KM Magazin 5/2011 - Wohnungsgenossenschaft "Karl Marx ...
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WISSENSWERT<br />
D NOMEN EST OMEN<br />
Schneiders sind im Kommen<br />
Schneiders stehen an neunter Stelle in der Namenshäufi gkeitstabelle der <strong>Karl</strong> <strong>Marx</strong>. Was ein Schneider angesichts<br />
dunkler werdender Tage unter Gemütlichkeit versteht, wollten wir genauer wissen.<br />
In unserer Serie mit den häufi<br />
gsten Nachnamen der <strong>Karl</strong><br />
<strong>Marx</strong> wäre eigentlich Platz 11<br />
an der Reihe. Noch vor einem<br />
Jahr gehörte der den Schneiders.<br />
Allerdings ist der Name in den<br />
letzten Wochen um zwei Plätze<br />
nach vorne gerückt. Insgesamt<br />
26 Schneiders wohnen mittlerweile<br />
unter dem Dach der Genossenschaft.<br />
Drei sogar in der<br />
gleichen Straße. Und weitere<br />
drei sind erst seit ein paar Monaten<br />
bei der <strong>Karl</strong> <strong>Marx</strong> zu Hause.<br />
Schneiders sind im Kommen.<br />
Kein Wunder. Deutschlandweit<br />
ist der Name noch häufi ger.<br />
In dieser Liste steht Schneider<br />
nämlich an 3. Stelle. Geht man<br />
nach den Telefonbucheinträgen<br />
wohnen die meisten in Berlin,<br />
2 841. Auch in der Region Hannover,<br />
im Münchener Raum, in<br />
Köln, Hamburg sowie im Rhein-<br />
Sieg-Kreis haben die Schnei-<br />
Nicht nur Schneiders wissen wie man es sich gemütlich macht<br />
ders ihre Hochburgen. Das ist<br />
- glaubt man den Experten –<br />
historischen Ursprungs. Der Beruf<br />
des Schneiders gewann seit<br />
dem Mittelalter immer mehr an<br />
Bedeutung mit der Folge zunehmender<br />
lokaler Verbreitung. In<br />
den großen deutschen Städten<br />
des Mittelalters wie Köln, Hamburg<br />
oder Frankfurt am Main<br />
war der Beruf, das am meisten<br />
ausgeübte Gewerbe. Doch der<br />
Name entstand nicht nur aus der<br />
10<br />
Berufsbezeichnung. Denn das<br />
Schneiden war auch in anderen<br />
Berufen üblich – etwa beim Röder,<br />
von roden, oder dem Brettschneider.<br />
Der norddeutsche<br />
Schröder ist semantisch ein<br />
süddeutscher Schneider.<br />
Blättert man im Lexikon, dann<br />
kann Schneider noch viel mehr<br />
sein – eine Süßwasserfi schart;<br />
umgangssprachlich werden<br />
die Schnaken auch manchmal<br />
Schneider genannt. Und dann<br />
gibt es noch das eine oder andere<br />
gefl ügelte Wort über die<br />
Schneiders.<br />
Ob heute noch alle Schneiders<br />
gut mit Nadel und Faden umgehen<br />
können oder eine besonders<br />
hagere Statur haben, wie ihnen<br />
lange Zeit nachgesagt wurde, ist<br />
weder verbrieft noch erforscht.<br />
Uns interessierte dieses Mal<br />
auch weniger, ob die Schneiders<br />
der <strong>Karl</strong> <strong>Marx</strong> gern nähen oder<br />
ob sie besonders schlank sind.<br />
Wir wollten von den Schneiders<br />
lediglich wissen, wie sie es sich<br />
in der kühlen Jahreszeit bevorzugt<br />
in den eigenen vier Wänden<br />
gemütlich machen.<br />
Dagmar Schneider aus der Breiten<br />
Straße muss nicht lange<br />
überlegen. Kerzen gehören auf<br />
jeden Fall dazu. Sobald es draußen<br />
kühler und ungemütlich<br />
wird, beginnt drinnen die Lichtersaison.<br />
Die stehen bei ihr in<br />
jedem Zimmer, sogar im Bad.<br />
„Wenn ich es mir richtig gemütlich<br />
machen möchte, dann zünde<br />
ich mir Kerzen an, kuschle<br />
mich mit einer Decke in meinen<br />
Sessel und lese ein gutes Buch.“<br />
Gemütlich heißt auch immer,<br />
es muss warm sein. “ Und an<br />
besonders trüben Tagen entspanne<br />
ich am liebsten in der<br />
Badewanne, bei Kerzenschein<br />
und mit einem Buch. So ein Bad<br />
dauert dann schon mal eine halbe<br />
Stunde und länger.“<br />
Diesen Luxus kann sich Hans-<br />
Jürgen Schneider aus der Flotowstraße<br />
leider nicht gönnen.<br />
Nicht weil er keine Wanne im<br />
Bad hätte. Seine Knochen machen<br />
nicht mehr so recht mit<br />
und darum ist es für ihn eher<br />
beschwerlich in die Wanne<br />
ein- und auszusteigen. Aber auf<br />
gemütliche Stunden müssen er<br />
und seine Frau trotzdem nicht<br />
verzichten. Für eine kuschelige<br />
Stimmung sorgen Teelichter in<br />
der Diele. Und an langen kalten<br />
Winterabenden sitzt er mit seiner<br />
Frau im Wohnzimmer – er<br />
kümmert sich um seine Briefmarkensammlung<br />
und seine<br />
Frau Annedore strickt. „Das ist<br />
für mich der Inbegriff von Gemütlichkeit,“<br />
sagt er. Und die<br />
selbstgestrickten Socken tun dabei<br />
ihr Übriges.<br />
„Oh, sie haben mich gerade beim<br />
Gemütlich machen erwischt“,<br />
sagt Christiane Schneider aus<br />
der Bahnhofstraße mit einem<br />
Lachen. „Ich verbringe den<br />
Nachmittag am liebsten auf der<br />
Couch. Zusammen mit meinem<br />
Mann schauen wir Fernsehen,<br />
besonders gern die Vorabendserien.“<br />
Und natürlich wird dabei<br />
auch genascht – Pfefferkuchen<br />
und Dominosteine stehen bei<br />
ihr zurzeit hoch im Kurs. „Wir<br />
sind Nachtarbeiter und machen<br />
es uns nachmittags auf dem<br />
Sofa gemütlich. Spätestens um<br />
21 Uhr geht es in Bett, denn um<br />
2 Uhr in der Frühe klingelt der<br />
Wecker.“<br />
Die Couch steht auch bei Klaus<br />
Schneider aus der Gargarinstraße<br />
an erster Stelle, wenn es um<br />
einen gemütlichen Platz in seiner<br />
Wohnung geht. Doch das<br />
Drumherum muss stimmen –<br />
es sollte warm sein, aber nicht<br />
zu warm, Kerzen stehen auf<br />
dem Tisch und die Kiste fl immert.<br />
„So richtig gemütlich ist<br />
es für mich und meine Frau,<br />
wenn die Kinder kommen, wir<br />
zusammensitzen und eine Runde<br />
Mensch-ärgere-dich-nicht<br />
spielen“. Also auch im Trubel<br />
können sich Schneiders wohlfühlen.<br />
Schneiders aus dem Hans-Grade-Ring<br />
wiederum können mit<br />
dem Thema Gemütlichkeit so<br />
gar nichts anfangen. Kurz und<br />
knapp heißt es am Telefon: Wir<br />
machen es uns nicht so gern<br />
gemütlich. Uns steht nicht der<br />
Sinn danach.“<br />
Schneiders sind viele, und<br />
manchmal ganz verschieden.<br />
SCHNEIDERS<br />
SPRICHWÖRTLICH:<br />
Herein, wenn es kein<br />
Schneider ist – ein Schneider,<br />
der seinen Lohn fordert<br />
Frieren wie ein Schneider –<br />
Im Volksmund sind alle<br />
Schneider hager und dünn.<br />
Das bringt ihn aus dem<br />
Schneider – hilft ihm aus<br />
der Notlage<br />
Aus dem Schneider sein –<br />
beim Skat mehr als 30 Punkte<br />
erhalten<br />
Zweimal aus dem Schneider<br />
sein – älter als 60 Jahre sein