regen<br />

hasst ihr abgründig, weil er euch ans Wachsen gemahnt. Und<br />

wachsen heißt immer: mit der Natur sich verschwistern - sich<br />

öffnen, erkennen, dass ihr aus Erde besteht und dem in euch, das<br />

ahnt. In eurer Blendung und dem Trotz aufs Leben glaubt ihr<br />

höher als die Bäume zu wachsen, vergiftet den Regen, die Milch<br />

und das Lachen. In eurer Alleswisserei zerstört ihr das Werden<br />

durch das Machen. Und dann nennt ihr den Herzschlag und<br />

jeden Frühling alt, kitschig oder tabu.“ Das Feuer brennt darauf<br />

fort zu fahren und fügt fauchend hinzu: „Wörter wie Liebe, Licht,<br />

Mitgefühl, Freude, Glück und Intuition verachtet ihr als rückständig,<br />

denn sie kennt man ja schon. Doch ihr braucht die Welt in<br />

eurer „Kunst“ nicht neu zu erschaffen, das vermögt ihr nicht zu<br />

tun – lasst euren brennenden Geist ruhn und schaut der Welt still<br />

ins Angesicht, glaubt nicht, ihr wisst besser was sie denkt oder<br />

spricht, hört ihr einfach zu statt in eurer Satzhatz zu hecheln nach<br />

der nächsten Provokation und dem allerletzten Tabu.“<br />

Das moderne Zauberwort heißt „neu“. Lilienduft und schöne Gefühle<br />

sind schlecht. Schwarzmalerei und mutierte Meere gelten<br />

als echt. Wer die Idylle des Grauen stört, dem wird ordentlich eingeschenkt;<br />

eilig wird das Begriffsweihrauchkännchen der heiligen<br />

Moderne geschwenkt, Begriffe wie „Schönheit“, „Natürlichkeit“<br />

und „Wahrheit“ müssen panisch wegexorziert werden. Meint<br />

„Liebe“ nicht Ficken und Gebrauchen, hat sie nichts verlorn hier<br />

auf Erden. Im Kanon ertönt rezitativ und gekränkt: „Altmodisch,<br />

trivial, lange her.“ Klingt neben Emotionalem gar Spirituelles an,<br />

folgt der allermächtigste Bann: „Totalitär!“<br />

Mit der Aufklärung erklomm Kunst den Status der Ersatzreligion.<br />

Heute kennt Ihre Gottheit mit Häretikern keinen Spaß,<br />

kein Pardon. Es darf neben Kunst keine andern Götter geben,<br />

alles erscheint ihr banal, vor allem zufriedenes Leben. Da im<br />

patriarchal-hierarchischen Denken immer nur ein Gott sein darf,<br />

wird Spiritualität in der Kunst sofort diffamiert und zur Nicht-<br />

Kunst erklärt. Als Kunst gilt jetzt nur, was mit dem Unsinn und<br />

dem Nichts kokettiert. Wobei sie sich stets in neuen, modischen<br />

Gewändern präsentiert, die wie des Kaisers neue Kleider jedoch<br />

kaum verhüllen, dass eigentlich nichts sich tut. Das sehen leider<br />

nur die Augen der Kinder, des Winds und der Bäume sehr gut.<br />

Glücklicherweise hängen nicht alle Künstler an der Ideologie<br />

des Neuen und Unsinnigen doktrinär, sie haben keine Parolen<br />

darüber im Kopf, was denn Kunst sei und rufen deswegen, taucht<br />

Schönes, Sinnliches und Transrationales auf, nicht gleich die<br />

Wörterpolizei.<br />

Ich traue dem instrumentellen Denken nicht. Es windet sich<br />

schlau, schaut einem selten offen ins Gesicht; es will nie das<br />

Ganze ergründen, bloß dauernd was sagen. Neulich am See<br />

belauschte ich zwei Platanen beim Klagen. Die eine ächzte: „Je<br />

mehr die Menschen denken, desto kaputter wird die Welt.“ Die<br />

andre schüttele sich angewidert, dass die Blätter nur so stoben:<br />

„Sie glauben, nur sie besäßen Bewusstsein, dabei haben sie nicht<br />

einmal soviel Hirn wie ein Stein. Sie sehn nicht, wie sie die Umwelt<br />

und damit sich selbst zu Grunde richten, geschweige denn,<br />

dass sie mit den Herzen dächten und in ihrer Kunst von den<br />

Wurzeln droben in den Himmeln und den Zweigen im Erdreich<br />

berichten.“<br />

Die Cerberusse der Wörter-Welten meinen, wenn die Nebel und<br />

die Nacht das Korsett des Denkens und der angespannten Haut<br />

sprengten, brächen der wilde Mond und ihre Hündin hervor,<br />

verschlängen Häuser und Beine. Dabei haben die Ideen längst<br />

alles Blut gefressen, die Augen, warmes Lachen und die farbigen<br />

Steine.<br />

Wenn Wissenschaftsglaube und abendländische Philosophie<br />

dahin führen, die Erde schamlos auszubeuten sowie unsern<br />

Lebensgrundlagen den Gnadenstoß zu geben, sage ich. „Die Erde<br />

ist keine Kugel sondern eine Schildkröte, respektieren wir sie und<br />

lassen uns und auch noch die Kinder in Schönheit leben.“<br />

In der heilen Welt der etablierten Moderne wird Kritik gleich mit<br />

Aggression identifiziert; wer unbequeme Fragen stellt wird nach<br />

allen Regeln der Kunst ausgegrenzt und als Barbar wegrationalisiert.<br />

Doch geht Apfel-Ästhetik von einer Welt aus, die alles gelten<br />

lässt – ist doch alles Teil der Welt. Sie unterscheidet zwar, hasst jedoch<br />

nichts wie die Pest, und wenn sie auch angreift, gilt letztlich<br />

die Berührung, die zählt.<br />

Niemand wird verdammt, nichts was vernichtet aus dem Sein<br />

heraus fällt. Gelobt sei das Wachsen, doch der Winter weiß, dass<br />

die erstarrte Wiese im Schnee sich in den Träumen ans Sonnenlicht<br />

quält.<br />

Jeder Wandrer schreitet im ureigenen Tempo den Pfad zu den<br />

Pässen empor. Unzählige Pfade schlängeln sich zu den Gipfeln<br />

hinan. So gilt der Berg-Ästhetik kein Thema als schlecht: jeder<br />

Suchende findet den passenden Wegweiser und alles ist Recht,<br />

einerlei ob es bürgerlicher Realismus, sozialer, phantastischer,<br />

magischer oder irgendeiner oder eine Form von Avantgarde sei.<br />

Ein jedes ist zu bestimmten Zeiten dem einen oder dem andern<br />

echt. Doch entsinnlicht Ästhetik der Ganzheit niemanden durch<br />

das stete Verharren im Nihilismus zum dekonstruierten Knecht.<br />

Jedes Wort sei ein Versuch genau hinzuhören, jedes Bild eine<br />

Welt, wie drei Augen sie sehn, jeder Ton heile zerbrochene Lider<br />

und jedes Komma sei gewürdigt, das verhilft, sich selbst, die Welt<br />

und die Beziehung zu verstehn.<br />

Ein Baum ist ein Baum, doch ist er auch Regen und fließt mit<br />

Wolken und Erde und Samen ins Meer. Ein Vogel ist Mensch,<br />

der Mann ist auch Frau, in der Sonne erkennt die Frau dann ihr<br />

herrliches Blau. Im Herbst schenkt Mutter Erde ihre rotgoldenen<br />

Früchte zum achtungsvollen Verzehr.<br />

Ästhetik der Ganzheit bringt mildes Dunkel ins Licht. Singt<br />

Hymnen an die Nacht und den Nebel und fürchtet Verdrängtes<br />

und die Finsternis nicht, sondern integriert sie ins Sein: so bleibt<br />

niemand in Angst und Kälte allein. Angenommen verliert das<br />

Irrationale die Macht; vom Mondschein und dem Gesang der<br />

Sirenen durchflutet, erblüht der Schrecken zur Schönheit der<br />

Nacht. Depression und existentialistisch finstere Sicht in Lyrik<br />

und prosaischer Literatur umarmen das milde Lächeln der Mondin<br />

und die Regenbogenfarben der Göttin Natur.<br />

Musik strömt aus dem rhythmischen Beben ihrer Brust, gellt<br />

nicht disharmonisch voller Frust. Mit der Nacht vereinte bildende<br />

Kunst präsentiert sich nicht gehirngeil im Rampenlicht, bastelt<br />

nicht süchtig an Form, Image, Style und dem vorteilhaftesten<br />

Verkaufsgesicht, sondern lässt sich auf Abenteuer ein jenseits der<br />

geschützten Räume der Kunst und des Tauschwerts Schein.<br />

Die ewig Modernen sehn im Fortschritt nur den gefällten Baum<br />

in einem zerschnittenen Raum; höher hängen sie die Lampen,<br />

helfen Aktienkursen statt dem Wandrer zu steigen und plätschern<br />

mächtig im Schaum. Sie singen in der Kunst das Lied vom<br />

Einzigartigen und Großen und quetschen wie Thunfischhändler<br />

im künstlichen Licht der Fabriken die Meere in Dosen. Originell<br />

und besonders, innovativ und individuell soll man heute sein, zur<br />

Konservenkunst kommt ein bisschen Tomate und Bitterstoff und<br />

Unnachvollziehbares mit rein. Die Erfinder der neuen Techniken<br />

in Wirtschaft und Kunst rühmen sich der Genialität, lassen für<br />

ihre Innovationen die geistlosen, einfachen Menschen bezahlen -<br />

beschwert man sich spät, werden die Künstler-Bürokraten des formellen<br />

Fortschritts weitere Phantasmagorien malen von Schmerz<br />

ohne Heilung und Bühnenbildwände voll der Agonie kreativ und<br />

originell verpackt. Sie bleiben ohne jede Ahnung oder echtem<br />

Gefühl, Hauptsache schrill, grell und befrackt gelackt nackt.<br />

Der Kirschenmann lacht: „Nur mit geschlossenen Augen und bei<br />

Nacht sieht der Aufmerksame klar und erahnt was ist Getue, was<br />

ist wahr.“<br />

Stilmittel ganzheitlicher Ästhetik überwinden die lineare, hierarchische,<br />

logische Form. Kennen keine Angst vor der Redundanz,<br />

die Welt schwingt in Zyklen, nicht in genordeter Norm. Analogie,<br />

zyklische Formen, archetypische Metaphern, Fabel und Mär<br />

entsprechen einer translogischen Realität und den Strömungen<br />

im Weltenmeer. Als ästhetische Prinzipien seien Mitgefühl, Stille,<br />

Einfachheit und Ausgewogenheit zwischen Ironie/Kritik und der<br />

Schönheit genannt, doch da gelten noch einige mehr.<br />

Wie leben in einer gewaltig verdrängenden Zeit und Kultur.<br />

Hinter unsäglicher Larmoyanz und Destruktion verdrängen wir<br />

Ohnmacht, Hass und riesige Angst. Und da so unheimlich viel<br />

ausgegrenzt bleiben muss hinter den Zäunen und Hecken der<br />

Zivilisation, bereitet uns alles und jeder Verdruss und halten wir<br />

die Flüsse und die Wälder unter Verschluss. So erschüttern uns<br />

der Eulenblick und der Walfischschrei-Gruß bis ins Mark und<br />

dürfen wir die Kraft, die am Blut zerrt, nicht dulden. Doch bricht<br />

sie empor, weil wir sie weder mit Gebet und Opfer noch mit<br />

Mythen versöhnen. Je mehr Beton wir auf die Wiesen und aufs<br />

Zwerchfell luden, die Fassaden zu verschönen, desto wahnsinniger<br />

peitscht der Feuersturm los, versengt Städte, die Münder<br />

und den bergenden Schoß.<br />

So muss auch Kritik sein, die Gefahrn zu erkennen; jedoch nicht<br />

respektlos, nicht entwertend sei versucht, die kulturelle Psyche<br />

des Abendlandes zu benennen.<br />

Ästhetik des Monds wuchs wie ein Lindenbaum. In schönen<br />

Gesprächen mit Freunden reckten sich Äste in Wolken und Wind.<br />

Andere antworteten heftig, so lernte das Bäumekind und wiegte<br />

sich ohne zu fallen. Wo der eisige Sturm bitter fauchte, rissen die<br />

morschen Äste geschwind. Im Ziehen und Zerren entwickelten<br />

die Wurzeln kräftige Ballen.<br />

So verdankt ihr Wachstum die Ästhetik der Früchte allen.<br />

Rimbaud kündete zu Beginn des Modernen, man müsse unbedingt<br />

modern sein; doch nun erkläre ich, halb feierlich, halb<br />

aus Scherz, doch - eingedenk der Weisheit der Einhörner und<br />

Hexen, welche die ganzheitliche Ästhetik fliegend verwendet - voll<br />

saftigem Herz und eingedenk der postmodernen Zitierwut, die<br />

wissentlich blendet:„Alles Moderne beendet.“<br />

Und allen Hand- Land- und Augenvermessern, die permanent<br />

plärren: „Das bin ja ich“ ins Angesicht: „Ihr seid Papierblüten nur<br />

des Abendlandes – Lieblinge des Gezeitentreibsandes.<br />

Unnötigen Missverständnissen vorzubeugen, sei gesagt, dass die<br />

Weisheit vom Ganzen nichts gemein hat mit politischer Totalität<br />

– sowenig wie die Selbstbestimmung und Individualität des<br />

Einzelnen geschwächt werden soll – bloß glücklich macht’s nicht,<br />

wenn wir pseudoindividuelle Images leben statt unser Leben zu<br />

sein - mitfühlend und hoffnungsvoll.<br />

Die Wörter und Töne und Bilder der Himmel-Ästhetik haben<br />

breite Ränder; weit wie das Meer, in das eine ganze Welt noch<br />

einmal passend könnt tauchen. Das klingt unlogisch und ist es<br />

auch; genauso, wie „Liebe“ zu hauchen. Die Wahrheit des Seins<br />

lässt sich nicht messen oder denken, aber in Freude und Einfühlung<br />

verstehen und einander schenken.<br />

Hand in Hand zu stehen mit dem Wald, wo Angst war sprießt<br />

bald ein Baum; ist dies nicht ein herrlicher/weiblicher wunderschöner<br />

Traum?


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Fabia_Combi_274x420_Star 13.12.2007 15:56 Uhr Seite 1<br />

Buch V - Kunst-<strong>ST</strong>/A/R <strong>ST</strong>/A/R 33<br />

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34 <strong>ST</strong>/A/R Buch V - Kunst-<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch V - Kunst-<strong>ST</strong>/A/R <strong>ST</strong>/A/R 35<br />

Law and Crime<br />

Interview mit Andreas Manak zu den 2 permanenten<br />

Rauminstallationen von Herwig Steiner<br />

Installation Herwig Steiner, Eingangssituation, Not one more execution<br />

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Passagen Verlag Herwig Steiner Gesetz und Verbrechen Andreas Manak Herausgeber Editor<br />

Thomas Redl: In den Büros von Rechtsanwälten<br />

gibt es die „klassische Beschmückung durch<br />

Kunst“. Sie haben in ihrem Büro mit den beiden<br />

permanenten Rauminstallationen von Herwig<br />

Steiner einen sehr mutigen Kontrapunkt gesetzt.<br />

Diese Arbeit bezieht sich konkret auf politische<br />

und rechtsstaatliche Situationen, einerseits auf<br />

die Nürnberger Rassengesetze und andererseits<br />

auf Fallbeispiele von fragwürdigen Todesurteilen<br />

in den USA. Das heißt, hier wurde mit der<br />

Arbeit von Herwig Steiner ein sehr spezifisches<br />

und auch konkretes Statement abgegeben.<br />

Wie haben die Berufskollegen reagiert und wie<br />

reagieren die Klienten, die im Alltag mit diesen<br />

Arbeiten konfrontiert werden?<br />

Andreas Manak: Wir haben uns natürlich lange<br />

überlegt, was wir künstlerisch in der Kanzlei machen<br />

sollen, sowohl formal als auch inhaltlich.<br />

Von vielen Kanzleien kennt man ja die Konzepte,<br />

dass man beliebig Kunst sammelt, oder<br />

dass man auch Kunst ausleiht, für eine kleine<br />

Gebühr den Künstlern die Gelegenheit zu einer<br />

Art Dauerausstellung bietet. Die Kanzlei scheint<br />

sich damit aufzuwerten, in Wirklichkeit ist das<br />

aber nur eine Art von Bordellbetrieb, in dem<br />

man die nackten Kanzleiwände zur Verfügung<br />

stellt, um anderen die Möglichkeit zu bieten,<br />

sich dort zu prostituieren. Und das wollten wir<br />

von vorne herein nicht. Sobald festgestanden ist,<br />

dass wir nach dem Umbau der Kanzlei großflächige<br />

Glaswände und Glastüren haben werden,<br />

hat sich dann die Frage der Gestaltung gestellt.<br />

Wir sind ganz langsam von eher designorientierten<br />

Vorstellungen zum Thema Kunst gekommen.<br />

Herwig Steiner hat natürlich auch einige<br />

Motivationsarbeit geleistet. Ich wäre nicht selbst<br />

auf diese konkrete Idee gekommen oder ich hätte<br />

auch nicht den Mut gehabt, so etwas umzusetzen,<br />

weder ästetisch noch inhaltlich. Herwig hat<br />

mich zuerst von der Ästhetik und auch von der<br />

technischen Machbarkeit überzeugt, und dann<br />

haben wir uns die Inhalte überlegt. Mir war<br />

dann sehr rasch klar, dass man es an diesem geschichtsträchtigen<br />

Platz nicht bewenden lassen<br />

kann mit originellen Harmlosigkeiten, wie z.B.<br />

der Präambel zum ABGB. Das war eine Voridee,<br />

ein durchaus interessanter Text, aber heute nicht<br />

mehr ganz aktuell, auch wenn demnächst der<br />

200. Jahrestag des ABGB gefeiert wird. Damals<br />

ein mutiger Akt, 1811 wurde dieses bahnbrechende<br />

Gesetzeswerk erlassen, das heute in der<br />

Anwendung noch sehr wichtig ist, aber das wäre<br />

keine politische Aussage. Ich bin seit ich denken<br />

kann ein politischer Mensch, ein kritischer<br />

Mensch und es war mir wichtig, sowohl als<br />

Person als auch als Anwalt ein Statement zu<br />

setzen. Damit müssen meine Klienten, meine<br />

Anwaltskollegen und die Mitarbeiter leben. Ich<br />

bin überrascht über das Ausmaß an positivem<br />

Feedback zu den Arbeiten von Herwig Steiner.<br />

Ich habe mir viel mehr kritische Stellungnahmen<br />

erwartet, wir haben aber sehr, sehr positive<br />

Reaktionen erlebt, von vielen Seiten, und insofern<br />

hat das meinen Weg bestätigt.<br />

T. R.: Ich finde das Werk in zwei Richtungen<br />

sehr gelungen, einerseits in der raumkonzeptuellen<br />

Ebene und andererseits in der konkret<br />

inhaltlichen Aussage. Definiert wird im Grunde<br />

genommen der Missbrauch von Recht und die<br />

Macht der Sprache?<br />

A. M.: Herwig und ich haben die beiden<br />

Die politische Kaste ignoriert jede Art von Sachargument und<br />

setzt eine populistische Machtpolitik durch, die von der Struktur<br />

her nichts anderes ist, als die Nürnberger Rassengesetze.<br />

Herwig Steiner<br />

Gesetz und Verbrechen<br />

Law and Crime<br />

Andreas Manak<br />

Herausgeber Editor<br />

Themen, also Antisemitismus einerseits und<br />

Todesstrafe andererseits, ausgewählt, um<br />

Extremfälle von Unrecht darzustellen, die im<br />

formalen Gewand des Rechts daherkommen.<br />

Bei den Nürnberger Rassengesetzen ist das<br />

Unrecht in Gesetzesform erlassen worden; man<br />

findet sie im Reichsgesetzblatt ein paar Seiten<br />

nach einer Novelle zum Handelsgesetzbuch und<br />

anderen ganz banalen zivilrechtlichen Normen;<br />

im anderen Fall ist das Unrecht durch Gerichte<br />

in die Welt gesetzt worden, aber jedenfalls<br />

auch in einem formalen Akt, der den Anspruch<br />

für sich erhebt, Recht und damit zumindest<br />

vom Telos her Gerechtigkeit zu schaffen. Und<br />

hier in den Arbeiten von Herwig Steiner wird<br />

gezeigt, wie die äußere Form des Rechts bewusst<br />

missbraucht wird. Es ist ja nicht ein Missgeschick<br />

oder ein Fehlgriff passiert, sondern es<br />

wurde ganz bewusst Rechtsetzungstechnik<br />

missbraucht, um das Unrecht in die Welt zu<br />

setzen. Auch für die Fehlurteile, die zur Vollstreckung<br />

der Todesstrafe in den USA führen, sind<br />

Menschen konkret verantwortlich. Dort wurde<br />

im Prozessverlauf ganz bewusst manipuliert,<br />

wurden von Seiten der Polizei und von Seiten<br />

der Richter Beweismittel unterdrückt, teilweise<br />

Berufungsschriften nicht akzeptiert etc.. Man<br />

hat z.B. in den USA die Berufungsmöglichkeiten<br />

formal drastisch reduziert und auf diese Art<br />

und Weise dazu beigetragen, dass es zu solchen<br />

Extremfällen kommen kann. Und was gibt es<br />

Extremeres als einen Menschen zu töten unter<br />

Berufung auf Recht und Gerechtigkeit.<br />

T. R.: Unter der Berufung von “law and order”.<br />

Herwig Steiner<br />

Gesetz und Verbrechen<br />

Law and crime<br />

Not one more execution!<br />

Pre-Prints<br />

Andreas Manak<br />

Herausgeber/Editor<br />

ISBN-10: 3-85<strong>16</strong>5-771-3<br />

ISBN-13: 978-3-85<strong>16</strong>5-771-5<br />

Passagen Verlag, Wien<br />

A. M.: Mich fasziniert, seit ich mich mit<br />

Recht und Rechtssprache beschäftige, dass,<br />

auch vom sprachtheoretischen Gesichtspunkt<br />

gesehen, Recht in Gewalt mündet,<br />

geradezu münden muss, weil die ultimative<br />

Durchsetzung des Rechts in Gewalt<br />

besteht. Das wird legitimiert, indem man<br />

sagt, man konzentriert Gewalt beim Staat, das<br />

bekannte Gewaltmonopol des Staates, weil ja<br />

letzten Endes Recht immer auch Streit zwischen<br />

Menschen schlichten soll, und da muss unter<br />

Umständen einer dazu gezwungen werden dem<br />

Anspruch des Rechts des anderen und dessen<br />

Durchsetzung auch nachzugeben. Es muss nicht<br />

immer die Todesstrafe sein, es kann ein ganz<br />

banaler Fall einer Räumungsexekution gegen<br />

einen säumigen Mieter sein. Auch hier wird<br />

mit Polizeigewalt jemand aus seiner Wohnung<br />

geworfen, und auch hier muss man sehr genau<br />

schauen, ob die Voraussetzungen dafür da sind,<br />

die ein hoffentlich gerechter Gesetzgeber ins<br />

Gesetzbuch geschrieben hat.<br />

Das heißt, es geht um den Konnex zwischen<br />

Sprache und Gewalt, der dem Recht<br />

an sich immanent ist, und darauf sollen<br />

dieser Werke in meinem Verständnis hinweisen.<br />

T. R.: Das heißt, die Problematik stellt sich<br />

immer dort, wo eine rassistische oder politisch<br />

extreme Programmatik der Rechtsausübung<br />

innewohnt?<br />

A. M.: Ja, es gibt immer wieder politische und<br />

soziale Verhältnisse, in denen Recht missbraucht<br />

werden kann. Gerade die aktuelle Debatte<br />

um den Asylgerichtshof ist ein gutes Beispiel,<br />

wo man entgegen massivsten Warnungen von<br />

hoch angesehenen Juristen gerade vor zwei<br />

Tagen beschlossen hat, Unrecht zu schaffen. Ich<br />

behaupte, die besten Juristen dieser Republik<br />

wenden sich öffentlich gegen diese Form des<br />

Asylrechts und gegen den Asylgerichtshof. Die<br />

politische Kaste ignoriert aber jede Art von<br />

Sachargument und setzt eine populistische<br />

Machtpolitik durch, die von der Struktur her<br />

nichts anderes ist als die Nürnberger Rassengesetze.<br />

Wir haben auch im Buch, das zu<br />

den Werken erschienen ist, die geschichtliche<br />

Verbindung der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus<br />

thematisiert. Wir befinden uns<br />

hier direkt neben dem Stephansdom in einem<br />

Haus, das im Besitz der katholischen Kirche ist.<br />

Kirche und Macht ist ein Thema, das in vieler<br />

Hinsicht sehr unerfreulich ist. Dadurch haben<br />

sich die Themen der Steinerschen Installationen<br />

förmlich aufgedrängt.<br />

T. R.: Noch eine abschließende eher allgemeine<br />

Frage. Wie sehen Sie die heutige politische<br />

Situation: die zunehmende Radikalisierung,<br />

die Globalisierung, die Migrantensituation, den<br />

Verlust sozialer Ausgewogenheit, das Aufkommen<br />

von neuem Rechtsradikalismus und den<br />

schlummernden Antisemitismus?<br />

A. M.: Zum aktuellen politischen Geschehen<br />

oder zu Tendenzen der Radikalisierung in der<br />

gegenwärtigen Gesellschaft kann man viel sagen<br />

oder gar nichts, ein Mittelweg ist schwer. Die Radikalisierung<br />

ist sicher ein aktuelles Phänomen.<br />

Menschen reagieren vielfach auf die extrem<br />

beschleunigte Entfremdung mit psychischen<br />

Problemen, und ich zähle Selbstmordattentate,<br />

Rechtsradikalismus und Kindesmord letzten<br />

Endes insgesamt zu psychischen Reaktionen auf<br />

Entfremdungsprozesse. Hier wird politisch viel<br />

zu wenig getan, im Gegenteil, jeden Tag, wenn<br />

man die Tageszeitung aufschlägt und sich politische<br />

Berichte ansieht, wird immer verständlicher,<br />

warum Menschen in den Extremismus<br />

getrieben werden, sei es durch Handlungen oder<br />

sei es auch nur im Denken. Die Verlogenheit<br />

und der Schein, das „So tun, als ob“ wird von<br />

höchsten staatlichen, politischen und wirtschaftlichen<br />

Würdenträgern zelebriert, und das ist natürlich<br />

durchschaubar. Aber selbst wenn es nicht<br />

intellektuell durchschaut wird, reagieren die<br />

Menschen darauf, und das in einer sehr unerfreulichen<br />

Weise. Die Entfremdungsphänomene<br />

führen letztlich auch dazu, dass alle Formen von<br />

Rassismus und auch von Antisemitismus neuen<br />

Nährboden gewinnen. Ich sehe von der Basis<br />

her keinen Unterschied zwischen einer<br />

extrem fremdenfeindlichen Asylgesetzgebung<br />

und Antisemitismus. Beides ist genährt<br />

von einem Gefühl der Minderwertigkeit, dem<br />

Wunsch nach Ausgrenzung, des Hasses auf<br />

Andersartige, und es kommt auch nicht darauf<br />

an, ob die Verfolgten und Unterdrückten und<br />

Abgeschobenen mosaischen Glauben haben<br />

oder einer bestimmten Rasse angehören, es<br />

kommt darauf an, dass ein Sündenbock gesucht<br />

wird für eine Gesellschaft, die sich selbst nicht<br />

mehr in den Spiegel schauen kann.<br />

T. R.: Das heißt, das Fundament einer ausgewogenen<br />

gesellschaftlichen Struktur mit ausgewogenen<br />

Verhältnisse im Sozialen, Gesellschaftlichen<br />

wie auch im Politischen geht uns immer<br />

mehr verloren?<br />

A. M.: Vereinfacht gesagt, eine Gesellschaft in<br />

der die Einkommensunterschiede seit 50 Jahren<br />

in allen nur erdenkbaren Parametern immer<br />

größer werden, egal ob man jetzt die obersten<br />

und untersten zehn Prozent vergleicht, Männer<br />

und Frauen vergleicht oder andere Parameter<br />

heranzieht, die ökonomischen Unterschiede<br />

werden immer größer, das hat Auswirkungen<br />

auf das Bewusstsein der Leute und auf die<br />

Entwicklung der Gesellschaft insgesamt. Das<br />

heißt jetzt nicht automatisch, dass eine Verringerung<br />

der Einkommensunterschiede alle<br />

sozialen Probleme lösen würde, aber es würde<br />

eine beträchtliche Entspannung der Drucksituation<br />

für viele, viele Menschen liefern, während<br />

durch dieses Auseinanderdriften der sozialen<br />

Schichten immer mehr zumindest subjektiv das<br />

Gefühl haben, zurückzubleiben. Genau das ist ja<br />

auch sozialwissenschaftlich der Hintergrund für<br />

Rassismus und politischen Extremismus – nicht<br />

so sehr das absolute Elend, sondern die relative<br />

Verelendung gegenüber immer größerem Protz<br />

und Verschwendungssucht, der auf der anderen<br />

Seite zur Schau gestellt wird.<br />

T. R.: Danke für das Interview.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch V - Kunst-<strong>ST</strong>/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R 37<br />

Foto: XXXXXXXXX<br />

Rechtsanwaltskanzlei Manak & Partner, Stephansplatz 6, 1010 Wien<br />

© Herwig Steiner / Gesetz und Verbrechen / Installation – Glaswand mit Doppeltüre / 4-teilig / computergenerierter Glasdruck / 2004/05 / 322,20 x 434,10 cm / Foyer Kanzlei Manak & Partner / Fotokonstruktion: Ebenhofer / Steiner


38 <strong>ST</strong>/A/R Buch V - Kunst-<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Foto: Walter Ebenhofer<br />

Zu den Installationen<br />

von Herwig Steiner<br />

Wolf Guenter Thiel<br />

Herwig Steiner / Ausschnitt / Not one more execution / Installation - drei Glaswände mit 5 Türen / Tageslichtsituation<br />

13-teilig / computergenerierter Glasdruck / 2004/05 / 321,0 x 155,5 cm + 325,4 x 1136,05 cm + 325,4 x 170,4 cm<br />

Korridor Kanzlei Manak & Partner<br />

Abstraktion bezeichnet einen Vorgang, bei dem<br />

die Sicht von der realen Welt oder einem Modell<br />

in ein einfacheres Modell gefasst wird. Dieses<br />

visuelle Modell hebt im Falle Steiners die wesentlichen<br />

Bestandteile der Nürnberger Rassengesetze wie auch<br />

neuerer Urteilsbegründungen für Todesurteile in den<br />

Vereinigten Staaten wörtlich hervor. Der Sinn besteht<br />

darin, wesentliche Elemente dieser Rassengesetze und<br />

neuere Begründungen für Todesurteile in den USA in ihrer<br />

menschenverachtenden Haltung hervorzuheben. Ziel ist es,<br />

diese menschenverachtenden Denkmodelle mit der heutigen<br />

Gesetzeslage in Österreich ins Oppositionsverhältnis zu<br />

setzen und sich im Ansatz als Künstler wie auch als Anwalt<br />

gegen jede Art von Rassismus und die Todesstrafe generell zu<br />

wenden. Aus dieser Blickperspektive sind die zwei einzelnen<br />

Arbeiten „Gesetz und Verbrechen“ zu den Nürnberger<br />

Rassengesetzen und „Not one more execution!“ zu den<br />

Begründungen für Todesurteile in den USA von Herwig<br />

Steiner in der Anwaltskanzlei am Wiener Stephansplatz 6 der<br />

Rechtsanwaltskanzlei Andreas Manak & Partner als abstrakte<br />

Kunst anzusprechen.<br />

In seiner Arbeit „Gesetz und Verbrechen“ hebt Steiner<br />

zwei komplementäre Aspekte bezüglich der Nürnberger<br />

Rassengesetze von 1935 hervor: Erstens bringt er den<br />

Not one more execution – Detail<br />

besonderen Rechtsbruch und die Pervertierung der<br />

Rechtsauffassung der Nürnberger Rassengesetze zum<br />

Ausdruck. Zweitens veranschaulicht die Arbeit deren<br />

Relevanz und mahnende Wirkung für die heutige<br />

Gesetzgebung und das zugrunde liegende Rechtsverständnis<br />

gerade im Ausländer- oder Asylrecht. Die Nürnberger<br />

Rassengesetze gelten als Inbegriff der Pervertierung des<br />

Rechtsstaats-Gedankens durch den Nationalsozialismus.<br />

Die Rassenideologie erhielt durch sie einen juristischen<br />

Anstrich. Der NS-Genozidpolitik wurde damit letztendlich<br />

der Weg bereitet. Der Abstraktionsprozess besteht darin,<br />

das Modellhafte der Rassengesetze so zu extrapolieren, dass<br />

der warnende Effekt und die Hervorhebung der eigenen<br />

politischen und ethischen sowie juristischen Haltung jedem<br />

Besucher der Kanzlei sofort und unmittelbar vor Augen<br />

geführt wird, und das sprichwörtlich. Andreas Manak<br />

selbst sagt zu der Arbeit: „Ein besonderer Aspekt dieses<br />

Werkes ergibt sich aus dessen Standort in einem Haus am<br />

Stephansplatz, unmittelbar gegenüber dem Stephansdom,<br />

„dem“ Wahrzeichen des katholischen Österreichs.“<br />

117<br />

„Dem Werk „Not one more execution!“ liegt ein<br />

umfangreicher schriftlicher Bericht aus dem Jahr 2000 mit<br />

dem Originaltitel „Reasonable Doubts: Is the U.S. Executing<br />

Innocent People? A Report of the Grassroots Investigation<br />

Project“ zugrunde. Der Bericht enthält 15 detaillierte<br />

Fallstudien über Personen, die zwischen 1974 und 2000<br />

zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, obwohl sie mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit unschuldig waren. [...] Herwig<br />

Steiner hat von den fünfzehn Fällen des Berichts acht<br />

ausgewählt und auszugsweise für die dreizehn Glastafeln<br />

verwendet ...“1) Eine Todesstrafe kann nach heutiger,<br />

europäischer Rechtsauffassung nur Ergebnis eines gesetzlich<br />

genau festgelegten und kontrollierten Rechtsverfahrens sein.<br />

Sie setzt Gesetze voraus, die Straftatbestände definieren, für<br />

die Todesstrafen vorgesehen sind, sowie die gesetzmäßige<br />

Inhaftierung, Überführung und Verurteilung des Täters. Das<br />

gesamte Verfahren kann, sofern es als legal gelten soll, nur<br />

durch dazu bevollmächtigte Vertreter eines Staates vollzogen<br />

werden. In Staatsgesetzen verankerte und danach vollzogene<br />

Todesstrafen setzen also ein funktionierendes, im Bereich<br />

dieses Staates gültiges Rechtssystem voraus. In den meisten<br />

Staaten, die die Todesstrafe als Gesetz verankert haben und<br />

anwenden, ist sie im gewöhnlichen Strafrecht für Mord, oft<br />

auch für Entführung, Vergewaltigung, Raub mit Todesfolge<br />

vorgesehen.<br />

Seitdem es die Todesstrafe gibt, versucht man ohne Erfolg<br />

ihre „Notwendigkeit“ zu begründen. Für die Behauptung<br />

etwa, die Todesstrafe habe eine größere abschreckende<br />

Wirkung als andere Strafen, konnte nirgendwo auch nur der<br />

geringste Beweis erbracht werden. Ohnehin müsste dieses<br />

Argument immer gegen andere abgewogen werden, wie<br />

etwa das Risiko der Hinrichtung Unschuldiger, oder gegen<br />

die Willkür und Diskriminierung bei ihrer Anwendung und<br />

gegen das Leiden, das sie verursacht. Staatliches Töten ist<br />

keine angemessene Antwort auf Mord und Kriminalität. Wo<br />

sich der Staat zum Richter über Leben und Tod aufschwingt,<br />

nimmt nicht Gerechtigkeit ihren Lauf, sondern es wird Rache<br />

und Vergeltung geübt. Außerdem: Wenn der Staat selbst die<br />

Tötung eines Mörders anordnet, ist es schwierig zu erklären,<br />

dass die Ermordung eines Menschen Unrecht darstellt. Eine<br />

Regierung kann nicht gleichzeitig die Menschenrechte achten<br />

und die Todesstrafe verhängen.2)<br />

Wie geht Herwig Steiner in seiner Arbeit mit diesen<br />

Diskursfeldern um? Er tut das, was Ludwig Wittgenstein für<br />

die Philosophie vorschlägt: «Die richtige Methode der Philosophie<br />

wäre eigentlich die: Nichts zu sagen, als was sich sagen lässt, also<br />

Sätze der Naturwissenschaft - also etwas, was mit Philosophie<br />

nichts zu tun hat.» Steiner tut genau dies, er nimmt die<br />

totalitäre, inhumane Sprache und Sprachregelungen - um<br />

solche geht es ja in beiden bearbeiteten Sachverhalten<br />

- wörtlich und zitiert sie. Es sind nicht die Sätze der<br />

Naturwissenschaft, sondern die Begründungen für<br />

Todesurteile oder Passagen der Nürnberger Rassengesetze. Er<br />

tut dies, indem er sie auf polydimensionale, an futuristische<br />

Bildgründe erinnernde, abstrakte Raumverhältnisse aufbringt.<br />

Diese werden durch den harten Einsatz von Signalfarben<br />

wie Rot, Orange, Gelb und Schwarz zusätzlich dramatisch<br />

betont. Der Hintergrund ist konkret abstrakt, auch wenn er<br />

an Feuer, Magma oder infernalische Bedeutungsumfelder<br />

erinnert. Warum sind die Bildgründe konkret abstrakt und<br />

nicht figurativ oder realistisch? Sie sind konkret abstrakt, um<br />

der ikonographischen Bezüglichkeit gegenüber totalitärem<br />

Bilddenken zu entgehen. Gerade die totalitären Regime des<br />

letzten Jahrhunderts förderten die abbildhafte, figurative<br />

und realistische Malerei. Die einen förderten realistische<br />

Malerei zur Darstellung von Glanz und Glorie des NS-<br />

Regimes und ihres „Führers“, die anderen wollten Arbeitern<br />

und Bauern ein Denkmal setzen und Stalin zum Heroen<br />

der arbeitenden Bevölkerung stilisieren. Kunst wurde zum<br />

Propagandainstrument der Politik und figurative Kunst<br />

in der Geschichte zumeist politisch vereinnahmt und zu<br />

Propagandazwecken eingesetzt. Steiner setzt sich hiervon<br />

ab und wendet die eindeutige Zuordnungsmöglichkeit ab.<br />

Hätte er dies gewollt, dann hätte der Künstler inhaltlich<br />

verifizierbare Zusammenhänge im Hintergrund festgehalten.<br />

Der Diskurs wird von ihm in eine strukturelle oder<br />

konstruktive, möglicherweise historische, politische und<br />

rechtswissenschaftliche Richtung gewiesen. Indem er<br />

das konkret abstrakte Bild mit der klaren, sachlichen und<br />

unmenschlichen, totalitären Sprache mit dem Bild ins direkte<br />

Oppositionsverhältnis zieht, regt er eine ganzheitliche,<br />

diskursanalytische Auseinandersetzung mit dem Diskursfeld<br />

an.<br />

Bild und Schrift sprechen uns auf verschiedenen Ebenen<br />

an: nämlich das Bild unser Empfinden und die Schrift<br />

unser Denken. Seit Umberto Eco3) wissen wir, dass nicht<br />

jedes Bild sich von jedem Betrachter gleich empfinden<br />

und entschlüsseln lässt. Jeder Mensch hat seine eigene<br />

Assoziation, macht sich sein eigenes Bild, das sich aus<br />

seinem Erfahrungshintergrund, seiner Kultur und seinen<br />

persönlichen Assoziationen speist. Das Lesen eines Bildes ist<br />

folglich subjektiv oder individuell. Im Zusammenhang mit<br />

der konkret abstrakten Arbeit von Herwig Steiner soll sich<br />

der Betrachter eben kein Bild machen, denn das Bild, das er<br />

sich von den Auswirkungen der Rassengesetze macht, kann<br />

das Ausmaß des Grauens nicht ermessen. Es ist ein Gefühl<br />

des Grauens, das sich einstellt und das sich durch die abstrakt<br />

konkreten Bildgründe manifestiert. Die Schrift dagegen ist<br />

linear. Vor der Entwicklung der Schrift war Jahrtausende<br />

lang die mündliche Überlieferung von wesentlichen Inhalten<br />

üblich. Sie barg schon immer gewisse Risiken in sich. Eine<br />

mögliche Sinnentstellung des ursprünglichen Quelleninhaltes<br />

und das Weglassen oder Hinzufügen von Inhalten sind in<br />

der mündlichen Vermittlung des jeweils einzelnen Erzählers<br />

immanent enthalten. Psychologische, soziale und kulturelle<br />

Faktoren spielen bei der mündlichen Überlieferung eine<br />

wesentliche Rolle. Steiner entgeht diesem Risiko, indem<br />

er wortwörtlich zitiert und überliefert. Die Erfindung der<br />

Schrift gilt als eine der wichtigsten Errungenschaften der<br />

Zivilisation, da sie die Überlieferung von Wissen und<br />

kulturellen Traditionen zuverlässig über Generationen<br />

hinweg erlaubt und deren Erhaltung, wie im Fall der Arbeit<br />

Steiners, für einen langen Zeitraum garantiert. Auch wenn das<br />

Grauen im Zusammenhang mit den Folgen der Nürnberger<br />

Rassengesetze im Verlauf der Geschichte fortschreitend<br />

abstrakter werden mag, der Wortlaut der Gesetze bleibt<br />

unmissverständlich und menschenverachtend.<br />

1) Manak, Andreas: Vorwort des Herausgebers, in: Andreas Manak (Hrsg.):<br />

Gesetz und Verbrechen Law and Crime, Wien 2006.<br />

2) vgl. http://www.amnesty.at/todesstrafe/ vom 8.12.2008.<br />

3) Eco, Umberto: Opera aperta, 1962 (dt. Das offene Kunstwerk,<br />

übers. v. Günter Memmert, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1973).


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Abschied von Monika Nickerl<br />

Buch V - Kunst-<strong>ST</strong>/A/R <strong>ST</strong>/A/R 39<br />

HAUS DES<br />

MEERES<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Bezirksinitiative:<br />

Maria hülf!<br />

<strong>ST</strong>/A/R gratuliert Mag. Sylvia Hellmayr und Dr. Nikolaus Hellmayr zur Geburt ihres<br />

Sohnes Jonathan, geboren am 8.12.2007 um 19:44 Uhr<br />

THE WHITE CITY OF TEL AVIV –<br />

TEL-AVIV’S MODERN MOVEMENT<br />

21.02. – 19.05.2008<br />

ERÖFFNUNG: MITTWOCH, 20.02.08, 19<br />

UHR | PRESSEKONFERENZ: MITTWOCH,<br />

20.02.08, 11 UHR<br />

Das Stadtzentrum von Tel Aviv ist seit<br />

Juli 2003 UNESCO Weltkulturerbe. Die<br />

israelische Stadt am Meer verfügt – wie<br />

hierzulande wenig bekannt ist – über ein<br />

einzigartiges Ensemble von mehr als 4000<br />

Häusern im Stil des „Neuen Bauens“,<br />

die erst in den letzten Jahren teilweise<br />

restauriert wurden. Diese von der Stadt Tel<br />

Aviv organisierte Ausstellung tourt nun seit<br />

2004 mit Stationen u.a. in Rom, Lausanne,<br />

Le Havre und Montreal durch die Welt und<br />

wird im Februar erstmals in Österreich im<br />

Architekturzentrum Wien gezeigt.<br />

DER MA<strong>ST</strong>ERPLAN<br />

1925 wurde der schottische Architekt Paul<br />

Geddes beauftragt, die noch junge Siedlung<br />

Tel Aviv durch einen Master-Stadtplan zu<br />

strukturieren. Er projektierte eine Gartenstadt<br />

mit streng hierarchischem Straßennetz und<br />

einer organischen, mit zahlreichen Plätzen<br />

durchsetzten Anordnung. Im Verlauf seiner<br />

Realisierung musste das Projekt allerdings<br />

stark verdichtet werden – schon aufgrund der<br />

Flut von Immigranten, die Tel Aviv zwischen<br />

1930 und 1935 von 50.000 auf 120.000<br />

Einwohner anwachsen ließ. Trotzdem lässt<br />

sich der ursprüngliche Plan von Geddes<br />

vielerorts noch erkennen.<br />

DIE ARCHITEKTUR<br />

Zahlreiche Architekten der Stadt<br />

orientierten sich bei ihren Entwürfen an<br />

der Formensprache von Le Corbusier,<br />

Mies van der Rohe, Walter Gropius und<br />

Erich Mendelsohn. Tel Aviv wurde so zu<br />

einem Experimentierfeld für die Grundsätze<br />

der modernen Architektur – in einem<br />

außerordentlichen Maßstab. Heute sind viele<br />

der Häuser jedoch sanierungsbedürftig. Nitza<br />

Szmuk, jahrelange Leiterin der „Preservation<br />

Group“ in der Stadtverwaltung und Kuratorin<br />

dieser Ausstellung, engagiert sich für den<br />

Erhalt dieser wertvollen Bausubstanz.<br />

DIE AUS<strong>ST</strong>ELLUNG<br />

Paul Geddes’ Master-Stadtplan wird mit<br />

Plänen und Modellen präsentiert. Historische<br />

und aktuelle Fotografien geben Einblick in die<br />

Architektursprache der Zeit und vermitteln<br />

den Einfluss, den das europäische Erbe auf<br />

das örtliche Schaffen genommen hat. Die<br />

Vielfalt der in Oberflächenbeschaffenheit<br />

und Farbe unterschiedlichen Verputze<br />

werden ebenso gezeigt wie genaue<br />

Analysen von Detailplanungen (z.B. die<br />

verschiedenen Balkonarten). Eine Auswahl<br />

von historischen Filmen gibt ein lebendiges<br />

Bild der Stadtentwicklung zwischen 1920<br />

und 1958 wieder. Das Präsentationsvideo<br />

für die UNESCO und das aktuelle<br />

Projekt der Konservierung dieser Bauten<br />

werden ebenfalls vorgeführt. Grafische<br />

3D-Animationen von elf repräsentativen<br />

Gebäuden vertiefen das Verständnis für<br />

die Architektur der „Weißen Stadt“. Nahezu<br />

100 Lebensläufe von in Tel Aviv tätigen<br />

Architekten runden das Bild ab.<br />

Zur Ausstellung erscheint ein „Hintergrund“,<br />

die vierteljährliche Publikation des Az W. Ein<br />

Symposium zum Thema „Umgang mit dem<br />

architekturhistorischen Erbe der Moderne“ als<br />

Rahmenprogramm ist geplant.<br />

Kuratorin der Ausstellung: Nitza Szmuk (Tel<br />

Aviv)<br />

Projektkoordination Az W: Sonja Pisarik<br />

Presse: Ines Purtauf I Tel.: +43-1-522 31 15-<br />

23 I e-mail: purtauf@azw.at<br />

Subventionsgeber des Az W:<br />

Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft,<br />

Geschäftsgruppe Stadtentwicklung und<br />

Verkehr, Bundesministerium für Unterricht,<br />

Kunst und Kultur<br />

Förderer des Az W: Architecture Lounge


40 <strong>ST</strong>/A/R Buch V - Kunst-<strong>ST</strong>/A/R<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Gilbert Bretterbauer<br />

Foto: Peter Barci<br />

Gilbert Bretterbauer, 3 D Netz, 2006, „textile Bänder“ (ca. 300/300/300cm), courtesy: G.B.<br />

„ZART“, eine Möbius Kantate von Hofstetter Kurt<br />

„time no time“, eine DVD von Barbara Doser und Hofstetter Kurt –<br />

NEU:PARALLEL MEDIA http://www.sunpendulum.at/parallelmedia/timenotime


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VI - Literatur <strong>ST</strong>/A/R 41<br />

LITER<br />

Privatsachen, eine Fotoserie von Liesl Ujvary, Cinematerealien, Fotos und Gedichte von Herbert J.<br />

Wimmer, Anfänge und Zustände, ein Essay von Gerhard Jaschke, der Geschmack von Fremde,<br />

ATUR<br />

eine Begegnung aufgezeichnet von Christine Huber und einige Schwalben gefaltet von Margret Kreidl.<br />

ausgesetzt<br />

Dieter Sperl<br />

Mitten im Gespräch über den neuen<br />

Werbeauftritt seiner Marktforschungsfirma<br />

Strategy Analytics war ich für mich völlig<br />

unerwartet aufgestanden und sagte zu dem<br />

mir gegenüber sitzenden Schulfreund, den<br />

ich einige Jahre lang nicht mehr getroffen und<br />

auf dessen Wiedersehen ich mich in der Tat<br />

außerordentlich gefreut hatte, dass ich seiner<br />

ausufernden Selbstpräsentation überdrüssig<br />

und ihr nicht mehr länger beizuwohnen<br />

gewillt sei. Lieber hielte ich mich allein im<br />

Wald auf, fuhr ich fort, lieber säße ich mit<br />

meinem über die Jahre endlich einigermaßen<br />

zur Ruhe gekommen Herzen im Wald, oder<br />

triebe mich sogar hundertmal lieber in einem<br />

voll gerammelten Kaufhaus herum, als mich<br />

mit den ungeheuerlichen Besatzungskräften<br />

seiner mir gegenüber aufgeworfenen Emotionen<br />

auseinanderzusetzen. Denn auch Emotionen<br />

lebten, fügte ich hinzu, auch Emotionen hätten<br />

Freunde, ihre eigene Familie, und es seien<br />

dies Kräfte, die zu ganz bestimmten Zeiten<br />

aufträten, sich entwickelten und die sich auch<br />

zu exakt beobachtbaren Zwecken in Aktion<br />

setzten. Befreiten sich solche Wesenheiten und<br />

begännen sie über die jeweiligen Menschen oder<br />

Völker zu herrschen, würden sich Probleme<br />

in Katastrophen verwandeln. Deshalb ginge es<br />

vor allem um Beobachtung und Entwicklung<br />

der verschiedenen uns zugänglichen und uns<br />

zugleich konstituierenden Kräfte und um<br />

Integration derselben, welche überdies den Geist<br />

verfeinere und unsere Intuition zu erwecken<br />

vermöge. Würde sich eine Kraft auf Kosten<br />

anderer durchsetzen, sähen wir uns einer Form<br />

von Diktatur ausgesetzt, und es sei egal, ob man<br />

diese nun Depression oder Neid, oder Hass<br />

und Verzweiflung nennen würde. Das wären<br />

alles Übertreibungen, hörte ich mich sagen,<br />

den Blick auf meine auf dem Tisch liegenden<br />

Hände gerichtet. Ich fühlte mich plötzlich allein<br />

in einem fernen Land, in welchem mir ein<br />

einsamer Eiswind um die Ohren pfiff, starrte<br />

verloren vor mich hin und wusste nicht, woher<br />

das eben Gesagte gekommen war. Gedankenlos<br />

lächelnd, blickte ich meinen Schulfreund an, als<br />

der Kellner auf uns zu trat und ich ihn sagen<br />

hörte: Was bedeutet und fordert der Weg, den<br />

du jetzt gehst? Ich blickte verwirrt auf und<br />

erkannte mit einem Mal, dass er das Gesicht<br />

jenes Schamanen trug, dessen Vortrag über<br />

die Mystik der Andenvölker ich - auf Einladung<br />

einer nahen Bekannten - vor zwei Jahren, in<br />

einem Ringstrassenhotel, mit großem Interesse<br />

beiwohnen durfte. In eigensinniger Reglosigkeit,<br />

gleichsam in eine Art Säule verwandelt, sah ich<br />

die offensichtlich an mich gerichtete Frage vor<br />

meinen Augen wie einen Fisch aus dem Fluss<br />

springen, welcher im nächsten Moment auch<br />

schon wieder verschwunden war. Dies war ein<br />

Zeichen müheloser Kraft und Eleganz, dachte<br />

ich, und praktizierte gleichzeitig unendliche<br />

Freiheit und die Leerheit aller Erscheinungen.<br />

Schriftwechsel<br />

>> sperl@star-wien.at


42 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - Literatur<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

„privatsachen“<br />

Fotoserie von Liesl Ujvary<br />

„privatsachen“<br />

Lydia Mischkulnig<br />

Der Kampf gegen mich ist aussichtslos, da ich als<br />

juristische Person unsterblich bin im Gegensatz zu<br />

meinen Angestellten, die dafür kämpfen, dass ich<br />

sie nicht aufreibe oder kündige. Man kann mich<br />

zerschlagen, zersetzen, auflösen und verklagen, aber<br />

da ich juristisch bin, kann man mich nicht einsperren,<br />

denn ich besitze keinen Leib, berge aber etagenweise<br />

Angestellte, die einen eigenen Leib besitzen, die in<br />

meinen Diensten stehen. Um mich mache ich mir<br />

keine Sorgen, ich verschwinde und formiere mich<br />

neu, wo und wann ich will. Aber die Angestellten mit<br />

ihrem fixen Leib sind an Ort und Zeit gebunden und<br />

bandeln mit diesen Koordinaten herum, im Hier und<br />

Jetzt, die Existenz will berechtigt sein.<br />

aus: Die Firma, Erzählung, 2007.<br />

Lydia Mischkulnig, geb. 1963 in Klagenfurt. Lebt in Wien.<br />

Buchveröffentlichung zuletzt: Umarmung, Roman, DVA, München 2002.


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch VI - Literatur <strong>ST</strong>/A/R 43<br />

die fotoserie „privatsachen“ versammelt fotos<br />

der arbeitsumgebungen von schriftstellern.<br />

hier entsteht literatur – zwischen schichtungen<br />

von beschriebenem papier, bekritzeltem papier,<br />

bedrucktem papier, anhäufungen von büchern,<br />

zwischen stofftieren und technischem gerät, zwischen<br />

weichen polstern und warmen decken, zwischen<br />

fundstücken konkreter natur, einem rindenstück,<br />

zimmerpflanzen und blumenvasen, fahrrädern,<br />

kinderzeichnungen, rezepten, jacken und hosen,<br />

kabeln und steckern, stössen von cds und musik-cds,<br />

umhängtaschen, adidas-schuhen, kaffeetassen, einem<br />

spielzeugpinguin auf einem fernseher, handtüchern,<br />

buddhas, ansichtskarten, tellern, tastaturen, stiften,<br />

blättern, feuerzeugen und vielen anderen sachen.<br />

Liesl Ujvary, Schriftstellerin, lebt in Wien. Texte, Bilder, Musik.<br />

alphaversionen, Prosa, Sonderzahl Verlag, Wien 2006.<br />

Herbert J. Wimmer<br />

259<br />

artifizielle intelligenz<br />

I.<br />

du mit deinen künstlichen gedanken, beschimpft<br />

einer das objekt, das ihm mit der ganzen apparatur<br />

nach einem schweren unfall eingepflanzt wurde.<br />

natürlich ist gar nichts, gibt das objekt zu bedenken.<br />

II.<br />

du mit deinen künstlichen gedanken, beschimpft<br />

einer das objekt, dem er in die ganze apparatur nach<br />

einem schweren unfall eingepflanzt wurde.<br />

natürlich ist gar nichts, gibt (sich?) das objekt zu<br />

bedenken.<br />

III.<br />

du mit deinen künstlichen gedanken, beschimpft sich<br />

einer als das objekt.<br />

aus: NERVENLAUF, DIE TÜCKE DER OBJEKTE<br />

Herbert J. Wimmer, geb. 1951 in Melk. Lebt in Wien.<br />

Buchveröffentlichung zuletzt: NERVENLAUF,<br />

DIE TÜCKE DER OBJEKTE, Sonderzahl Verlag, Wien 2007.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VI - Literatur<br />

<strong>ST</strong>/A/R 45<br />

Bei den Bieresch, Klaus Hoffer<br />

Literaturverlag Droschl , Graz,Wien 2007.<br />

(urspr.: Halbwegs, 1979; Der große Potlatsch, 1983)<br />

So meint die Tante zu Hans:<br />

„Auf uns liegt der Fluch seit dem allerersten Tag! Jede Zeile, jedes einzelne<br />

Wort in unseren Schriften verflucht den Bieresch. – Heimweh gibt es nur<br />

zuhause, sagen wir, weil wir nicht fort können von hier, weil wir auf ewig<br />

ins Labyrinth unserer unglücklichen Biereschgeschichte eingesperrt sind.<br />

Wir haben Heimweh nach uns selber, weil keiner sein kann, wie er ist,<br />

jeder bloß die Eigenschaft seiner Umgebung spiegelt.“<br />

Rund 25 Jahre nach Erscheinen des<br />

„Kultbuchs“ von Klaus Hoffer gibt der<br />

Literaturverlag Droschl den Doppelroman<br />

„Bei den Bieresch“ wieder heraus: Hans<br />

wird zum Stellvertreter seines verstorbenen<br />

Onkels – dafür reist er nach Zick, einem<br />

Dorf im „Osten des Reiches“, wie es<br />

heißt, das irgendwo im Südburgenland<br />

zu verorten ist, in einer pusztaähnlichen<br />

Angelika Reitzer<br />

Landschaft gelegen, zum Volk der Bieresch.<br />

CINEMATEREALIEN<br />

von Herbert J. Wimmer<br />

(zur fotoserie TABORKINO I–V)<br />

die schauwerte leben.<br />

im augenblick der transformation<br />

hängen die bilder in ihrem lauf<br />

laufen die hängenden bilder<br />

im abbruch des entschwindenden<br />

projektionsraums.<br />

KINO-KEYNOTE<br />

Hans muss dessen Identität annehmen, zieht in sein<br />

Haus, arbeitet als Briefträger. Das ist schon fast alles,<br />

was man über die Handlung dieses Doppelromans<br />

sagen kann, denn die Bieresch leben ihr Leben nicht,<br />

sie versuchen, es zu erklären: „Jeder Bieresch ist ein<br />

zänkischer, bessserwisserischer Philosoph.“ (P. Handke<br />

in einer Spiegel-Rezension Anfang der 1980er Jahre)<br />

und: „Nichts war einfach, alles hatte Bedeutung.“ Hans<br />

erfährt von den Göds in sieben wichtigen Gesprächen<br />

(bzw. Monologen) und sich im Großen wie im Kleinen<br />

widersprechenden Belehrungen die Geschichte der<br />

Bieresch und ihr Schicksal soll so seiner Bestimmung<br />

zugeführt werden. Diese Diskurse über die eigene<br />

Vergangenheit und ihre Regeln bestimmen den Roman:<br />

Die Monologe, Geschichten, Fabeln, Mythen und<br />

Legenden verstehen diese besessenen Erzähler („die zu<br />

keiner bindenden Identität finden, obwohl sie sich doch in<br />

einer Art Sisyphusarbeit unaufhörlich selbst befragen, als<br />

Verfluchte der Zeit“ P. Landerl) oft selber nicht.<br />

Am Ende des ersten Teils erhält Hans einen sprechenden Namen<br />

(„Halbwegs“): das ist ein Zeichen zugleich der Anerkennung und der<br />

Ausweglosigkeit.<br />

Ein Jahr lang haben die Bieresch – sie sind so was wie vage Anarchisten<br />

– die Erlaubnis, dem Stellvertreter alles zu nehmen: gesetzlich legitimierter<br />

Diebstahl, um den Urfrevel (Landbesitz und also Besitz überhaupt) zu<br />

sühnen – der große und der kleine „Potlatsch“, den Indianern entlehnt …<br />

Wie in Kafkas „Prozess“ ist „Bei den Bieresch“ eine latente Schuld spürbar,<br />

mitunter scheinen die Grenzen zw. Opfern, Angeklagten und Anklägern<br />

fließend, wie im „Schloß“ ist das Neue für Hans/Halbwegs nur auf den<br />

ersten Blick vertraut, erforscht einer die Rituale, die ominöse Bürokratie<br />

– aber das hat keinen wissenschaftlichen, sondern für den Fremden (Hans,<br />

K.) einen existenziellen Grund. Der letzte Satz ist ein Schlüssel zum<br />

Verständnis des Romans: Nichts zeigt sich so, wie es ist. Oder, wie das<br />

Motto zu „Der große Potlatsch“ zu erklären versucht: „Unsere Geschichte<br />

ist der Knoten, der sich knüpft, wenn man ihn löst.”<br />

Die absolute Liebe zum Paradoxen und zum Absurden: jetzt neu aufgelegt.<br />

Ein hilfreiches Inhaltsverzeichnis und eine Rezension von Heinz<br />

Schaffroth ergänzen die schöne Droschl-Ausgabe. Unbedingte (Wieder-)<br />

Leseempfehlung!!<br />

ein-bildungen:<br />

was eingebildet wird<br />

ins schauwerte leben<br />

ins leben der schauwerte:<br />

die mitten im abbruch<br />

ausbrechende retrospektive<br />

alles möglich gewesenen<br />

in den unsichtbar gewordenen nutzungen<br />

in den noch unsichtbaren nutzungen<br />

urbanen erinnerungsmanagements.<br />

CINEMANTRA<br />

Lucas Cejpek<br />

Mitten ins Herz, Margret Kreidl<br />

Edition Korrespondenzen, Wien 2005.<br />

23.05.2007<br />

Die Schönheit des Seriellen wird in der Literatur selten be-schworen<br />

und noch seltener von der Kritik gepriesen. Dabei zielt die<br />

Wiederholung „Mitten ins Herz“, wie Margret Kreidls zweiteiliges<br />

Buch bereits im Titel verspricht. Der erste Teil ist eine Serie von<br />

Todesschüssen nach amourösen Verstrickun-gen vor einem<br />

naturnahen Hintergrund. „Blühende Alpenrosen. Sie seufzt. Ein<br />

Schuss. Rote Wolken am Abendhimmel.“ Die Zwangsläufigkeit des<br />

Geschehens spiegelt sich in den Biogra-phien der Erfolgsautorinnen<br />

wider, die Margret Kreidl im zwei-ten Teil aufs Wesentliche<br />

reduziert. „Als ihr Mann sie verließ, begann sie Liebesromane<br />

zu schreiben.“ Schicksalsergebenheit ist ein anderes Wort für<br />

Selbstaufgabe, und die hat inzwischen die ganze Gesellschaft erfaßt<br />

und wird als Kunst genossen. „Jubel. Tusch. Ein Schuss.“ Die<br />

Portraits der Heftchenautorin-nen unterscheiden sich daher auch<br />

nicht von den Selbstdarstel-lungen unserer Schulbuchliteratur. „Die<br />

Liste ihrer Auszeich-nungen ist lang.“ Für Margret Kreidl sprechen<br />

ihre Bücher, in denen sie die literarischen Formen mischt, um die<br />

Sprache zur Entfaltung zu bringen.<br />

Buchtipps von Angelika Reitzer und Lucas Cejpek<br />

ANFÄNGE<br />

ZU<strong>ST</strong>ÄNDE<br />

von Gerhard Jaschke<br />

Es wiederholt sich eigentlich alles. Ständig wiederholt sich<br />

alles. Eben erst zu Bett gegangen, stehst du auch schon auf.<br />

Wasser lassen, trinken, Medikamente einnehmen, sich säubern,<br />

essen, aufräumen, arbeiten, Geld verdienen, Geld ausgeben,<br />

Rechnungen bezahlen, ineinemfort, tageintagaus das gleiche.<br />

Nuancenverschiebungen. Vermeintlicher Ortswechsel. Was<br />

willst du, du bleibst doch mit dir zusammen, in dir stecken,<br />

stehen, trittst nicht aus dir heraus, gehst nicht fremde Wege.<br />

Permanent gehst du von einem Platz zum anderen, verrichtest<br />

da wie dort Pflichten, absolvierst dir Aufgetragenes, trägst bloß<br />

dir Aufgetragenes ab, wie du einen Berg von Pflichten abträgst.<br />

Mitunter kommt dir vor, dass du nichts als im Kreis gehst, rennst,<br />

irgendwas hinterherläufst. Oder von A nach Z und retour - und<br />

das dein ganzes Leben lang, dein Lebtag lang. Mit Gefälligkeiten<br />

den Tag verklebt, verkaufen, einkaufen, einstellen, anstellen,<br />

abstellen, vorstellen, dein Leben fließt wie Sand ab, durch die Uhr<br />

zu Boden, der mit Träumen durchzogen noch immer nicht fest<br />

ist. Unsicher stehst du auf diesem. Wie auf einem Wolkenteppich?<br />

Wie auf Seidenpapier, raschelnd?<br />

Es tut sich einfach nichts. Alles beim alten. Alles wiederholt<br />

sich ständig, ineinemfort, in sich selbst, um einen herum. Die<br />

ewige Renaissance. Alles dreht und wendet sich. Ob in der Natur<br />

oder in der Kunst. Nirgendwo etwas Neues und doch scheint dir<br />

vieles noch nicht vertraut, geradezu unbekannt, wieder einmal<br />

ein Neuland mehr zu sein. Aber irrst du dich da nicht zum<br />

zigsten Male? Ist die vermeintlich gänzlich neue Kreation nicht<br />

doch nur eine Variation von einer längst approbierten, jedenfalls<br />

aus dem Gedächtnis verlorenen, oder wirklich bislang nicht<br />

wahrgenommen worden von dir? Möglicherweise ausschließlich<br />

von dir nicht, sagst du dir vor. Alle anderen haben wahrscheinlich<br />

längst erkannt, dass es sich bei der von dir vermeintlich neuen<br />

Kreation um etwas längst zum alten Eisen Gehörigen handelt.<br />

Das sind doch alles alte Hüte, schon bekannt. So wird Tag um Tag<br />

abgehakt. Schon bekannt. Bereits gesehen, geschmeckt, gerochen,<br />

betastet, gefühlt, erkannt – zumindest in ein Raster gebracht,<br />

in eine Schublade gepfercht. Zu bereits Beschriftetem abgelegt.<br />

Eingeordnet, mit einem Namen und einem Datum versehen,<br />

zur Seite geschoben, gar nicht sonderlich registriert. Selbst<br />

Pompösestes auf Strukturen, wie Gebeine, Skelette reduziert,<br />

verkleinert, kleingemacht, zusammengedrückt, zerstückelt,<br />

zerhackt, auf einen Berg von ein paar Brocken, Knochen,<br />

Knöchelchen, Splittern…<br />

Es kommt alles wieder, denkst du. Jeder Schritt vorgegeben.<br />

Alles reserviert für die eine oder andere Vorstellung. Gestern wie<br />

heute birgt nicht das geringste Wunder in sich. Alles beim alten<br />

– und doch willst du um jeden Preis das Fenster offen halten für dich auch zusehends. Vielleicht weilt dir dann alles andere kurz?<br />

Neues, lit_noe_star_274x136:www24uat noch nie Gesehenes. Du willst alles 01.10.2007 Neue willkommen 19:56 SeiteNichts 1 war wie damals, alles suchte sich einen Vorwand fürs<br />

Literaturedition Niederösterreich<br />

Neuerscheinungen<br />

2007<br />

heißen, wie schon Cage sagte, kommt dir auch von Zeit zu Zeit<br />

vor, dass es überhaupt nichts Neues mehr gibt, gar nicht mehr<br />

geben könne, da geradezu alles besetzt erscheint. Kein Platz für<br />

ein noch so kleines Erlebnis, Ereignis, geschweige denn für ein<br />

Wunder, nicht einmal für ein noch so kleines, unscheinbares.<br />

Zusammengepfercht, aneinandergedrückt erscheint dir außen wie<br />

innen alles. Wo sollte da noch Raum sein für etwas vollkommenes<br />

Anderes, Neues, fragst du dich fortwährend. Scheinbar alles sei<br />

schon da gewesen. Welche Kombination du dir auch ausdenken<br />

magst, du kommst nicht auf ein neues, unvorstellbares Gebilde,<br />

Konstrukt, sondern immer nur auf eine Kombination von<br />

bereits Bestehendem, von bereits bestehenden Kombinationen,<br />

siehst gleichsam sämtliche Einzelteile von Epigonen der<br />

Epigonen zusammengesetzten Kombinationen. So bleiben es<br />

sechsundzwanzig Buchstaben. Wo ist nur der sehnlichst erwartete<br />

siebenundzwanzigste? Hat Schwitters eventuell, denkst du, in<br />

seiner ihn zum Markenzeichen dadaistischer Poesie (obwohl er<br />

sein Leben lang merz und nichts anderes war) erhebenden „Anna<br />

Blume“ mit den in dieser gleich in der ersten Zeile auftauchenden<br />

siebenundzwanzig Sinnen, damit, nämlich mit der Erweiterung<br />

des Alphabets, kokettiert, geliebäugelt? Doch bleibt alles so<br />

wie gehabt. Man kann sich wohl nur mit so mancher Aussage<br />

trösten. Etwa mit der von Cocteau, die da lautet: „Das größte<br />

literarische Werk ist im Grunde nichts anderes als ein Alphabet in<br />

Unordnung.“<br />

Hier kann man alles miteinbeziehen. Die Wolken, die welken. Die<br />

Halme, die Helme. Du stellst den Bezug zu allem her, zu allen.<br />

Du beziehst mehrfach Bezüge. Du beziehst frisch das Bett, du<br />

beziehst ein Einkommen, ein Honorar. Du beziehst Kopfpölster,<br />

die Tuchent, du beziehst das Bett. Du beziehst dies alles in deine<br />

Schreibarbeit mit ein, du beziehst dies alles auf dich, jedes Wort<br />

beziehst du gleich auf dich, alles im Raum Umherflatternde<br />

beziehst du sofort nur auf dich ganz allein. Du beziehst alles wie es<br />

dir seinerzeit gelehrt wurde. Du wirst von allem angezogen. Von<br />

allen wirst du angezogen, bezogen, nachdem du alle bezogen hast.<br />

Ein Wechselspiel? Kommunizierende Gefäße: Autor-Publikum,<br />

Autor-Leser, Rezipient. Du beziehst alle Reaktionen mit ein. Du<br />

beziehst sie in dein weiteres Tun ein. Du beziehst dich auf bereits<br />

Vorhandenes.<br />

Du versiehst dich, beziehst dich auf Gleichgesinnte über<br />

Jahrtausende hinweg, findest Spuren, Spuren von Gedanken. Du<br />

beziehst dich auf sie, legst sie nach deinem Wissensstand aus,<br />

beziehst dich auf Vorgefundenes, Hintangestelltes, als Fußnoten<br />

Fixiertes, Aufgeschnapptes. Welch liederliches Treiben! Aus dem<br />

Internat ins Internet? Du liest das Buch noch fertig, langweilt es<br />

www.noel.gv.at<br />

Zusammensein, das gewissermaßen aus sich schöpfte und bloß<br />

überleben wollte.<br />

An das Haus gebunden im Regenschleier, der Vergessenstropfen<br />

Zeitgepoch. Hirn- wie Filmriss. Du beziehst ihn auch sogleich<br />

auf niemanden anderen als auf dich, ausschließlich auf dich,<br />

so als wärst du eben gerissen, auseinandergerissen in zig nicht<br />

zählbare Teilchen. Du beziehst jedes einzelne dieser auf jede<br />

Lebenssekunde, auf jeden Lebenssekundenbruchteil, auf jedes<br />

noch so winzige Lebenssekundenbruchteilchen.<br />

Büschel der Erinnerung und Fixfertigkeiten auf laufendem Strich.<br />

Ein nervöses Flattern (Flackern) im Kosmos. Endzeitschleifen<br />

brutaler Rhapsodie durch<br />

Körper gepfählt…<br />

Ein Wort ergibt das<br />

andere, sagt man.<br />

Wer alles glaubt,<br />

glaubt auch das.<br />

Fangen wir<br />

gleich mit dem<br />

Wort „Alles“<br />

an. Alles eignet<br />

sich vortrefflich, um<br />

anzufangen, es allen zu<br />

sagen. Aus den Stunden<br />

gewunden. Du beziehst ja<br />

alles gleich auf dich. Gibt es<br />

nicht ein Wort, das du nicht<br />

gleich auf dich beziehen<br />

würdest? Wenn Berge zu<br />

Tal gleiten, Holz fällt,<br />

Anfangsbuchstaben<br />

eines Wortes<br />

zerbröseln, eine<br />

Geschichte ohne<br />

Zutun fremder<br />

Hand sich<br />

auflöst…<br />

Eines Tages den<br />

Entschluss fassen, nicht<br />

mehr aufzustehen, keinen<br />

Weg mehr zu beschreiten,<br />

Buchrücken wie Augen<br />

anstarren. Exotisches.<br />

Als wärst du eine<br />

angezogene Schraube.<br />

So fest und tief drin.<br />

Gerhard Jaschke, geb. 1949 in Wien. Herausgeber der Zeitschrift<br />

Freibord. Lehrbeauftragter für Literaturgeschichte an der Akademie der<br />

bildenden Künste Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen.<br />

Gerhard Jaschke:<br />

Anfänge – Zustände<br />

Ein Lesebuch mit einem Vorwort von Julian Schutting<br />

224 Seiten, geb. mit Schutz umschlag; 15 x 22 cm<br />

ISBN 978-3-901117-90-9; € 22,00<br />

Gerhard Jaschke ist eine zentrale Figur<br />

der österreichischen Gegenwarts literatur.<br />

Seine formalen und sprachlichen Experimente,<br />

ein untrüglicher, scharfer Blick auf<br />

seine Umwelt und die Menschen machen<br />

seine Texte zu einem besonderen Lesevergnügen.<br />

Dieses Lesebuch würdigt<br />

sein vielfältiges Schaffen und bringt Beispiele<br />

aus den Bereichen Prosa, Lyrik,<br />

Anagramm, Theater und Bildende Kunst.<br />

www.24u.at


46 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - Literatur<br />

Blintschik Kleine Palatschinke mit<br />

Fleischfülle, in Öl herausgebacken<br />

Bokdscha und Cigar Zwei Varianten<br />

Blätterteiggebäck mit Nussfüllung<br />

Eclair Brandteigkrapfen mit<br />

Cremefüllung oder Was man isst, wenn<br />

man nicht isst<br />

Marianna K. Christine Huber<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

eher klebrig-patzig wirken. Je besser die Zutaten eingearbeitet sind,<br />

desto stimmiger das Ergebnis.<br />

Das Backrohr auf höchste Stufe vorheizen. In der Zwischenzeit auf<br />

dem Backblech kleine zipfelmützig-geformte Teigknödel setzen, in<br />

einigem Abstand, die Eclair gehen stark auf. Zu diesem Zweck die<br />

Hände nass machen, das Teigknöderl formen, platzieren und mit den<br />

Fingern einen nicht allzu spitzen Zipfel formen.<br />

Wenn das Backrohr heiß ist, das Blech einschieben. Alles zumindest<br />

12 bis 15 Minuten backen lassen, danach die Hitze auf 170 Grad<br />

reduzieren. Nach zirka 18 Minuten kann ein Blick hineingeworfen<br />

werden. Wenn das Backrohr über Fenster und Beleuchtung verfügt,<br />

kann man sehen, ob das Gebäck schon fertig ist: Es ist dann<br />

außen gebräunt, sieht trocken aus, nicht mehr teigig, und ist stark<br />

aufgegangen.<br />

Wenn das der Fall ist: rausnehmen. Abkühlen lassen. Den Kopf<br />

(vormals Zipfel, nach dem Backen ist er eine Art Kappe oder Barett)<br />

abschneiden. Im Bauch des Gebäcks ist Luft, dort die Creme einfüllen<br />

(einlöffeln). Deckel wieder draufsetzen. Mit Staubzucker bestreuen.<br />

Servieren.<br />

Für die Creme Milch aufkochen, das Mehl in kleinen Portionen,<br />

quasi halb-teelöffelweise, zugeben. Abkühlen lassen. Zucker, mit dem<br />

Vanillezucker gemischt, und das Fett mit dem Schneebesen oder dem<br />

Mixer aufschlagen, eventuell etwas erwärmen, dann in die Milch-<br />

Mehl-Mischung einrühren. Im Kühlschrank gut durchziehen lassen.<br />

Zutaten für Blintschik<br />

einige (vorbereitete oder gekaufte) Palatschinken<br />

Faschiertes (ca. 2 El pro Palatschinke); Rindsfaschiertes ist<br />

vorzuziehen<br />

Pfeffer (reichlich)<br />

Salz nach Gefühl<br />

Petersilie, gehackt (etwas)<br />

Öl zum Herausbacken<br />

für Bokdscha und Cigar<br />

Blätterteig (Fertigprodukt)<br />

feingeriebene Walnüsse<br />

mit Zucker und Vanillezucker vermischt (Zuckeranteil<br />

nach Geschmacksvorliebe)<br />

Eidotter zum Bestreichen<br />

Nähgarn<br />

Staubzucker zum Bestreuen<br />

für Eclair<br />

für den Teig<br />

1 Tasse heißes Wasser (200 g)<br />

100 g Butter<br />

1 gut gefüllte Tasse Mehl (200 g)<br />

4 – 5 Eier (die genaue Menge hängt von der Teigkonsistenz ab)<br />

für die Creme<br />

300 g Milch<br />

3 El Mehl<br />

200 g Zucker<br />

Vanillezucker<br />

200 g Fett (Butter oder Margarine)<br />

Staubzucker zum Bestreuen<br />

Blintschik<br />

Faschiertes gut anbraten. Mit Salz, Pfeffer und Petersilie würzen.<br />

Abkühlen lassen. Auf die vorbereiteten Palatschinken geben (gut zwei<br />

Esslöffel pro Stück). Die Palatschinken nicht nur rollen, sondern<br />

zuerst die losen Zipfel nach innen schlagen, jedenfalls alle Enden so<br />

zusammenbringen, dass das Fleisch nicht mehr rausbröseln kann.<br />

Zum richtigen Zeitpunkt dann die Palatschinken kurz in heißem Öl<br />

anbraten, quasi rausbraten. Servieren.<br />

Cigar und Bokdscha<br />

Die geriebenenWalnüsse mit dem Vanillezucker und dem Zucker<br />

gut vermischen. Den Blätterteig in Quadrate schneiden (10 – 12<br />

cm x 10 – 12 cm). Die Nuss-Zucker-Mischung nach Geschmack<br />

sehr oder weniger reichlich (gut eineinhalb Esslöffel sind durchaus zu<br />

empfehlen) auf das Blätterteigquadrat geben.<br />

Für die “Cigar” den Blätterteig zopfähnlich zusammenknüpfen.<br />

Für die “Bokdscha” den Blätterteig zu einer Art Packerl von den<br />

Ecken her zusammenholen, die Zipfel oben festhalten, das Nähgarn<br />

darumwickeln (nicht zu fest) und verknoten. Die so entstandenen<br />

Stücke mit Eidotter bestreichen, betupfen. Im Backrohr 10 bis 15<br />

Minuten backen. Mit Staubzucker bestreuen. Kann heiß serviert<br />

werden.<br />

Eclair<br />

Wasser und Butter in einen kleinen bis mittelgroßen Kochtopf<br />

geben. Die Butter im Wasser aufkochen lassen. Das Mehl einrühren.<br />

Die Hitze bald reduzieren bzw. den Topf rechtzeitig vom Herd<br />

nehmen, denn das Mehl darf nicht braun werden (die richtige<br />

Farbe entspricht in etwa der einer hellen Einbrenn). Weiterrühren<br />

und rühren und rühren, bis der Teig einen püreeartigen Zustand<br />

erreicht, sich leicht am Topfrand anlegt. Nun das Ganze etwas<br />

abkühlen lassen (Kaltwasserbad ist am effizientesten). Danach ein<br />

ganzes Ei unterrühren, so lange rühren, bis es wirklich gut vom Teig<br />

aufgenommen ist. Dann ein zweites Ei, wieder rühren, dann ein<br />

drittes, weiterrühren, ein viertes, sehr viel rühren, vielleicht so gar ein<br />

fünftes, auch dieses gut einrühren. Wieviele Eier wirklich notwendig<br />

sind, hängt von der Konsistenz des Teigs ab. Er soll nicht zu weich sein,<br />

Sie ist in Bewegung. Sie ist Bewegung. Sie bewegt sich im<br />

Zimmer. Eine Umdrehung folgt der anderen. Laufen. Gehen.<br />

Stehenbleiben. Das Kind hochheben. Das Kind tragen. Gehen.<br />

Das Kind loslassen. Weiterlaufen. Gehen, wieder. An die<br />

Küchenzeile zurückkehren. An der Küchenzeile<br />

bleiben. Zu dem Kind sprechen. Das<br />

Küchengeschirr hin und her schieben. Auf<br />

mich deuten. Mich fragen lassen, ob ich<br />

zuschauen komme.<br />

Sie ist offensichtlich genauso nervös wie<br />

ich. Verunsicherung. Auf beiden Seiten.<br />

Sie hat mir einen Sessel zugewiesen.<br />

Meine Rolle, so fasse ich es auf, ist Sitzen. Die<br />

ihre In-Bewegung-Sein. Das Kind verdoppelt ihre<br />

Bewegungen. Ich stehe nur auf, wenn es etwas zu<br />

notieren gibt, also wenn ich gerufen werde. Die<br />

Unruhe im Raum ist auch so hoch genug.<br />

Wir sind im Integrationshaus, im ersten<br />

Stock, in einer der Zwei-Zimmer-Einheiten.<br />

Drei Menschen leben hier. Das Kind,<br />

dessen Vater, seine Ehefrau; sie ist<br />

die Mutter des Kindes. Der Raum ist<br />

Wohnzimmer und Küche zugleich.<br />

Die Küche ist keine Küche, sondern<br />

eine Küchenzeile in einer Ecke dieses<br />

Zimmers. Das zweite Zimmer ist<br />

vermutlich das Schlafzimmer. Ich<br />

bekomme es nicht zu sehen.<br />

Sie kocht.<br />

Noch weiß ich keine Namen.<br />

Am Telefon sagte man mir<br />

nur, ich werde eine Frau aus<br />

Ägypten treffen. Sie ist aus<br />

Aserbaidschan. Eine Armenierin<br />

aus Aserbaidschan. Ihr Mann ist<br />

aus Ägypten. Geheiratet haben sie in Syrien.


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch VI - Literatur <strong>ST</strong>/A/R 47<br />

Aufgrund seiner Herkunft mussten sie fort, kommen nach<br />

Österreich. Sie kommen nach Traiskirchen. Das Kind will zur<br />

Welt kommen. Das macht es im Spital in Baden bei Wien. Nach<br />

einer Zwischenstation in einem Heim in Wien-Währing folgt<br />

die Aufnahme in die sogenannte Bundesbetreuung (1). Dann<br />

findet sich Platz im Integrationshaus, nach einem Antrag, eine<br />

Möglichkeit.<br />

Der Fernsehapparat läuft. Eine armenischer Sender. Eine<br />

Freundin ist da, deren Tochter, beide sitzen, schauen auf<br />

den Bildschirm. Außerdem ist dabei: die Übersetzerin und<br />

Mitarbeiterin des Integrationshauses. Sie spricht Russisch. Hat<br />

sicherheitshalber ein Wörterbuch dabei. Der Mann kommt, kurz,<br />

bringt Eier aus dem Supermarkt. Sagt Freundliches auf Englisch.<br />

Geht wieder. Ein Kurs, erklärt mir die Übersetzerin, ein Kurs im<br />

Haus, zur möglichen zukünftigen Arbeitsfindung. Die Tochter<br />

geht weg, kommt aber gleich wieder zurück, hat ein Handy in der<br />

Hand. Spricht mit ihrer Mutter. Armenisch. Das Kind schnappt<br />

mein Papier und zeichnet darauf. Die Freundin steht auf.<br />

Ein Tisch, groß genug für sechs Leute, eine Tischdecke mit<br />

Weihnachtsmotiven, im Fernseher Santa Claus oder Nikolaus<br />

oder wie immer er sich auf Armenisch nennen mag, außerdem<br />

Engel, Kunstschnee und das ganze Übliche dazu.<br />

Weihnachten? Ja, am 6. Jänner. Christen also, frage ich. Sie ja,<br />

sagt die Übersetzerin. Der Mann? Nein, der ist Moslem.<br />

Die Freundin nimmt zwei Mandarinen, die in einem Korb am<br />

Tisch liegen, schält sie, lässt die Schalen verschwinden, teilt<br />

die Früchte in Spalten auf, legt auf jeden der vorbereiteten<br />

Teller einige davon. Zum Naschen liegen außerdem bereit:<br />

Blätterteigzöpfe und Nüsse.<br />

Sie, die Mutter des Kindes, die Frau des Mannes, meine<br />

Gastgeberin, noch immer weiß ich keine Namen, ruft mich, lässt<br />

mich sehen, was sie tut. Das Wasser, die Butter, das Mehl, sie<br />

rührt und rührt. Ich notiere, was mir die Übersetzerin überträgt.<br />

Sie sagt, sagt die Übersetzerin, sie könne nur zeigen, wie es geht.<br />

Sie könne die einzelnen Schritte nicht anders beschreiben. Ich<br />

setze mich wieder hin, notiere das Gesehene.<br />

Die Freundin steht auf, geht zu der Küchenzeile, öffnet<br />

eine Packung clever-Blätterteig und beginnt ihrerseits etwas<br />

herzurichten, ohne irgendwelche Worte. Ich muss nachfragen,<br />

was nun geschieht. Sie zeigt es mir. Bodschak. Und was heißt das<br />

auf Deutsch? Die Frauen beratschlagen sich, finden kein Wort,<br />

weder auf Russisch noch auf Englisch. Bodschak eben. Dann<br />

deutet sie auf mein Halstuch, erklärt: Wenn man ein Geschenk<br />

übergibt, man es eingewickelt, in ein Tuch eingewickelt, übergibt.<br />

Und dieses Tuch schlägt man an den oberen Enden zusammen,<br />

hält es zusammen, mit einem Bindfaden also, oder nur so.<br />

Bodschak ist also ein Päckchen, ein Blätterteig-Päckchen.<br />

Ganz gleich gemacht sei das Gebäck, das schon am Tisch steht,<br />

erklären sie mir, die gleichen Ingredienzien, nur ist der Teig<br />

anders gewickelt worden, nämlich zu einer Cigar.<br />

Der Teig, den sie, die Gastgeberin, begonnen hat, den die<br />

Übersetzerin als eine Art Brandteig benennt, kann offenbar ein<br />

wenig warten. Das Kind wird müde. Sie hält es im Arm. Es wird<br />

ruhig. Bald wird es eingeschlafen sein. Die Frauen setzen sich.<br />

Sie warten auf meine Fragen. Die erste ist nach den Namen.<br />

Sie schreiben sie auf, in der lateinischen Umschrift. In welcher<br />

Sprache sprechen sie miteinander? Armenisch, sagen sie.<br />

Armenisch, sage ich, das kenne ich von historischen<br />

Dokumenten. Ich weiß, sage ich, dass es eine eigene Schrift<br />

ist. Aber nicht viel mehr, gestehe ich ein (2). Ja, sagen sie. Und<br />

schweigen.<br />

Das Alter, bitte ich um mehr Auskunft. Sie notieren mir Zahlen.<br />

Nur Ali M., das Kind, bekommt einen genauen Geburtstag: 17.8..<br />

Ich sage: Löwe also. Ja, sagen sie. Und schweigen.<br />

Marianna steht wieder auf, wird wieder Bewegung. Sie bringt das<br />

eingeschlafene Kind ins andere Zimmer. Die Freundin, Karine,<br />

steht auf. Sie holt die Bodschak aus dem Herd. Bestreut sie mit<br />

Zucker. Stellt sie auf den Tisch. Zieht sich an. Ihre Tochter Anna<br />

folgt ihr. Sie gehen beide.<br />

Wir kosten von dem Gebäck. Der Geschmack ist vertraut.<br />

Wir sind nun zu dritt: Marianna, die Übersetzerin und ich.<br />

Ich frage Marianna, was ihr zum Kochen einfällt, zu ihrem ersten<br />

Mal Kochen. Sie antwortet: Das war ganz klassisch: Borschtsch.<br />

Sie erzählt, dass sie aus einer großen Familie stammt, mit vielen<br />

Kindern, aufgewachsen in einer Kleinstadt, aber städtisch genug,<br />

um nicht mehr ländlich zu sein. Sie musste viel kochen, für ihre<br />

fünf Geschwister kochen. Aber, so erklärt sie mir, es war die Zeit<br />

der Sowjetunion. Es war leicht, sagt sie mit einem Lächeln, da gab<br />

es keine Probleme, weil gekocht wurde, was aufzutreiben war. Es<br />

gab keine Auswahl. Also gab es keine Fragen.<br />

Aber was hätte sie gerne gekocht, wenn es alles gegeben<br />

hätte, versuche ich die Frage auszudehnen, Fleisch, gegrilltes,<br />

gemischt aus Huhn, Lamm, Schwein, mit Erdäpfeln dazu, am<br />

offenen Feuer gemacht. So ähnlich wie Schaschlik, hilft mir die<br />

Übersetzerin. Und noch ein Fleischgericht, sagt Marianna, in<br />

Wasser gekocht, faschiert, davon hätten sie auch gerne mehr<br />

gehabt. Aber das ist auch viel Arbeit, schränkt sie ein. Wie Köfte,<br />

sagt die Übersetzerin.<br />

Und dann?, setze ich das Fragen fort. Dann, sagt Marianna,<br />

ging sie fort aus Aserbaidschan, mit achtzehn schon, ging nach<br />

Armenien und dann nach Georgien, war länger in Georgien und<br />

dann wieder in Armenien. Sie sei so oft hin und her gezogen<br />

zwischen diesen beiden Ländern, dass sie gar nicht mehr sagen<br />

könne wie oft. Und wie war das mit dem Kochen? Auch das war<br />

keine Frage, sagt sie, wenn man bei Verwandten wohnt, nur<br />

Unterschlupf hat, kein festes Zuhause kennt, dann isst man das,<br />

was auf den Tisch kommt. Wieder kein Thema.<br />

Ich war immer unterwegs, sagt sie plötzlich. Und spricht jetzt<br />

Englisch, direkt mit mir. Ich bin so, sagt sie. Oder ich war so,<br />

schränkt sie ein. Vielleicht liegt es am Kind. Ich weiß nicht,<br />

beginnt sie einen Satz. Ich bin dumm, setzt sie fort. Ich war<br />

dumm, sagt sie dann, jetzt gibt es kein Zurück mehr.<br />

Ich schaue sie an. Sie ist nicht groß, sie ist nicht klein, sie ist<br />

nicht dick, sie ist nicht dünn. Sie hat eine Brille. Sie hat braunes<br />

mittellanges Haar. Sie hält den Kopf gesenkt. Eine Weile sagt sie<br />

gar nichts.<br />

Erinnerungen. Ja. Gerüche? Ja. Welche denn? Äpfel, sagt sie. Ich<br />

liebe Äpfel. Immer.<br />

Das Kind wird wieder wach, hustet, braucht Wasser. Der Teig<br />

steht schon viel zu lange herum, muss ins Rohr. Die Bewegungen<br />

setzen nun wieder ein. Das verschlafene Kind an die Hüfte<br />

geklemmt, beginnt sie die Teigknödel auf das Backblech zu<br />

setzen, während das Backrohr aufheizt. Sie ist nicht zufrieden.<br />

Der Teig ist zu warm geworden, sagt sie, er wird nicht schön<br />

aufgehen. Aber er geht auf, nur die Formen sind nicht genau<br />

nach ihrer Vorstellung. Sie holt die Creme aus dem Kühlschrank,<br />

diktiert mir die notwendigen Zutaten, Schritte, kontrolliert, ob<br />

ich es auch gut verstanden habe, obwohl sie jetzt wieder Russisch<br />

spricht. Ich frage, ob eine Puddingcreme nicht ebenso passend<br />

wäre, als Füllung. Nein, auf keinen Fall. Warum? Da geht die<br />

Milch raus, übersetzt die Übersetzerin wörtlich.<br />

Wir beginnen zu essen. Zu welchen Gelegenheiten man das alles<br />

isst, was mittlerweile vor uns steht, will ich wissen. Immer, sagt<br />

sie, immer dann, wenn man nicht isst. Sofort steht sie wieder auf,<br />

öffnet nochmals den Kühlschrank. Das Kind braucht etwas zu<br />

essen, denke ich, aber sie arbeitet an einer Überraschung: Eine<br />

Pfanne mit Öl, Palatschinken, gefüllt mit Faschiertem. Was ist<br />

das? Blintschik, sagt sie. Und das wird jetzt das Abendessen für<br />

die Familie? Aber nein. Auch das ist eine Speise, die man isst,<br />

wenn man nicht isst. Frisch sind sie am besten, ich soll mehr<br />

davon nehmen.<br />

Dann kommt der Mann zurück. Nimmt das Kind auf den Schoß.<br />

Füttert es mit der Creme aus dem Inneren der Eclair. In welcher<br />

Sprache sprechen sie miteinander?<br />

Mit dem Kind arabisch, sagt er auf Englisch. Und mit Marianna?<br />

Englisch. Und Marianna mit dem Kind? Armenisch. Manchmal<br />

auch Russisch. Und Deutsch lernen sie hier im Haus. Heißt das,<br />

dass Ali vier Sprachen spricht? Noch spricht er gar keine, sagt<br />

sie. Aber er kann schon ein Wort, sagt der Mann. Und, welches?<br />

“Bruder”, sagt Marianna, ich hab’s ihm beigebracht.<br />

Glossar<br />

Brandteig: “Im Unterschied zu anderen Teigen kommt bei einem<br />

Brandteig das Mehl nicht roh, sondern abgebrüht, ‘abgebrannt’ (daher<br />

der Name) dazu. Die beigegebene Flüssigkeit dient als Treibkraft<br />

und Lockerung, weil sie im Backrohr unter starker Hitzeeinwirkung<br />

Dampf entwickelt und so das Aufgehen des Teiges bewirkt.<br />

Brandteiggebäcke müssen daher in das bereits sehr heiße Backrohr<br />

kommen, das so wenig wie möglich geöffnet werden darf (auf alle<br />

Fälle erst, wenn der Teig eine ausreichende Kruste gebildet hat.).”<br />

(Quelle: Franz Maier-Bruck: Das Große Sacher Kochbuch, Schuler<br />

Verlagsgesellschaft, Hersching 1975)<br />

Anmerkungsteil<br />

8. 1. 2004, 13.15 – 17.15 Uhr, Integrationshaus, 1020 Wien,<br />

Engerthstraße <strong>16</strong>1-<strong>16</strong>3<br />

Susanna Hajrapetjan, 35 (geb. in Aserbaidschan)<br />

Ali Kabbashi, 1 1/2 Jahre (geb. in Baden bei Wien)<br />

Kabbashi Ali Mohammed, 32 (sein Vater, aus Ägypten; verheiratet mit<br />

Susanna)<br />

Karine Pogosian, 45 (aus Armenien)<br />

Anna Aslanian, 17 (deren Tochter)<br />

Sonja Scherzer, 36 (geb. in Wien): Übersetzerin aus dem Russischen<br />

in diesem Gespräch; Mitarbeiterin des Integrationshauses<br />

Christine Huber, Autorin, 40 (geb. in Wien)<br />

Bundesbetreuung: (1)<br />

Das österreichische Innenministerium kommt für die Kosten<br />

für Verpflegung, Unterkunft und Versicherung von mittellosen<br />

Asylwerbern und Asylwerberinnen auf.<br />

Armenisch: (2)<br />

“Im Zuge der von Syrien aus betriebenen Christianisierung des<br />

Kaukasus kam es zur Entfaltung regionaler Schriftkulturen in<br />

Armenien (seit Anfang des 5. Jahrhunderts) und in Georgien (seit<br />

Mitte des 5. Jahrhunderts). Die Schriftschöpfung des armenischen<br />

Alphabets mit seinen 38 Buchstaben geht auf Mesrop zurück, den<br />

ersten Bischof des Landes und Initiator der altarmenischen religiösen<br />

Literatur. (Es sind dies) lokale Schriftschöpfungen, die keine<br />

Abzweigungen von Basisschriften sind. Es sind Originalalphabete,<br />

denen das alphabetische Schreibprinzip gemeinsam ist, deren<br />

Zeichenrepertoires aber entweder vollständig oder überwiegend auf<br />

Eigenschöpfung beruhen.” (Quelle: Harald Haarmann. Geschichte<br />

der Schrift, C.H. Beck, München, 2002)


48 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VI - Literatur<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Eine Schwalbe falten von Margret Kreidl<br />

Schwalbe falten<br />

Immer wenn sie mich besuchen kommt, erzählt sie eine Geschichte.<br />

Das ist die Geschichte eines Vogels. Der Vogel. Aber es ist auch die<br />

Geschichte von zwei Vögeln. Das Ganze beginnt mit einem Vogel.<br />

Es war einmal ein Vogel. Der konnte sehr schön singen. Sanft, zart<br />

pfeifend beim Auffliegen.<br />

Manchmal hat sie einen Vogel bei sich, einen Vogel, den sie ißt.<br />

Schau, sagt sie dann zu mir, der Vogel fliegt in meinen Mund<br />

hinein.<br />

Kannst du pfeifen, Johanna?<br />

Ich heiße Elfriede.<br />

Wer nicht singen kann, soll pfeifen.<br />

Ich kann singen.<br />

Singen kannst du? Dann sing!<br />

Ich will nicht singen.<br />

Sing, dann lernst du singen.<br />

Immer wenn sie mich besuchen kommt, will sie mir eine Geschichte<br />

erzählen. Ich werde dir eine Geschichte erzählen. Es war einmal eine<br />

Frau, die hatte zwei Töchter. Also, es ist die Geschichte von zwei<br />

Schwestern. Die schöne Schwester trägt ein Kleid aus Papier und ißt<br />

hartes Brot. Mitten im Winter muß sie Erdbeeren suchen. Es ist sehr<br />

kalt, aber jeden Tag geht sie hinaus, kehrt den Schnee von der Wiese,<br />

pflückt Erdbeeren und bringt sie nach Hause. Die böse Schwester ißt<br />

die Erdbeeren auf. Ich werde jeden Tag schöner und größer. Jedes<br />

Mal erzählt sie mir dieselbe Geschichte.<br />

Auf dem Kopf stehen<br />

Knie nicht verstecken<br />

in den Spiegel schauen<br />

keine Fragen stellen<br />

an der Tür lecken<br />

nicht gähnen<br />

einen Hut aufsetzen.<br />

Immer wenn sie mich besuchen kommt, fragt sie, wie es mir geht.<br />

Wie geht es dir? Mir geht es schlecht. Ich leide an Platzangst, an<br />

O-Beinen, an Eifersucht, an Herzrasen, an Menschenscheu, an<br />

meiner Schwester, an Müdigkeit, an schlechten Zähnen. Bis zur<br />

Hochzeit ist alles wieder gut, sagt sie. Ich werde nicht heiraten.<br />

Heiraten ist leicht, sagt sie. Eine Hochzeit führt zur nächsten.<br />

Die erste Heirat ist eine Ehe, die zweite tut weh, die dritte heißt<br />

Familienleben.<br />

Ich habe einen Vogel. Meine Schwester hat eine Katze. Der Vogel<br />

fliegt aus dem Käfig. Ich bin ein Fratz. Die Katze trinkt Milch.<br />

Meine Schwester singt. Ich springe ins Bett. Der Vogel sitzt auf<br />

dem Tisch. Die Katze ist fett. Meine Schwester ist klein. Ich bin<br />

ganz allein.<br />

Sie hat einen Hund. Die Schwester hat einen Fisch. Der Hund<br />

schläft im Bett. Der Fisch hat keine Gräten. Die Schwester ist<br />

ein Mädchen. Der Hund macht Männchen. Der Fisch öffnet das<br />

Maul. Sie pflückt Blumen. Die Schwester schreibt Briefe. Sie heißt<br />

Elfriede.<br />

Es beginnt immer gleich, es ist immer dasselbe. Ich bin in einem<br />

Zimmer. Ich gehe durch die rechte Tür, dasselbe Zimmer, ich gehe<br />

durch die linke Tür, dasselbe Zimmer, dann gehe ich geradeaus, es<br />

ist dasselbe Zimmer. Ich laufe durch mehrere Türen, ich bleibe an<br />

einem Schalter hängen, hinter mir stürzt ein Gatter herunter. Ich<br />

sehe eine große Rutsche, und ich weiß, das ist der einzige Ausweg.<br />

Plötzlich ist meine Schwester bei mir, wir rutschen gemeinsam<br />

hinunter.<br />

Das ist eine Schleife, du bist in einer Art Schleife. Irgendetwas<br />

stimmt nicht, aber du weißt nicht was. Du kommst da nicht mehr<br />

heraus. Es ist nicht deine Schuld. Es wird lange dauern. Du weißt<br />

nicht, wie alt du bist. Bist du 14 oder 42, <strong>16</strong>, 48, bist du 30?<br />

Ich laufe durch einen langen, hell erleuchteten Gang. Plötzlich<br />

stehe ich vor einer Tür. Auf dem Türschild steht Gästezimmer. Die<br />

Tür geht auf. Das Zimmer ist sehr klein, es hat keine Fenster. Die<br />

Wände sind weiß, frisch gestrichen. Ein Mann mit langen schwarzen<br />

Haaren sitzt auf dem Bett. Er ruft mich. Kuwitt didudit. Ich verstehe<br />

ihn nicht. Judith, komm mit. Ich stehe vor ihm. Er greift mit beiden<br />

Händen unter meinen Rock. Er lacht. Was bist denn du für ein<br />

Vogel? Er rupft mich. Das tut weh.<br />

Es tut weh mit dem Messer. Es tut weh mit einer Schere.<br />

Einmal wiederholen.<br />

Dreimal drehen.<br />

Stock oder Feder?<br />

Dreimal dreht sich die Seele.<br />

Ist das eine Idee?<br />

Bitte aufheben.<br />

Eier sparen<br />

einen Gürtel tragen<br />

Fliegen fangen<br />

eine Schwalbe falten<br />

viel lachen<br />

den Alten begraben<br />

auf der richtigen Seite schlafen.<br />

Über das Bett springen<br />

Brot nicht in die Tasche stecken<br />

Schuhe auf den Tisch stellen<br />

nicht mit dem Ofen reden<br />

das Taschentuch mit dem Mund<br />

aufheben<br />

nicht an den Himmel denken<br />

die Vorhänge anzünden.<br />

Eins, zwei, drei. Eins, ein Kind. Zwei, der Vater. Drei, die Mutter.<br />

Vier Wände hat das Zimmer. Fünf. Wer fürchtet sich? Eins und<br />

zwei und drei ist sechs. Sieben Sterne sieht man das ganze Jahr.<br />

Sieben oder acht? Acht und ewig. Neun, zehn. Neun weiße Federn.<br />

Zehn Finger und Zehen. Zwanzig. Wo ist der Schwanz?<br />

Delöhdjoh delöhdjoh ti tü tehüt jo<br />

dudidelet didudit düdlio di wet wet<br />

idlio düadlüo didlit schilp schilp stigelit<br />

gidleo tüli ziwi wi wi ziflit pickelnick<br />

bück bück zizitü sitz i da tschatzibitz.<br />

Immer wenn sie mich besuchen kommt, fragt sie, wer singt dann<br />

da so schön? Ist das ein Vogel? Das ist doch ein Vogel. Was ist denn<br />

das für ein Vogel?<br />

Das ist kein Vogel, sage ich. Er paßt nicht in den Käfig, und er paßt<br />

nicht in den Topf.<br />

Warum singst du nicht, fragt sie.<br />

Ich kann nicht singen.<br />

Sing Drossel! Pfeif Ente! Schrei Kranich!<br />

Ich werde nicht schreien.<br />

Schnurr Vogel!<br />

Nachtvogel mit vier Buchstaben<br />

schwarzer Vogel mit vier Buchstaben<br />

Singvogel mit vier Buchstaben<br />

Singvogel mit fünf Buchstaben<br />

diebischer Vogel mit sechs Buchstaben<br />

Greifvogel mit fünf Buchstaben<br />

Hühnervogel mit fünf Buchstaben<br />

Schneehuhn mit vier Buchstaben<br />

Wasservogel mit vier Buchstaben<br />

ägyptischer Sonnenvogel mit zwei Buchstaben<br />

Wappenvogel mit drei Buchstaben<br />

Storch in der Fabel mit sechs Buchstaben<br />

storchenartiger Vogel mit vier Buchstaben<br />

australischer Laufvogel mit drei Buchstaben<br />

neuseeländischer Singvogel mit drei Buchstaben<br />

Singvogel mit sieben Buchstaben<br />

Vogelkäfig mit fünf Buchstaben<br />

Ziervogel mit vier Buchstaben<br />

Vogelweibchen mit fünf Buchstaben<br />

männlicher Vogel mit vier Buchstaben<br />

Vogelbau mit vier Buchstaben<br />

Margret Kreidl, geboren 1964 in Salzburg, lebt als freie Schriftstellerin in Wien,<br />

schreibt Theaterstücke, Hörspiele, Prosa und Lyrik. Zuletzt: Kinderspiel, ORF 2007.


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII - FRANCE <strong>ST</strong>/A/R <strong>ST</strong>/A/R 49<br />

FRANCE<br />

trouvez une version française du France-<strong>ST</strong>/A/R sur<br />

www.star-wien.at/france_star.html<br />

Franzosen in Wien: Pauline Binoux, Joëlle Raverdy, Olivier et Véronique de Faÿ.<br />

Viennale: Thomas Leitner. Krinzinger Projekte: Suite française . Wein und<br />

Kunst: Ulf Hartner. Malerei: Christian Perrais. Performance: Tsuniko Taniushi.<br />

Literatur: Diane Meur, Architekur: Chaix & Morel et associés.<br />

<strong>ST</strong>/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R ?<br />

Hier gibt es<br />

nur einen <strong>ST</strong>/A/R,<br />

und zwar mich!<br />

Wo ist meine Krone?<br />

Was tun Franzosen in Wien, wie sehen<br />

Französinnen Wiener Würste? Wo gibt es die<br />

besten Galettes des Rois? Französische Weine?<br />

Kunst? Was passiert gerade in Paris?<br />

Die *<strong>ST</strong>/A/R*-AnzeigenverkaufsteamerInnen Dr.<br />

lit. Brigitte Bercoff und Dr. art. Christian Denker<br />

berichten.<br />

Wir lieben uns und Brigitte ist<br />

didier@ledide.com<br />

Où sont mes<br />

petits fours?<br />

AUX DEUX FLORE:<br />

Die besten „Galettes des rois“<br />

der Stadt Wien<br />

W er glaubt französische Küche sei teuer<br />

oder schwer, den klärt Joëlle Raverdy,<br />

Chefin beim Cateringservice Aux deux Flore,<br />

gerne auf: Quiches, Salate, Petits fours,<br />

Pasteten, Feingebäck, Desserts und Kuchen<br />

gehören in Frankreich zur alltäglichen Küche.<br />

Joëlle fertigt selbst an, unmittelbar für den<br />

Verkauf. So kann sie Delikatessen zu erschwinglichen<br />

Preisen anbieten.<br />

Es war ein langer Weg, bevor Joëlle Ihren<br />

Restaurantbetrieb sie zu einem Cateringservice<br />

ausbauen konnte. Die Verwaltungslage zwang sie dazu, ihre Kochkunst zunächst<br />

unter dem Label «pizza française» » zu vertreiben. Inzwischen hat sich die Gesetzeslage<br />

geändert. Sie kann nun die volle Bandbreite der französischen Art de cuisine anbieten.<br />

Aufträge für Empfänge, Eröffnungen und Betriebsfeste von Unternehmen wie Air<br />

France und Peugeot erfüllt sie ebenso gerne wie kleinere Bestellungen für Familienfeste,<br />

Geburtstagsfeiern und Brunch oder Abendessen. Joëlle hat selbst Kinder und<br />

weiß schon deshalb preiswerte Qualität zu schätzen. Gute Küche beruhe auf frischen<br />

Zutaten.<br />

Privat unterstützt Joëlle die Amicale des Femmes Francophones. Mit Geduld und<br />

Mut könnten sich mehr ausländische Mütter in Wien durchzusetzen, es lohne sich!<br />

Zu ihrem Wiener Stammkundenkreis gehören besonders Franzosen. Ungeachtet ihrer<br />

internationalen Bedeutung, hätte es die französische Küche bei vielen Österreichern<br />

noch immer nicht ganz leicht. Zur Freude des <strong>ST</strong>/A/R-Redaktionsteams beliefert Joelle<br />

regelmäßig das Café Kafka (6. Bezirk, Capistrangasse 8).<br />

<strong>ST</strong>/A/R empfiehlt für den Januar die Bestellung von Galettes des rois zum Fest der<br />

heiligen drei Könige. In die Galettes, Blätterteigkuchen mit<br />

Marzipanfüllung, wird nach französischer Sitte eine kleine Porzellanfigur<br />

eingebacken. Wer die Figur in seinem Kuchenstück<br />

findet, der wird nach französischer Sitte gekrönt zum König für<br />

einen Tag und muss die nächste Galette besorgen. Diese Sitte<br />

sollte auch in Wien heimisch werden. Bitte ausprobieren!<br />

AUX DEUX FLORE / Joëlle Raverdy, ,<br />

Roseggergasse 11, 3412 Kierling, 0664/533 5418,<br />

joelle.raverdy@auxdeuxflore.com


50 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII - FRANCE <strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

<strong>ST</strong>/A/R.s.Tierleben präsentiert:<br />

ein österreichisch-französischer<br />

Tierbildroman<br />

Pauline Binoux<br />

sieht wienerisches<br />

Pauline lernt Zeichnen von ihren<br />

Künstlereltern. Später übt sie weiter mit<br />

Jean-Paul Gautier, arbeitet als Designerin<br />

in der Werbung und als Illustratorin bei<br />

verschiedenen Modezeitungen. Sie zieht<br />

von Paris nach Barcelona, wo sie an der<br />

Konzeption der Feierlichkeiten<br />

der Olympischen Spiele von<br />

1992 mitarbeitet und ein<br />

Kunst-Printmedium: „Muy<br />

Fragil” gründet. Seit 1994<br />

wohnt und zeichnet sie in<br />

Wien, wo sie sich gemeinsam<br />

mit frankophilien Freundinnen<br />

und Freunden im Kulturverein<br />

Le Club du mardi engagiert.<br />

www.paulinebinoux.com<br />

Das pariser Kätzchen<br />

Hortense vom Butteaux-Cailles<br />

verbringt<br />

ihre Ferien beim<br />

Heidulf, nein, nicht in<br />

Kärnten, sondern in<br />

Wien, gleich hinter der<br />

Gerngrosssäule. Sie<br />

denkt an Kibbutz, mit<br />

dem ihre Eltern sie<br />

verlobt haben.<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Gastköter<br />

Kibbutz<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Gastmuschi<br />

Hortense<br />

Kibbutz lebt im Wald<br />

in Frankreich bei<br />

Perpignan, neben<br />

dem neuen Schwimmbad.<br />

Er sorgt sich um<br />

Hortense, die er noch<br />

nie in seinem Hundeleben<br />

sah.<br />

Ja, solche Geschichten schreibt das Leben für den France-<strong>ST</strong>/A/R.<br />

Haben auch Sie eine unvergessliche Geschichte für <strong>ST</strong>/A/R.s. Tierleben?<br />

Wir warten gespannt auf ihre E-Mail:<br />

france-star@safe-mail.net<br />

Fotos: ClaraAltenburger, Robert Newald<br />

Mia Hansen-Løve, Regisseurin von Tout est pardonné / Regisseur Jean-Claude Rousseau, der mit De son appartement, sowie Kurzfi lmen vertreten war / Regisseur Nicolas Philibert im französischen Kulturinstitut; Serge Bozon, Regisseur von La France.<br />

Die Viennale als Spiegel der gegenwärtigen französischen Kinolandschaft<br />

Ein zwiespältiges Bild ergibt sich, wenn man die Präsenz des französischen Films bei der Viennale 2007 betrachtet:<br />

Die gemeinsam mit dem Filmmuseum veranstaltete Retrospektive über den „Essayfilm“ zeigt die<br />

zentrale Rolle französischen Filmens bei der Herausbildung einer künstlerisch eigenständigen<br />

und intellektuell reflektierten Form des Kinos. Der Begriff „Essayfilm“ wird übrigens im vom Kurator<br />

und Filmemacher Jean-Pierre Gorin herausgegebenen Katalog brillant umrissen und durch das<br />

Programm abgesteckt. Jean Rouch, Jean-Luc Godard, Chris Marker, Jean-Marie Straub, Marguerite<br />

Duras, Chantal Akermann – sie alle haben auf unterschiedliche Weise die Ausdrucksmöglichkeiten<br />

des Filmens neu ausgetestet, Rahmen gesprengt, Tore geöffnet und Maßstäbe gesetzt. Wie in keiner<br />

anderen „nationalen“ Filmschule wurde über Jahrzehnte hinweg thematisiert, was durch Kino zu<br />

sagen und zu zeigen ist, wurden die Grenzen zwischen Fiktion, Dokumentation und Pamphlet<br />

in so faszinierender Weise immer wieder neu in Frage gestellt. („National“ ist am besten ja wohl<br />

immer unter Anführungszeichen zu setzen, hier aber in ganz besonderer Weise, betrachtet man die<br />

Herkunft dieser aller Protagonisten des „französischen“ Kinos: ob aus Amerika, oder dem kolonialen<br />

Indochina, der Schweiz oder Belgien, dem grenznahen Deutschland – aus allen diesen Provenienzen<br />

kam man in Paris zusammen, um an dieser Laboratoriumssituation eines immer wieder neuen Kinos<br />

mitzuwirken.)<br />

Im Hauptprogramm der Viennale war die große Tradition der Nouvelle Vague durch zwei Werke der<br />

beiden Altmeister Claude Chabrol und Jacques Rivette würdig vertreten.<br />

Und immer noch kann man auf so gut programmierten Festivals wie eben der Viennale den einen oder<br />

anderen Künstler, der einer Tradition der permanenten Avantgarde verbunden ist, entdecken. Heuer<br />

war dies wieder Jean-Claude Rousseau mit seinem sehr abstrakten „Spielfilm“ „De son appartement“<br />

und einem faszinierenden Kurzfilmprogramm. Welch eine Freude, einem Filmkünstler zu begegnen,<br />

dessen innerstes Anliegen die Organisation von Zeit durch Bild und Ton ist, und der sich dadurch dem<br />

Wesen des Films so eng verpflichtet.<br />

Die Vitalität des Filmschaffens in Frankreich war aber immer davon geprägt, daß es neben diesen<br />

Meister- und Ausnahmewerken eine Palette von Publikums- und Unterhaltungsfilmen von hoher<br />

Qualität gab. Darum ist es im Moment schlechter bestellt: So geschwätzig wie in „Tout est pardonné“ von<br />

Mia Hansen-Love sind Genrebilder aus der Pariser Szene noch selten dahergekommen. So überspannt<br />

und hysterisch wie in „Actrices“ von Valeria Bruni-Tedesci wurde noch selten versucht, bei Rivette<br />

liebgewonnene Topoi zu imitieren. So konventionell und rührselig wie in „La France“ von Serge Bozon<br />

wurde in den letzten Jahren kaum mit Versatzstücken französischer Geschichte jongliert. Vielleicht<br />

liegt es daran, daß alle genannten Regisseure (und einige andere junge Filmemacher) ihre Karriere als<br />

Schauspieler begonnen haben, und sich überhaupt das Interesse an den Darstellern immer mehr in den<br />

Vordergrund drängt?<br />

Freilich, bei aller Kritik an den letzten „Jahrgängen“: Im Vergleich zur ehemals großen Filmnation<br />

Italien sind dies alles Luxusprobleme von Kommerzialisierung und Verflachung. Das italienische<br />

Kino hingegen glänzt durch Abwesenheit…<br />

Dr. Thomas Leitner<br />

Le Bateau Livre<br />

Ihre französische Buchhandlung im Studio Molière<br />

Lichtensteinstr. 37 A-1090 Wien Tel. 01 - 317 80 94<br />

Kommen Sie an Bord des Bateau Livre!


Nr. <strong>16</strong>/2007 Buch VII - FRANCE <strong>ST</strong>/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R 51<br />

Frankophile Gaumenfreuden<br />

Im Bistrot Wein & Kunst, beim Karlsplatz, in der Argentinierstrasse, serviert Ulf Hartner<br />

feine Mahlzeiten. Das Ambiente zieht nicht nur frankophile Wiener in seinen Bann. Hinter der<br />

gediegenen Geschäftsfassade ist der Gast Souverän im Reich lukullischer Genüsse. findet<br />

einfühlsame Beratung bei der Wahl von hochklassigem Rot- oder Weißwein und selbstverständlich<br />

auch von Champagner, Cognac, Pastis und Cidre. Aber nicht nur flüssige Gaumenfreuden<br />

werden hier gepflegt. Als gelernter Patissier beherrscht der Chef eine Spitzendisziplin<br />

französischer Kochkunst. Auf der Karte steht neben einer Vielzahl von Crêpes salées und<br />

sucrées sowie französischen Klassikern wie Zwiebelsuppe, Ente auf Vogelsalat, Quiche Loraine<br />

und Mousse au chocolat ein täglich wechselndes Menuangebot. Kulinarische Thementage zu<br />

Coque au vin, Moules et frites und Fromage et vin ergänzen das Angebot. Exquisiter Käse,<br />

Pariser Schinken, edle Senfe und Gänsepasteten und sind ständig im Angebot. Tipp: Auch alle<br />

angebotenen Weine sind außer Haus verkäuflich.<br />

www.weinundkunst.at<br />

Olivarium: Alles rund um den Olivenbaum<br />

Was vom Olivenbaum kommt, dass lässt sich gut verkaufen! Auf dieser Idee beruht der geschäftliche<br />

Erfolg von Olivier und Véronique De Faÿ. Sie handeln subtile Öle für Feinschmecker, direkt von den<br />

Produzenten in verschiedenen Mittelmeerländern, aber auch Seife, Kosmetik und schöne Objekte aus<br />

Olivenholz, Glasflakons aus Syrien für feines Tafelöl auf dem Esstisch; delikat kolorierte Tonschüsseln<br />

aus der Stadt Aubagne in Südfrankreich zum Servieren der Oliven. Olivarium ist ein Begriff, der<br />

verschiedene Domänen berührt, von der Gastronomie über den Haushalt zum Handwerk. Darin<br />

liegt seine besondere Bedeutung. Sie suchen ein bestimmtes Öl? Sicher, Sie haben Glück, Sie können<br />

zwischen verschiedenen Hochqualitätsölen wählen, die von den Produzenten empfohlen und auf<br />

einer für jedes Produkt eigens redigierten Notiz ausführlich beschrieben werden. Sie erfahren alles<br />

über die Herkunft, die Produktionsbedingungen und die Vorzüge. Bitte vergessen Sie darüber nicht<br />

die weltbekannten Würfel der Savon de Marseille, Körpercreme auf Olivenölbasis, Rhassoul-Erde, die<br />

auf Haut und Haaren orientalischer Schönheiten Verwendung findet; schwarze Seife, die früher in<br />

jeden ökologisch korrekten Haushalt gehörte; aber auch Schalen, Bretter und Deckel aus Olivenholz, in<br />

warmen Tönen und in originellem Design. Besonders toll ist der Holzlöffel, der auf der Arbeitsfläche<br />

keine Flecken hinterlässt! Olivarium hat noch eine weitere, seltene Eigenschaft von hohem ethischen<br />

Wert: es handelt sich um eine Föderation verschiedener Marken, die Produzenten nachhaltig fördert<br />

und die Marke im Hintergrund hält. Die Gründer von Olivarium sind Franzosen, die in Portugal gelebt<br />

und ihren Unternehmenssitz nach Österreich verlegt haben, die Produkte stammen aus verschiedenen<br />

mediterranen Gebieten: Spanien, Italien, Frankreich, Griechenland, Nordafrika und vorderer Orient.<br />

Die Reise um das Mittelmeer liegt so nahe, wie ein Spaziergang durch das schöne Palais Ferstel,<br />

Herrengasse 14/G12, 1. Bezirk.<br />

www.olivarium.com<br />

Tsuniko Taniushi,<br />

Micro-événement n°18bis / MARIANNE,<br />

Performance, 9. Mai 2006, La Force de l’art, Paris,<br />

Grand Palais.<br />

Stéphane de Medeiros,<br />

C‘est samedi,<br />

Performance,<br />

23 juin 2007,<br />

Paris, A3-ART,<br />

Eglise Saint Sulpice.<br />

Eucarbon fördert französische Verdauungsphilosophie!<br />

Info français: http://www.trenka.at/index.php?lang=fr<br />

Info deutsch: http://www.trenka.at<br />

Die Pariser Sehnsucht nach Wiener Kultur<br />

Tsuniko Taniushi und Stéphane de Medeiros sind zurückgekehrt nach Paris. Doch die hohe Qualität ihrer<br />

künstlerischen Arbeit ist in Wiener unvergessen. „Es hat einfach ein paar Monate gebraucht, diese<br />

Erfahrung zu verdauuen”, erklärt Heidorf, Träger des kleinen Gerngrosssäulenposterbandes . „Es ist gut<br />

wenn sich Wien international öffnet. Wir haben ja noch so viel zu lernen”.<br />

Stephan de Medeiros verteidige im MAK Kosuths Idee einer analytischen und tautologischen Kunst, trieb<br />

das Prinzip der Autoreferenzialiät an seine extremen Grenzen und denunzierte die postmoderne Moderne<br />

der modernen Postmoderne . Wichtig ist dabei alles was seine Erinnerung verwirft, weil sie keinen Nutzen<br />

dafür hat. In diesem Zusammenhang erinnert sich besonders gerne an die hervorragenden Würste<br />

in Wien: „Viele Künstler unterschätzen die Ost-Küche, weil sie ein bisschen fett wirkt“, schreibt er uns.<br />

„Würde in Paris bekannt, was für tolle Würste es bei Euch in Wien gibt, das französische Lebensgefühl<br />

wäre angeschlagen. Von Eurer Fähigkeit, Würste zu produzieren und gewinnreich zu verkaufen können<br />

wir Westeuropäer nur träumen!“<br />

Tsuniko Taniuchi hatte für ihr Micro-événement no 25 eine Bar aus Eisblöcken konstruiert. Hinter dem<br />

Eisblock servierte sie, als Bunny Girl verkleidet, VIP (Vodka, Ice and Peel) Coctails. Während das Eis<br />

langsam schmolz, schlug sie mit einem Hammer Eisstücke zur Kühlung. Stück für Stück wurde dem Publikum<br />

dabei ihr Unterkörper sichtbar. Die Performerin erinnert sich besonders gerne an die charmanten<br />

Umgangston in Wien: „Elfriede Jelinek begeistert mich schon seit vielen Jahren. Nun habe ich die wiener<br />

Wirklichkeit mit eigenen Ohren beobachten können. Was für ein Schauspiel! Ich bin nicht sicher, ob Menschen<br />

anderswo in der Welt Depressionen von vergleichbarem Ausmass entwickeln oder ertragen können<br />

ohne sich selbst zu töten. Die Stadt ist eine Reise wert.“<br />

Ja, so klingen zufriedene, erfolgreiche Performer, wenn sie an ihre schöne Zeit auf dem <strong>ST</strong>/A/R-Fest<br />

zurück denken. Wiener Charme begeisert die Welt!<br />

Zurück in Paris profitieren Tsuniko und Stéphane von den tollen Erinnerungen an Wien. Tsuniko: “immer<br />

wenn ich eine französische Flagge sehe, dann denke ich an Österreich, werfe mich in Pose und tanze vor<br />

Freude”. Stéphane: “Schon am Morgen schmiere ich mir ein wenig Crème-de-<strong>ST</strong>/A/R ins Gesicht, dann<br />

kann ich die Sehnsucht nach Wien leicher ertragen”. (Kostenloser Exklusivbericht von Dr. C. W. Denker)


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VII - FRANCE <strong>ST</strong>/A/R <strong>ST</strong>/A/R 53<br />

<strong>ST</strong>/A/R- Denker Dr. Denker<br />

denkt an frankophone Künstler<br />

Künstlerinnen und Künstler<br />

Kader Attia, geboren 1970 in Dugny, lebt und arbeitet in Paris<br />

Fabrice Hyber, geboren 1961 in Lucun, lebt und arbeitet in Paris<br />

Florentine et Alexandre Lamarche-Ovize, geboren 1978 und 1980 in Paris, leben und arbeiten in<br />

Paris<br />

Guillaume Leblon, geboren 1971 in Lille, lebt und arbeitet in Paris<br />

Claude Lévêque, geboren 1953 in Nevers, lebt und arbeitet in Montreuil<br />

Mathieu Mercier, geboren 1970 in Conflans-Sainte-Honorine, lebt in Paris<br />

Bruno Peinado, geboren 1970 in Montpellier, lebt und arbeitet in Douarnenez<br />

Morgane Tschiember, geboren 1976 in Brest, lebt und arbeitet in Paris<br />

Fabien Verschaere, geboren 1975 in Paris, lebt und arbeitet in Paris<br />

Erfolgreicher Kurator 1:<br />

Steven Guermeur<br />

Ein Höhepunkt:<br />

Im 2. Stock der Projekträume vermitteln betende Mädchen als verlohrene Formen lebendiger Menschen<br />

eine Vorstellung von schwerer Leichtigkeit, persönlichkeitswahrender Uniformität, entleerter Körperlichkeit,<br />

dunkler Innenwelten, emotionaler Versenkung in kühles Material und empfindsamer Hingabe an<br />

eine tiefe Gemeinschaftlichkeit: Kader Attia “Emptiness/Fullness (Ghost)” (2007, 80 Skulpturen aus<br />

Aluminiumfolie, Ed. 3/3, Masse variabel).<br />

Erfolgreicher Kurator 2:<br />

Corentin Hamel<br />

ABBILDUNG: BRUNO PEINADO, »L’AUGU<strong>ST</strong>E«, 2007, ALUMINIUM, NEON, 180 X 140 X 10 CM<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Collage für Fabrice Hyber:<br />

“N’View”, (2007, Holz, 100 x 300 x 200 cm) erlaubt die Exekution von kritischen und von weniger<br />

kritischen Blicken. “Alps revelation”, (2007, Öl auf Leinwand, 150 x 280 cm), der Hyber grüsst Wien:<br />

Autriche-Autruche-Baudruche! Hybergrün inkludiert! Endlich: Ein Straussenei kann in der Stadt des<br />

Walzerkönigs von innen besichtigt werden: “Revelation I”, (2007, Öl auf Leinwand, 150 x 150 x 80 cm).<br />

SUITE FRANÇAISE<br />

Die Suite française sei eröffnet!<br />

KADER ATTIA, FABRICE HYBER, GUILLAUME Ursula Krinzinger LEBLON, engagiert FLORENTINE sich souver-LAain<br />

für LÉVÊQUE, junge Kunst MATHIEU aus Paris. MERCIER,<br />

MARCHE & ALEXANDRE OVIZE, CLAUDE<br />

BRUNO PEINADO, MORGANE TSCHIEMBER, FABIEN VERSCHAERE<br />

KURATIERT VON CORENTIN HAMEL UND Ein <strong>ST</strong>EVEN <strong>ST</strong>/A/R-Dankeschön GUERMEUR an das<br />

MIT FREUNDLICHER<br />

UNTER<strong>ST</strong>ÜTZUNG DURCH:<br />

Franzosenkunst?<br />

Zeitgenössische Kunst sperrt sich gegen nationale<br />

Zugehörigkeiten. Wenn im Rahmen der Krinzinger Projekte<br />

dennoch eine Folge von zehn französischsprachigen Künstlern<br />

vorgestellt wird, so geht es dabei nicht um eine Suche nach<br />

vergangener Identität, sondern um die Auflösung von Klischees<br />

zur „art contemporain“.<br />

KRINZINGER<br />

SCHOTTENFELDGASSE 45 | A - 1070 WIEN<br />

Ö<strong>ST</strong>ERREICH | TELEFON +43 1 512 81 42<br />

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WWW.GALERIE-KRINZINGER.AT/PROJEKTE<br />

ABBILDUNG: BRUNO PEINADO, »L’AUGU<strong>ST</strong>E«, 2007, ALUMINIUM, NEON, 180 X 140 X 10 CM<br />

PROJEKTE GEÖFFNET MI–FR 15–19 UHR, SA 11–14 UHR<br />

DAUER: 14. NOVEMBER – 9. FEBRUAR 2008<br />

Blech und Liebe<br />

Drei Arbeiten zur Verbesserung von Crashtests duch<br />

emotional anregende Monochromie: Bruno Peinado,<br />

“Ohne Titel, Flat Black, Pale Gray, Pale Cadillac,<br />

California’s System Game Over”, (2007, Metall, 220 x 60<br />

x 39 cm)<br />

Suite Française<br />

Bachs Französische<br />

Suiten vereinen sechs<br />

barocke Zyklen für<br />

Tasteninstrumente, von<br />

denen fünf im Clavier-<br />

Büchlein für Anna<br />

Magdalena Bach von 1722<br />

enthalten sind. Warum die<br />

Suiten die Bezeichnung<br />

„Französisch“ erhielten, ist<br />

nicht abschließend geklärt<br />

- von Bach ist sie sicher nicht.<br />

Mondrian 2007<br />

„Es ist als hätte Duchamp sich bei IKEA<br />

umgesehen“: “Drum and Bass Lafayette”, (2005,<br />

Regal aus Holz und Metall, Stoff, Plastik, 100 x 100 cm).<br />

Prima Logo<br />

Gekonnt gelochtes<br />

Leichtmetall<br />

versinnbildlicht die<br />

gelassene Gediegenheit<br />

publikumswirksamer Objektgestaltung<br />

im Rahmen der<br />

europäischen Kunstmarktentwicklung: MIT FREUNDLICHER Bruno<br />

Peinado, “L’auguste”, UNTER<strong>ST</strong>ÜTZUNG<br />

(2007, Aluminium und<br />

DURCH:<br />

Neonröhren, 120 x 120 cm).<br />

SUITE FRANÇAISE<br />

KADER ATTIA, FABRICE HYBER, GUILLAUME LEBLON, FLORENTINE LA-<br />

MARCHE & ALEXANDRE OVIZE, CLAUDE LÉVÊQUE, MATHIEU MERCIER,<br />

Toilettengang<br />

BRUNO PEINADO, MORGANE TSCHIEMBER, FABIEN VERSCHAERE<br />

Da staunt der Benutzer<br />

<strong>ST</strong>EVEN nicht schlecht: GUERMEUR<br />

Comix,<br />

KURATIERT VON CORENTIN HAMEL UND<br />

Hip Hop, Märchen und<br />

sexueller Selbstbezug auf dem Weg zum kleinen<br />

Ort: Fabien Vershaere war hier!<br />

(2007, in Situ für die K’-Projekte).<br />

KRINZINGER<br />

PROJEKTE<br />

Und sonst?<br />

Mathieu Mercier: In einem Eimer wird Farbe von innen heraus<br />

gequirlt, ein Stuhl verspricht gut belüftete Hintern, ein geknautschter<br />

Vogelkäfig verlacht europäische Normierungswut, eine Baseballmaske<br />

aus den 1960er Jahren veranschaulicht den musealen Charakter einer<br />

Kultur, die sich andere Kulturen gerne in Museen steckt. Guillaume<br />

Leblon: Papierhaltemetallgestelle vermitteln Bezügen zwischen<br />

ästhetischer Präsentation und wirtschaftlicher Konsumation. Florentine<br />

und Alexandre Lamarche-Ovize: sieben Serigraphien auf Papier<br />

„Blocked images“ sowie ein von Beton durchdrungenes Zelt mit Seil,<br />

Rollen und Brett. Morgane Tschiember: Pop Up! Fabien Verschaere:<br />

Comicfiguren mit kindlichen Sexappeal im Styl afrikanischer<br />

Erzählungen, Hip Hop und Märchen.<br />

<strong>ST</strong>/A/R Preisverleihung:<br />

"Der schlimmste fliegende Finger"<br />

Der erste Preisträger der beliebten <strong>ST</strong>/A/R-Photo-Trophäe<br />

“Der schlimme fliegende Finger” -verliehen für den frohsinnigsten<br />

Umgang mit mitteleuropäischer Kochkunst an<br />

Claude Leveque für s“mon doigt est à l’aise dans un morceau<br />

de fromage autrichien” (13.11.2007. Photoperformance<br />

SCHOTTENFELDGASSE 45 | A - 1070 WIEN<br />

Ö<strong>ST</strong>ERREICH | TELEFON +43 1 512 81 42 im Wiener Institut Français).<br />

E–MAIL KRINZINGERPROJEKTE@GMX.AT<br />

WWW.GALERIE-KRINZINGER.AT/PROJEKTE<br />

GEÖFFNET MI–FR 15–19 UHR, SA 11–14 UHR<br />

DAUER: 14. NOVEMBER – 9. FEBRUAR 2008<br />

Budenzauber in Wien<br />

Kein Feuerwerk gleicht dem anderen, wenn der sichbar erscheinende Kang einer kontrastreichen Explosion<br />

den Geruchssinn sensibler Menschen in weite Ferne führt. Claude Léveque, “Albatros” (2003,<br />

Schwarz-Weiss-Video, Unikat, Installation).<br />

Déjà vu à Paris, aber<br />

die a capella Version von Adamos “Tombe la neige” hinterlässt<br />

iim Keller der Krinzinger Projekte ein en ganz besonders<br />

n,achhjaltigen Eindruck. Claude Lévêque, “Ligne<br />

Blanche”, (2004, Holzbretter, Neonröhre, Tonbandaufnahme,<br />

Installation, Masse variabel).


54 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII - FRANCE <strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Christian Perrais<br />

chaperrais@wanadoo.fr<br />

Christian Perrais<br />

Geboren 1951 in Saint Nazaire, studierte Christian Perrais Malerei an den Beaux Arts in Nantes. Seit Abschluss seiner Diplomarbeit 1972, unterrichtet er<br />

regelmäßig plastische Kunst an verschiedenen Universitäten: Ecole Camondo, Institut de Communication Visuelle, Ecole des Beaux-Arts. Er wohnt und<br />

arbeitet in Paris. Seit 1977 ist er regelmäßig auf Ausstellungen in Frankreich und im Ausland vertreten.<br />

Zone, 1999,<br />

Mischtechnik auf Leinwand, 177,5 x 177,5 cm<br />

Dichtung und Malerei<br />

Als ich Paul Celan entdeckte, veränderte sich meine Erfahrung<br />

der Dichtung. Ich war verblüfft, dass eine so mächtige Dichtung<br />

mit so geringem Aufwand möglich ist und wollte von nun an<br />

Malerei mit wenigen Mitteln betreiben. Ich fing an, Quadrate und<br />

Rechtecke zu malen, die sich auf eine formelle Weise scharf von<br />

einem Hintergrund abheben. Zunächst hatte das einen anekdotischen<br />

Grund: mein Interesse an Rothko und Reinhardt, die ich<br />

dafür bewundere, das Menschliche gemalt zu haben.<br />

Die Verwendung von Handschrift hat mir Gelegenheit gegeben,<br />

zwei Pole der modernen Malerei zusammen zu bringen:<br />

die Gesten von Pollock und die Versunkenheit von Rothko. Am<br />

Anfang habe ich Bruchstücke von Gedichten auf die Leinwand<br />

projiziert, dann habe ich die Zeichen vergrößert und gestreckt, bis<br />

sie zu Formen wurden, die sich mit dem Stoff des Bildes vereinigten.<br />

Ich suchte einen Einklang, so dass die Handschrift nicht<br />

Text über einen gefärbten Grund bleiben würde, sondern Malerei<br />

wurde. Ich suchte die Lesbarkeit zu vermindern und eine gemeinsame<br />

Körperlichkeit zu finden. Der Maler und der Dichter bewegen<br />

sich auf dem selben Weg der Empfindung und ich wünschte eine<br />

Verschmelzung zwischen Malerei und Dichtung.<br />

Vanités<br />

Nach einigen Jahren brauchte ich einen Nullpunkt oder einen<br />

neutralen Bezug. Ich wollte so etwas wie Demut erlangen. Seit<br />

2003 male ich „Vanités“. Der Schädel ist ein reiches Motiv, das<br />

zur Abstraktion einlädt: der höchst gelegenen Aussichtspunkt,<br />

erlaubt weder eine sofortige Identifizierung noch ein morbides<br />

Echo. Diese Arbeit hatte ich schon vorher mit Studien anatomischer<br />

Zeichnungen von Leonard da<br />

Vinci begonnen. „Vanités“ weisen auf die<br />

gesamte westliche Kunstgeschichte hin, auf<br />

ihre langsame Säkularisation und auf eine<br />

anhaltende Meditation über Tod und über<br />

den Übergang vom Sichtbaren zum Geistigen.<br />

Das „T“ von Thanatos kann ein Kreuz<br />

werden, auf dem meine Bilder filigran<br />

aufbauen: beide Zeichen, „T“ und Kreuz,<br />

durchgeistern die Kunstgeschichte.<br />

In die Verwendung von Handschrift<br />

schreibt sich eine Geste ein, die in den<br />

„Vanités“ weniger bemerkbar ist. Ich<br />

möchte aus einer zyklischen Notwendigkeit<br />

heraus eine Einfachheit erlangen, um<br />

gerade das zu erreichen, was auf dem Bild<br />

erscheint, um keine Malerei produzieren,<br />

die sich im Kreis dreht und nur von sich<br />

selbst erzählt. In den „Vanités“ gibt es keine<br />

Vermittlung: wir begegnen einem Ding und<br />

das ist schwierig zu ertragen. Arnulf Rainer<br />

arbeitet auch in diesem Bereich, wenn er<br />

versucht, sich von den Gesten zu trennen.<br />

Heute malen<br />

In der Welt der Malerei erneuert man entweder die moderne<br />

Geste -ihre Kraft erschöpfend- oder man bricht mit ihr, um mit<br />

einer Illustration der Welt oder mit einem Expressionismus<br />

zurück auf das Vergangene zurück zu kommen. Ich kämpfe mit<br />

dieser<br />

Erbschaft, um das Abenteuer der Malerei zu verfolgen ohne es zu<br />

wiederzuholen.<br />

Der Ort der Malerei ist heute kompromittiert: sie tritt in Konkurrenz<br />

mit sozialen oder begrifflichen Objekten. Gemeinsam mit<br />

anderen Malern folge ich Gedanken von Peter Sloterdijk, und<br />

versuche aus der Abgeschiedenheit auszubrechen, in die uns der<br />

Kunstmarkt hineinzwingt. Es ist wichtig für uns, das Menschliche<br />

wieder in die Mitte zu stellen. Denn das Menschliche ist dabei das<br />

Gesicht zu verlieren.<br />

Paris, November 2007<br />

Gespräch, Redaktion und Übersetzung Brigitte Bercoff<br />

De sang de cendres, 2007,<br />

peinture sur toile, techniques mixtes, 146 x 114cm<br />

Grosses Bild oben: Aquarelle Atlantique, 2007,<br />

Aquarelle, 65 x 50 cm


Nr. <strong>16</strong>/2007 Buch VII - FRANCE <strong>ST</strong>/A/R<br />

<strong>ST</strong>/A/R 55<br />

Literatur<br />

Les vivants et les ombres<br />

DIANE MEUR<br />

DIANE MEUR, geboren 1970 in Brüssel. Seit 1987 in Paris ansässig, wo sie heute<br />

als Schriftstellerin und Übersetzerin (u. a. von Erich Auerbach, Heinrich Heine, Paul<br />

Nizon) tätig ist. Ihr dritter Roman Les Vivants et les ombres ist ein Familienroman, der<br />

1820-1890 bei polnischen Grundherren in Galizien spielt und vom Haus selbst als<br />

nichtmenschlichem und doch höchstempathischem Subjekt erzählt wird. Gesprochen<br />

wird von Menschengenealogien und geschichtlicher Dialektik, Zeitwandel und<br />

Ortsgebundenheit, vom Völkerfrühling und Herbst einiger Freiheitsmythen, von<br />

Nationalterritorien und Extraterritorialität – und zwar immer vom Standpunkt des<br />

Hauses aus, das wie die meisten Bewohner nach der Welt hungert doch der Erdscholle<br />

zugeschrieben ist. Mit besonderer Teilnahme beobachtet es die vielen Frauen, die<br />

hier leben beziehungsweise leben möchten. Gelegentlich aber, vor allem wenn das<br />

Zeitgeschehen ihm nicht gefällt, kehrt es sich davon ab und… schläft ein, wobei es sich<br />

ausnahmsweise eigenem Nachsinnen hingibt.<br />

Zuweilen frage ich mich, wie es hier in der Folgezeit<br />

ausgesehen hätte, wäre ich eben nicht<br />

mehr wieder erwacht. Wohl nicht anders, als es<br />

tatsächlich aussah. In den hundertundzwanzig Jahren<br />

meines bisherigen Lebens hatten meine Mauern und<br />

alles, was meinen Leib ausmacht, genügend Bilder, Erinnerungen,<br />

Worte und Gerüche eingesaugt, um auf meine<br />

Bewohner fortzuwirken. Vollgetränkt begannen sie nun,<br />

das Eingesaugte wieder auszuschwitzen, ohne dass ich,<br />

beziehungsweise mein Wille, dazu nötig war. Wie aus mit<br />

Salz (gutem Erdsalz aus den k.u.k. Salzgruben Galiziens)<br />

bestreuten Gurkenscheiben sickerte aus ihnen eine<br />

Substanz, die die Menschen je nach Geistesanlage „Notwendigkeit“,<br />

„Schicksal“ oder auch „Atavismus“ genannt<br />

hätten. Der sachliche Agenor deutete sie als Feuchtigkeit,<br />

was zwar nicht ganz falsch, doch etwas simpel ist.<br />

Alles Folgende wäre also ungefähr dasselbe gewesen,<br />

auch wenn ich nicht daran teilgenommen hätte. Neue<br />

Vogelnester wären unterm reparierten Dach von Jahr zu<br />

Jahr größer geworden, und neue Katzengenerationen<br />

hätten sich durch die Belüftungslöcher hereingeschlichen,<br />

um Verwüstung anzurichten. Neue Würmergenerationen<br />

hätten das harte Möbelfleisch zernagt und<br />

die Avenuen, die Ringstraße und Arbeiterviertel eines<br />

Miniatur-Wiens hineingebohrt. Neue Köchinnengenerationen<br />

hätten gehackt, gerupft, entbeint und die fette<br />

Sahne geschlagen, um neue Herrengenerationen zu<br />

nähren. Kinder wären geboren worden und aufgewachsen,<br />

hätten selber Kinder gezeugt, wären gealtert und<br />

hätten den Jüngeren Platz gemacht. Menschen wären<br />

gestorben, auch Bäume.<br />

Und was wäre aus mir geworden, dem nicht mehr wach<br />

werden wollenden Schläfer? Mir gefällt der Gedanke,<br />

dass ich mich von meiner leiblichen Hülle abgelöst<br />

hätte, um schon als Geist zu dem Mineralsubstrat herabzusinken,<br />

das allen Häusern gemeinsam ist. „ Staub seid<br />

ihr, und zu Staub werdet ihr wieder werden“: dieser im<br />

dicken Buch gelesene Satz, welches Wioletta in den letzten<br />

Jahren sosehr beschäftigt, gilt uns, wie mir scheint,<br />

viel eher als den Menschen. Ach was! Jeder weiß, dass<br />

letztere beträchtlich mehr als nur Staub hinterlassen:<br />

ihren Namen, eine Nachkommenschaft, ein Gedächtnis,<br />

die Spur ihrer Taten oder gar ihrer Werke. Was<br />

sollen denn solche anthropozentrischen Flennereien?<br />

Wir Häuser wissen doch, was es bedeutet, von der Erde<br />

vertilgt zu werden.<br />

Ich wäre also noch tiefer in meinen letzten Schlaf<br />

gesunken, und nicht ohne eine gewisse Spannung stelle<br />

ich es mir vor. Zuerst hätte ich die fruchtbare, von Pflanzenüberbleibseln,<br />

Würmchen und Insekten bewohnte<br />

Kühle des fetten Bodens unter dem Keller durchdrungen.<br />

Diese Erdschicht hätte noch von der Welt der Menschen<br />

erzählt: hier und da hätte ich im Vorübergehen<br />

eine alte Pflugschar, eine zerbrochene Tabakpfeife, eine<br />

Gürtelschnalle, eine Münze mit dem Bildnis der Maria<br />

Theresia oder gar eines Jagiellonenkönigs gestreift.<br />

Ich wäre noch weiter hinab gestiegen und auf andere<br />

Gegenstände gestoßen, über die ich in Zweifel geraten<br />

wäre: Waren das Topfscherben oder Fossil gewordener<br />

Schlamm? eine Pfeilspitze oder bloß ein bei irgendeinem<br />

Erdrutsch abgebrochenes Steinchen? Wurde das kleine<br />

Loch absichtlich oder zufällig in diesen Knochen gebohrt,<br />

der von einem Auerochsen oder sonstigen Vertreter einer<br />

ausgestorbenen Spezies stammte?<br />

Noch tiefer unten aber hätte ich auch jene Rätsel vergessen:<br />

hier hätten mich keine Menschensiedlungen mehr,<br />

keine Familien und primitiven Grabstätten, sondern nur<br />

noch der ins Gestein geprägte Umriss eines Farnkrautblattes<br />

oder ein in Harz gefangener Käfer an die Oberwelt<br />

erinnert. Und dort, so weit weg vom Tageslicht, hätte<br />

ich vielleicht ein Kohle- oder Erdölvorkommen entdeckt,<br />

das schon seit je darauf wartete, dass man sich für es<br />

interessiere.<br />

Und dann hätte ich endlich gewusst, was die Nacht ist.<br />

Nicht die so genannte Nacht auf der Erdoberfläche, die<br />

mit dem Mond, mit den Lampen und Sternen und Kaminfeuern<br />

gar nicht so nächtlich ist, ja für alle, die nicht<br />

schlafen, so lebendig, so sinnlich und ereignisvoll sein<br />

kann. Eine solche Nacht habe ich schon beschrieben.<br />

Aber die Nacht in den unermesslichen Gesteinsschichten<br />

da unten, wo sich kein Luft- oder Lebenshauch regt,<br />

hat weder mit diesen paar Nachtstunden im August<br />

des Jahres 1846 noch mit der dunkelsten Nacht des<br />

dunkelsten Winters der dunkelsten Zeit Polens das Geringste<br />

zu tun. Sie ist die Absolute Nacht, deren Ahnung<br />

zugleich Abscheu und Neigung in uns erweckt.<br />

War es nicht aus Abscheu vor jener Nacht, dass sich<br />

etwa ein Zygmunt Borowski so leidenschaftlich nach<br />

Tagesanbrüchen, Morgenröten, Frühlingsaufflammen<br />

sehnte? Und ist es nicht andererseits aus Neigung<br />

für diese Nacht, dass wir uns so eifrig bemühen, das<br />

Geheime der Dinge, die finsteren Machenschaften, die<br />

Abgründe unserer Seele zu erforschen, und enttäuscht<br />

sind, wenn wir dazu in sie hineinleuchten müssen?<br />

Auch ich enthalte Schattenzonen, Stellen, die von der<br />

Sonne nie beschienen werden; und nicht einmal dem eigenen<br />

Blick bin ich ganz durchsichtig. Ich fühle die Nacht<br />

in mir, wir alle – seien wir Menschen, Tiere, Pflanzen oder<br />

Gebäude – fühlen sie mitten in unserer Welt. Und der<br />

Kampf, den sie gegen logische Klarheit, die Aufwallungen<br />

des Blutes, die strahlenden Aufschwünge von Hoffnung<br />

und Freude führt, ist viel erbitterter, viel ungewisser als<br />

der Streit zwischen Tag und Nacht auf Erden, die sich im<br />

Grunde damit begnügen, brav ihrer je eigenen Sisyphusarbeit<br />

nachzugehen und sich morgens und abends<br />

wie treue Partner die Hand zu geben. Denn in jenem<br />

Kampf gibt es wirkliche Verluste, wirkliche Opfer, Dinge,<br />

die vergehen und nie mehr wiederauferstehen; Wesen,<br />

Gedanken, Staatengebilde, die zu einem zu keinem<br />

Neuanfang bestimmten Nichts zerfallen. Aus jenem<br />

Kampf ergibt sich, dass es auf Erden Unwiderrufliches<br />

und demzufolge auch absolut Neues gibt.<br />

Ja, nur scheinbar ist der Lauf der Zeit, ist die genealogische<br />

Abfolge klar und geradlinig, und das Neue stammt<br />

auf ebenso geheimnisvolle Weise vom Alten ab wie<br />

die Tochter Anwar Beys von Tadeusz Zemka oder Oleh<br />

Doroschenko von den Grafen Ponarski. Die Nacht ist es<br />

wohl, die schräge Abstammungen und geschichtliche<br />

Brüche wie diese bewirkt, die gar nicht vorherzusehen<br />

waren und doch im Rückblick selbstverständlich sind.<br />

Und ich, – das ich immer da bin, auch wenn ich schlafe,<br />

und mich bei allem Wandel um mich herum nie von der<br />

Stelle rühre – bin ich nicht von Natur aus höchst befähigt,<br />

durch meine Grundmauern hindurch den eisigen Zug der<br />

chthonischen Mächte zu spüren, die nach oben drängen,<br />

Dinge verblassen lassen, Imperien zugrunde richten,<br />

Vererbungslinien verbiegen?<br />

"Les vivants et les<br />

ombres" hat den<br />

prix Rossel in Belgien<br />

gewonnen<br />

Disponible en librairie au prix de 29 €, 720 p.<br />

ISBN : 978-2-84805-056-0<br />

(Code Sodis 972334.4)<br />

Date de parution : Août 2007<br />

Il m’arrive de me<br />

demander ce qui<br />

serait advenu si,<br />

justement, je ne<br />

m’étais plus réveillée.<br />

Rien d’autre,<br />

sans doute, que ce<br />

qui advint en effet.<br />

En cent vingt<br />

ans d’existence,<br />

mes murs et tout ce<br />

qui fait mon corps<br />

s’étaient assez gorgée<br />

d’images, de<br />

souvenirs, de paroles<br />

et d’odeurs<br />

pour, sur mes habitants,<br />

prolonger<br />

leur action. Saturés,<br />

ils commençaient<br />

même d’exsuder<br />

tout ce dont on les<br />

avait précédemment<br />

remplis, sans<br />

qu’il y ait besoin<br />

pour cela de ma<br />

présence ni de ma<br />

volonté. Comme<br />

des tranches de concombre sur lesquelles on a versé du sel (du sel de terre,<br />

du bon sel des Salines d’État de Galicie), ils laissaient lentement perler les<br />

gouttes d’une liqueur que les hommes appelleraient – selon leur tournure<br />

d’esprit – nécessité, destin ou atavisme. Le pragmatique Agenor y<br />

voyait, lui, de l’humidité : ce n’est pas complètement faux, mais c’est bien<br />

réducteur.<br />

Tout se serait donc passé à peu près de la même façon si je n’avais plus<br />

été là pour le voir. De nouveaux nids d’oiseaux se seraient agrandis, année<br />

après année, sous ma toiture refaite, et de nouvelles générations de chats<br />

se seraient glissés par les bouches d’aération pour y semer la mort. De<br />

nouvelles générations de vers auraient rongé la dure pulpe des meubles<br />

et creusé en eux les avenues, la Ringstraße et les faubourgs ouvriers d’une<br />

Vienne en miniature. De nouvelles générations de cuisinières auraient haché,<br />

plumé, désossé et fouetté pour nourrir de nouvelles générations de<br />

maîtres. Des enfants seraient nés, auraient grandi, donné le jour à d’autres<br />

avant de vieillir pour leur céder la place ; des hommes seraient morts, des<br />

arbres aussi.<br />

Et moi, que serais-je devenue, dormeuse résolue à ne plus me réveiller ?<br />

J’aime à croire que j’aurais laissé là mon enveloppe corporelle pour m’en<br />

aller rejoindre avant elle le substrat minéral commun à toutes les maisons.<br />

« Vous êtes poussière, et redeviendrez poussière » : cette phrase lue dans<br />

le gros livre qui occupe tant Wioletta depuis quelques années me paraît<br />

avoir été écrite pour nous, bien plus que pour les hommes. Car enfin, soyons<br />

sérieux ! Chacun sait que les hommes, eux, laissent infiniment plus<br />

qu’un peu de poussière. Ils laissent leur nom, des descendants, une mémoire,<br />

la trace de leurs actes ou même de leurs œuvres. Alors pas de misérabilisme,<br />

pas de pleurnicheries anthropocentriques : ce n’est pas à nous<br />

qu’on apprendra ce que c’est que disparaître de la face du monde.<br />

Je me serais donc enfoncée dans mon dernier sommeil, et je<br />

n’y pense pas sans une certaine curiosité. Je serais d’abord entrée dans<br />

la bonne terre grasse qui attend sous mes caves, fraîcheur fertile, pétrie<br />

de souvenirs végétaux, de lombrics et d’insectes. Cette couche-là m’aurait<br />

encore parlé du monde humain : ici et là j’aurais effleuré un vieux soc de<br />

charrue, une pipe cassée, une boucle de ceinture, une monnaie à l’effigie<br />

de Marie-Thérèse ou même d’un Jagellon.<br />

Je serais descendue encore, aurais buté sur de nouveaux objets<br />

devant lesquels le doute m’aurait prise. Tessons de poterie, ou boue fossilisée<br />

? Pointe de flèche, ou vulgaire caillou ébréché par un glissement de<br />

terrain ? Cet os d’aurochs ou autre espèce éteinte avait-il été à dessein, ou<br />

par hasard, percé d’un petit trou ?<br />

Mais bientôt j’aurais oublié jusqu’à ces énigmes : plus d’hommes<br />

ici, plus de campements ni de familles ni de primitives sépultures, rien<br />

qu’une dentelle de fougère imprimée dans la roche ou un scarabée prisonnier<br />

de sa gangue de résine pour me rappeler le monde d’en haut. Et là, si<br />

loin du jour, je serais peut-être tombée sur un gisement de houille ou une<br />

nappe de pétrole, attendant de toute éternité qu’on s’intéresse à eux.<br />

Et alors j’aurais su ce que c’est que la Nuit. Non pas cette aimable plaisanterie<br />

qu’on appelle nuit sur terre, si relative, au fond, avec sa lune, ses<br />

lampes, ses étoiles et ses feux de cheminée. Si vivante même, si sensuelle,<br />

si riche d’événements pour ceux qui ne dorment pas. J’ai déjà raconté une<br />

nuit de ce genre. Mais la nuit dont je parle, celle de ces immensités rocheuses<br />

qui s’étendent au-dessous de nous, où ne s’agite plus le moindre<br />

souffle d’air ni de vie, n’a rien de commun avec ces quelques heures nocturnes<br />

d’août 1846, ni avec la plus noire nuit du plus noir hiver de la plus<br />

noire époque qu’ait connu la Pologne. C’est la Nuit absolue, celle dont<br />

l’intuition nourrit en chacun de nous horreur et attirance.<br />

N’est-ce pas l’horreur de cette Nuit qui portait par exemple un<br />

Zygmunt Borowski à souhaiter si ardemment les aurores, les lendemains,<br />

les embrasements printaniers ? Et n’est-ce pas, dans le même temps, la<br />

fascination de cette Nuit qui nous rend si avides de découvrir le dessous<br />

des choses, les ténébreux complots, les tréfonds de notre âme, et déçus de<br />

devoir, pour cela, l’éclairer ?<br />

Moi-même j’ai mes zones d’ombres, mes points que n’atteindront<br />

jamais les rayons du soleil ; et, même à mon propre regard, je ne suis pas<br />

transparente. Je sens la Nuit en moi, je la sens, comme nous tous – hommes,<br />

bêtes, plantes ou édifices – au cœur de notre monde. Et le combat<br />

qu’elle y livre à la clarté logique, à la chaleur du sang, aux envols de<br />

l’espoir et de la joie solaires est bien plus acharné, bien plus incertain que<br />

la lutte pendulaire du jour et de la nuit, Sisyphes contents, au fond, de<br />

leur complémentarité et se serrant la main, le matin et le soir, comme deux<br />

loyaux partenaires. Car dans ce combat-là il y a de vraies pertes, de vraies<br />

victimes, des choses qui passent et ne reviendront plus ; des êtres, des<br />

idées, des États sombrant dans un néant qui ne sera plus promis à aucune<br />

aube. De ce combat-là vient qu’il y ait, sur terre, de l’irrémédiable et – c’en<br />

est une conséquence – de l’absolument nouveau.<br />

Non, la marche du temps et la généalogie ne sont qu’en apparence<br />

claires et rectilignes, et si le nouveau descend de l’ancien, c’est tout<br />

aussi mystérieusement que la fille d’Anvar bey descend de Tadeusz Zemka<br />

ou Oleh Dorochenko, des comtes Ponarski. La Nuit, j’en suis persuadée,<br />

préside à ces filiations courbes, à ces naufrages historiques que rien<br />

n’annonçait et que tout, après coup, explique néanmoins.<br />

Et moi qui suis toujours là, même quand je dors ; moi qui ne bouge<br />

jamais quoique tout soit fluctuant – n’est-il pas naturel que je sente mieux<br />

qu’une autre, par mes fondations, la poussée de ces forces chthoniennes,<br />

la froide montée de ce qui pâlit les choses, renverse les empires, gauchit<br />

l’hérédité ?<br />

Foto: Leenhardt


56 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VII - FRANCE <strong>ST</strong>/A/R Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Chaix & Morel:<br />

Architektur der Leichtigkeit<br />

Foto: Eddie young / Atelier d’architecture Chaix & Morel et associés<br />

Bahnhofsviertel Luxemburg<br />

Das Atelier Chaix & Morel und Partner<br />

ist ein ein Ort aus Zink, Glas und guter<br />

Atmosphäre, gelegen in einem Hof der<br />

kleinen rue des Haies, hinter dem Boulevard de<br />

Charonne, im 20. Arrondissement, Paris. Was<br />

hier zählt ist die Qualität der Beziehungen: Die<br />

Projekte des Ateliers und die Einbindung aller<br />

Mitarbeiter in das Team -das schöne Buch von<br />

François Chaslin, Chaix & Morel, Années lumière...<br />

gibt davon einen Eindruck- unterstreichen das.<br />

Auch die Geduld, mit der Walter Grasmug, der<br />

österreichische Partner, mir die Geschichte<br />

des Ateliers und seine neuesten Projekte zu<br />

präsentieren, spricht für sich.<br />

Die Zusammenarbeit von Philippe Chaix und<br />

Jean-Paul Morel begann zu Begin der 1980er<br />

Jahre. Anlass war das Projekt für den Zenith,<br />

die Konzerthalle im pariser Parc de la Villette.<br />

Der Zenit war als vorübergehende Konstruktion<br />

geplant: mit seiner Textilbedeckung, seinen<br />

veränderlichen Räumen und seinen großzügigen<br />

Zugängen ist er eher ein technisches Werkzeug<br />

als ein Gebäude. Die Idee hatte Erfolg und<br />

verbreitete sich in verschiedenen Städten<br />

Frankreichs.<br />

Die Architekten nehmen eine einfache Form<br />

und eine Struktur anhand derer die Qualität<br />

des zu verwendenden Materials festgelegt<br />

wird und versuchen damit der Funktion des<br />

geplanten Gebäudes im Rahmen der gegebenen<br />

Umstände gerecht zu werden. Design wird zum<br />

Forschungsgebiet einer Dialektik zwischen Form,<br />

Struktur und Funktion. Chaix & Morel entwickeln<br />

Gebäude wie Möbel. Auf dem pariser Salon du<br />

meuble wurden sie 1996 zu den Kreativen des<br />

Jahres gewählt, Sie begründen eine Kontinuität<br />

zwischen Design und Architektur: Konzertsäle wie<br />

Stadien werden als reproduzierbare Prototypen<br />

gedacht, die sich dem Kontext anpassen.<br />

In den 1990er Jahren brachte das Atelier<br />

verschiedene wichtige und originelle Bauten<br />

hervor: Das Museum von Saint Romain -ein in<br />

die erforschte Landschaft der archäologischen<br />

Stätte integrierter Pfahlbau- oder die Universität<br />

für Brücken und Straßenbau sowie jene für<br />

geographische Wissenschaft. Die soziale Bedeutung<br />

dieser Projekte ist erheblich: eine Kontinuität<br />

zwischen Wissenschafts- und Lebensraum,<br />

zum einen Archiv, Forschungsbereich und<br />

Ausgrabungsstätte, zum anderen Empfang,<br />

Ausstellung, Versammlungsplatz und Cafeteria.<br />

Die die Nüchternheit der Formen und die der<br />

Foto: Xavier Testelin<br />

Stadium von Amiens bei Nacht<br />

Leichtigkeit der oft aufgehängten und sehr<br />

lichtreichen Gebäude gezollte Aufmerksamkeit,<br />

kennzeichnen eine um die Verbesserung<br />

der Qualität der Beziehung zwischen ihren<br />

Bewohnern, ihrer Aktivität und dem Ort bemühte<br />

Architektur.<br />

In diesem Geiste wurden auch das Stadium<br />

von Amiens und später das Stadium von Grenoble<br />

entworfen. Das Publikum und die Spieler befinden<br />

sich unter freiem Himmel, geschützt durch eine<br />

Schale aus Glas. Die transparente Konstruktion<br />

gibt Sicht auf die Landschaft, während das<br />

Stadium in der Nacht an eine leuchtende Muschel<br />

erinnert, nicht aber an einen geschlossenen<br />

Kochtopf. Im Entwurf des Volumen wurde ein<br />

Erweiterungsbalkon integriert: den 12.000 Plätzen<br />

des Stadiums fügt der Balkon 8.000 weitere hinzu.<br />

Neueste Projekte: das Hôtel Quai de Seine,<br />

ein Komplex der ein Übernachtungszentrum<br />

und eine Jugendherberge in sich vereint. Die<br />

Magasins généraux von la Villette, errichtet als<br />

Zwillingsbauten auf je einer Seite des Kanals.<br />

Die Silhouette und das Volumen der durch den<br />

Brand von 1991 vernichteten Gebäude sollte<br />

neu geschaffen werden. Chaix & Morel haben<br />

den Baukörper parallel zur Wasseroberfläche<br />

in vier Längsstreifen geteilt, und ein Viertel des<br />

Volumens geleert: der so entstandene Innenhof<br />

erlaubt die Ausrichtung der Zimmer in das Innere<br />

und verlängert die Allee längs des Kanalufers.<br />

Die Anpassung des Gebäudes an den Bauort und<br />

seine Helligkeit werden durch eine beigefarbene,<br />

netzartige Metallkonstruktion gewährleistet,<br />

die, an die Farbe des Zwillingsgebäudes<br />

erinnernd, dessen Form nachzeichnet, ohne<br />

sie abzuschließen, die Durchgänge der<br />

Feuerwehrstation bekleidet und das Licht filtert.<br />

Ein weiteres Projekt mit hoher<br />

städtebaulicher Spannweite: Die Neugestaltung<br />

des Bahnhofviertels von Luxemburg. Zwei im<br />

Stadtgeflecht durch enormen Gleiseinschnitte<br />

getrennte Räume waren zu verbinden. Eine<br />

grüne Fläche bringt Kontinuität: Sie schafft<br />

nicht nur neuen öffentlichen Raum, sondern<br />

verlängert auch die schon existierenden Strassen.<br />

Durch angrenzende Konstruktionen wird das<br />

Viertel ebenfalls aufgewertet. Projektziel ist es,<br />

die Entwicklung eines zentralen Stadtviertels<br />

vorherzusehen und zu begleiten.<br />

Konzerthalle Zenith in Paris<br />

Magasins généraux / Hôtel Quai de Seine am Canal de la Villette in Paris<br />

Text: Brigitte Bercoff<br />

Bibliographie : François Chaslin, Chaix et<br />

Morel, années lumière, Ante Prima, AAM<br />

éditions, 2006.<br />

Herzlichen Dank an Walter Grasmug<br />

und an Marion Brice für die freundliche<br />

Zusammenarbeit.<br />

Übersetzung Christian Denker<br />

Foto: Eddie young / Atelier d’architecture Chaix & Morel et associés Foto: Atelier d’architecture Chaix & Morel et associés<br />

Foto: Christian Richters<br />

Museum Saint Romain<br />

Stadium von Amiens bei Tag<br />

(Innenansicht)<br />

Foto: Christian Richters


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch VIII - Grausam <strong>ST</strong>/A/R 57<br />

<strong>ST</strong>/A/R wünscht<br />

Frohe Weihnachten<br />

DIE GERNGROSSSÄULE VON FRANZ WE<strong>ST</strong><br />

1060 WIEN, RAHLGASSE – NOKIA-HANDYFOTO: HEIDULF GERNGROSS DEZ. 2007


58 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Grausam<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

PLAY VIENNA Die Stadt als Spielfeld war von Beginn an Grundgedanke der Entwerfen -<br />

Übungen, die ab einem Sommerworkshop 2004 von Architekt Armin Mohsen Daneshgar in<br />

enger Zusammenarbeit mit der MA19 und MA21 geleitet wurden. Weiterentwickelt entstanden<br />

daraufhin die Entwerfen - Übungen Play Vienna I – III.<br />

von Elisabeth Gschaider<br />

Foto: © Stephan Huger<br />

Robert Kniefacz<br />

Will Alsop<br />

Michael Szyszkowitz


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch VIII - Grausam <strong>ST</strong>/A/R 59<br />

Play Vienna I - Eine Intervention am<br />

Westgürtel Sommersemester 2005<br />

Der Gürtel als eine der wichtigsten Verkehrsadern Wiens, als prägendes städtebauliches<br />

Element, als historische und soziale Grenze, fasziniert und beschäftigt Stadtplaner schon<br />

seit längerem. Die Bemühungen in den letzten Jahren der Wiener Stadtregierung bezüglich<br />

Aufwertung und Umgestaltung der Gürtelbereiche vor allem rund um den Urban -<br />

Loritz – Platz und im Bereich des Margarethen – Gaudenzdorfer – Gürtels führten zum<br />

strategischen und operativen Programm der MA21A „Zielgebiet Gürtel“ mit einem 9-Punkte-<br />

Programm. Die Auseinandersetzung mit diesem Programm war Grundlage für PLAY<br />

VIENNA I und dem damit verbundenen Ideenwettbewerb. Die Wohn- und Lebensqualität<br />

der gründerzeitlichen Strukturen sollte am Beispiel eines oder mehrerer Musterblöcke im<br />

Kreuzungsbereich Burggasse – Gablenzgasse Ecke Lerchenfelder Gürtel untersucht werden.<br />

Konkrete Fragestellungen hießen u.a.: „Welche Möglichkeiten für eine architektonische<br />

Gebäude- und Umfeldgestaltung gibt es? Wie kann man planerisch eine stärkere Verbindung<br />

zwischen innerem und äußerem Gürtel herstellen? Wie können ökologische und soziale<br />

Gesichtspunkte einfließen?“ Die Jurymitglieder für die Endpräsentation am <strong>16</strong>.06.2005<br />

setzten sich aus beruflich involvierten Personen, bzw. Bauträgern oder Anrainern des<br />

Gürtelgebiets und Journalisten zusammen. Im Herbst 2005 fand eine Ausstellung aller<br />

eingereichten StudentInnenprojekte am Gürtel, nämlich im Impulszentrum IP-TWO am<br />

Lerchenfeldergürtel 143, statt.<br />

Play Vienna II - Über den Dächern Wiens<br />

Sommersemester 2006<br />

„Play Vienna – alles andere als ein Spiel“ schrieben Armin Mohsen Daneshgar und<br />

Rames Najjar im Vorwort des Katalogs. Zusammen leiteten sie die Entwurfsbetreuung der<br />

StudentInnen und die Organisation der Lehrveranstaltung. Die Nähe zur Realität zeigte sich<br />

u.a. auch in der Zusammenarbeit mit dem Immoblienriesen „Conwert“. Die Projekte wurden<br />

bis zum Entwurf und für eine eventuelle Einreichung bearbeitet, Modellpräsentation und<br />

Hochbaudetailpläne waren ebenso Pflichtprogramm. Gesucht wurde nach innovativen Ideen<br />

für Dachausbauten als „sinnvolle Verdichtung des Wohnraums in Innenstädten“. Fünf reale<br />

Objekte in fünf verschiedenen Bezirken Wiens wurden vorgegeben. Die MA19, die sich als<br />

Servicestelle in stadtgestalterischen Angelegenheiten sieht, war mit Abteilungsleiter Josef<br />

Matousek und Dezernatsleiter Robert Kniefacz wieder bei allen Kritik-Präsentationsrunden<br />

beteiligt. Das Ingenieurteam um Dr. Karlheinz Hollinsky, Chef der gleichnamigen Firma,<br />

wurde für Statikfragen herangezogen. Entstanden sind neben über 20 originellen Projekten<br />

ein weiterer hoch-qualitativer Katalog zur Stadt-Spiel-Übung. Inzwischen haben andere längst<br />

erkannt, dass Entwerfen - Übungen wie Architekt Daneshgar sie vor Jahren auf der TU entwarf<br />

– nämlich eine Kombination von akademischen Spiel und Praxisnähe – die Zukunft sind.<br />

TU-Angestellte legen die Scheu oder auch Arroganz, die gegenüber der real-wirtschaftlichen<br />

Alltagswelt für Architekten besteht, ab und gehen immer öfters auf Marketingchefs,<br />

Produktmanager und Verkaufsleiter namhafter Firmen zu. Aber auch die Privatwirtschaft<br />

erkannte, dass die Nähe zur Wissenschaft nicht nur in den klassischen Bereichen Chemie<br />

und Physik, sondern auch in der Architektur bereichernd sein kann. Firmen wie Velux,<br />

Knauf, Eternit, Rheinzink, um nur einige zu nennen, mit dem das Hochbau – Institut rund<br />

um Architekt Will Alsop zusammenarbeitet, sprechen sich heute durchaus enthusiastisch<br />

zur chaotisch – inspirierenden Universitätswelt aus. Die StudentInnen wiederum schätzen<br />

inzwischen die Lampenfiebersituation bei den Präsentations- Kritikrunden vor den großen<br />

Chefs der Wirtschaft. So entstand, während Robert Kniefarcz, Dezernatsleiter der MA19,<br />

mit Architekt Daneshgar das nächste studentische Programm besprach, bei der Firma Velux<br />

und der Institution Holzbau AG die Idee, ebenso auf einen studentischen Ideenwettbewerb<br />

zu setzen. Dazu die Bilder zur Jurysitzung mit Juryvorsitzenden Architekt Will Alsop auf<br />

den kommenden Seiten.<br />

PLAY VIENNA III spielte mit sechs ausgewählten<br />

Stadtpunkten am Stadtbrett. 2007<br />

Eine Achse vom Museumsquartier zu Esterhazy-Park und Gaudenzdorfergürtel wurde<br />

gezogen. In bewährter Art und Weise wurde die enge Zusammenarbeit mit den<br />

Stadtmagistraten und fortgesetzt. Wiederum entsteht ein Katalog als Abschluss der<br />

Lehrveranstaltung, der demnächst präsentiert wird. Folgend die Siegerprojekte aus PLAY<br />

VIENNA III beim Wettbewerb LIVING IN THE ROOF von Firma Velux und Holzbau AG.<br />

Teilnehmende Universitäten • TU Wien • Angewandte Wien • Akademie der bildenden<br />

Künste Wien • TU Graz • TU Innsbruck • Kunstuniversität Linz Verantwortliche vor Ort TU<br />

Wien: Arch. sba DI Dr. techn. Armin M. Daneshgar Angewandte Wien: Univ. Lekt. Arch. DI<br />

Franz Sam Akademie der bildenden Künste Wien: DI Antje Lehn TU Graz: Arch. DI Andrea<br />

Redi und Arch. DI Ivan Redi (ortlos architects; Institut für Wohnbau Vst. Univ. Prof. DI Dr.<br />

Arch. Tschom) TU Innsbruck: Arch. DI Erich Gutmorgeth Juriert von • O. Univ. Prof. DI<br />

William Alsop • DI Robert Kniefacz (Dezernatsleiter der MA 19 in Wien) • O. Univ. Prof.<br />

Arch. DI Michael Szyszkowitz • Univ. Prof. DI Hermann Kaufmann, TU München • Arch.<br />

MAA Lone Feifer, VELUX • Arch. Mag. Arch. Roman Delugan • DI Bernd Egert, Holzbau<br />

Glöckel Organisiert und fi nanziert von den Partnern • holzbau austria • …sterreichischer<br />

Leimbauverband • VELUX • Rigips • ISOVER • eternit www.livingintheroof.at / Fotos von<br />

Stud.-CD ausgewählte Projekte: Michael Vitek, Florian Hetzmanseder / Fotos von Jury<br />

Robert Kniefacz, (Arch. MA19) Lone Feifer und Heinz Hackl The attention paid to the roof<br />

is a major contributor towards increasing the density of our cities. The roofscape is very<br />

often an unexploited area in our cities, which has enormous potential. If by using our roof<br />

spaces we can increase the density of the city, it results in a maximisation of the footprint of<br />

the urban area as well as allowing more people to use the existing infrastructure. Roofs help<br />

us to green our urban areas. William Alsop Elisabeth Gschaider, Nov.07<br />

Departure Departure<br />

9.10.07, 19.30h,, Book Relase<br />

Party in der Banane – Volksgarten<br />

Der Abflug oder auch Abgang – departure - war an<br />

diesem Abend ein Auftritt. Zuerst sammelten sich<br />

viele schwarz gewandete – also Architekten – und<br />

immens gestylte – also Wirtschaftsleute – sowie<br />

Künstler und Beobachter vor einer DJane in der<br />

Banane im Volksgarten. Schließlich, manche<br />

dachten schon, es gäbe gar kein Programm, trat<br />

Stadträtin Renate Brauner vor das Mikrophon und<br />

lobte die hervorragende Arbeit von Departure, das<br />

Zusammenfließen von Wirtschaft und Kunst, von<br />

Creative Industries mit Produktionsindustrie, von<br />

Kunst- und Wirtschaftspolitik. Norbert Kettner,<br />

scheidender Direktor des Departure Teams, liess<br />

die Zeit seit dem Beginn im jahre 2003 revue<br />

passieren. Zum Abschied also schenkt er sich und<br />

seinem hervorragenden Team das Look Book, das<br />

ausgewählte Projekte und die Menschen dahinter<br />

darstellt. Schließlich wünscht Kettner, der die<br />

Stelle des Wiener Tourismusdirektors antritt,<br />

seinem Nachfolger Christoph Thun-Hohenstein,<br />

langjähriger Leiter des Österreichischen<br />

Kulturforums in New York, alles Gute.<br />

Departure vergibt Förderungen für Unternehmen der<br />

Creative Industries. Mehrere Einreichdaten im Jahr.<br />

Das Look Book mit den dargestellten geförderten<br />

Projekten ist direkt bei Departure oder im gut sortierten<br />

Buchhandel zu beziehen. http://www.departure.at


Städteplanung / Architektur / Religion Buch VIII - Grausam<br />

<strong>ST</strong>/A/R 61<br />

SCHENKUNG BOGNER • 10 JAHRE KIESLER <strong>ST</strong>IFTUNG WIEN<br />

Re: Symposium MODELLING SPACE, Kiesler Foundation Vienna<br />

By Kurt W. Forster<br />

I could be bound in a nut-shell, and count myself a king of infinite space, were it not that<br />

I have bad dreams. Shakespeare, Hamlet<br />

Schenkung Bogner.<br />

10 Jahre Kiesler Stiftung Wien<br />

Kiesler Stiftung Wien, Mariahilferstraße 1b, 1060 Wien<br />

Ausstellungsdauer: 22.10.2007 – 18.2.2008<br />

Öffnungszeiten: Mo-Do.: 10 - 17 Uhr,<br />

Fr.: 10 - 14 Uhr<br />

Friedrich Kiesler,<br />

Endless House 1958-60<br />

Foto: Wolfgang Woessner/MAK<br />

Die Kunsthistoriker und Sammler Gertraud und Dieter<br />

Bogner setzen sich seit vielen Jahrzehnten für die Erforschung<br />

und Vermittlung des Werks des austro-amerikanischen<br />

Künstlers und Architekten Friedrich Kiesler (1890-1965) ein.<br />

Zahlreiche Ausstellungen, Publikationen und Texte von Dieter<br />

Bogner belegen sein kunsthistorisches Interesse an Kieslers<br />

Wirkungsgeschichte. Schon früh finden wichtige Arbeiten<br />

Kieslers Eingang in die Kunstsammlung der Bogners, die<br />

beide Mitbegründer der Stiftung sind.<br />

Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Kiesler Stiftung<br />

schenken Gertraud und Dieter Bogner aus ihrer Sammlung<br />

eine Reihe herausragender Werke Kieslers der Österreichischen<br />

Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung: Die Rekonstruktion<br />

des Träger- und Legersystems von 1924, eine Serie von<br />

Vintage Prints der 1925 im Auftrag Josef Hoffmanns in Paris<br />

entstandenen Raumstadt („City in Space“), den Gesamtplan<br />

der 1937/41 entstandenen Vision Machine (im Archiv der<br />

Stiftung befinden sich die Vorzeichnungen dazu) und vor allem<br />

das Modell des Endless House von 1959 sowie eine damit in<br />

Verbindung stehende große Kohlezeichnung von Kiesler.<br />

Symposium MODELLING SPACE am Freitag, 30.11.2007, 15h-19h<br />

im Az W, Architekturzentrum Wien, Museumsplatz 1, 1070 Wien<br />

Anlässlich des Jubiläums „10 Jahre Kiesler-Nachlass in Wien“ veranstaltete die<br />

Kiesler Stiftung Wien am 30.11.2007 das Symposium MODELLING SPACE.<br />

Einführung zu Modelling Space<br />

Monika Pessler, Direktorin der Kiesler Stiftung Wien<br />

Das Zusammenspiel von Architektur und Kunst verleiht der Institution Kiesler Stiftung Wien ihr Profil, da eine dem<br />

Nachlass adäquate Betrachtung den Fokus auf ein Spezialgebiet der Künste nicht zulässt. Denn Kiesler verwirklichte<br />

Projekte in den unterschiedlichsten Disziplinen – als Architekt, Künstler, Designer und Bühnengestalter. Darüber<br />

hinaus war er bestrebt seine Theorien mit den neuesten Erkenntnissen der Naturwissenschaften und Technologie<br />

zu verbinden. Dies mag auch einer der Gründe sein, warum Kieslers Werk und seine Wirkungsgeschichte heute<br />

noch einen berechtigten Anlass bieten, sich mit vor allem zeitgenössischen Fragen und Methoden der Kunst- und<br />

Architekturproduktion auseinanderzusetzen.<br />

Ist auch der den Künsten eigene Wettstreit unter den einzelnen Gattungen längst Geschichte und ein<br />

medienübergreifendes Gestalten seit dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts verbreitete Praxis, so hat doch<br />

der von Kiesler vorausgeahnte Einsatz „neuer Medien“ die simultane Wahrnehmung vielschichtiger Kreationen<br />

sowie deren praktische Umsetzung erst ermöglicht. Da sich die digitale Imagebildung und -vermittlung der<br />

Manifestation im Objekt aber entziehen, werden seitdem Fragen nach der Wirklichkeit, wird vor allem der Status<br />

des Realen, neu verhandelt. Dies wirkt einerseits auf die Architektur und ihr Selbstverständnis, da sich die Baukunst<br />

als konkrete Gestaltung unseres unmittelbaren Lebensraumes stärker als jede andere kulturelle Äußerung der<br />

Vergegenständlichung verpflichtet sieht. Die bildenden Künste hingegen, die uns traditioneller Weise ein Abbild der<br />

Wirklichkeit liefern, bedienen sich längst tatsächlicher, raumbildender Maßnahmen – vom Environment über die<br />

Performance, bis hin zur Intervention im sozialen Kontext. So scheint die praktische Anwendung von künstlerischen<br />

Konzepten, die im Besonderen das Verhältnis des Menschen zu seinem Umraum definieren, die Eingliederung der<br />

Kunst in unseren alltäglichen Erfahrungsbereich, mit Anliegen der Architektur parallel geschaltet. Daher widersetzt<br />

sich die Analyse der im Wandel befindlichen Ansprüchen an Architektur und Kunst, mehr denn je einer getrennten,<br />

den einzelnen Disziplinen folgenden Kategorisierung.<br />

Entsprechend dieser Bedingungen des aktuellen Kunst- und Wissenschaftsdiskurses wie auch im Einklang mit Kiesler<br />

Theorie der „correlated arts“ ist es nahe liegend, Architekten und Künstler, Architektur- und Kunsttheoretikerinnen<br />

zusammenzuführen, um vor Ort und in ihrer/unserer Zeit über historische und zeitgenössische Bedingungen der<br />

„Raummodellierung“ in der aktuellen Kunst- und Architekturproduktion zu sprechen:<br />

Antje von Graevenitz: Kieslers Entwurf für ein galaktisches Leben auf Erden<br />

Olafur Eliasson und Hani Rashid (Dialog): On Art Architecture Ambiance<br />

Ben van Berkel: The Capacity of Endlessness<br />

Kurt W. Forster: Infinite Space in a Nutshell<br />

Moderation: Elke Krasny<br />

SCHENKUNG BOGNER • 10 JAHRE KIESLER <strong>ST</strong>IFTUNG WIEN<br />

Only in the course of the nineteenth century did space cease to be an abstraction of Newtonian kind, when artists, historians, and critics began to perceive the aura of objects and<br />

the atmospheric qualities of space. Painters were at the forefront with their attention to weather, cloudscapes, diffuse coloration and phenomena of light and shade that profoundly<br />

affect our perception of things and shroud them in our memory. Having thus abandoned space, like time, as an abstract dimension of immutable and uniform nature, artists<br />

literally began to play tricks with space and time, and with our perceptions of them. Historians of architecture, such as Heinrich Woelfflin, and art-historians, such as August<br />

Schmarsow, paved the way to a perception of space that is not a neutral void but a medium of powerful psychic reality.<br />

Since the aesthetic proposition of the Sublime as a psychologically heightened manifestation of beauty, vast voids, mysterious shadows and suddenly illuminated spaces began<br />

to register their irrational inflections on the canvasses of painters such as Constable, Turner, Pissarro, and numerous others. Clefting objects and constructing new spatial<br />

relationships, including the simultaneous appearance of sequential stages, or the explosion of a solid into fragments, changed the arts forever. Cubist and Constructivist montage,<br />

the rise of photography with its immense technological potential, and the injection of temporal conditions into spaces of twentieth-century architecture are only some of these<br />

manifestations. Variously deriving notions from science (from Minkowski to Hawking; Chevreuil to Gestalt psychology), artists and architects began to construct ideas about the<br />

space/time web and evolve, by dint of imagination, images of the phenomena for which physicists only have mathematical tools. The practice and teaching of a Laszlo Moholy-<br />

Nagy, among others, anticipated much that was to follow when artists adopted the new fluid medium of space/time in cinematographic and video art. Friederich Kiesler proved a<br />

pathfinder with his ideas of endlessness within confines, just as he had earlier erected obstacles in space and (partial) impediments to viewing as a means of sharpening perception<br />

and domesticating the emotional power of distance and delay for a fresh perception of images and events.<br />

Charged with intense emotional meaning, space/time has turned into the manifold medium of art and architecture. Capturing a sense of movement within the framework of a<br />

permanent structure has restored architecture’s dwindling dominion over change, time, and chance, fuelling its current metamorphosis. If a notion of threshold, of initiation,<br />

held sway in the early twentieth century, a sense of being fully immersed in space/time has now taken hold and propels the work of artists and architects toward manifold<br />

manifestations of reality.<br />

Panoramaseite realisiert mit<br />

Bogner.cc<br />

Symposium Modelling<br />

Space, Bundesministerin<br />

Claudia Schmied<br />

und Dieter Bogner<br />

(Vorstandsvorsitzender der<br />

Kiesler Stiftung Wien).<br />

© Foto: Pez Hejduk<br />

Symposium Modelling Space,<br />

am 30.11.2007, im Az W mit über 300 Besuchern.<br />

© Foto: Pez Hejduk


62 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Grausam<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Die Möwe Jonathan Meese<br />

von <strong>ST</strong>/A/R-Fotograf


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch VIII - Grausam <strong>ST</strong>/A/R 63<br />

Meese / Mama<br />

Peter Korrak<br />

Meese / Essl<br />

bei Essl<br />

Korrak / Meese


64 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch VIII - Grausam<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Abb./Illustr: Markus Wilfling, Ausstellungsansicht. Photo ©Projektraum Viktor Bucher<br />

Fotos: Wladimir Jaremenko-Tolstoj<br />

Vinzenz Grausam, Maler<br />

Markus Wilfling • Zwischen - Between •<br />

AUS<strong>ST</strong>ELLUNGSDAUER/Duration BIS/UNTIL 31.01.2008<br />

Öffnungszeiten: Di-Fr 14-19 Uhr und nach tel. Vereinbarung<br />

Opening Hours: Tue-Fri 2 - 7 pm & by appointment<br />

Auch / Also: Kunsthalle Krems • MARKUS WILFLING • Spiegelkabinett - mirror cabinet<br />

projektraum viktor bucher<br />

a-1020 wien, praterstrasse<br />

13/1/2<br />

t/f +43 1 2126930<br />

projektraum@sil.at<br />

www.projektraum.at


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch IX - <strong>ST</strong>AR-book <strong>ST</strong>/A/R 65<br />

Lebendige Städteplanung<br />

Fritz<br />

Hock<br />

Chris<br />

Mathis<br />

Heidulf<br />

Gerngross<br />

Francisco<br />

Riveros<br />

Hans<br />

Piccotini<br />

Dominik<br />

Zlender<br />

City KIS eine<br />

virtuelle Metropole,<br />

die Realität ist<br />

Im November 2007 ruft mich der befreundete<br />

Kärntner Arzt Dr. Gert Hock an, um<br />

anzukündigen, dass sein Sohn, der Jurist Mag.<br />

Fritz Hock, Kontakt mit mir und den <strong>ST</strong>/A/R-<br />

Aktivitäten sucht. Die Hockfamilie ist eine<br />

Kärntner Arztfamilie, die mit meinen Eltern,<br />

besonders mit meinem Vater, dem praktischen<br />

Arzt, Dr. Herbert Gerngross, befreundet war.<br />

Gert hat als Kind kurz nach dem 2. Weltkrieg<br />

1946 einige Monate bei uns in Kötschach<br />

gewohnt als sein Vater, der Arzt Dr. Fritz<br />

Hock, an Lungenentzündung erkrankte. Auch<br />

der Vater von Dr. Fritz Hock, meinem Onkel<br />

Fritz, war Arzt, und ich bin sicher, dass es<br />

eine Seelenverwandtschaft mit Theophrastus<br />

Paracelsus gab.<br />

So geschah es, dass mich im November 2007<br />

der Kärntner Jurist Mag. Fritz Hock anrief, er<br />

denke an eine Zusammenarbeit mit <strong>ST</strong>/A/R an<br />

einem Projekt, das er im Zuge eines Studiums<br />

der Angewandten Kulturwissenschaften an der<br />

Universität Klagenfurt mit einer Gruppe von<br />

Studenten und Künstlern entwickelt und kreiiert<br />

hat.<br />

Es ist die Gründung einer neuen Stadt, die<br />

den historischen Raum, keltisch, slawisch,<br />

romanisch und germanischen Ursprungs von der<br />

Nordgrenze Kärntens bis zur Adria über Friaul –<br />

Julisch – Venetien und Teile Sloweniens umfasst.<br />

Er hat mit seiner Arbeitsgruppe den Namen City<br />

KIS (Kärnten, Italien, Slowenien) gewählt und<br />

würde gern ein Symbol, ein Zeichen, ein Wappen<br />

für die neue Stadt entwickeln.<br />

Ausgangspunkt zur Gründung der Stadt<br />

waren Hocks Inspirationen und Intuitionen,<br />

neben der landschaftlichen Schönheit und<br />

Vielfältigkeit auch die kulturelle Schönheit<br />

und Vielfältigkeit bewusst und auch<br />

praktisch zugänglich zu machen. Im Zuge<br />

der Projektarbeit sollte in Zusammenarbeit<br />

von BIZ KICK, Enter The Real Market und<br />

dem Gründerzentrum KärntenGmbH. Build!<br />

ein Unternehmen entstehen, das vorerst die<br />

Musikszene von Villach, Klagenfurt, Udine,<br />

Triest, Laibach vernetzt und praktisch durch<br />

neue Verkehrsverbindungen, z.B. ein KIS-<br />

Kulturshuttle zugänglich macht Villach-Udine<br />

1 Stunde, Klagenfurt-Laibach 1 Stunde. Alles im<br />

virtuellen Internetraum www.city-kis.net sichtbar<br />

und praktisch erreichbar.<br />

Hock deutete die Entstehung einer virtuellen<br />

Stadt an, die so weit entwickelt werden kann, dass<br />

die 2,5 Millionen Bewohner der Stadt Einfluss auf<br />

das vorerst kulturelle Geschehen erfahren und<br />

über die praktische Verwirklichung eine neue,<br />

lebendige Städteplanung entsteht.<br />

Diese Anregungen haben für <strong>ST</strong>/A/R<br />

Städteplanung, Architektur, Religion ein Tor<br />

geöffnet, unsere städteplanerischen Visionen in<br />

der Realität umzusetzen.<br />

Wir haben uns in Villach zu Arbeitsgesprächen<br />

getroffen und beschlossen, an der Entwicklung<br />

von KIS www.city-kis.net mit der uns zur<br />

Verfügung stehenden <strong>ST</strong>/A/R-Energie tatkräftig<br />

mitzuwirken.<br />

Als Herausgeber von <strong>ST</strong>/A/R, als Architekt und<br />

Städteplaner möchte ich noch die tiefgreifende<br />

städtplanerische Wirkung beschreiben, die<br />

mich keltisch, slawisch, romanisch, germanisch<br />

getroffen hat.<br />

Als ich vor 2 Monaten vom Schuster Dabernig<br />

in Kötschach Mauthen anlässlich meiner<br />

abendlichen Gasthausbesuche bei Sissy<br />

Sonnleitner, Guggenberger, Spörk, Servus,<br />

Zelger, Poschibar usw. usw. erfahren habe,<br />

dass Le Corbusier gesagt habe, die schönste<br />

Architektur sind die Dolomiten, auch Herbert<br />

Brandls Bergbilder im Kopf, hat das einen<br />

gewaltigen geistigen städteplanerischen Schub<br />

bewirkt.<br />

Triglav - Polinik - Grossglockner - Pitz Timau,<br />

gigantische grossartige Architekturen, Gail - Drau<br />

- Isonzo, Wörthersee - Ossiacher See und die<br />

Adria, Wasserflächenn, die die Architektur der<br />

neuen Stadt prägen.<br />

Also, als ich, – da hat sich ein neues Stadtbild<br />

entwickelt, das mir mit den Städten, die ich<br />

kenne, wie Los Angeles, wo ich einige Jahre<br />

verbrachte, St. Petersburg, New York, Mexico<br />

City, Wien, Berlin, Paris, Tokio, Hong Kong,<br />

ebenbürtig erscheint.<br />

City KIS wird jetzt noch vor den Städten<br />

Shanghai und Dubai, die heute eine Unzahl von<br />

Weltarchitekten und Städteplanern anziehen,<br />

im Mittelpunkt meines städtebaulichen Wirkens<br />

stehen. Vor allem deshalb, weil die neue Stadt<br />

KIS meine unmittelbare Heimat ist und das<br />

genaue Kennen des Ortes Voraussetzung für<br />

architektonisches Schaffen ist.<br />

Ich habe als Symbol und Grundstein der Stadt<br />

den Archiquant vorgeschlagen. Der Archiquant<br />

ist eine neu entdeckte geometrische Figur,<br />

deren Breite b gleich dem Radius r ist und seine<br />

Tiefe t ist der Goldene Schnitt von r oder b. Der<br />

Archiquant wurde von der Arbeitsgruppe als<br />

Zeichen, Wappen, Grundstein, Symbol und<br />

Träger der Botschaft City KIS angenommen.<br />

Die Grundsteinlegung von City KIS sollte im<br />

Frühjahr 2008, wahrscheinlich am Triglav,<br />

stattfinden. <strong>ST</strong>/A/R und der Österreichische<br />

Filmemachvereien 1,2,3 werden das Ereignis<br />

dokumentieren. Danach werden andere<br />

Energiefelder mit dem Archiquant markiert,<br />

materialisiert und manifestiert, sodass ähnlich<br />

den Tempeln Griechenlands materialisierte<br />

Geistesfelder oder Architekturen spezifische Orte<br />

der Stadt zeichnen.<br />

City KIS, die lebendige Stadt und Städteplanung,<br />

ist ein Modell unserer Haltung. H.G.2008


66 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IX - <strong>ST</strong>AR-book<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

ROBÖXOTIKA IM<br />

MUSEUMSQUARTIER<br />

DR. CRE<strong>ST</strong> AUS <strong>ST</strong>. PETERSBURG<br />

UND KRANKENSCHWE<strong>ST</strong>ER AGAFJA<br />

GRASNAYA GALERIA NAMARATA<br />

BRU<strong>ST</strong>VERGRÖSSERUNG FÜR HERMAPHRODITEN ANDI LUF UND VALIE AIRPORT UNTER COCTAIL-NARKOSE<br />

Fotos: Oxana Filippova<br />

ACHTUNG!<br />

SPIELT IN EINER ANDEREN LIGA<br />

HEIMO ZOBERNIG - Ausstellungsdauer 14.11. – <strong>16</strong>.1. 2008 - Mo – Fr 11 bis 18 Uhr, Sa 11 bis 15 Uhr - www.meyerkainer.com


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch IX - <strong>ST</strong>AR-book <strong>ST</strong>/A/R 67<br />

DE MEDEIROS<br />

TANIUCHI<br />

Nachhaltiger Erfolg der pariser Performer Tsuneko Taniuchi und Stéphane<br />

de Medeiros. Die hohe Qualität der Vorstellungen beeindruckte auch das<br />

verwöhnte Wiener Publikum. „Es war einfach ein Glücksfall, dass unser Dr.<br />

Denker solide Verbindungen zur pariser Kunstscene hat”, erklärt Heidulf Gerngross dem<br />

versammelten <strong>ST</strong>/A/R-Redaktionsteam. „Ohne ihn hätten die vielleicht gar nicht daran<br />

gedacht, dass es auch in Wien Kunst gibt. Das wäre schon schade gewesen. Die Künstler<br />

konnten hier bei uns etwas lernen und viele wichtige Erfahrungen sammeln.” Stephane<br />

de Medeiros stimmt dem voll zu. Im MAK lernte er Kosuths Idee einer analytischen<br />

und tautologischen Kunst zu verteidigen, das Prinzip der Autoreferenzialiät an seine<br />

extremen Grenzen zu treiben und nebenbei die Moderne zu denunzieren. An seine Zeit<br />

in Wien denkt er gerne zurück, besonders an die geschmackvollen Würste: „Wir im<br />

Westen unterschätzen oftmals Eure ost-europäische Küche”, schreibt er uns auf einer<br />

Künstlerpostkarte. „Ihr steckt nicht nur viel Mühe in die sprachliche Ausbildung Eurer<br />

Polizisten, sondern auch in die Nahrungszubereitung. Besonders von eurem herzhaften<br />

Umgang mit Würsten können wir in Westeuropa nur träumen! Ein bisschen Fett schadet<br />

ja nicht. “ Dem Künstler ist es übrigens wichtig, dass sein Wattestäbchenpenis über das<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Vertriebssystem inzwischen in ganz Österreich käuflich erworben werden kann:<br />

„Besonders in Wien haben so…<br />

Dr. Christian Denker, Universität Wien<br />

Le ipod de Cattelan<br />

(avec Derrick sur TF3),<br />

Performance von<br />

Stéphane de Medeiros,<br />

the gallery Mill,<br />

Hong Kong, 2007.<br />

Micro-événement<br />

18bis/Marianne,<br />

Performance von<br />

Tsuneko Taniuchi,<br />

La force de l’art,<br />

Grand Palais,<br />

Paris, 2006.<br />

Vorankündigung des<br />

psychedelischen kunst-frühlings 08.<br />

Die wiener psycho-art-band the „psychedelic greybacks“ und ihr künstlerischer spiritus<br />

rektor und art advisor adam wiener sprechen bereits von einer neuen psychoart-punk<br />

bewegung.join in! drop out! be part of it!. am 5.03.08 ab 22 Uhr laden<br />

die PSYCHEDELIC GREYBACKS zum SPACE-DANCE in die Mutter aller Discotheken,<br />

ins Elysium der psychichedelischen Rockmusik: in die CAMERA. „alte“ Stammgäste des<br />

Traditionshauses in der Neubaugasse, „Frischlinge“ genauso wie all jene, welchen die Camera<br />

früher „zu wild“ war,sind herzlich willkommen. die pschedelic greybacks machen psycho-artpunk<br />

und übersetzen den typischen „Camera“-Sound der 70er jahre in die Gegenwart. soll<br />

heißen: hochenergetische bühnen show und psychedelische grundstimmung. psychedelisch<br />

heißt bei uns beides. wir machen musik für psychonauten und psychotherapie-abbrecher (nur<br />

letztere können jemals frei sein). wir glauben an chemie, weil chemie wirkt und wer prosac will<br />

der soll es haben. unsere konzerte stehen unter dem motto: „we want to take you higher“.wer<br />

also alle legenden der CAMERA OBSCURA und des WUMM WUMM gehört oder miterlebt<br />

hat, wer später in den 90er jahren postpunk und industrial gehört hat, hat gute chancen auf ein<br />

luzides dej´vu. das musicalische experement, die dekonstrution der rockmusik, bei gleichzeitig<br />

tanzbaren beats ist credo. mit im PSYCHO-JUNKIE-PAKET der maler ADAM WIENER,<br />

der den FLYER der greybacks gemeinsam mit seinem congenialen partner CHRI<strong>ST</strong>IAN<br />

DRO<strong>ST</strong>E, der übrigens der bassist der greybacks ist, gestaltet hat. ADAM WIENER hat, wie er<br />

uns verspricht, beschlossen die band mit seinem bildnerischen Zugang „unter seine fittiche“ zu<br />

nehmen. Da kommt jedefalls einiges an arbeit auf ihn zu. am 5.3.08 wird in der camera jedefalls<br />

eine limiterte anzahl an flyern vom adam mit seinem lieblings zitat zum thema psychedelic<br />

greybacks gestempelt: THIS BAND IS ADAM PROOF. diese gestempelten flyer werden gratis<br />

an die besucher abgegeben. auf die frage wie viele stück es sein werden hat mir adam wiener<br />

zuletzt, mit seiner herzerfrischend lauten stimme entgegengeschmettert: „NA SOVIELE WIE<br />

MÖGLICH DU SPIESSER. Rockmusik ist KUN<strong>ST</strong> FÜR DIE MASSEN und da will ich dabei<br />

sein. Am liebsten wärs mir wenn jeder WIENER HAUSHALT EINEN KLEINEN<br />

ORIGINALISIERTEN bzw GE<strong>ST</strong>EMPELTEN ADAM WIENER - PSYCHEDELIC GREYBACKS<br />

FLYER zu Hause auf seiner Pinwand oder im Tagebuch eingeklebt hätte;kunst<br />

für die massen, einfach zugänglich sein. high times for everybody. wenn mein psychedelischerkunstwurm<br />

dazu einen kleinen beitrag leistet, dann lass ich mich doch gerne von den greybacks<br />

vor ihren karren spannen“ das bodypainting des sängers king-manifesto-karo soll, so tönen die<br />

buschtrommeln, der französische graffiti-, streetart und stencil künstler<br />

C215, der eigens für das event in der CAMERA OBSCURA aus Paris<br />

eingefolgen wird, übernehmen. hard fakts: wir spielten in Zwerndorf im 3er wirtshaus. hatten<br />

einen großen erfolg im salon leopold (13.04.07). wir<br />

spielten am 29.09 22uhr im laderaum badeschiff;<br />

es sind 10 musiker on stage: ein jazz drummer, der technofreak ist(esad halilovic), zwei<br />

gitarren(peter golzar), Wolli kirnbauer); ein kyboarder, der auch geige spielt und vom jazz<br />

kommt (clemens wratschko).bass christian totzdem droste (der oberste der der wilde<br />

pinguine) spielt den speed-bass und is gemeinsam mit dem sänger michael magits dem<br />

saxophonisten Stefan Freytag dem performer (king-manifesto-karo)für die art-punk/dico-funkpunk<br />

grundstimmung zustimmung zuständig. damit es psychedelisch genug ist haben wir<br />

noch zwei weitere<br />

syntesizer, korg ms 20(gerhard zimmermann) micro korg (andreas tonhauser)


WIENER CHRONIK<br />

Städteplanung / Architektur / Religion Buch IX - <strong>ST</strong>AR-book<br />

<strong>ST</strong>/A/R 69<br />

10 Autoren kämpfen im<br />

Ensemble-Theater Wien<br />

um eine Flasche Whiskey<br />

Eine neue Form der Dichterschlacht erblickte am<br />

12. November 2007 das Bühnenlicht der Welt:<br />

DRAMA SLAM – die Szenenschlacht. 11 Autoren, 4<br />

Schauspieler 2 Moderatoren und 70 Schiedsrichter ließen<br />

sich auf die Jungfernfahrt des Wettbewerbformates unter<br />

der Flagge der Vitamines of Society im Ensemble<br />

Theater am Petersplatz im Herzen Wiens ein.<br />

In einer herkömmlichen Poetry Slam haben Dichter<br />

eine bestimmte Zeit ohne besondere Hilfsmittel ihren<br />

selbstverfassten Text vorzutragen und ihn der Bewertung<br />

durch eine Publikumsjury auszusetzen.<br />

In der DRAMA SLAM sind szenische Texte gefordert,<br />

die nach kurzer Einführung des Autors von einem Pool<br />

von Schauspielern prima vista, aber mir allem was ihr<br />

Einfallsreichtum und die Bühne hergibt, umgesetzt<br />

werden. Das Grundsetting der ersten Slam bildeten 2<br />

Frauen und 2 Männer (das Actors-Basic-Kit: Susanna<br />

Bihari, Sissi Noé, Jens Claasen & Rainer Doppler), die ihn<br />

lockerer Wohnzimmeratmosphäre mit Zigaretten, Bier und<br />

Junkfood zu Medien für die Texte wurden.<br />

Die Texte reichten von einer dramatisierten Version<br />

von Wolf Morrisons Fucked Up in Vienna über Nadia<br />

Buchers namenlose Milieustudie über Künstler<br />

DRAMA SLAM<br />

im Kunstreich, Markus Köhles avantgardistische<br />

Heldendemontage, Günther der TSCHIF Windischens<br />

Arbeitslosenschiksalsdrama AMS, Andi Plammers Einblick<br />

in Verdauungsvorgänge Lovestory in der Packerlsuppe, Alex<br />

Gendlins Studienzeiterinnerungen Endlich 18, Mieze<br />

Medusas Hackerinnenerlebnisse von Mia Messer, Oxana<br />

Fillipovas männlicher Horrorphantasie Garage, Wladimir<br />

Jaremenko-Tolstojs sibirischem Einakter vom Hühnervögler,<br />

Karsten Rühls romantische Szenenfolge Liebeswerben bis<br />

hin zu Melamars Dramolett aus dem Literatenmilieu mit<br />

Namen Die großen Dichter.<br />

Nach fünf Dramen lag der Tschif in der Gunst des<br />

Publikums klar in Führung, die abermalige Wertung<br />

nach den besten 10 ging an den Theatermann Karsten<br />

Rühl, der neben einer Flasche Jameson-<br />

Whiskey seinen durch Zeitlimit abgeschnittenen<br />

Text auch noch zu Ende vortragen lassen durfte. In<br />

der Bewertung hatte jeder Besucher eine Stimme, die<br />

Teilnehmer der ersten Runde waren aber durch den<br />

Abstimmungsmodus klar benachteiligt, sodass es für den<br />

nächsten Drama Slam in ein paar Monaten ein neues,<br />

möglichst faires Bewertungssystem geben wird. Denn<br />

ständige Modifikationen und Weiterentwicklungen bereits<br />

bestehender Formate sind laut Jimi Lend, dem Initiator<br />

und Moderator der DRAMA SLAM, Programm.<br />

Die Bedeutung von Hamann und Jacobi für die aktuelle Entwicklung in Russland<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Architekturphilosoph<br />

Sergej Volgin<br />

Sergej Volgin und FARCE VIVENDI präsentieren mit Unterstützung des <strong>ST</strong>/A/Rs das Buchprojekt<br />

Johann Georg Hamann & Friedrich Heinrich Jacobi: Ausgewählte philosophische Schriften (ins<br />

Russische übersetzt und interpretiert von Sergej Volgin, ca. 600 Seiten. Format: 80x108 1/32)<br />

Es handelt sich um die erste Übersetzung der wichtigsten<br />

Schriften von Hamann und Jacobi in die russische<br />

Sprache. Die „Philosophen des Gefühls und des Glaubens“<br />

wirkten mit an der deutschen Aufklärung, zusammen mit<br />

Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Kant und Fichte. Hamann<br />

und Jacobi, sowie die „Philosophen des Genius“ (I. C. Lafeter)<br />

und auch Hemsterhuis in Holland, vertraten in der Philosophie<br />

dieselbe Bewegung, welche in der Literatur als „Sturm und<br />

Drang“ weltbekannt wurde. In gewissem Sinne ist ihre Position<br />

marginal, denn sie standen mit dem damaligen Rationalismus,<br />

Sensualismus und dem entstehenden Kritizismus in sehr<br />

merkwürdigem Kontrast. Es ist zu bemerken, dass ihre Ideen<br />

einen sehr starken Einfluss nicht nur auf die deutsche Kultur am<br />

Ende des 18. und am Anfang des 19.Jahrhunderts hatten, sondern<br />

über den Bereich der Philosophie hinaus auch in Religion,<br />

Moral und Ästhetik hinein wirkten. Ihre philosophische Position<br />

kommt dem Skeptizismus recht nahe – es ist kein Zufall, dass die<br />

beiden Philosophen, gemeinsam mit Immanuel Kant, die ersten<br />

deutschen Kenner der skeptischen Lehre David Humes waren.<br />

Aber es wäre verkehrt, ihre Position einfach als skeptisch zu<br />

bezeichnen: Hamann und Jacobi verwenden die skeptische Waffe<br />

zwar häufig und meisterhaft gegen ihre rationalistischen Gegner,<br />

aber genau dort, wo ein Skeptiker dem Menschen das Absolute<br />

Wissen abspricht, stellen die beiden solches Wissen in ihm fest,<br />

im Sinne eines religiösen Glaubens, als eines Vermögens zur<br />

Wahrnehmung des absolut Unbedingten und Übersinnlichen (d.<br />

h. Gottes).<br />

Es gibt auch Unterschiede zwischen den beiden Philosophen:<br />

Hamann ist ein Vertreter der Mystik, Jacobi ist ein Realist -<br />

jedenfalls behauptet er das von sich selbst, wobei er Hamanns<br />

Position höher einschätzt als seine eigene. Der skeptische Akzent<br />

tritt in Jacobis Philosophie viel stärker hervor als bei Hamann,<br />

der eher als Prophet der Offenbarung und Poet der göttlichen<br />

Dämonie wirkt.<br />

Warum soll man ihre Schriften heute lesen? Was bringen uns<br />

ihre Ideen gegenwärtig? Das Interesse ihrer Gedanken besteht<br />

nicht nur darin, dass sie eine bestimmte historische Form der<br />

Philosophie darstellen, die man kennen kann oder auch nicht,<br />

sondern es wurzelt, meiner Meinung nach, im derzeitigen<br />

Zustand der Philosophie und des geistigen Lebens in Russland.<br />

Schon lange vor dem Zerfall der Sowjetunion und dem<br />

Untergang der damaligen Ideologie – etwa seit Ende der 60er<br />

Jahre – befand sich die Philosophie (sowie die Kunst und die<br />

Wissenschaft) in Russland in einer ähnlichen Situation, wie die<br />

Wissenschaften am Anfang der Renaissance: sie kämpften um<br />

sich selbst und ihren Urgrund, um sich unabhängig von jeder<br />

Ideologie weiterentwickeln zu können. Die Kräfte, welche diese<br />

Bewegung inspirierten, scheinen jetzt erschöpft zu sein, man<br />

spürt im Geistesleben zunehmende Stagnation. Da gilt es, tiefere<br />

Kräfte zu erwecken und sie im Leben wirken zu lassen.<br />

Kein Wunder, dass gerade in Russland (wo durch eine<br />

zunächst sehr brutal und späterhin systematisch durchgeführte<br />

Einpflanzung klerikal-politischer Weltanschauungen, wie<br />

offiziellem Atheismus und Materialismus, die religiösen Gefühle<br />

der Menschen fast siebzig Jahre lang unterdrückt wurden) nach<br />

dem Zerfall der UdSSR ein heißer und beinah fanatischer Drang<br />

nach Religion entstand. Aber das Erbe der materialistischen<br />

Eschatologie der „Schönen Zukunft“ schleppen die Völker<br />

der Ex-Sowjetunion mit sich weiter. In Russland gibt es einen<br />

Spruch: „Ein Heiliger Ort bleibt nie leer“ und genau dort, wo in<br />

Sowjetmenschen die Hoffnung an die kommende gute Zukunft<br />

allgemeiner Gerechtigkeit lebte, herrscht jetzt heftiger Kampf<br />

oder Apathie, ein unaufhörliches Tasten eines Blinden oder<br />

eines Schlafenden im Dunkeln geistiger Nacht. Der Stachel<br />

der Zweifel drängt immer tiefer in das Weiche des Gemüts, er<br />

wühlt darin wie ein bissiger Hund und trifft auf nichts, was ihm<br />

Widerstand leisten könnte, keinen kräftigen und festen Kern.<br />

Daraus entsteht ständige Unruhe, die kein Ende nimmt, bis<br />

der Mensch innerlich und äußerlich vollkommen entleert und<br />

kraftlos ist. Damit will ich einen meiner Meinung nach sehr<br />

wichtigen Zug der menschlichen Seele im Russland der letzten<br />

Jahrzehnte unterstreichen, wobei ich weiß, dass ich damit nichts<br />

Neues oder Unbekanntes sage. Das ist auch nicht verwunderlich,<br />

DRAMA SLAM<br />

So wird es voraussichtlich schon im Frühjahr 2008 auf<br />

Initiative des russischen Literaturblattes Cas Slova die<br />

erste Drama Slam mit neuen Regeln auf russisch in<br />

St.Petersburg geben. Die Grundstruktur der Drama-<br />

Slam ist so einfach und unterhaltsam, dass sie in allen<br />

Sprachen der Welt aufgeführt werden kann und gilt für<br />

internationale Kooperationen als Open Source Format.<br />

Für weitere deutschsprachige Drama-Slams würde sich<br />

Jimi Lend freuen zumindest als Teilnehmer eingeladen<br />

zu werden. Alles in allem freute es die Dichter ihre Texte<br />

in den Mündern & Körpern echter Schauspieler wieder<br />

zu finden, die Schauspieler genossen die Gelegenheit<br />

alle 10 Minuten in neue Rollen zu schlüpfen und wurden<br />

zu darstellerischen Höchstleistungen bewegt und das<br />

Publikum erlebte einen abwechslungsreichen Abend und<br />

nützte seine Möglichkeiten sich an der Beschreibung und<br />

Bewertung des Dargebrachten zu beteiligen. Für einen<br />

reibungslosen Ablauf sorgte die unvergesslich strenge und<br />

schlagfertige Notarin Andrea Kramer.<br />

wolfgang lampl - jimi lend - 0650 771 4508<br />

Next DRAMA-SLAM im April 2008!!!<br />

Text zur Gerngrosssäule 2000<br />

denn wir haben über mehrere Generationen hinweg verlernt,<br />

in uns ein Selbstgefühl und somit auch einen Selbstglauben<br />

im höheren Sinne zu erkennen (gemeint ist damit nicht jenes<br />

‘Selbstgefühl’, das uns das Naturrecht zuschreibt und auf dem<br />

jeder Absolutismus und Totalitarismus, aber auch Liberalismus<br />

beruht – gerade davon sind die heutigen Russen innerlich erfüllt<br />

und durchleben alle Modifikationen des Egoismus). Ein höherer<br />

Glaube an das Geistige soll erst noch in uns selbst erweckt und<br />

begrifflich geklärt werden.<br />

Hinter dem Vorhang des<br />

schönen Anscheins.<br />

Eine Stunde<br />

vor Mitternacht<br />

vereinbare ich ein<br />

Treffen mit ManfreDu<br />

Schu im Nachtasyl in<br />

der Stumpergasse, um<br />

über sein Kunstwollen<br />

zu sprechen. Auf dem<br />

Weg dorthin schneit<br />

es wie im tiefsten<br />

Winter.<br />

Andreas F. Lindermayr,<br />

Chronist<br />

„Die Ausstellung im Refektorium des<br />

Heiligenkreuzerhofs“, denke ich, „sitzt<br />

noch vielen in den Knochen, die Sache<br />

wäre eigentlich noch brühwarm. In<br />

Gerngross Namen, gehen wirs an!“<br />

Vorsichtig taste ich mich die breite, relativ<br />

steile Treppe hinunter in das Nachtasyl.<br />

Muffige Kelleratmosphäre umfängt mich<br />

bei Betreten des Lokals. Ich gehe durch,<br />

bis zur Ausschank, wo ich diesen seltsamen<br />

Doktor Darcula vermutlich treffen werde.<br />

Und so ist es auch.<br />

Er hat bereits ein Achterl Rot bestellt. Ich<br />

werfe einen Blick auf seine Erscheinung:<br />

zu seiner üblichen Stresemann-Hose trägt<br />

er einen Wintermantel mit Pelzkragen,<br />

unterhalb davon das unvermeidliche<br />

Signum seiner Künstlerwürde, einen<br />

merkwürdigen Brustlatz, der an ein Ding<br />

erinnert, wie Franz Liszt eines getragen<br />

hat.<br />

Die Begrüßung ist wie immer herzlich.<br />

Wir ziehen uns nach kurzem<br />

Wortwechsel zurück auf das Podium<br />

im Eingangsbereich, wo ein großer<br />

Tisch steht. Daran nehmen wir im<br />

Dämmerschein platz.<br />

Ich eröffne die Sitzung, indem ich<br />

den Maestro, ganz wie Roland Reiter,<br />

behutsam mit seiner erwachenden<br />

Sexualtität konfrontiere.<br />

Im Unterschied zu Roland Reiter jedoch,<br />

zieht ManfreDu Schu keine scharfe<br />

Trennungslinie zwischen Sex und Kunst.<br />

Ich erwähne, daß seine Silikonskulpturen<br />

zum Teil eine frappante Ähnlichkeit zum<br />

männlichen Geschlechtsteil aufweisen.<br />

ManfreDu nickt und ergänzt. „Aber auch<br />

zum weiblichen!“<br />

„Zum weiblichen?“ Nun lasse ich<br />

vor meinem inneren Auge einige<br />

Assoziationen dazu Revue passieren<br />

und erkenne die Analogie. Klar,<br />

im Männlichen ist ansatzweise ein<br />

Weibliches und umgekehrt. Sonst<br />

müßten ja Hermaphroditismus und<br />

Geschlechtsumwandlungen, die es ja<br />

offensichtlich beständig irgendwie gibt,<br />

gänzlich unmöglich sein. Schon die<br />

Sexualtheorie Sigmund Freuds bestätigt<br />

diese Tatsache.<br />

Nachdem ich über meine Ministrantenzeit<br />

und die Eigenheiten der zwei Pfarrer, die<br />

ich im Wesentlichen hatte, berichte, stelle<br />

ich ManfreDu die Frage, wie das bei den<br />

Wiener Sängerknaben so war.<br />

„Ungezwungen“, antwortet Maestro Schu.<br />

„Wir haben uns da wenig gedacht, jeder<br />

hat bei Gelegenheit hergezeigt, was er so<br />

zu bieten hat. Das war stets ein lustiges<br />

Geblödel. Aber ich hab mich gewundert,<br />

daß das Ding zwischen den Beinen<br />

unterschiedliche Größen aufweist. Ich<br />

hätte in meiner Naivität geschworen, daß<br />

Roland Reiter<br />

das bei allen gleich ist“.<br />

Ich muß unweigerlich lachen. „So kommt<br />

man langsam dahinter, was es da für<br />

himmelschreiende Differenzen gibt,<br />

was?!“<br />

„Genau!“, antwortet der Meister und<br />

schmunzelt.<br />

„Der Film, wo du mich über das Parkett<br />

im Prälatentrakt kickst, heißt wie? Doktor<br />

Skalpell?“<br />

„Nein“. ManfreDu lächelt und sagt „Wär<br />

aber auch eine Möglichkeit „ und fügt mit<br />

ernster Miene hinzu, „da müßten wir aber<br />

noch weiterarbeiten. Hart. Der Film heißt<br />

übrigens Dr. Sculpture.“<br />

„Dr. Sculpture? Du meinst wohl Doktor<br />

Skulptur?“<br />

Seltsam, denke ich mir, schon wieder<br />

ein Gegensatzpaar. Einerseits das<br />

Aktionistische des via Fußtritte über das<br />

Parkett Beförderns, andererseits das<br />

Befördertwerden und der Körper als<br />

Bildwerk.<br />

Nun gehe ich auf seine Exponate<br />

im Einzelnen ein, und beginne mit<br />

der Installation im Mittelteil, dem<br />

Baugerüst mit der amorphen, rosaroten<br />

Silikonmasse, die sich darunter hinzieht.<br />

Irgendwo prangt Haar inform einer<br />

Perücke. Ich erzähle von Eindrücken<br />

einer Wohngemeinschaft in den<br />

Achtzigerjahren. Von den ekeligen<br />

❶ ❷ ❸<br />

• Meine Tante Andrée ist mit der EAPPI nach Palästina geflogen, (photo 1 Tante vor dem Haus)<br />

• um Oliven zu pflücken (photo 2 olives on ground)<br />

• und um den Frieden zu fördern. (photo 3 Frau im Baum)<br />

Ich bin Französin, wohne in Wien und liebe <strong>ST</strong>/A/R Menschen (photo 4)<br />

❹<br />

ManfreDu Schu<br />

feuchten Wattebauschen, die sich<br />

da beständig am Waschbecken<br />

ansammelten, weil unsere gute<br />

Mitbewohnerin es nicht der Mühe für<br />

Wert befand, diese gleich zu entsorgen.<br />

Oder an ein achtlos zurückgelassenes<br />

Präservativ irgendwo, irgendwann und<br />

komme zurück auf die Ausstellung mit<br />

den merkwürdigen Zeichnungen an der<br />

Wand, mit dieser eingenartigen Chiffre,<br />

einer Chiffre, die sich auf die Beine<br />

macht, könnte man meinen.<br />

Und indem ich darauf verweise, entfährt<br />

ManfreDu Schu die Frage: „Das fällt<br />

dir auf? Tatsächlich? Das wundert mich<br />

aber!“<br />

„Wieso nicht!? Ich müßte ja ein totaler<br />

Ignorant sein, wenn mir diese Dinge nach<br />

siebzehnjähriger Freundschaft nicht doch<br />

langsam in jeder Hinsicht merkwürdig<br />

erschienen! Übrigens, vor siebzehn<br />

Jahren haben wir uns kennengelernt. Wir<br />

haben uns damals über die Vermittlung<br />

von Bertl Theuretzbacher im Cafe´<br />

Museum getroffen. Ich habe einen<br />

Artikel über dich geschrieben, der im<br />

damaligen WUK-Blatt „Werk und Kultur“<br />

veröffentlicht wurde.<br />

„Kannst dich erinnern?“<br />

ManfreDu Schu nickt. Dann zeigt er mir<br />

am mitgeführten Laptop Photos, die er<br />

von mir am Josefsplatz im Umfeld der<br />

Nationalbibliothek gemacht hat.<br />

Daß Kleidung nicht nur einer Hülle<br />

entspricht, die auf den Träger verweist,<br />

wie in exponierten Fällen, sondern meist<br />

dazu dient, den wahren Sachverhalt zu<br />

verhüllen, - wie die Umgangssprache den<br />

eigentlichen Gedanken, so Wittgenstein -,<br />

damit sind wir durchaus einer Meinung.❑<br />

Theatre and/ in War<br />

Theatre and/ in War was one of the three<br />

main topics at the second large meeting of<br />

the European off network EON in Brescia in<br />

May 2007.<br />

A lecture and two half days discussion possibility<br />

were taken into account for the panel.<br />

From a significant bad situation – Zoe from<br />

Belgrade who should hold the main lecture<br />

did not get her visa and could not enter<br />

to Italy - an unexpected and surprising<br />

solution resulted. Spontaneously theatre<br />

activists from current crisis regions like the<br />

Gaza strip AND Israel, from the Kosovo AND<br />

Serbia AND Croatia and further countries,<br />

which were involved into the Balkans conflict,<br />

showed short video and DVD cut-outs<br />

from their work.<br />

War and post-war realities in the former<br />

Yugoslav area were there on the stage to<br />

see partially aesthetically strongly reserved<br />

and ‘verfremdet’, partially realistically<br />

oversubscribed. From a production from<br />

Croatia a sequence originates over the brutal<br />

murder of babies in a serial dance taking<br />

from the buggy in such a smooth way,<br />

that the horrible act of violence remains<br />

unbelievable as origin of the scene, while<br />

in a Kosovarian improvisation a young actress<br />

was hardly to look rooting/digging in<br />

a large lump raw meat, while telling a rape<br />

with deepness of existential emotion.<br />

Theatre seems to be in the Balkans area<br />

<strong>ST</strong>/A/R-<br />

Alltag<br />

Wir arbeiten an der neuen Nummer, besonders<br />

an unseren glorreichen Beiträgen zum France-<br />

<strong>ST</strong>/A/R, einem Durcheinander von Werbung für<br />

Petits Fours, Architektur, Kino und ein paar schrägen<br />

Performances mit Photos im Stil Gala für Arme... super!<br />

Wir kommen ins Büro, der Artdirektor ist noch<br />

nicht da. Telefonalarm: Er meint, er hätte ein bisschen<br />

viel geraucht, will erstmal frühstücken. Im Büro hechelt<br />

ein schwarzer Windhund, während ein unbekannter<br />

Dichter darauf wartet, dass der Herausgeber<br />

vor den Vorhang tritt (dahinter steht sein Bett, er<br />

schläft noch, bzw. er zelebriert sein Leben). Sein Sohn<br />

–etwa 25, blond, Frauenschwarm- macht inzwischen<br />

Liegestütze auf dem <strong>ST</strong>/A/R Printmediumsarchiv, das<br />

er seinerseits derzeit als Wohnraum nutzt. Er steckt<br />

unseren USB-Stick ein, weil er ihn für ein Feuerzeug<br />

hält und baut eine Tüte im Altarraum, d.h. der ehemaligen<br />

Toilette. Wenige Stunden später machen wir<br />

uns an die Arbeit, eilig, am Abend gibt es eine Sitzung<br />

der „Gegenredaktion“ des kommenden „Kunst-<br />

<strong>ST</strong>/A/Rs“, dessen Herausgeber seit der Umwidmung<br />

der Redaktionstoilette aus gesundheitlichen Gründen<br />

lieber in seiner eigenen Wohnung arbeitet und pinkelt.<br />

Die letzten Tage vor dem Erscheinen: der Herausgeber<br />

besetzt den Platz neben dem Artdirektor nun ständig.<br />

Manchmal geht er auf Toilette. Wer dann sitzt gewinnt:<br />

nur nicht mehr aufstehen: wer auf dem Stuhl<br />

sitzt, kann den Artdirektor dieselbe Seite fünfzehn<br />

Mal anfangen lassen, basteln und kleben, an einem<br />

Wettbewerb um die schlimmste Idee teilnehmen und<br />

am Ende glauben, die Arbeit selbst erledigt zu haben.<br />

Das Geld für die nächste Ausgabe ist ohnehin<br />

nicht da, also drängt es, Kaffee zu kochen und den<br />

Altartoilettenraum weiter zu bemalen. Überhaupt<br />

tut Reorganisation der räumlichen Gegebenheiten<br />

Not: Zeitungsstapel werden halbmeterweise verschoben<br />

und die Wände mit Archiquanten und mit<br />

Kunstwerken aus der Zeit der letzten <strong>ST</strong>/A/R-Aktion<br />

verdeckt und verschönert. Der Kassier fordert mehr<br />

Nacktbilder für die Dezemberausgabe.<br />

Unfunktionalität hat System, bald wird eine<br />

neue Waschmaschine geliefert, der Schlauch zum<br />

Waschbecken reisst, der Jungste Sohn des Herausgebers<br />

erscheint, er geht noch nicht zur Schule kann aber<br />

schon prachtvoll Wände bemalen (siehe Seite 64), alles<br />

im Fluss, na also, frohe Weihnachten!<br />

Alles ist gut!<br />

- related<br />

to the conflicts<br />

of the<br />

recent past<br />

- a symbolic<br />

experience<br />

area, in<br />

which the<br />

traumata<br />

of the experienced<br />

can remove<br />

the taboo<br />

from and<br />

Sabine Köck<br />

be through-lived in www.freietheater.at<br />

the representation<br />

of Catharsis. And this concept seemed to<br />

be accepted all conflict sides of the various<br />

crisis region, anyhow all productions<br />

of those, which participated from Croatia,<br />

Bosnia, Serbia and Kosovo in the EON<br />

meeting. All sequences from the area were<br />

related to tragedy and or the concept of<br />

Catharsis played more or less with elements<br />

of pathos.<br />

A group of young Serbian women analyzed<br />

this fundamentally critically: in their eyes<br />

theatre is a possibility of symbolising but<br />

overloaded of reality and could be completely<br />

not more than a “discourse” but<br />

never a possibility for the knowledge of<br />

reality of the war.<br />

So in Brescia a “third space” was developed<br />

outside of the war reality and crisis areas<br />

and all, which were thereby, felt the explosiveness<br />

and responsibility for the situation.<br />

For all of us it is an aim and certain a wish<br />

by heart to find possibilities to continue this<br />

sensible dialogs.<br />

On a very practical level we hope meanwhile<br />

that the European Off Network EON<br />

can be a part of empowerment not only<br />

for open dialogues but also to open the<br />

Shengen boarders for all this open, wide,<br />

complex and cosmopolitan thinking artists<br />

to get the possibility to come into a real<br />

dialogue with each other and with several<br />

foreign audiences.


70 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch IX - <strong>ST</strong>AR-book<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Foto: Andrej Rudjev / St. Petersburg im MUMOK<br />

Multimediale Kulturvernetzung Multimedia<br />

RON VENEZOLANO<br />

Unsere Rum-Ladies aus Venezuela<br />

Polke<br />

Aus der Tasche gezogen<br />

<strong>ST</strong>/A/R-Redaktion:<br />

Hentz, Gerngross, Tolstoj<br />

Chaos Marcel Houf<br />

Andrej Rudjev, Christian Xell<br />

Fotos: Starredaktion


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch IX - <strong>ST</strong>AR-book <strong>ST</strong>/A/R 71<br />

Naked poetry<br />

Felix Strasser<br />

Hermagor - Moskau<br />

In der Spielzeit 2005-2006 Engagement am<br />

«KONCEPTUALNYJ TEATR KIRILLA GANINA» in<br />

Moskau (Russland). Hauptrollen in: «19 Zentimeter»<br />

(nach N. Gogol «Die Nase») – Kollegienassessor<br />

Kovaljov; «Russian Language for Bastards and<br />

Bimbos» (V. Jaremenko-Tolstoj) – Pasquale; «Abende<br />

antifaschistischer Pornographie» (K. Ganin, H.<br />

van der Klejm) – amerikanischer Soldat, Carla del<br />

Ponte; «Adam & Eva» (K. Ganin) – Adam; «Naked<br />

VIPs» (K. Ganin, verbatim) – dt. Journalist Günther<br />

Heidelfrucht; «Die Lolitchenfabrik» (K. Ganin) – Joob<br />

van der Huj; «Alye Parusa» (nach A. Grin) – Kapitän<br />

Grej.<br />

Mehrere Soloauftritte in verschiedenen Moskauer<br />

Klubs und Galerien (u.a. im Michail-Bulgakov-<br />

Museum) und am Wiener Pygmalion-Theater mit<br />

10minütigen Plotmontagen aus Flugzetteln und<br />

russischer Nationalliteratur Zyklus «GENOSSE<br />

AUSLÄNDER»).<br />

!<br />

Felix und<br />

seine<br />

russische<br />

Frau Julia<br />

Marita<br />

Muukkonen<br />

small-<br />

Stodolsky<br />

Tolstoj<br />

Naked poet Ivor Stodolsky in Lettland,<br />

www.naked-naked.net<br />

Le Monde Nu<br />

Le Nouveau Masturbateur<br />

DU<br />

<br />

<br />

<br />

PERE<strong>ST</strong>ROIKA IN CINEMA<br />

<br />

<br />

<br />

PERE<strong>ST</strong>ROIKA–AJAN ELOKUVIA<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

‘THE GLASNO<strong>ST</strong>’ COLLECTION EXHIBITION<br />

<br />

<br />

<br />

GLASNO<strong>ST</strong>IN AJAN SANOMALEHTIÄ –<br />

NÄYTTE LY<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

A special issue of this internationally recognised<br />

journal dedicated to the wider questions<br />

raised by the Aleksanteri Fora. Journal 08/08 will<br />

be published in Spring 2008.<br />

<br />

<br />

<br />

Lehden teemanumero 08/08 keskittyy Aleksanteri<br />

Kulttuurifoorumin nostamiin laajempiin<br />

kysymyksiin. Lehti ilmestyy keväällä 2008.<br />

<br />

<br />

<br />

Big-<br />

Stodolsky<br />

<br />

<br />

All visitors of the Cultural Fora will receive a<br />

free FORA NEWSPAPER “The Raw, The Cooked<br />

And The Packaged”, which will announce the<br />

full conference programme, the film schedule,<br />

and further detailed information. It also will<br />

Or was it a<br />

serve as a notebook and re-configurable exhibition-catalogue.<br />

the former Soviet sphere, the so-called West<br />

counter-revolution? What is its legacy today in<br />

<br />

and in areas once known as “non-aligned”? Is it<br />

<br />

time for another perestroika?<br />

<br />

Against this wide canvas of questions, the Finnish<br />

capital is hosting a series of events dedicated<br />

to perestroika: its history, legacy and the<br />

<br />

<br />

KIASMA<br />

impulses it may give to the future.<br />

Kulttuurifoorumin tapahtumissa jaetaan ilmaista<br />

FOORUMIN SANOMALEHTEÄ ”Raaka,<br />

Käsitelty Ja Paketoitu”, <br />

<br />

Helsinki<br />

jossa on konferenssin<br />

ohjelma, Orionin elokuvaohjelma sekä tarkempaa<br />

tietoa muista tapahtumista. Sanomalehti<br />

toimii myös muistikirjana sekä uudelleen muotoiltavana<br />

näyttelykatalogina.<br />

Vai oliko<br />

se vastavallankumous? Mikä on sen tämän<br />

Projektia ovat tukeneet Pohjoismainen kulttuurirahasto,<br />

Näyttelyvaihtokeskus FRAME ja Poh-<br />

niin kutsutussa lännessä ja alueilla, jotka<br />

hetkinen perintö entisellä Neuvostoalueella,<br />

joismainen kulttuuripiste.<br />

tunnettiin joskus ”sitoutumattomina”? Onko<br />

uuden perestroikan aika?<br />

<br />

Näihin laajoihin kysymyksiin liittyen Helsin-<br />

<br />

gissä järjestetään tapahtumien sarja, joka<br />

<br />

on omistettu<br />

<br />

perestroikalle:<br />

sen<br />

historialle,<br />

perinnölle ja<br />

impulsseille,<br />

joita se voisi<br />

antaa tulevaisuuden<br />

kehityskuluille.<br />

le Kulturvernetzung Multimediale Kulturvernetzung Multimediale Kulturvernetzung Multimediale<br />

Multimediale Kulturvernetzung<br />

Gründung des<br />

Gründerväter:<br />

Österreichischen<br />

Filmemachvereins 1/2/3<br />

Dipl.<br />

Statuten des Vereins<br />

„Österreichischer Filmemachverein 1/2/3“<br />

Name und Sitz des Vereins<br />

§ 1. (1) Der Verein führt den Namen<br />

„Österreichischer Filmemachverein 1/2/3“.<br />

(2) Der Verein hat seinen Sitz in Wien. Seine Tätigkeit erstreckt sich<br />

auf Österreich und den Rest der Welt.<br />

(3) Die Errichtung von Zweigvereinen ist nicht beabsichtigt.<br />

Zweck des Vereins<br />

§ 2. Der Verein verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Er ist<br />

nicht auf Gewinn ausgerichtet und verfolgt folgende Ziele:<br />

1.1. FILMEMACHEN: Machen von Filmen aller Art.<br />

1.2. ORGANISIEREN DES UMRAUMES: Organisation von<br />

Kulturaktivitäten für live-Performance und das Filmemachen.<br />

1.3. VERBREITUNG DER FILME: Vernetzung und multimediale<br />

Verbreitung von Kulturaktivitäten.<br />

1.4. PERSÖNLICHES KENNENLERNEN DER FILMAKTIVI<strong>ST</strong>EN:<br />

Organisation von Film- und Videoaustauschbasen und Errichtung<br />

einer Internetplattform für unmittelbares Geschehen.<br />

1.5. NACHWUCHSARBEIT: Gründung eines Fonds zur<br />

Unterstützung und Ausbildung von jungen Filmschaffenden,<br />

Drehbuchautoren, Performern und anderen Kunstschaffenden.<br />

Wichtig!<br />

Ing. Heidulf Gerngross<br />

Eigelb<br />

filmemach@gmx.at<br />

Eich<br />

ÖsterrEi<br />

ÖsterrEichischer FilmemachVerEin<br />

Ei<br />

chis<br />

cher Fil<br />

isch<br />

1/2<br />

1<br />

1/2/3 /3 ©<br />

/<br />

Filme<br />

mema<br />

©<br />

seit 2007<br />

Dr. Phil. Wladimir Jaremenko-Tolstoj<br />

Ei


72 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Fotos: Archiv Valie Airport<br />

Buch IX - <strong>ST</strong>AR-book<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

LITERATURMY<strong>ST</strong>ERIUM<br />

Der Literat<br />

Günther Arno Geiger -<br />

Gründer der „Wienzeile“ macht weiter<br />

TOT ODER LEBENDIG<br />

WIENZEILE<br />

Der letzte Rebell im Karl-Marx-Hof<br />

„WIENZEILE“<br />

Supranationales Magazin für Literatur, Kunst und Politik<br />

blieben!<br />

Die Kulturarbeit stagniert, man ist voll mit Tarnen und Täuschen beschäftigt!<br />

Nachdem Ende April 2007 mittels einer putschartigen Aktion der Gründer<br />

des VIZA-Literaturförderungsvereins, Günther Geiger<br />

(von dem auch Idee und Konzept für die Literaturzeitschrift Wienzeile stammen)<br />

aus dem Vereinsvorstand ausgeschlossen wurde,<br />

ist bei VIZA Edit vieles anders geworden.<br />

Geiger wurde in weiterer Folge sogar gänzlich aus dem Verein verbannt,<br />

ein Schicksal, welches inzwischen viele kritische „Ehemalige“ mit ihm teilen.<br />

Die neuen Herren des Vereins wollen ungestört sein in ihrem Tun!<br />

So kam es, dass die der Vereinsarbeit im Jahre 2007 zugedachten<br />

Subventionsgelder mysteriös versickerten, dass unter anderem<br />

Druckereirechnungen und Honorare für bereits geleistete Arbeiten unbezahlt<br />

WIR ABER MACHEN WEITER!<br />

Mit einem neuen Verein und den „alten“ WIENZEILEN!<br />

Das Heft Nummer 51 ist in Vorbereitung!<br />

(Eigentlich ist’s so gut wie fertig, wir müssen halt die<br />

erforderlichen Gelder neuerlich auftreiben ...)<br />

__________________________<br />

Für den Inhalt verantwortlich:<br />

Redaktionskollektiv wienzeile<br />

Wien 19, Heiligenstädter Straße 84, Karl-Marx-Hof<br />

Telefon 0660 257 00 71<br />

HYPERLINK “mailto:guenther_geiger@gmx.net” guenther_geiger@gmx.net


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch X - WARAN * back from Egypt <strong>ST</strong>/A/R 73<br />

Mut zum Stillstand<br />

Kunst<br />

ma<br />

höfn<br />

Fotos by:


74 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - WARAN * back from Egypt Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Das schönste Wort<br />

der Welt ist Du


Nr. <strong>16</strong>/2007 Buch X - WARAN * back from Egypt<br />

<strong>ST</strong>/A/R 75<br />

Ich lebe meine Biographie, die ich mir selber geschrieben habe. Es ist eigentlich<br />

ein Liebesroman. In jede Frau, die erscheint, verliebe ich mich unsterblich<br />

- aber wenn ich in den Spiegel schaue weiß ich - das wird wieder ein<br />

one-night-stand..<br />

let it happen. - ihr seid’s ja alles Deppen.


Städteplanung<br />

Luck<br />

/ Architektur<br />

is fuck<br />

/ Religion<br />

in a truck.<br />

Buch X - WARAN * back from Egypt <strong>ST</strong>/A/R 77


78 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - WARAN * back from Egypt Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

FARBENGÖNNER<br />

Herbert Brandl<br />

Dr. Waran Eisenberger goes Egypt<br />

darf ich sie zu dir sagen, oder soll<br />

ich vorher fragen?. es gibt keine<br />

zweifel. dein hirn ist eine festung.<br />

was macht die baustelle? ich wußte<br />

das die zweifler verlieren. i knew<br />

the doubters will loose. ich habe<br />

gefoltert und getötet, um das system<br />

zu verlassen, in dem ich geboren<br />

wurde. ich werde auch weiterhin<br />

töten und foltern. as long as<br />

the fuckers try to understand my<br />

brain. an eurer stelle würde ich<br />

auch in den krieg ziehen und eine<br />

atombombe ins pentagon zu werfen<br />

versuchen. stop brainwashing. eure<br />

gute laune kotzt mich an.<br />

sie haben heute einen einser BMW gewonnen.<br />

big muschi is blowing you


Nr. <strong>16</strong>/2007 Buch X - WARAN * back from Egypt<br />

<strong>ST</strong>/A/R 79<br />

fly rainbow<br />

flyrainbow.at


80 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch X - WARAN * back from Egypt Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

5 Minuten bevor du<br />

stirbst wirst du zum<br />

Katholiken<br />

Fuenf Minuten bevor du stirbst<br />

wirst du zum Katholiken oder du<br />

lernst daS RAUMALPHABET


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XI - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 81<br />

Foto: Timo Völker<br />

Der Künstler<br />

David Staretz<br />

schreibt, redigiert und fotografiert den Auto-<strong>ST</strong>/A/R<br />

David Staretz erholt sich vom<br />

Jeepfahren in der Sahara


82 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Fotos: Andrea Baczynsky<br />

David Staretz<br />

Nervoese Maschinen<br />

Atelier & Gallery<br />

AREA 53<br />

Gumpendorferstraße 53<br />

Finissage<br />

am Donnerstag<br />

10.01.2008<br />

um 19 Uhr<br />

Kurator: Heidulf Gerngross<br />

Ausstellungsdauer<br />

13.12.07 bis 11.1.08


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch XI - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 83<br />

Mit dem Mercedes-Benz CLK 63 AMG Black Series an<br />

die Cote d’Azur. Im Beifahrer-Schalensitz: Viktoriya.<br />

WIE DER BAGGER VON<br />

IHREM<br />

SCHWAGER


Städteplanung / Architektur / Religion Buch XI - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

<strong>ST</strong>/A/R 85<br />

Sentimentales Reisen:<br />

Mit 507 PS nach Monte Carlo schnüren,<br />

um einer schönen Frau den Wagenschlag<br />

zu öffnen.<br />

Wenn man versucht, das Potenzial dieser<br />

unglaublichen 6,3-Liter-Granate wirklich<br />

auszuloten, dann geht es nicht ums bloße<br />

Angasen, sondern um das Gesamtkunstwerk Autofahren<br />

– um das Balancieren zwischen den Welten, um Reisen<br />

und Erfahren. Diese Performance, dieses Standing, diese<br />

massive, kontrollierte Überdrehtheit des AMG, all das ruft<br />

nach einer aufregenden Küstenstrecke, nach Corniche und<br />

Col de Turini, nach Tunnels und Brücken und des Meeres<br />

Türkis in allen Tönen, das ruft nach Yachthafen, Café de<br />

Paris und den großen Boulevards von Nizza, Cannes und<br />

Menton. Parken in zweiter Spur vor dem Café Senequier<br />

in St. Tropez. Danach: Gepflegtes Ausrollen im Yachthafen<br />

von Monte Carlo.<br />

*<br />

Keiner versteht das Leben so gut wie junge Russinnen.<br />

Sie kommen aus robusten Verhältnissen, Plattenbau und<br />

Strümpfestopfen, auf hohen Absätzen stöckeln sie über<br />

geborstene Pfade. Leben in der Warteschlange, aber immer<br />

Sinn für Spaß und Unfug.<br />

Kaum auf der bunten Seite angelangt, wissen sie sofort,<br />

worauf es ankommt: Wo man angesagterweise hingeht,<br />

was man trägt, was man bestellt, wo man einkauft, kurz:<br />

wie man das Leben in seiner Höchstform betreibt. Ihr<br />

Staunen ist gering, ihre Anmut unendlich.<br />

Viktoriya aus Novosibirsk ist noch um einiges cleverer:<br />

Als Bibliothekarin geprüft, zur Olympiaschwimmerin<br />

trainiert, mit Kalaschnikow vertraut, aber als<br />

Lebensmittelkontrollorin ausgebildet. Zartes<br />

Zauberpferdchen, doch zäh und immer guten Mutes.<br />

Wacht morgens lächelnd auf, ist für alles zu haben. Zum<br />

Beispiel: Eine Reise an die Cote D‘Azur. Dafür würde sie<br />

auch klaglos in den Linienbus steigen, aber sie nimmt es<br />

genauso gelassen hin, wenn ich vorschlage:<br />

„Wir fahren mit einem Mercedes.“<br />

„Mercedes? Klar, warum nicht. Hat er MP3-Player?“<br />

„CLK. Ist ein eher kleines Modell“.<br />

„Charascho. Aber MP3?“<br />

„Die Sitzschalen lassen sich nicht umlegen.“<br />

„Wozu auch? Ich denke, wir wollen fahren und hören dazu<br />

Musik?“<br />

„Er kostet soviel Geld, dass mir schlecht wird“.<br />

„Du Armer. Komm, lass dich trösten“.<br />

„507 PS“.<br />

„Wie der Bagger von meinem Schwager“.<br />

„Er heißt CLK 63 AMG Black Series.“<br />

„Wir werden es nie-man-dem verraten, nur meinen drei<br />

besten Freundinnen“.<br />

„Er hat MP3-Player“.<br />

„Toll. Wann fahren wir los?“<br />

Wie ein Induktionsmagnet scannt der Wagen die Schleifen<br />

ab, zügig, schlüssig, präzis, und auf Abruf rasend<br />

schnell. Er liebt es, nach Kurven zu schnüffeln, um sie zu<br />

delikaten Radien zu dehnen. In den Sitzschalen wirken die<br />

Fliehkräfte wie ausgelagert, lediglich vorhanden, um den<br />

Reiz zu steigern. Im Schulterschluß mit dem perfekten<br />

Fahrwerk, unterfeuert von 507 PS, vollzieht sich das<br />

Fahren wie ein Akt höheren Fühlens und Handelns: Als<br />

wäre man so toll, wie das Auto vorgibt. Links das Meer<br />

rechts die Felsen, dann und wann ein Tunnel – so versteht<br />

sich wie Welt als Abfolge von Hell und Dunkel, von Reiz<br />

und Reflex, immer kalt abgefedert, während Viktoriya die<br />

italienischen, französischen und monegassischen Sender<br />

durchprobiert. Schließlich scrollt sie Regina Spektor ins<br />

Soundsystem, eine junge Moskoviterin, die in New York<br />

erfolgreich wurde:<br />

Hey remember that time when I would only smoke Parliaments<br />

Hey remember that time when I would only smoke Marlboros<br />

Hey remember that time when I would only smoke Camels<br />

Hey remember that time when I was broke<br />

I didn‘t care I just bummed from my friends<br />

Bum, bum, bum, bum, bum...<br />

*<br />

Viktoriya: „507 PS ist eine Menge. Wen willst du<br />

beeindrucken?“<br />

„Äh, niemand. Das ist eben so. Weniger gabs nicht,<br />

jedenfalls nicht mit diesen Schalensitzen. Und die sind<br />

doch hervorragend, oder!“<br />

„Sehr gut. Wenn auch nicht zum Umlegen. Wo sind die<br />

Rücksitze?“<br />

„Eingespart“.<br />

„Machst du Witze? 140.000 Euro und keine Rücksitze?“<br />

„Ja. Und? Willst du vielleicht Autostopper mitnehmen?“<br />

„Sicher nicht. Was drückst du da?“<br />

„Die Fahrwerkseinstellung. C steht für Comfort. Merkst du<br />

den Unterschied?“<br />

„Lieber, wenn hart. Ist ehrlicher, dann wird mir nicht<br />

schlecht.“<br />

„Gut. Dann wieder auf S, wie Sport“.<br />

„Wozu schaltest du Gänge?“<br />

„Nur so, zum Spaß. Kostet nichts. Sieben Gänge. Gut<br />

gegen Langeweile.“<br />

„So, dir ist langweilig mit mir?“<br />

„Nein, nein, keineswegs. Aber ich muss doch herausfinden,<br />

wie sich alles bedienen lässt“.<br />

„Warum. Verkaufen wir das Auto in Monaco?“<br />

„WO DENK<strong>ST</strong> DU HIN, der gehört mir doch nicht“.<br />

„Also haben wir Reingewinn?“<br />

„Nochmals: Das Auto gehört uns<br />

nicht, außerdem…“<br />

„Ich rufe Olja an. Sie kennt Giorgij,<br />

den Bruder von ihrem Exmann. Sein<br />

Schwager Wassili lebt bei Nizza. Er<br />

weiss, wo …“<br />

„Schluss jetzt. Wir fahren ein paar<br />

Tage ans Meer, machen uns eine<br />

schöne Zeit, und dann fahren wir<br />

zurück, und zwar mit diesem Auto<br />

hier“.<br />

Der Ort Finale Ligure. Palmen<br />

spiegeln sich im teuren Schwarz<br />

des AMG, die Luft flimmert wütend<br />

über der heißen Motorhaube. Erstes<br />

Aufatmen nach den ungeheuren<br />

Stadtgedärmen Genuas, vorbei<br />

an Savona und Imperia, diesen<br />

aberwitzigen Touristenfallen, dann<br />

hinein ins geschmeidige Menton,<br />

hinüber ins hochfahrende Monaco<br />

(Aufzüge statt U-Bahnen), durch<br />

das ungebärdige Nizza, kleine Hotels, quirlige Cafés,<br />

und immer wieder die angenehme Überraschung,<br />

hinter den teuren Fassaden auch den lebendigen Alltag<br />

vorzufinden, Bauernmärkte, Selbstbedienungsrestaurants,<br />

erschwingliche Hotelzimmer und kleine Bars.<br />

Ja doch, es gibt eine Welt, in der 507 PS irgendwie passend<br />

erscheinen, hier, wo alles in Saft steht, die üppige Natur,<br />

die grandiose Bauwerk-Verdichtung, wo der Reichtum<br />

auf geradezu rührend alltägliche Art zur Schau gestellt<br />

wird, wo ein Strafzettel hinterm Scheibenwischer eines<br />

schwarzen Enzo steckt und die Millionärin ihren Pudel<br />

über die Reling ihrer Yacht hält, damit er nicht auf den<br />

Perser pisst.<br />

Alles ist prall und überbordend, dicht und generös, alles<br />

spielt in hoher Liga – und mit dem richtigen Instrument<br />

versehen, darf jeder mitmachen. Allerdings nicht vor zehn<br />

Uhr morgens, da achtet der Polizist vor dem Hotel de<br />

Paris noch auf ungestörte Nachtruhe. Mit herrischer Geste<br />

schickt er uns vom Platz. „Toll“, sagt Viktoriya, „hast du<br />

seine Uniform gesehen? Wie ein Admiral!“<br />

*<br />

Der CLK 63 AMG verkörpert unter den AMGs das<br />

schlüssigste Ideal aus hoher Performance, geringer<br />

Masse und kompakter Darstellung: Aufgebaut wie ein<br />

Racer, versehen mit eigens konstruiertem Fahrwerk,<br />

erleichtert durch Kunststoff-Radkästen, Carbonteile,<br />

Entfall der Rücksitzbank. Optisch erinnert er mit seinen<br />

Strahlenfelgen, den ausgestellten Radkästen, dem massiven<br />

Unterkiefer an das F1-PaceCar der Saison 2006. (Das<br />

hatte allerdings nur 481 PS). Die Heckpartie ist von Show-<br />

Diffusoren, Differenzialkühler, Carbon-Abrisskante und<br />

vier Endrohren zerklüftet.<br />

CLK 63 AMG steht für die Aufrecht‘sche Veredelung<br />

nach Art des Hauses Mercedes. Die weiter verfeinerte<br />

Sonderserie Black Series bedeutet eine Tuningedition<br />

innerhalb der ausgereizten Liga: Weitere 26 PS werden<br />

abgerufen. Die Leistungssteigerung auf 373 kW/507 PS<br />

gelang den Ingenieuren dank einer Überarbeitung von<br />

Ansaug- und Abgasanlage. Der Hochdrehzahl-Saugmotor<br />

atmet Frischluft über größer dimensionierte Ansaugwege.<br />

Die neu entwickelte Sport-Abgasanlage mit doppelflutiger<br />

Führung ermöglicht dank befreiter Schalldämpfer einen<br />

geringeren Abgasgegendruck. Das schafft mehr Leistung<br />

und lässt sich auch gut anhören. Der Achtzylinder ist nicht<br />

nur stärker sondern im Antritt agiler geworden.<br />

Erst geht aber vor allem darum, wie das Tier erwacht.<br />

Dieses Freibrüllen, wenn sich der Motor ins Leben schreit.<br />

Ich konnte nie den Startschlüssel absetzen, um dann den gutgemeinten<br />

Startknopf auf der Mittelkonsole zu drücken. Das Durchdrehen des<br />

Schlüssels, diese Ungeduld des Erwachens, das ist der eilige Vollzug, des<br />

Süchtigen Gier aufs Lospreschen.<br />

Brooooarrggh! In den Tunnels schlägt dieses böse Hämmern durch die<br />

Röhre, als müssten noch ein paar Tonnen Gestein fallen.<br />

Die beiden Schalensitze sind hart aber bequem, verbinden<br />

kompromissloses Eingebautsein der Passagiere mit gleichmäßiger<br />

Druckauflage – wir fuhren 1000 Kilometer am Stück, insgesamt<br />

2200 Kilometer, völlig verspannungsfrei. Die vorgegeben aufrechte<br />

Sitzposition zum tief heruntergezogenen Lenkrad schafft Komfort und<br />

Kontrolle in jeder Situation. So sitzen Tourenwagenfahrer. Nachteil:<br />

Der Tachometerbereich zwischen 100 und 200 km/h ist hinterm tiefen<br />

Lenkradkranz verdeckt. Die Polizei hat sicher Verständnis, wenn Sie ihr<br />

das treuherzig genug erklären! Im übrigen ist die Multifunktionsanzeige<br />

auch für Rundenzeitnahme adaptierbar. Die Tachoskala reicht über die<br />

(abgeregelten) 300 km/h hinaus, man muss ja immer mit Rückenwind<br />

bergab rechen.<br />

*<br />

Der CLK als AMG sieht immer wieder verblüffend gut aus, schwarz,<br />

stark, kompakt, mit den leichtgeschmiedeten 9,0 x 19 und 9,5 x 19 -<br />

Strahlenfelgen unter den herausmodellierten Radbacken, um die Pirelli<br />

P Zero Corsa Sportreifen im Format 265/30 R 19 (vorn) und 285/30 R 19<br />

(hinten) unterzubringen<br />

Unglaublich, dass so viel Show-Potenzial im CLK-Design stecken konnte.<br />

Oft werden Fotohandys gezückt, und die beiden Fratelli im offenen<br />

Gallardo bleiben linksspurig auf der Höhe, recken die Daumen, wollen mit<br />

anlassigen Gasstößen ein kleines Rennen provozieren – Autostrada-Racing<br />

zwischen Ventimiglia und Finale Ligure. Höhere Wesen empfehlen:<br />

„Lieber nicht!“. Obwohl das Kräfteverhältnis ja ziemlich ausgewogen wäre.<br />

„Warum machst du kein kleines Rennen mit ihnen?“<br />

„Weil ich so etwas nicht mit Beifahrern an Bord mache. Ich fühle mich für<br />

dich verantwortlich.“<br />

„Willst du nicht wissen, wer schneller ist?“<br />

„Schooon, aber die haben Heimvorteil und ich rase ins Radar, wo sie im<br />

letzten Moment abbremsen ...“<br />

Sie schaut gelangweilt in die Landschaft. Diesen Lauf habe ich offenbar<br />

verloren.<br />

Auch die Yacht-Millionäre in Monte Carlo sind sich nicht zu gut, um ein<br />

lächelndes „Nice car!“ zu spendieren, (allerdings wirken sie dabei etwas<br />

abgelenkt von der lustwandelnden Viktoriya, die ihre Bluse auf russische<br />

Art bis weit über den Bauchnabel hochgezogen hat, um möglichst viel<br />

Sonne zu tanken).<br />

Auf einer italienischen Tankstellenrast verlangt ein Aficionado im Alfa<br />

nach einer Dosis Sound, ich möge doch bitte einmal den Motor im<br />

Leerlauf hochjagen? Er zog sich das Röhren rein wie eine Arie.<br />

*<br />

Es ist nicht leicht, in Monte Carlo, in Nizza oder St. Tropez einen Parkplatz<br />

zu finden. Gut getimtes Parken kann über Schicksale entscheiden,<br />

ich kenne ein Mädchen, die machte genervt Schluss mit ihrer neuen<br />

Bekanntschaft, weil er einfach keinen Parkplatz in der Nähe ihrer<br />

Wohnung finden konnte.<br />

Im CLK AMG kann sowas nicht passieren. Er zählt zu den Autos, vor<br />

denen sich das Blechmeer wundersam öffnet. Egal, ob man auf Budget-<br />

Trip in den Gässchen unterwegs ist oder dem Portier des Casinos den<br />

Autoschlüssel mit neureicher Geste zuwirft – mit diesem Wagen ist man<br />

immer gut angezogen, passend für jede Gelegenheit.<br />

„Im Negresco kann jeder übernachten“, doziere ich meiner skeptischen<br />

Viktoriya, „aber so etwas Romantisches wie dieses versteckte Hotel Azur<br />

in Monte Carlo um 68 Euro die Nacht - das schafft nicht jeder. Das muss<br />

man erst einmal rausfinden“. Sie schweigt, während ich einige Passanten<br />

über die Straße bitte, die sich nicht sehr beeilen wollen. Viktoriya: „Siehst<br />

du? Die Monegassen sind gelassen. Das gefällt mir. So will ich das auch<br />

machen.“ Ich versuche noch eins draufzugeben: „Aber in Nizza gibts nur<br />

Flitzer“. „Und die teure, schlechte Pizza.“<br />

Dann dreht sie wieder Regina Spektor auf:<br />

Hey remember the time when I found a human tooth down on Delancey ...<br />

Hey remember that time we decided to kiss anywhere except the mouth ...<br />

Hey remember that time when my favorite colors were pink and green ...<br />

Hey remember that month when I only ate boxes of tangerines.<br />

So cheap and juicy!, tangerines.<br />

Technische Daten<br />

Motor<br />

Einbaulage<br />

AMG<br />

Mercedes-Benz CLK 63 AMG Black Series<br />

Der Mercedes-Benz CLK, in der Zivilversion maximal 387 PS stark,<br />

wird bei der nunmehr hundertprozentigen Mercedes-Tochter AMG<br />

mit dramatischen 481 PS angeboten. In der abermals getunten, nicht<br />

limitierten Sonderausgabe Black Series versprüht der V8 nunmehr 507<br />

PS, was ihm zu bemerkenswerten Merkmalen verhilft. Erste Hürde aber:<br />

Ein Neuwagenpreis ohne Extras von 141.610, –.<br />

CLK 63 AMG Black Series<br />

V8<br />

vorn längs<br />

Ventile/Nockenwellen<br />

4 pro Zylinder/4<br />

Hubraum 6208 cm 3<br />

kW (PS) bei 1/min 373 (507)/6800<br />

Literleistung<br />

82 PS/Liter<br />

Nm bei 1/min 630/5250<br />

Antriebsart<br />

Der CLK 63 AMG Black Series erhält 11,5 von 12 <strong>ST</strong>AR-<strong>ST</strong>ERNEN<br />

Getriebe<br />

Bremsen vorn<br />

Bremsen hinten<br />

Hinterrad<br />

7-Gang-Automatik<br />

360 mm/innenbel./gelocht<br />

330 mm/innenbel./gelocht<br />

Radgröße vorn / hinten 9Jx19 / 9,5x19<br />

Reifen vorn / hinten 265/30R19 / 285/30R19<br />

Reifentyp<br />

Länge/Breite/Höhe<br />

Radstand<br />

Leergewicht/Zuladung<br />

Leistungsgewicht<br />

Tankinhalt<br />

EU-Normverbrauch Ø auf 100 km<br />

RAMP Testverbrauch<br />

Beschleunigung von 0–100 km/h<br />

Höchstgeschwindigkeit<br />

Pirelli Zero Corsa<br />

4657/1833/1365 mm<br />

2715 mm<br />

1760/235 kg<br />

3,5 kg/PS<br />

62 l<br />

15,3 l 98 Oktan<br />

12,8 l 98 Oktan<br />

4,3 s<br />

300 km/h, abgeregelt


86 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Davids Welt<br />

Lamborghini-Magazin<br />

Konzeptionist, Autor und<br />

Fotograf für eines der<br />

exklusivsten Magazine der<br />

Welt. (Gewinnt gleich mit der<br />

ersten Ausgabe den Hauptpreis<br />

in Gold beim Mercury-Award<br />

und Best of Publishing vor<br />

BMW-, Mini,- Mercedes-<br />

Magazin.)<br />

Autorevue.<br />

Seit 31 Jahren hier beheimatet, teilweise als<br />

Chefredakteur, heute als Autor.<br />

Reisemagazin<br />

Liefert Text und Bild aus<br />

Brasilien, Indien, USA,<br />

Chile, Split, Balaton<br />

und Kambodscha in<br />

bedingungsloser Hingabe<br />

an die charismatische<br />

Chefredakteurin Christina<br />

Dany.<br />

profil<br />

Seit ca. 7 Jahren betreibt<br />

er hier seine teils kritische,<br />

teils witzige Kolumne<br />

AUTODROM.<br />

RAMP<br />

Konzeptionist, Autor und<br />

Fotograf für das Maßstäbe<br />

setzende Auto-Lifestyle-<br />

Magazin aus Deutschland.<br />

Modern Times<br />

Zuletzt: Das große Joe-<br />

Zawinul-Interview.


Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch XI - AUTO-<strong>ST</strong>AR <strong>ST</strong>/A/R 87<br />

Nonsens-Kalender 08<br />

David ist Gründungsmitglied.<br />

Ideengeber und Textverantwortlicher<br />

des Vereins zur Verwertung von<br />

Gedankenüberschüssen, der u. a.<br />

das Nonseum Herrnbaumgarten<br />

(eine permanente Nonsens-Erfinder-<br />

Ausstellung) betreibt und jährlich einen<br />

Kalender herausgibt. Der Kalender<br />

08 wurde von David fotografiert und<br />

betextet. NEU: Monate übersichtlich<br />

nach alphabetischer Reihenfolge<br />

geordnet.<br />

David ist verheiratet mit der aus Novosibirsk gebürtigen<br />

Modistin Viktoriya Sitochina (Josefstädter Str. 38).<br />

DAVID<br />

LENK MICH DOCH!<br />

Das Auto in 29 Einzelteilen.<br />

Bei Deuticke Verlag, im<br />

Buchhandel<br />

erhältlich um EURO 14.90.<br />

Bengt-Fallström-Cartoons. Meist in der Autorevue zu sehen.<br />

Designer-<br />

Uhrenkollektion.<br />

Bengt-Fallström-T-Shirts<br />

morgen<br />

Die Niederösterreichische<br />

Kulturzeitung schickte<br />

David zuletzt nach<br />

New York, um dort den<br />

gefeierten Künstler<br />

und Philosophen Paul<br />

Rotterdam zu poträtieren.<br />

NERVÖSE MASCHINEN<br />

Seit zehn jahren baut David seine<br />

kinetischen Objekte, die er in<br />

den Auslagen seines “Kontor<br />

Staretz” oszillieren lässt und in<br />

Galerien ausstellt: Alte Schmiede<br />

Wien, Galerie Paradigma Linz,<br />

Walzenmuseum Guntramsdorf,<br />

und aktuell in AREA 53,<br />

Gumpendorfer Str. 53, noch bis<br />

10. Januar 08.


88 <strong>ST</strong>/A/R<br />

Buch XI - AUTO-<strong>ST</strong>AR<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Für <strong>ST</strong>/A/R gefahren in einem Hangar bei Paris: Nissan Mixim Concept Car<br />

X-BOX FÜR ANGEWANDTE<br />

Nissan<br />

Mühsam schält es sich in die Realität: Das momentan bestversicherte Nissan-Unikat scheint von<br />

weither aus einer virtuellen Paralellwelt zu uns durchgedrungen zu sein<br />

TEXT UND FOTOS: DAVID <strong>ST</strong>ARETZ<br />

Der Mixim wurde für folgendes Szenario entworfen:<br />

Autofahren, veraltete Technologie<br />

der Fortbewegung, muss künftig um seinen<br />

angestammten Stellenwert bangen. Nissans<br />

Antwort auf eine Zukunft der Konsolen-Racer und<br />

Stubenhocker: Eine geschlossene Medienstation,<br />

die sich per GameController (statt drögem Lenkrad)<br />

und Stealth-Design quasi subversiv als Auto<br />

entpuppt. Damit das nicht zu offenkundig wird,<br />

muss man die virtuelle Ebene so gut wie gar nicht<br />

verlassen, lästige Realität erscheint wie eingespielt<br />

auf dem oberen Teil der Panoramascheibe, deren<br />

unterer Teil sich in dramatischer Computeranimation<br />

auflöst.<br />

Damit weiter keine störenden Einflüsse aufkommen,<br />

wurde Mixim auf rein elektrischer Basis gehalten,<br />

wie das Kabel bezeugt, das zur Steckdose<br />

in diesem leerstehenden Hangar bei Nizza führt,<br />

wo das Concept Car, Star auf Nissans letztem IAA-<br />

Stand, ausgesuchten Medien vorgeführt wird.<br />

Auf drastische Weise führt uns das Schicksal klassische<br />

Schwächen der Antriebsart vor: Ein blöder<br />

Stromausfall gerade jetzt bewirkt, dass der Mixim<br />

nicht aufgeladen werden kann.<br />

Die beiden schlicht “Super Motor” genannten<br />

Antriebseinheiten, je eine für Vorder- und Hinterachse,<br />

stehen still, so lange die Lithium-Ionen-<br />

Batterien keinen Saft bekommen.<br />

Der Wagen, auf Micra-Basis aufgebaut, gefällt inzwischen<br />

durch gekonntes Design, allerdings am<br />

äußeren Rande der Realisierbarkeit (bloß nicht<br />

rechts über die Schulter schauend in Fließverkehr<br />

einordnen müssen!), wie schon die fehlenden<br />

Scheibenwischer verdeutlichen.<br />

Umso dramatischer schwingen auf Knopfdruck<br />

die beiden Flügeltüren auf, ein ewiger, wenig praxishinterfragter<br />

Symbolismus der Moderne.<br />

Ebenso modern wie unpraktisch: Dreiersitze, wobei<br />

der Fahrer eine vorgerückte Zentralposition<br />

innehat. Zwecks erleichtertem Aussteigen lassen<br />

sich Fahrersitz und linker Beifahrersitz zur Tür<br />

Monitor der Rückspiegelkamera<br />

hin schwenken. Das ist alles wunderbar weltfern<br />

und extracool, aber wirklich gelungen find ich die<br />

Heckleuchten wie flüssige Lava.<br />

Nett auch: das allgegenwärtige Rhomben-Thema,<br />

wie man es im Matrix-Lichtbereich und an der<br />

Flanke vorfindet.<br />

Die kühlgraue Lackfarbe unterstreicht einen gewissen<br />

Post-World-Charakter; der Mixim mit seinem<br />

nur aufs Notwendigste klaffenden Visier. Draußen<br />

regnet es. Ratlos stehen wir um das saftlose<br />

Auto herum, es ist alles gesagt. Draußen fährt ein<br />

Lieferwagen vorbei, hoffnungslos veraltete Technologie,<br />

und entschwindet in einer Gischtwolke.<br />

Wir haben Zeit. Die Zukunft kann warten.<br />

David Staretz – leider Stromausfall


Städteplanung / Architektur / Religion<br />

Buch XII - Kunstmarkt <strong>ST</strong>/A/R 89<br />

ARSENIK Bischof von Wien<br />

Erste KLOKAPELLE der Welt<br />

1. Klokapelle der Welt von Waran.<br />

1060 Wien, Capistrangasse 2<br />

wird von Bischof Arsenik im Jänner 2008 geweiht.<br />

Karotti alias Karl Rottinger ist der fertigste Hund der Galaxis.<br />

Total ausgeglichen und extrem angespannt. einatmen-ausatmen. und nie agressiv und<br />

zu jedem lieb. der geborene looser.<br />

und jetzt zur florence. blow-flow-no job.<br />

liebe florence<br />

ich werde dich nie lieben, aber heiraten werd ich dich trozdem. du willst mich nur<br />

vergiften mit deinem verseuchten, feuchten, modrigen, morbiden muschigeruch. deine<br />

sexuallität kannst du dir in deine oaschhaare schmieren. das einzige was ich von dir<br />

nicht will ist kohle und kinder. ich hab's jetzt mit herwig getrieben und verstehe jetzt<br />

deine mama. von nun an will ich dich nur mehr umarmen.<br />

omen<br />

mary lu- die mutter aller horrorfilme<br />

die wahrheit ist weiß wie schnee.<br />

wo ist die capistrangasse 2?<br />

WARAN<br />

Silikon vibration


90 <strong>ST</strong>/A/R Buch XII - Kunstmarkt<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Neue Wienzeile<br />

Christian Schreibmüller<br />

VON A ZU B ZU C<br />

A trifft B, verliebt und sehnt sich.<br />

B hat D und E im Feuer,<br />

alte Eisen, aber gute.<br />

A entbrennt in der Minute,<br />

ist sich selbst nicht mehr geheuer.<br />

Eben kommt da wieder B,<br />

betütelt C und D und E<br />

und holt den A in diese Runde,<br />

drang doch auch zu ihm die Kunde,<br />

A hätt’ sich von ihm erholt.<br />

Jedoch: Da kommt die C ins Spiel.<br />

Die schöne, geniale C,<br />

sie stöhnt so schön das hohe C,<br />

vollendet nun, was B mit A<br />

noch lange nicht gelungen war:<br />

Sie weckt den Gläubigen in ihm<br />

und wird zur Göttin ihm, zum Star.<br />

Indes: Sie wird nicht leicht intim.<br />

Nun, er verliebt sich dionysisch,<br />

eher psychisch noch als physisch.<br />

Doch die Andern, generell,<br />

seh’n die Liebe sexuell.<br />

Sie reden von Französisch, Griechisch.<br />

Das benützt die C und schnell<br />

verscheucht sie A, und das bedrängt ihn,<br />

deprimiert ihn, schlaucht und kränkt ihn.<br />

Selbstmord plant er still zuhaus,<br />

doch geht der kleinste Suizid<br />

sich vom Termin her grad nicht aus.<br />

Jedoch wir ahnen unbewußt:<br />

Auch das ereignet sich mit Lust.<br />

Auch hier funkt immer wieder ´rein<br />

das ausgebuffte Ego-Schwein.<br />

Das läßt uns uns in andren Wesen<br />

finden, und wir saugen, lesen<br />

alles uns aus ihnen raus. --<br />

Und schließlich sind sie ausgelesen.<br />

ВЕНСКИЕ ВИТИЙСТВА -<br />

WIENER SPINNEREIEN<br />

farce vivendi – russische<br />

Bibliothek<br />

ISBN 978-3-902603-00-5<br />

Helden in der<br />

Kulturspieldose<br />

“Wien ist eine bemerkenswerte Stadt,<br />

der man den leichtfüßigen Geist des<br />

Walzers austreiben und an seines schrille<br />

Dissonanzen setzen müsste. Vielleicht<br />

würde sie dann ein wenig von der Tragik<br />

des Alltags verspüren und der Realität<br />

ins Auge blicken.” Eine möglicherweise<br />

schroffe Herangehensweise. Und eine<br />

gnadenlose. Doch was soll ein in den<br />

Traditionen eines Gogols, Dostojewskijs und<br />

Tschechows aufgewachsener Mensch auf<br />

der Suche nach Sinn, Wahrheit, Gültigkeit<br />

sonst empfinden, wenn er erstmals in die<br />

österreichische Hauptstadt kommt als ein<br />

Gefühl der Irrealität und Spielzeughaftigkeit<br />

der Umgebung und Geschehnisse. Als wäre<br />

Wien eine Spieldose aus Stein.<br />

Diesem Umstand trägt das vorliegende<br />

Buch Rechnung, das die Werke der Autoren<br />

und Autorinnen des unter dem Thema<br />

“Russische Kultur in Dispersion” stehenden<br />

Festivals “RUSSIA TODAY. Moskau an der<br />

Donau” (Wien, 2006) vereint.<br />

Das Buch „Wenskie Witijstwa“ beinhaltet<br />

Gedichte, Prosatexte und Dramen der<br />

Teilnehmer am internationalen Festivals<br />

„Russia today. Moskau an der Donau“<br />

(Pygmalion-Theater, Wien, 11.-13. Juni<br />

2006). Mit diesem Band beginnt der<br />

österreichische Verlag „farce vivendi“<br />

eine neue Serie: „farce vivendi – russische<br />

Bibliothek“.<br />

Erschienen bei farce vivendi, Wien-St.Petersburg 2007<br />

www.farcevivendi.at<br />

Herausgeber: Julia Vitoslavski und<br />

Stanislaw Schuljak<br />

Layout: Stanislaw Schuljak<br />

Cover: A. Iljin<br />

INHALT<br />

Gedichte: Alexander Andrijewskij, Larisa<br />

Wolodimerowa, Irina Dudina, melamar (Melanie<br />

Marschnig), Jan Pawlizkij, Wladimir Stokman<br />

Erzählungen: Julia Vitoslavsky, Valentina<br />

Wolodarskaja, Bischof Arsenij (Subakow), Anna<br />

Korol, Igor Smirnow-Ochtin, Sergej Spirichin<br />

Theaterstücke: Alexander Obraszow, Stanislaw<br />

Schuljak, Wladimir Jaremenko-Tolstoj<br />

Nachwort: Stanislaw Schuljak<br />

Wiener Anarchistin Valie<br />

Airport und ihr Projekt<br />

„Farce Vivendi“<br />

DRAMA X<br />

Oxana Filippova/ Wladimir Jaremenko-Tolstoj<br />

farce vivendi – russische Bibliothek<br />

ISBN 978-3-902603-01-2<br />

Dieser Band enthält das Stück „Uroki russkogo jasyka – Russisch-Lektionen“ von Wladimir Jaremeko-<br />

Tolstoj, das bei dem Theaterfestival „Ljubimowka-2004“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet und 2006<br />

im konzeptuellen Theater von Kirill Ganin im Moskau aufgeführt wurde. Das Stück wurde vom Johann<br />

Beckmann Institut, Helsinki als Lehrbuch für westeuropäische Philologen und Slawisten herausgegeben.<br />

Das Stück „Alle Menschen sind Schwestern“ von Oxana Filippova erhielt 2006 den ersten Preis des vom<br />

Wiener Amerlinghaus organisierten Literaturwettbewerbes „Schreiben zwischen den Kulturen“ und<br />

erschien in deutscher Sprache wird den Neid der Brüder Presnjakow, Durnenkow und Strugazki auf sich<br />

ziehen.<br />

Der Band enthält 14 weitere Stücke, Etüden und Synopsen für Theater, Film und Fernsehen.<br />

Drama X markiert einen neuen Trend in der zeitgenössischen Dramaturgie geprägt durch die Suche nach<br />

neuen, nicht standardisierten literarischen Formen und lebenden Bildern, künstlerische Provokationen,<br />

zeitgeistigem ästhetischen Schliff und gediegene Textqualität.<br />

Erschienen bei farce vivendi, Wien-St.Petersburg 2007<br />

www.farcevivendi.at<br />

Herausgeber: Valie Göschl<br />

Lektorat & Layout: Maxim Schwez<br />

Coverbild: Marina Jasytschenko<br />

Druck: Renome/St. Petersburg<br />

Gedicht von Theresa Stieböck<br />

Ist das Wesen andrer Wesen<br />

und das Scheitern ihres Planes<br />

nicht der Stoff eines Romanes?<br />

Halt: Da liegt er schon: ´s ist B.<br />

Auch ihn stört, daß ihn diese C<br />

verlassen hat, die offenbar<br />

recht lange seine Flamme war.<br />

our man in St. Petersburg<br />

Sie fordert Anteil am Besitz,<br />

agiert noch immer wie der Blitz,<br />

sobald es gilt, ihm was zu nehmen,<br />

will für Freundschaft Tantiemen.<br />

A will weg von B und C<br />

und angelt sich die stille D.<br />

Doch B entführt der D den A,<br />

wodurch die C, die lang nicht spitz,<br />

sich plötzlich int´ressiert für A.<br />

Und schließlich finden alle drei,<br />

ja vier einander, dideldei!<br />

So könnt´ es geh’n. Naja: Beinah’!<br />

Doch läuft es meistens höllisch anders.<br />

Denn da redet eine Schar<br />

von Psychos mit und Lilo Wanders.<br />

“Aufgeschlossen” wie sonst nie<br />

vernichten sie die Utopie,<br />

denn dieses Dauerrisiko,<br />

das wollen wenige sich geben,<br />

reih´n sich lieber zwo und zwo<br />

und leben wie halt alle leben.<br />

Christian Schreibmüller<br />

<strong>ST</strong>/A/R ißt<br />

Bagels!!!


Inserat Stars 18.12.2007 12:59 Uhr Seite 1<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Buch XII - Kunstmarkt <strong>ST</strong>/A/R 91<br />

A-1010 Wien | Spiegelgasse 21 | Tel.: +43 1 513 01 03 | Fax: +43 1 513 01 04 | Mobil: +43 664 34 01 677 | philipp.konzett@artkonzett.com<br />

Die gute Seele der Galerie Konzett, Margit bei der Arbeit<br />

KONZETT


94 <strong>ST</strong>/A/R Buch XII - Kunstmarkt<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007


ITERE ERE E IN IN<br />

N<br />

HOP<br />

HOP<br />

9, 10<br />

NS<br />

MA<br />

MIT PRO<br />

NE<br />

NE NE<br />

RS.<br />

K<br />

A<br />

AM<br />

AM<br />

1 890<br />

90<br />

0 58<br />

58 03 03<br />

0–18 0–18 Uhr<br />

Uhr<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

T<br />

RAMM<br />

ORMATIO<br />

Westbahnstrasse se e 9, 9 1070 Wien. Ma<br />

Öffnungszeiten<br />

e<br />

Mo bis Mi<br />

P AUF<br />

WW<br />

Buch XII - Kunstmarkt <strong>ST</strong>/A/R 95<br />

DER KUN<strong>ST</strong>-<br />

SUPERMARKT<br />

MIT PROGRAMM<br />

WEITERE INFORMATIONEN &<br />

WEBSHOP AUF WWW.M-ARS.AT<br />

Westbahnstrasse 9, 1070 Wien. Mail: office@m-ars.at, Tel: 01 890 58 03<br />

Öffnungszeiten<br />

Mo bis Mi 10–19 19 Uhr, Do und Fr 10–20 Uhr,<br />

Westbahnstrasse 9, 1070 Wien. Mail: office@m-ars.at, Tel: 01 89058 03<br />

Öffnungszeiten Mo bis Mi 10–19 Uhr, Do und Fr 10–20 Uhr, Sa 10–18 Uhr


96 <strong>ST</strong>/A/R Buch XII - Kunstmarkt<br />

Nr. <strong>16</strong>/2007<br />

Foto © Karl Michalski/MAK<br />

Der Architekt.<br />

Der Direktor.<br />

Der Bundespräsident.<br />

Ereignis: Eröffnung der MAK-Ausstellung<br />

COOP HIMMELB(L)AU. BEYOND THE BLUE<br />

12.12.2007–11.5.2008<br />

MAK-Ausstellungshalle<br />

Weiskirchnerstraße 3, Wien 1<br />

Di MAK NITE © 10.00 – 24.00 Uhr,<br />

Mi–So 10.00– 18.00 Uhr, Mo geschlossen.<br />

Führungen: Sa, So <strong>16</strong>.00 Uhr<br />

Durchgehender Informationsdienst und<br />

Kurzführungen: Sa 14.00–<strong>16</strong>.00 Uhr<br />

Eintritt: Euro 9,90 mit MAK-Guide / Euro 7,70 / ermäßigt Euro 5,50<br />

Samstag © Eintritt frei. Powered by<br />

www.MAK.at<br />

WIEN – LOS ANGELES – BRTNICE*<br />

* Eine Expositur der Moravská galerie, Brno und des MAK Wien

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