zu Ihren - Draußen
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Straßenmagazin für Münster und das Münsterland 0,70 Euro für den Verkäufer www.strassenmagazin-draussen.de<br />
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04 | 11<br />
1,80<br />
1
2<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist. Aber mir und vielen<br />
Menschen hier bei ~ sowie in unserem Umfeld stand die<br />
Betroffenheit und Sorge über das, was im Fernen und Nahen<br />
Osten vor sich geht ins Gesicht geschrieben.<br />
_Als in Japan die Erde bebte, die Flutwellen die Küsten zerstörte<br />
und viele Menschen in den Tod riss, war das eine schon<br />
von der Tsunami-Katastrophe von 2004 in Indonesien bekannte<br />
Seite. Als sich dann jedoch immer deutlicher eine unvorstellbare<br />
Atom-Katastrophe ab<strong>zu</strong>zeichnen begann, da war das erträgliche<br />
Maß für viele überschritten. Die Angst vor dem, was<br />
da auf uns <strong>zu</strong>kommt, nahm und nimmt immer mehr <strong>zu</strong>. Ärger<br />
und Protest über das fahrlässige Handeln der Atomkraftwerksbetreiber<br />
und deren Befürworter schlägt seitdem nicht nur in<br />
Deutschland große Wellen.<br />
Ich selbst bin in unmittelbarer Nähe des „Schnellen Brüters“<br />
von Kalkar aufgewachsen und habe miterlebt, wie die Fertigstellung<br />
dieses Monstrums erst gestoppt wurde, nachdem 1986<br />
das fürchterliche Unglück von Tschernobyl passiert war. Die damaligen<br />
Bedenken waren schnell vergessen und ich frage mich<br />
ernsthaft, ob die Verantwortlichen niemals aus den Fehlern der<br />
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Vergangenheit lernen? Haben Geld und Machtinteressen denn<br />
wirklich Vorrang vor Sicherheit? Schließlich müssen doch auch<br />
jene, die für die Atomkraft plädieren mit den Folgen einer möglichen<br />
Katastrophe für sich, ihre Angehörigen und Mitmenschen<br />
rechnen. Zwar fühlt sich die amtierende deutsche Regierung<br />
durch die aktuellen Ereignisse <strong>zu</strong>m Handeln veranlasst und<br />
hat kurzfristig ein Moratorium über die beschlossene Laufzeitverlängerung<br />
der deutschen AKW’s in Kraft gesetzt und deren<br />
Überprüfung veranlasst. Jedoch frage ich mich, ob das wirklich<br />
eine ernstgemeinte gemeinte Option oder wieder mal wie so oft<br />
nur wahlkampftaktisches Kalkül ist? Wo ist die Grenze zwischen<br />
vernünftigen, dem Volkswohl dienenden Agieren und machtbesessenem<br />
Handeln?<br />
Aber auch die deutsche Außenpolitik hat in der Weltöffentlichkeit<br />
viel von ihrer Glaubwürdigkeit eingebüßt. Grund: Die Stimmenthaltung<br />
im UN-Weltsicherheitsrat <strong>zu</strong>r Abstimmung über eine<br />
Flugverbotszone in Libyen und die spätere Befürwortung derselben.<br />
Das zwischenzeitliche Lob vom Tyrannen Gaddafi an die<br />
deutsche Regierung verstärkt dieses negative Bild <strong>zu</strong>sätzlich. Ich<br />
persönlich schäme mich als Deutscher für dieses Lob.<br />
Ihr<br />
Sigi Nasner
Für Ihre<br />
Patenschaft<br />
unser<br />
Patenspendenkonto<br />
Kto 34205427<br />
BLZ 40050150<br />
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Wir sind Helden<br />
Fotos: Tom Dietzel und Sigi Nasner<br />
4 Artikel <strong>zu</strong>m Thema auf Seite 6 und 7
Impressum Inhalt<br />
Herausgeber<br />
„~“ e. V.<br />
Berliner Platz 8<br />
48143 Münster<br />
Redaktionsteam<br />
Heinz Dalmühle<br />
Jörg Hüls<br />
Sabrina Kipp<br />
Sigi Nasner<br />
Carsten Scheiper (V.i.S.d.P.)<br />
Tel.: 0251 / 4909118<br />
E-Mail-Adresse<br />
draussen-redaktion@live.de<br />
Streetwork<br />
Sabrina Kipp<br />
draussen-kipp@hotmail.com<br />
Internetseite<br />
www.muenster.org/draussen<br />
Administrator: Cyrus Tahbasian<br />
Mitarbeiter<br />
Texte<br />
Bianka Boyke, Tom Dietzel, Franz-Josef<br />
Dröge, Horst Gärtner, Martina Hegemann,<br />
Michael Heß, Jörg Hüls, Sabrina<br />
Kipp, Lena Klimkeit, Glenn Langhorst,<br />
Marcel Lux, Sigi Nasner, Annette Poethke,<br />
Fabian Reeker, Carsten Scheiper,<br />
Saskia Zeh<br />
Fotos<br />
Amt für Soziale Integration Hamm, Bianka<br />
Boyke, DFB, Tom Dietzel, Michael<br />
Heß, Glenn Langhorst, Sigi Nasner, Andreas<br />
Quirmbach<br />
Layout, Titelgestaltung<br />
Heinz Dalmühle<br />
Gestaltungskonzept<br />
Lisa Schwarz/Christian Büning<br />
Druck<br />
Borgsmüller Druck<br />
Auflage 9000<br />
unterstützt durch<br />
Siverdes-Stiftung<br />
Bankverbindung<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 33 878<br />
BLZ 400 501 50<br />
Paten-Spenden-Konto<br />
Sparkasse Münsterland Ost<br />
Konto-Nr. 34205427<br />
BLZ 400 501 50<br />
Wir danken allen Spendern!<br />
Artikel, die namentlich gekennzeichnet<br />
sind, geben nicht unbedingt die Meinung<br />
der Redaktion wieder<br />
Bitte beachten Sie unsere Anzeigenkunden<br />
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Editorial<br />
Fukushima und Libyen<br />
Bring mich nach Hause<br />
Wir sind Helden im Gespräch<br />
St. Florians-Prinzip auf innovativ?<br />
Der kommende Bürgerhaushalt ist nicht ohne<br />
Wenn die Täter streiten...<br />
Hartz IV wieder mal reformiert<br />
Hamm: Bei Arbeit mit Migranten spitze<br />
Leiter des Amtes für Soziale Integration freut sich über Auszeichnung<br />
11.lebensFEST in der Halle Münsterland<br />
Gemeinsam feiern für das Hospiz in Handorf<br />
Theater im Hinterhof macht Geschichte<br />
Der kleine Bühnenboden startet durch<br />
Jeden Tag diese Angst, jetzt bin ich weg<br />
Geduldet in Deutschland<br />
Atomkurs abgewählt<br />
Restrisiko bestimmt Landtagswahl<br />
Geliebt, gewankt,gefallen<br />
Karl-Theodor <strong>zu</strong> Guttenberg<br />
Für ein gerechtes Miteinander<br />
Tour der 1000 Brücken<br />
Klassiker im neuen Gewand<br />
Daniel Napp über seine Illustration <strong>zu</strong>m kleinen Wassermann<br />
Frauen-Fußball-WM in Deutschland<br />
Silvia Neid im Interview<br />
Columne ~ auf Cuba<br />
Neues aus der Fernsehmensa<br />
Neues aus dem allgemeinen Zivilrecht<br />
Hartz-IV-Empfänger glücklos?<br />
Rezepte<br />
Alles Eierlei<br />
Schlussakkord<br />
Verantwortung bei der Prüfung<br />
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6<br />
Bericht | Text und Fotos: Tom Dietzel und Sigi Nasner<br />
Bring mich nach Hause<br />
„Wir sind Helden“ im Gespräch<br />
Der Titel „Bring mich nach Hause“ ihres<br />
aktuellen Albums führte „Wir sind Helden“<br />
zwar nicht nach Hause, aber immerhin<br />
in die Halle Münsterland. Auch<br />
wenn Schlagzeuger Pola Roy noch von<br />
den Nachwirkungen eines Virusinfektes<br />
etwas angeschlagen war, stand er<br />
~ Rede und Antwort <strong>zu</strong> Familie,<br />
Musik und den aktuellen Entwicklungen<br />
auf unserem Planeten.<br />
~: Schön, dass ihr wieder in Münster<br />
seid. Habt ihr irgendwelche Verbindungen<br />
<strong>zu</strong> unserer Stadt?<br />
Pola: Wir haben hier schon relativ häufig<br />
gespielt. Eine aktuelle Verbindung für mich<br />
ist, dass ich hier heute das erste Mal wieder<br />
einigermaßen gesund spielen kann. Wir<br />
hatten einen fiesen Virus an Bord. Gestern<br />
lag ich noch den ganzen Tag flach, aber<br />
heute geht es mir wieder besser.<br />
~: Judith hat ja mal Straßenmusik<br />
gemacht, weißt du, wie es da<strong>zu</strong> kam?<br />
Pola: Sie hat ganz klassisch am Lagerfeuer<br />
angefangen (lacht). Als sie dann etwa 14<br />
war, hat sie begonnen, in Freiburg in der<br />
Fußgängerzone <strong>zu</strong> spielen, und hat damit<br />
schon relativ viel Geld verdient und ihr Taschengeld<br />
aufgebessert.<br />
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~: Hatte sie damals schon den Gedanken,<br />
etwas mehr daraus <strong>zu</strong> machen?<br />
Pola: Ja, relativ früh. Ich weiß jetzt nicht,<br />
wie ernsthaft es war, aber sie hatte schon<br />
immer den Wunsch, da mal mehr draus <strong>zu</strong><br />
machen.<br />
~: Kennt ihr Straßenmagazine und<br />
habt ihr eine Beziehung da<strong>zu</strong>?<br />
Pola: Ja, natürlich! Ich habe einen Kumpel,<br />
der bei uns in Berlin immer vor dem Edeka<br />
steht und die „motz“ verkauft. Die kaufe<br />
ich ihm dann immer ab, ich finde das total<br />
toll.<br />
~: Eure Band-Familie wird ja immer<br />
größer, erwartet uns demnächst ein Familienunternehmen<br />
wie die Kelly Familie?<br />
Pola: Also mittlerweile haben wir drei<br />
Band-Kinder im Tourbus. Bei dieser Tour<br />
bekommen wir die volle Ladung ab. Die<br />
Kinder haben alle möglichen Krankheiten,<br />
von denen wir auch nicht immer verschont<br />
werden, wenn man auf so engen Raum <strong>zu</strong>sammen<br />
ist. Wir hatten bis jetzt noch nicht<br />
einen Tourtag, ohne dass einer krank war,<br />
und dann ist touren natürlich hart. Aber<br />
so wie bei den Kellys, dass glaube ich eher<br />
nicht.<br />
„Was mich interessiert sind nicht bewegliche Körper,<br />
sondern bewegliche Gehirne. Was mich interessiert<br />
ist die Wiederherstellung der menschlichen Würde<br />
in jeder einzelnen Form.“<br />
Dr. Moshe Feldenkrais<br />
Feldenkrais-Praxis Vera Lämmerzahl<br />
Ludgeristraße 114 Tel.: 0251-796707<br />
~: Wie sehr verändert einen die Popularität,<br />
vor allem, wenn man nebenher<br />
auch noch eine Familie hat?<br />
Pola: Es verändert einen schon. Das Perfide<br />
ist aber, dass es einen nicht so offensichtlich<br />
verändert. Man bekommt halt von<br />
vielen Leuten kein objektives Feedback, vor<br />
allem in der Phase, in der wir Everybody´s<br />
Darling waren. Jeder klopft einem auf die<br />
Schultern und sagt, alles ist super. Es fehlen<br />
einem die Leute, die auch mal kritisch<br />
sind. So schleichen sich dann auch mal<br />
Zicken ein, die man sonst relativ schnell<br />
gespiegelt bekommt. Natürlich fehlen auch<br />
ein wenig andere Eltern, mit denen man<br />
sich austauschen kann. Gerade als junge<br />
Eltern ist man auch häufig unsicher, ob<br />
man alles richtig macht.<br />
~: Spaß und Melancholie liegen in<br />
eurer Musik dicht beieinander. Wollt Ihr<br />
nicht festgelegt werden oder verarbeitet<br />
ihr das Leben einfach so, wie es ist?<br />
Pola: Spaß und Melancholie liegen von Natur<br />
aus schon nah <strong>zu</strong>sammen. Der klassische<br />
Fall ist ja der melancholische Clown.<br />
Viele Leute, die Humor haben, besitzen<br />
auch eine starke melancholische und<br />
emotionale Seite. Ein positives Lebensgefühl<br />
heißt nicht, dass man nicht auch die<br />
andere Seite erlebt. Und so entstehen dann<br />
schon die ein oder anderen Texte daraus.<br />
~: Trotz der Leichtigkeit der meisten<br />
Songs sind viele eurer Texte eher kritisch.<br />
Ihr selber seid sehr engagiert. Würdet ihr<br />
euch als Politband sehen?<br />
Pola: Ja, schon! Obwohl mich der Begriff<br />
politisch ein wenig stört. Das geht dann<br />
gleich in so eine parteipolitische Richtung.<br />
Uns geht es schon eher um gesellschaftliche<br />
Themen. Judith beobachtet halt viele<br />
Dinge, die sie dann beschäftigen, und sie<br />
schreibt darüber Songs. Teilweise sind es<br />
persönliche Dinge, teilweise aber auch<br />
gesellschaftliche Themen. Das wird dann
manchmal schon schnell politisch und insofern<br />
sind wir dann auch eine politische<br />
Band.<br />
~: Ihr seid gerade der Werbeindustrie<br />
gegenüber sehr kritisch und das schon<br />
seit Anfang eurer Karriere, obwohl Judith ja<br />
selber diesen Bereich studiert hat. Woher<br />
kommt diese Distanz?<br />
Pola: Naja, sie hat viele dieser Werbeleute<br />
im Studium kennen gelernt und dabei<br />
ist ihr bewusst geworden, wie die ticken.<br />
Das hat sie halt unheimlich abgetörnt und<br />
deswegen hat sie das Studium dann auch<br />
geschmissen. Gerade Werbeleute sind sehr<br />
zynisch und die besten würden wirklich<br />
über Leichen gehen.<br />
~: Eure Ablehnung an der Teilnahme<br />
der „Bild“-Werbeaktion hat große Wellen<br />
geschlagen. Was hat euch da<strong>zu</strong> veranlasst,<br />
so <strong>zu</strong> reagieren?<br />
Pola: Die Anfrage kam und Judith hatte<br />
dann diesen starken Impuls, mal ihren<br />
Standpunkt dar<strong>zu</strong>legen. Normalerweise<br />
schreibt man ja eine höfliche Absage und<br />
denkt sich seinen Teil. Aber es hat Judith<br />
schon über die Jahre hinweg fertig gemacht,<br />
dieses immer mit<strong>zu</strong>bekommen und<br />
nicht darauf antworten <strong>zu</strong> können. Darum<br />
wollte sie diesmal antworten und denen<br />
mal klar machen, wie sie darüber denkt.<br />
Es war gar nicht geplant, dass die Antwort<br />
veröffentlicht wird. Aber dann war es so<br />
gut und auf den Punkt, dass wir uns entschlossen,<br />
es doch <strong>zu</strong> tun.<br />
~: Es gab ja auch Kritik, dass ihr nur<br />
auf euch aufmerksam machen wolltet!<br />
Pola: Natürlich freut man sich auch darüber,<br />
dass über einen gesprochen wird, aber<br />
das war nicht unsere Intention. Uns war<br />
wichtig, dass wir auch Leute erreichen, die<br />
dadurch anfingen, sich darüber Gedanken<br />
<strong>zu</strong> machen.<br />
~: Ihr habt ja auch mal Songs in Japanisch<br />
aufgenommen. Habt Ihr eine besondere<br />
Verbindung <strong>zu</strong> diesem Land, was<br />
im Augenblick so viel durchmachen muss?<br />
Pola: Es gab mal eine Anfrage <strong>zu</strong> einem<br />
Sampler, der die japanische Pop/Punk/Rock<br />
Szene beleuchtete, und dabei sollten dann<br />
auch deutsche Bands auf Japanisch singen,<br />
<strong>zu</strong>sammen mit einheimischen Bands. Wir<br />
fanden das eine witzige Idee und dachten<br />
uns, wir probieren das mal aus. Wir haben<br />
dann <strong>zu</strong>sammen mit einem Coach lange<br />
daran gefeilt. Das war nicht ganz einfach,<br />
weil die Betonungen der Worte sehr wichtig<br />
und völlig anders sind als bei uns.<br />
~: Kann den einer von euch japanisch?<br />
Pola: Nein (lacht), überhaupt nicht. Wir<br />
haben sogar mal einen Song auf Chinesisch<br />
gemacht, aber das ist noch schwerer.<br />
~: Hattet ihr auch mal eine Tour dort<br />
geplant?<br />
Pola: Doch, das hätten wir fast tatsächlich<br />
gemacht, aber wegen der Kinder haben wir<br />
das dann nicht weiter verfolgt.<br />
~: Was <strong>zu</strong>rzeit in Japan passiert, versetzt<br />
uns alle in Schrecken. Ihr verfolgt das<br />
ja auch. Was meinst Du, wie wird es jetzt<br />
weitergehen mit der deutschen Atompolitik?<br />
Pola: Es ist natürlich fürchterlich, was da<br />
gerade passiert, aber andererseits ist es für<br />
die Anti-Atomkraft Bewegung in Deutschland<br />
und Europa jetzt ein ganz entscheidender<br />
Moment. Jetzt gibt es natürlich sehr<br />
starke Argumente gegen Atomkraft.<br />
~: Wie wird es weitergehen mit der<br />
deutschen Atomindustrie?<br />
Pola: Ich kenne das noch aus meiner Jugend,<br />
da wurde immer gesagt, das ist alles<br />
nur Panikmache, da passiert schon nichts.<br />
Aber jetzt werden auch plötzlich Leute aus<br />
dem konservativen Lager aufmerksam, wie<br />
schnell es gehen kann. Man muss einfach<br />
nur mal an einen Terroranschlag denken<br />
oder aber auch an Krieg. Wer sagt denn,<br />
dass wir Deutschen die nächsten 500 Jahre<br />
in keinen Krieg geraten. Dann stehen diese<br />
Atomkraftwerke da und werden Ziel von<br />
Attacken.<br />
~: Meinst du, dass sich auch weltweit<br />
ein Wandel einstellen wird?<br />
Pola: Na ja, da teilt sich die Welt gerade. Es<br />
gibt Länder, die stellen das um, und es gibt<br />
halt Länder, die sagen, das sei nur Hysterie,<br />
und die machen weiter wie bisher.<br />
Ich glaube aber <strong>zu</strong>mindest, dass es hier<br />
in Deutschland <strong>zu</strong> sehr starken Protesten<br />
kommen wird, wenn das Moratorium ausläuft<br />
und sich herausstellt, dass es eigentlich<br />
nur Wahlkampftaktik war. Das könnte<br />
dann durchaus auch militant werden, aber<br />
es wird sich hier bestimmt Grundlegendes<br />
ändern.<br />
~: Judith hat vor einiger Zeit in einem<br />
Interview mal gesagt:“ Die heutige<br />
Generation wird durch niederschmetternde<br />
Wahrheiten <strong>zu</strong>nehmend deprimiert“.<br />
Habt Ihr ein Rezept, wie man sich dagegen<br />
wehrt?<br />
Pola: Ja, habe ich! Etwas machen!!! Dieses<br />
Gefühl von Lähmung und Depressionen<br />
sollte man dadurch kompensieren, dass<br />
man sich für etwas, was einem am Herzen<br />
liegt, engagiert. Das müssen nicht immer<br />
weltpolitische Themen sein, sondern<br />
durchaus auch kleine Dinge, die einen in<br />
seinem persönlichen Umfeld bewegen. Es<br />
können auch soziale Projekte sein. Wir haben<br />
eine Textzeile in unserer aktuellen Single,<br />
die lautet:“ Fühlst Du Dich machtlos,<br />
geh´ raus und mach los“ #<br />
7
8<br />
Bericht | Text und Foto: Michael Heß<br />
St. Florians-Prinzip auf innovativ?<br />
Der kommende Bürgerhaushalt ist nicht ohne<br />
Bürgerhaushalte sind in der Kommunalpolitik<br />
eine vergleichsweise junge<br />
Erscheinung. Erstmals 1989 im brasilianischen<br />
Porto Allegre aufgestellt, erfolgt<br />
seitdem der Export des durchaus erfolgreichen<br />
Modells bis in deutsche Kommunen.<br />
Ab 2012 soll es auch in Münster so<br />
weit sein. ~-Lokalredakteur Michael<br />
Heß erörtert neben dem Pro auch<br />
das Contra.<br />
Die erste deutsche Kommune mit einem solchen<br />
Etat ist seit 2005 Berlin-Lichtenberg.<br />
Anfang 2011 verfügen 16 Kommunen über<br />
Bürgerhaushalte, darunter Bonn, Emsdetten,<br />
Hamburg, Köln und Leipzig. Ein<br />
Bürgerhaushalt liegt nur dann vor,<br />
wenn finanzielle Aspekte in einem<br />
auf Dauer angelegten transparenten<br />
Prozess auf einer administrativen<br />
Ebene gemeinsam erarbeitet werden<br />
und über die Ergebnisse Rechenschaft<br />
ab<strong>zu</strong>legen ist. Bloße Infoveranstaltungen<br />
oder Internetrankings<br />
oder Debatten nur für das Kreuz-<br />
oder Südviertel genügen folglich<br />
nicht. Die unterste Ebene für dieses<br />
Modell wären also die sechs Stadtbezirke.<br />
In der öffentlichen Beschlussvorlage<br />
V/0029/2011 fasst die Verwaltung<br />
Abläufe, Erwartungen und Ziele für<br />
Münsters Bürgerhaushalt <strong>zu</strong>sammen. Dieser<br />
soll in einem Kombinationsmodell aus Internetplattform<br />
und Bürgerversammlungen<br />
in den Stadtbezirken erstellt werden. Bis Mai<br />
2011 eingehende Vorschläge fließen in den<br />
Haushalt 2012 ein, die danach eingehenden<br />
kommen ab 2013 <strong>zu</strong>m Zuge.<br />
_Die Stadtverwaltung verspricht sich drei<br />
Vorteile, die Finanzreferent Frank Möller von<br />
der Kämmerei erläutert: „Erstens kann der<br />
Dialog zwischen Bürgerschaft, Politik und<br />
Verwaltung als ‘Wert an sich’ erkannt werden.<br />
Zweitens kann bei einzelnen kommunalen<br />
Entscheidungen durch das Votum der<br />
Bürgerschaft gegebenenfalls eine höhere<br />
Entscheidungssicherheit <strong>zu</strong>grunde gelegt<br />
werden. Auch kann eine höhere Akzeptanz<br />
von Kommunalentscheidungen in der Bürgerschaft<br />
erzeugt werden. Drittens kann ein<br />
Bürger/innen-Haushalt als Demokratie förderndes<br />
Element angesehen werden, das<br />
einer Verwaltungs- und Politikverdrossenheit<br />
entgegenwirken kann.“ Was auffällt: Es ist<br />
viel „kann“ dabei.<br />
_Fraglos ist der Begriff „Bürgerhaushalt“ ein<br />
positiv besetztes Schlagwort. Er knüpft an<br />
Forderungen nach mehr Transparenz in der<br />
Kommunalpolitik an. Doch müssen kritische<br />
Anmerkungen erlaubt sein. Denn ist, was<br />
gut klingt, auch sachlich zweckmäßig? Und<br />
lassen sich derartige Instrumente mit der Erfordernis<br />
<strong>zu</strong>m Sparen vereinbaren? Wo schon<br />
jetzt nichts ist, kann auch ein Bürgerhaushalt<br />
nichts richten. Schließlich: Wie sieht es mit<br />
der Sachkompetenz der Beteiligten aus und<br />
sind diese <strong>zu</strong>sammen überhaupt repräsentativ<br />
für „die Bürger“?<br />
_Stichwort Finanzen: Derzeit sehen die Planungen<br />
60.000 Euro für die Entwicklung einer<br />
Internetplattform, einer Bürgerumfrage<br />
und mehr vor. Folgekosten fallen ab 2012 natürlich<br />
an. „Das ließ sich in anderen Bürgerhaushaltsverfahren<br />
daran ablesen, dass etwa<br />
gleich viele haushaltsneutrale oder -entlastende<br />
wie haushaltsbelastende Vorschläge<br />
gemacht wurden“, heißt es aus der Kämmerei.<br />
In anderen Papieren ist jedoch <strong>zu</strong> lesen,<br />
dass es in jeder Kommune mit Bürgerbeteili-<br />
gung <strong>zu</strong> Mehrausgaben kam und kommt und<br />
zwar auf Dauer!<br />
_Stichwort Repräsentativität: Wie repräsentativ<br />
ist die „Kerngruppe“ von ca. 30 Bürgern,<br />
die sich bisher um das Thema kümmerte? Zu<br />
hinterfragen ist ebenso der gedachte Beirat<br />
für den Bürgeretat. Wieder ein Gremium<br />
mehr im immer dichteren Gestrüpp aus<br />
Ausschüssen, Beiräten, Bezirksvertretungen,<br />
Kommissionen, dem Rat und zeitweiligen<br />
Sondergremien. Und: Wer wählt nach welchen<br />
Kriterien dessen Mitglieder aus?<br />
_Stichwort Bürgerversammlungen<br />
und Internetplattform: Diese<br />
kommt erst noch, die Versammlungen<br />
waren eher schwach besucht,<br />
ein Großteil der Anwesenden <strong>zu</strong>dem<br />
Vertreter von Politik und Verwaltung.<br />
Ein Befund, der dem anderer Städte<br />
entspricht. Maximal zwei Prozent (!)<br />
der Wahlberechtigten brachten sich<br />
ins Verfahren ein. Tendenz: sinkend.<br />
_Stichwort Sachkunde: Niemand<br />
wird für die Qualität der gemachten<br />
Vorschläge garantieren (können).<br />
Erst recht nicht, wenn diese über<br />
Pseudonyme eingebracht werden wie jedes<br />
derartige Forum im Netz zeigt. Ein beredtes<br />
Beispiel über das, was <strong>zu</strong> erwarten ist, geben<br />
auch die ca. 180 „Bürgeranregungen“<br />
<strong>zu</strong>r jüngsten Spardebatte. Um es kurz <strong>zu</strong> machen:<br />
Der nackte Egoismus dominiert und<br />
das Erwarten, unangenehme Entscheidungen<br />
rückgängig <strong>zu</strong> machen oder andere <strong>zu</strong>r<br />
Kasse <strong>zu</strong> bitten. Das St. Florians-Prinzip regiert,<br />
nicht die Vernunft und schon gar nicht<br />
Sachkenntnis in kommunalen Abläufen und<br />
Strukturen. Ein Vorgriff auf den Bürgerhaushalt<br />
als schwer <strong>zu</strong> steuernder Verteilungskampf?<br />
_Indes sind die Weichen gestellt und der<br />
Bürgerhaushalt wird kommen. Eine gründliche<br />
Evaluierung der Ergebnisse scheint schon<br />
heute angebracht. #
Bericht | Text: Michael Heß<br />
Wenn die Täter streiten...<br />
Hartz IV wieder mal reformiert<br />
Die Bezieher von Arbeitslosengeld II sind<br />
nicht <strong>zu</strong> beneiden: immer knapp bei<br />
Kasse, ziemlich weit unten in der sozialen<br />
Hackordnung und immer mal was<br />
Neues über ihre Köpfe hinweg - <strong>zu</strong>meist<br />
nichts Gutes. Ende Februar war es<br />
nach lautem Getöse wieder so weit, die<br />
durchwachsenen Ergebnisse kommentiert<br />
~-Autor Michael Heß.<br />
Am 25. Februar war erlebte Hartz IV (im<br />
Amtsdeutsch: Arbeitslosengeld II) nach einem<br />
monatelangen Hickhack die nunmehr<br />
vierte Reform seit dem Start am 1. Januar<br />
2005. „Als Allianz der Vernünftigen“ bezeichnete<br />
Bundesarbeitsministerin Ursula<br />
von der Leyen Ende Februar die Zustimmung<br />
von CDU, FDP und SPD (mit schlechtem<br />
Gewissen) <strong>zu</strong>m gefundenen Kompromiss.<br />
Nötig war das Procedere aufgrund<br />
eines Urteils des Karlsruher Bundesverfassungsgerichtes<br />
im letzten Jahr, dem<strong>zu</strong>folge<br />
„die Regelsatzberechnung transparent und<br />
nachvollziehbar sein muss“. In welcher<br />
Höhe der Regelsatz ein Leben in Selbstbestimmung<br />
erlaubte - darüber sagte das Gericht<br />
leider nichts.<br />
_Denn nicht <strong>zu</strong>frieden sein muss man mit<br />
der ab Januar rückwirkenden Erhöhung der<br />
Regelsätze für Erwachsene von 359 Euro auf<br />
364 Euro. Eine Steigerung um 1,4 Prozent,<br />
die nicht einmal mit der aktuellen Inflationsrate<br />
mithält. Ab Januar kommen nochmals<br />
drei Euro da<strong>zu</strong>, macht weitere 0,8<br />
Prozent Steigerung aus. Dass viele Betroffene<br />
die Erhöhungen angesichts der Preissteigerungen<br />
bei Energie, Lebensmitteln<br />
und Wohnen als Hohn verstehen, verwundert<br />
nicht. Unverändert bleiben nämlich<br />
auch die Bezüge für bis Sechsjährige (215<br />
Euro), bis Dreizehnjärige (251 Euro) und bis<br />
Achtzehnjährige (287 Euro).<br />
_Zufriedenstellend fällt wenigstens die Bilanz<br />
beim begleitenden Bildungspaket aus.<br />
Weniger wegen der Bezüge selbst, mehr<br />
aufgrund der sozialen Intention. Etwa 2,5<br />
Millionen Kinder von Hartz IV-Beziehern,<br />
Wohngeldempfängern und Geringverdienern<br />
haben künftig Anspruch auf ein warmes<br />
Mittagessen sowie auf Zuschüsse für<br />
Klassenfahrten, Schulmaterial, Nachhilfe<br />
und Vereinsmitgliedschaften. In Münster<br />
können die Gutscheine ab April bei Bildungsträgern<br />
eingelöst werden, die von der<br />
Stadt <strong>zu</strong>vor geprüft wurden. Damit erkennt<br />
der Gesetzgeber erstmalig die Notwendigkeit<br />
solcher Kontakte für Kinder aus sozial<br />
schwachen Verhältnissen an. Begleitend<br />
werden dreitausend Schulsozialarbeiter<br />
angestrebt, die durch die Kommunen finanziert<br />
werden sollen. Im Gegen<strong>zu</strong>g übernimmt<br />
der Bund künftig die Grundsicherung<br />
für bedürftige Rentner in jährlicher<br />
Höhe von etwa 4 Milliarden Euro.<br />
_Soweit, so durchwachsen. Bundesweit<br />
gibt es derzeit etwa sieben Millionen Hartz<br />
IV-Bezieher einschließlich der Aufstocker.<br />
Interessanterweise sind das trotz mehrfach<br />
verschärfter Zugangsbedingungen etwas<br />
mehr Menschen als beim Start vor sechs<br />
Jahren. In Münster sind es nach Auskunft<br />
der örtlichen ARGE knapp 20.000 Personen<br />
und damit über sieben Prozent der Einwohner.<br />
Münster bleibt damit auch unter<br />
dem Bundesdurchschnitt von etwas über<br />
zehn Prozent der Bevölkerung. Städte wie<br />
Köln oder Leipzig weisen höhere Anteile<br />
auf, aber den Betroffenen hilft das nichts.<br />
_Auch die Relationen stimmen nicht. Während<br />
für allerlei Schutzschirme für schlecht<br />
wirtschaftende Banken Abermilliarden Euro<br />
aufgewendet werden, speist der Gesetzgeber<br />
die Hilfebedürftigen mit Brosamen ab;<br />
die finanziellen Mehrleistungen für den<br />
erhöhten Regelsatz (d.h. ohne Bildungspaket)<br />
belaufen sich auf lediglich 300 Millionen<br />
Euro im Jahr. Das ist viel Geld, aber<br />
allein 2010 wuchs der Schuldenberg der<br />
Öffentlichen Hand um sage und schreibe<br />
300 Milliarden Euro auf die unvorstellbare<br />
Summe von zwei Billionen Euro an (ganz<br />
nebenbei: Münsters Schulden in Höhe von<br />
740 Millionen Euro tragen da<strong>zu</strong> 0,0037 Pro-<br />
zent bei). Der Schuldenberg steig um das<br />
Tausendfache der Regelsatzerhöhung - die<br />
Prioritäten sind klar. Mittlerweile passt das<br />
Bruttonationalprodukt mehrfach in die<br />
Schuldensumme. Übrigens wäre bei solchen<br />
Zuständen für jeden Handwerker oder<br />
Unternehmer der Gang <strong>zu</strong>m Konkursrichter<br />
vorgeschrieben, aber das ist eine andere<br />
Baustelle.<br />
_Über die Ungerechtigkeiten von Hartz IV<br />
sind laufende Meter an Literatur geschrieben.<br />
Zweifelhaft ist dennoch, ob die Betroffenen<br />
ihre Stimme erheben. Scham<br />
und Geldnot bilden <strong>zu</strong>sammen eine starke<br />
Barriere. Im Sommer und Herbst des vergangenen<br />
Jahres versandeten zwei Demos<br />
<strong>zu</strong>m Thema kläglich und das lag nicht nur<br />
an König Fußball und dem Wettergott. Wer<br />
Hartz IV bezieht, hat eben gänzlich andere<br />
Sorgen als den Gang auf die Straße. Dafür<br />
eignet sich das Thema um so besser <strong>zu</strong>m<br />
vordergründigen Draufhauen auf den jeweiligen<br />
„politischen Gegner“. Egal, ob mit<br />
Mandat in Gelb, Grün, Rot oder Schwarz,<br />
sind sie alle nicht gebeutelt von Hartz IV.<br />
Die Medien haben dafür ihre verbalen<br />
Schaukämpfe, wenigstens da<strong>zu</strong> taugt der<br />
ganze Aufwand. #<br />
9
10<br />
Bericht | Text: Bianka Boyke | Foto: Amt für Soziale Integration Hamm<br />
Hamm: Bei Arbeit mit Migranten spitze<br />
Leiter des Amtes für Soziale Integration freut sich über Auszeichnung<br />
„Und der erste Platz geht an – tatatata<br />
- die Stadt Hamm. Mit einer Note von<br />
1,6 hat die Hammer Stadtverwaltung<br />
beim „Vergleichsring Ausländerwesen“<br />
den ersten Platz belegt. Viel Lob für die<br />
Leistungen des „Amtes für Soziale Integration“<br />
gab es insbesondere von den<br />
Kunden. Seit September 2009 läuft die<br />
Arbeit im „Vergleichsring Ausländerwesen“<br />
für Städte von 90.000 bis 200.000<br />
Einwohnern. Nun ist das Abschlussergebnis<br />
da und Hamm steht an der Spitze<br />
– vor den Städten Erlangen, Göttingen,<br />
Gütersloh, Hagen, Lünen, Mühlheim an<br />
der Ruhr und Paderborn.<br />
Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern hat<br />
Wolfgang Müller, Leiter des Amtes für Soziale<br />
Integration, vor allem ein Leitziel:<br />
„Die Verbesserung der Lebensbedingungen<br />
und Sicherung der gesellschaftlichen<br />
Integration Benachteiligter oder von Benachteiligung<br />
bedrohter Menschen in der<br />
Stadt Hamm.“<br />
_Konkret heißt das: Das Bürgeramt für<br />
Migration und Integration bündelt sämtliche<br />
aufenthaltsrechtlichen und melderechtlichen<br />
Angelegenheiten der in<br />
Hamm lebenden Menschen mit Migrati-<br />
onshintergrund. „Von der Geburt bis <strong>zu</strong>r<br />
Einbürgerung wird allen Menschen helfend<br />
und unterstützend <strong>zu</strong>r Seite gestanden“,<br />
so Wolfgang Müller. „Damit sind<br />
wir in dieser Form das einzige Bürgeramt<br />
für Migration und Integration in NRW.“<br />
_Der überwiegende Aufgabenbereich des<br />
Amtes für Soziale Integration umfasst<br />
die Klärung des aufenthaltsrechtlichen<br />
Status, der Gewährung von Aufenthaltsrechten<br />
sowie der Familien<strong>zu</strong>sammenführung<br />
<strong>zu</strong> hier lebenden Migranten.<br />
Passrechtliche Angelegenheiten gehören<br />
neben allgemeinen Aufgaben<br />
wie der Erteilung<br />
von Arbeitserlaubnissen,<br />
der Beantragung von Verpflichtungserklärungen<br />
zwecks Einreise <strong>zu</strong> Besuchszwecken<br />
ebenso <strong>zu</strong>r<br />
täglichen Arbeit wie die<br />
Förderung und Beratung<br />
in Integrationsmaßnahmen<br />
wie Sprachkursen<br />
und sonstigen unterstützenden<br />
Tätigkeiten im<br />
Bereich der Menschen mit<br />
Migrationshintergrund.<br />
_Das Amt und seine Mitarbeiter<br />
scheinen ihre Sache<br />
sehr gut <strong>zu</strong> machen – dafür<br />
sprechen <strong>zu</strong>mindest die<br />
aktuellen Ergebnisse der jüngst durchgeführten<br />
Kundenbefragung <strong>zu</strong>r Dienstleistungsqualität<br />
der neun teilnehmenden<br />
Ausländerbehörden. „Bereits 2007<br />
überzeugte das Bürgeramt seine Kunden<br />
mit guten Leistungen und hoher Bürgerfreundlichkeit“,<br />
sagt Wolfgang Müller.<br />
Damals kam man auf die Gesamtnote 1,7.<br />
Jetzt konnte dieses Ergebnis sogar noch<br />
einmal übertroffen werden: Zehn Top-<br />
3-Platzierungen in den 15 bewerteten<br />
Kategorien <strong>zu</strong> Öffnungs- und Wartezeiten,<br />
Raumsituationen und Mitarbeitern<br />
sowie keinerlei „negative“ Ausreißer.<br />
„Das heißt, wir hatten nicht eine einzige<br />
Bewertung, die schlechter war als ,gut‘„,<br />
sagt Wolfgang Müller und lächelt dabei.<br />
_Der Leiter des Amtes für Soziale Integration<br />
ist <strong>zu</strong> Recht stolz auf das Ergebnis<br />
– natürlich vor allem auf seine Mitarbeiter:<br />
„Besonders positiv bewerteten die<br />
Kunden die Beratung, Freundlichkeit und<br />
verständlichen Erläuterungen der Mitarbeiter.“<br />
Weiterhin hoben die Kunden die<br />
geringen Wartezeiten, die vereinfachte<br />
Orientierung und die kundenfreundlichen<br />
Öffnungszeiten des Bürgeramtes für<br />
Migration und Integration hervor. Gesamtergebnis:<br />
Die Bestnote 1,6 „und damit<br />
eine wunderbare Bestätigung unserer<br />
täglichen Bemühungen“, so Wolfgang<br />
Müller.<br />
Das Amt für Soziale<br />
Integration in Hamm<br />
Zu den Bereichen des Amtes für Soziale<br />
Integration gehört auch eine<br />
Versicherungs- und Rentenabteilung,<br />
und das Amt kümmert sich<br />
um Senioren- und Behindertenangelegenheiten.<br />
Zum Bürgeramt für<br />
Migration und Integration gehören<br />
die Abteilungen „Allgemeine Ausländerangelegenheiten“,<br />
„Asyl- und<br />
Flüchtlingsangelegenheiten“ und<br />
die „Abteilung Integrationsförderung“,<br />
der Integrationsrat sowie die<br />
Einbürgerung. Außerdem wird eine<br />
Vielzahl verschiedener Dienstleistungen<br />
angeboten. Ferner ist das Amt<br />
für Soziale Integration der Mitträger<br />
der Freiwilligenzentrale Hamm und<br />
somit auch für eine Ehrenamtsförderung<br />
<strong>zu</strong>ständig.
Bericht | Text: Franz-Josef Dröge | Fotos: Presseinfo lebensFEST<br />
11. lebensFEST in der Halle Münsterland<br />
Gemeinsam feiern für das Hospiz in Handorf<br />
Am Samstag, den 07.05.2011, ist es wieder<br />
so weit, dann steigt die Benefiz-Gala<br />
für das Handorfer Hospiz lebensHAUS<br />
<strong>zu</strong>m elften Mal in der Halle Münsterland.<br />
Durch den Abend wird wieder Götz<br />
Alsmann führen, als Front-Mann des<br />
lebensFEST nicht mehr weg <strong>zu</strong> denken.<br />
Das Bühnenprogramm für das 11. lebensFEST<br />
kann sich sehen lassen.<br />
Sonic Suite ist ein Projekt, in dem sich<br />
außergewöhnliche Gesangssolisten <strong>zu</strong>sammengefunden<br />
haben, um gemeinsam<br />
mit großem Spaß <strong>zu</strong> singen. Sie befreien<br />
sich von alten A-cappella-Mustern<br />
und treffen damit nicht nur den Nerv der<br />
Experten. Geleitet wird dieses besondere<br />
Ensemble von Tilo Beckmann, einem Mitbegründer<br />
der 6-Zylinder. Ihr Repertoire<br />
hat starke Soul-, und Popeinflüsse, gewürzt<br />
mit einer Prise Jazz.<br />
_Der Wahlmünsteraner Martin Mall gilt<br />
weltweit als einer der maßgeblichen Erneuerer<br />
der traditionellen Diabolojonglage.<br />
Er verfeinerte seinen Stil kontinuierlich<br />
und kreierte „diabolights“, dahinter<br />
verbirgt sich eine dynamisch aufgeladene<br />
Synthese von traditioneller Jonglage mit<br />
Elementen modernster Lichttechniken.<br />
Martin Mall ist preisgekrönt und arbeitet<br />
auf höchstem technischen Niveau.<br />
_Der Kölner Martin Reinl ist bekannt<br />
durch seine Puppen bei „Zimmer frei“.<br />
1998 trat seine Handpuppe „Wiwaldi“,<br />
ein Hund mit frechem Mundwerk, im<br />
Promi-Talk der Sendung das erste Mal<br />
ins Rampenlicht der Comedywelt. Martin<br />
Reinl steht seit 1996 mit eigenen Comedy-Programmen<br />
auf der Bühne.<br />
_Die Jugendtheaterplattform Cactus Junges<br />
Theater hat beim Jugendtheater-Festival<br />
„Spurwechsel“ 2010 mit einer Projektgruppe<br />
das Programm „Look at me“<br />
präsentiert. Streetdancer zwischen 16 und<br />
25 Jahren, verstreut in Münsters<br />
Nischen und Szenen, beschlossen,<br />
sich <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>tun und<br />
ihr eigenes Ding <strong>zu</strong> machen. Das<br />
Ergebnis ist eine Performance, in<br />
der sie sich erstmalig gemeinsam<br />
auf der Bühne tanzwütig zeigen.<br />
_Das Tanztheater Orosz ist eine<br />
der ältesten freien Tanzgruppen<br />
Münsters und hat in den vergangenen<br />
Jahren unter der Leitung<br />
des Choreografen Lajos Orosz<br />
seinen ganz eigenen Stil auf professionellem<br />
Niveau entwickelt.<br />
Das Repertoire erstreckt sich von<br />
Jazz Dance, Musical, Irish Folk bis<br />
hin <strong>zu</strong> Modern Dance.<br />
_Als Stargast haben die Organisatoren<br />
Mary Roos gewonnen. Mary Roos war immer<br />
da, und das haben nur wenige im<br />
deutschen Schlagergeschäft geschafft.<br />
Seit über 25 Jahren erfreut sie das Publikum<br />
mit dem unverwechselbaren Klang<br />
ihrer Stimme. Sie singt seit ihrem neunten<br />
Lebensjahr und hat als junge Künstlerin<br />
Deutschland zweimal beim Grand-<br />
Prix d’Eurovision vertreten.<br />
_Eine große Tombola mit ca. 250 attraktiven<br />
Preisen sorgt in der Tanzpause ebenfalls<br />
für gute Stimmung. Unterhaltung auf<br />
hohem Niveau, so lässt sich das Motto der<br />
Benefizveranstaltung umschreiben. Nach<br />
dem Bühnenprogramm laden die Organisatoren<br />
<strong>zu</strong>r großen Party ein, dann legt DJ<br />
Rita Tücking wieder Scheiben aus den verschiedensten<br />
Musikrichtungen auf.<br />
_Der Erlös des Abends soll mithelfen, die<br />
Arbeit des Hospizes lebensHAUS finanziell<br />
ab<strong>zu</strong>sichern. Das lebensHAUS muss 2011<br />
einen Eigenanteil von ca. 260.000 Euro<br />
für die Versorgung und Begleitung der unheilbar<br />
kranken Menschen in ihrer letzten<br />
Lebensphase aufbringen.<br />
_Auch dieses Mal treten die beteiligten<br />
Künstlerinnen und Künstler wieder ohne<br />
Gage auf und namhafte Unternehmen wie<br />
die Halle Münsterland, die Westfälischen<br />
Nachrichten, die Telgter Hautpflegeserie<br />
dermasence oder Münsterland Ticket unterstützen<br />
das lebensFEST als Sponsoren.<br />
Tickets gibt es im Vorverkauf von<br />
25,00 bis 40,00 Euro bei den WN-<br />
Tickets-Shops in Münster, Ahlen<br />
und Steinfurt, bei Münsterland Ticket<br />
an der Halle Münsterland und<br />
am Hindenburgplatz sowie im Internet<br />
unter www.eventim.de und<br />
über die Eventim-Ticket-Hotline<br />
01805/570070 (0,14 Euro/Minute, Mobilfunkpreise<br />
können abweichen).<br />
11
12<br />
Bericht | Text und Foto: Michael Heß<br />
Theater im Hinterhof macht Geschichte<br />
Der Kleine Bühnenboden startet durch<br />
Münsters freie Theaterszene gehört <strong>zu</strong><br />
den besten im Lande. Eine Vielzahl freier<br />
Ensembles und Spielstätten bedient die<br />
unterschiedlichen Geschmäcker eines anspruchsvollen<br />
Publikums. Unter ihnen ‚Der<br />
Kleine Bühnenboden‘ im Hansaviertel, eines<br />
der ältesten Privattheater der Stadt.<br />
Dort traf sich draußen!-Lokalredakteur<br />
Michael Heß mit den beiden Theatermachern<br />
Konrad Haller und Toto Hölters.<br />
Der Kleine Bühnenboden macht<br />
weiter. Das ist die gute Nachricht.<br />
Eine schlechte gibt es nicht und<br />
das ist die zweite gute Nachricht.<br />
Denn von teils existenziellen Problemen<br />
blieb die freie Spielstätte<br />
in der Schillerstraße in ihrer Geschichte<br />
nicht verschont; am 1.<br />
Mai feiern die Theatermacher um<br />
Toto Hölters (43, verheiratet, zwei<br />
Kinder, im Bild links*) und Konrad<br />
Haller (40, Single, rechts*) den 28.<br />
Jahrestag und ein Blick in die Geschichte<br />
der Spielstätte zeigt, warum<br />
das nichts Selbstverständliches<br />
sein wird.<br />
_Bereits 1984 gründete die seit 1973 in<br />
Münster wirkende griechische Choreografin<br />
und Tänzerin Marianna Thalassinou<br />
in einer ehemaligen Bonbonfabrik<br />
und Glaserei das Kammertheater ‚Der<br />
Kleine Bühnenboden‘. Schnell wuchs die<br />
Spielstätte <strong>zu</strong> einer Werkstatt für künstlerischen<br />
und experimentellen Tanz.<br />
Thalassinou selbst lernte ihre Kunst am<br />
Athener Konservatorium, am Staatstheater<br />
Stuttgart sowie an der Folkwangschule<br />
in Essen. Zeitweilig lehrte sie an<br />
der Musikhochschule Münster. Ihr besonderes<br />
Anliegen war stets, das Spartendenken<br />
und die daraus resultierende<br />
Trennung einzelner Kunstformen <strong>zu</strong><br />
überwinden. Marianna Thalassinou bot<br />
neben ihrer eigenen Arbeit auch anderen<br />
Künstlern die Möglichkeit <strong>zu</strong>m Auftritt;<br />
Austauschprojekte mit dem St. Petersburger<br />
Figurentheater und das Gastspiel<br />
des griechischen Karagiosis-Theaters stehen<br />
beispielhaft für diese Linie. Mittels<br />
ausgesuchter Gastspiele und der professionellen<br />
Zusammenarbeit mit unterschiedlichen<br />
Kunstsparten entwickelte<br />
sie, in zwei deutlich unterschiedlichen<br />
Kulturen wurzelnd, den Bühnenboden <strong>zu</strong><br />
einer namhaften Begegnungsstätte mit<br />
einer ganz eigenen Atmosphäre.<br />
_Als Marianna Thalassinou am 6. Juli<br />
2007 überraschend verstarb, war nicht<br />
klar, was aus der Spielstätte wird. Zwar<br />
stand hinter Thalassinous künstlerischer<br />
Arbeit der 1987 gegründete und heute<br />
etwa 30 Köpfe zählende gemeinnützige<br />
Trägerverein Theama e.V., doch die Lücke<br />
lies sich nicht ohne Weiteres schließen.<br />
Zunächst übernahm ihr Sohn Georgios<br />
Weyand die Theaterleitung, ohne an der<br />
künstlerischen Linie etwas <strong>zu</strong> ändern. Ab<br />
Dezember 2009 leitete der Schauspieler<br />
Konrad Haller interimistisch den Kleinen<br />
Bühnenboden, bis sich im Frühjahr 2010<br />
Diese Seite wurde von Zoodirektor Jörg Adler gesponsert<br />
ein vierköpfiges Leitungsteam <strong>zu</strong>sammenfand,<br />
dem neben Haller selbst auch<br />
Simone Timmers und Jens Krause sowie<br />
Toto Hölters angehören. In dem knappen<br />
Jahr seitdem entwickelte das Team<br />
ein an das Ursprungskonzept unmittelbar<br />
anknüpfendes Kulturangebot. Der Kleine<br />
Bühnenboden startet wieder durch und<br />
es gibt Stimmen, die meinen, dieses Konzept<br />
sei selbst für Münsters freie Szene in<br />
der Tat einzigartig. Toto Hölters ist<br />
heute auch Zweiter Vorsitzender<br />
des Trägervereins; Erste Vorsitzende<br />
ist mit der Schauspielerin Emma<br />
Goldmann die demnächst am Osnabrücker<br />
Theater fest engagierte<br />
Tochter der Theatergründerin.<br />
Eine feste Intendanz gibt es ebenso<br />
wenig wie eine feste Bürokraft.<br />
Das Engagement und die Manpower<br />
einzelner Theaterbegeisterter<br />
prägen den Bühnenboden. Bis <strong>zu</strong><br />
40 Stunden wöchentlich kommen<br />
vor Premieren <strong>zu</strong>sammen „Wenn<br />
es brennt,ist es quasi ein Zweitjob“,<br />
sagt Konrad Haller.<br />
_Die Theaterleidenschaft entstand für<br />
den studierten Germanisten Toto Hölters<br />
„während der Endphase meiner Schulzeit“.<br />
Den Großteil seines Könnens eignete<br />
er sich „über die Jahre autodidaktisch<br />
an“ und ist nun glücklich, „ein eigenes<br />
Theater <strong>zu</strong> haben“. Ein Unbekannter ist<br />
er in der Szene nicht; schon vor 15 Jahre<br />
spielte er im Cinema und machte <strong>zu</strong>letzt<br />
mit den Produktionen Loco Moskitos<br />
und Bier für Frauen auf sich aufmerksam.<br />
Konrad Haller ist dagegen von Beruf<br />
Schauspieler und fungiert neben seinen<br />
Engagements am nahen Borchert-Theater<br />
als künstlerischer Leiter des Bühnenbodens,<br />
den er seit 1996 kennt und<br />
dem der Idealismus der Gründerin stets
imponierte. „Interdisziplinäres Arbeiten<br />
hat mich immer schon interessiert“, gibt<br />
er außerdem als Motiv an. Gespielt wird<br />
an den Freitagen und Sonnabenden,<br />
manchmal auch donnerstags und sonntags.<br />
Im ersten Halbjahr 2010 gab es 30<br />
Vorstellungen, in der laufenden Spielzeit<br />
sind es bisher 50 Vorstellungen mit immerhin<br />
1.100 Besucher. „Es sind viele vom<br />
Ambiente angetane Erstbesucher dabei“,<br />
so Toto Hölters - der Kleine Bühnenboden<br />
hat sich einmal mehr berappelt und<br />
das spricht sich herum.<br />
_Was zeichnet den Bühnenboden inhaltlich<br />
aus? Konrad und Toto bezeichnen<br />
die Spielstätte als Labor, in dem man<br />
„neue Formen spielen und ausprobieren<br />
kann.“ Neue Formen meint das gewollte<br />
Zusammenspiel unterschiedlicher Sparten:<br />
Musik trifft auf Schauspiel, Kabarett,<br />
Tanz und Improvisationstheater. Ausstellungen<br />
im Foyer runden den Ansatz ab.<br />
Der aktuelle Spielplan sieht dementsprechend<br />
aus. Sei es eine szenische Lesung<br />
<strong>zu</strong> Ingmar Bergmanns „Einzelgespräche“,<br />
ein Abend über das GEHÖR nach Thomas<br />
Bernhards „Das Kalkwerk“ oder die Uraufführung<br />
des witzig-spritzigen „Diven-<br />
Alarm“. Oder Konzerte wie das mit der<br />
Indiepop-Band Lancaster, vorgetragen<br />
zwischen Verve und Romantik. Das Programm<br />
ist bunt, aber nicht beliebig, innovativ,<br />
aber mit Grenzen der Art, die ein<br />
Ausufern verhindern. Oft sitzen Gäste und<br />
Künstler nach dem Auftritt <strong>zu</strong>sammen,<br />
tauschen sich aus und manche Idee aus<br />
diesen Runden reifte <strong>zu</strong> einem neuen<br />
Projekt. Schlagzeilen der Lokalpresse wie<br />
„eine wunderschön traurige und etwas<br />
groteske Clownsrevue“ (<strong>zu</strong> Eugéne Ionescus<br />
„Die Stühle“) oder „Zwei starke, kraftvolle<br />
und auch experimentelle Abende“<br />
(<strong>zu</strong> Ingmar Bergmanns „Einzelgespräche“<br />
und Thomas Bernhards „Das Kalkwerk“)<br />
unterstreichen das im Bühnenboden erlebte<br />
künstlerische Niveau nachhaltig.<br />
_“Das Leben ist ein Mysterium, dem auf<br />
die Spur <strong>zu</strong> kommen ist“, sagt Konrad<br />
im Gespräch. Das meint auch, dass der<br />
gesellschaftliche Kontext, den so viele<br />
am modernen Theater sehen wollen,<br />
gewollt <strong>zu</strong>rücktritt hinter die subjektive<br />
Wahrnehmung der Protagonisten. Großes<br />
Theater mag die Zeitenkämpfe in epischer<br />
Kraft abbilden, Kammertheater reflektiert<br />
das eigene, seiner selbst immer wieder<br />
verunsicherte Sein bürgerlicher Antihelden.<br />
Kein Raum für Pathos, kein Raum<br />
für platte Ideologie.<br />
_Als ureigene Kreation des Ensembles an<br />
der Schillerstraße darf das Bookical gelten.<br />
Ein Bookical? Was ist das denn? Ein<br />
„Bookical“ ist eine Mix aus Buch/Book<br />
und Musik/Musical, wobei die Kapitel<br />
des Buches in ihrer Stimmung musikalisch<br />
eingefangen und vertieft werden.<br />
Lied und Text aus einem Guss, aus einem<br />
Geist. Das jeweils passende Musikstück<br />
taugt wahlweise <strong>zu</strong>r Hintergrundmusik<br />
oder <strong>zu</strong>m eigenständigen Hörgenuss. Neu<br />
ist das ohne Frage und wie jedes Experiment<br />
mit Risiken behaftet. Im Bookical<br />
„Engelshunger“ geht es um einen der<br />
geflügelten Helferlein, dessen unfreiwillige<br />
Schwäche für reichlich Verwirrung im<br />
Himmel sorgt. Tiefgründigkeit ist versprochen.<br />
Mehr wird über diese himmlischirdischen<br />
Wirrungen nicht verraten und<br />
wer es ganz wissen will, der begebe sich<br />
in die Schillerstraße.<br />
_Besonders hin<strong>zu</strong>weisen ist noch auf eine<br />
Veranstaltung im November. Unter dem<br />
schaurig-schönen Titel „Fuffzehn Mann<br />
auf des toten Manns Kiste“ ist ein Abend<br />
über Matrosen, Meuterei, über Piraten<br />
und Meeresungeheuer angekündigt. Die<br />
Münsteraner Blosewinds, Deutschlands<br />
kleinster Shantychor aus den drei feschen<br />
Matrosen Guido Kolk, Marcel Langenohl<br />
und Detlef Sult werden ihr erstes<br />
Programm päsentieren, in dem sie See-<br />
mannslieder und Shantys auf verblüffende<br />
Weise mit Pop, Rock und Reggae<br />
kombinieren. Korrespondierend mit Toto<br />
Hölters, der bestens passende Gedichte<br />
und Geschichten von Joachim Ringelnatz<br />
liest. Die Besucher dürfen sich schon jetzt<br />
auf einen Abend voller Überraschungen<br />
und verrückter Ideen, mit grotesken Szenen<br />
und schrägem Humor freuen.<br />
_Das Programm trägt, die Gebäudesubstanz<br />
hat es nötiger. Deshalb noch ein<br />
Wort <strong>zu</strong> den in ihrer heutigen Form seit<br />
1986 genutzen Baulichkeiten, die beim<br />
genauen Hinblicken immer noch den<br />
Charme der gewerblichen Nut<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>vor<br />
haben. Um das weiterhin gewähren <strong>zu</strong><br />
können, gibt es die Idee der Raumpatenschaft.<br />
Ein Raumpate ist mehr als nur<br />
Sponsor. Er beteiligt sich an den Kosten<br />
für die Räume wie dem Theatersaal, dem<br />
Foyer oder dem Büro. Dafür gibt es nicht<br />
nur freien Eintritt <strong>zu</strong> den Veranstaltungen,<br />
sondern auch die Möglichkeit, die<br />
Räume für eigene Events nutzen <strong>zu</strong> können<br />
oder sich für Familie, Freunde und<br />
Bekannte eine Privatvorstellung geben <strong>zu</strong><br />
lassen. Selber stecken die Theatermacher<br />
viel eigenes Geld in ihr Ziehkind. Schritt<br />
für Schritt frischen sie das Ambiente auf,<br />
aber in die Bausubstanz und die Elektrik<br />
wird gleichfalls investiert. Auch ein<br />
Kammertheater muss schließlich auf der<br />
technischen Höhe der Zeit bleiben. Wie<br />
auch immer, startet der Kleine Bühnenboden<br />
im Hansaviertel <strong>zu</strong>r großen Freude<br />
des theaterbegeisterten Publikums der<br />
Westfalenmetropole wieder durch. Der<br />
Erfolg stellt sich gerade ein. #<br />
www.derkleinebuehnenboden.de<br />
info@derkleinebuehnenboden.de<br />
13
14<br />
Bericht | Text: Fabian Reeker | Foto: Sigi Nasner<br />
Jeden Tag diese Angst, jetzt bin ich weg<br />
Geduldet in Deutschland<br />
Ein Leben führen unter der ständigen<br />
Verpflichtung, Deutschland verlassen <strong>zu</strong><br />
müssen. Ohne eine längerfristige Perspektive<br />
in Deutschland <strong>zu</strong> besitzen, leben<br />
Ener und seine Familie nun bereits<br />
seit zehn Jahren in Deutschland mit dem<br />
Status der Duldung. Die Duldung wird<br />
nach wenigen Monaten immer wieder<br />
neu geprüft und verlängert, wobei eine<br />
Abschiebung stets als mögliche Konsequenz<br />
droht. Durch Leistungen nach<br />
dem Asylbewerberleistungsgesetz, die<br />
ca. 38% unter dem eigentlichen Existenzminimum<br />
Hartz IV liegen, stellt das<br />
Leben mit einer Duldung nicht nur im<br />
finanziellen Bereich eine erhebliche Belastung<br />
dar. Rechtliche Beschränkungen<br />
auf dem Arbeitsmarkt und die immer<br />
drohende Abschiebung bewirken bei<br />
den Betroffenen oft auch enorme psychische<br />
Belastungen. Eners Geschichte<br />
steht exemplarisch für viele andere<br />
Menschen, die unter den gleichen prekären<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
leben müssen.<br />
Ener beschreibt den Wunsch vieler der<br />
ca. 90.000 Menschen, die in Deutschland<br />
mit dem Status der Duldung leben: Eine<br />
längerfristige Perspektive in Deutschland<br />
<strong>zu</strong> erhalten, um ein friedliches und <strong>zu</strong>friedenes<br />
Leben führen <strong>zu</strong> können. Ener<br />
ist Roma und stammt aus dem Kosovo. Er<br />
ist 20 Jahre alt und lebt <strong>zu</strong>sammen mit<br />
seiner Familie nun bereits seit 10 Jahren<br />
in Deutschland. An das Kosovo hat er nur<br />
noch wenige Erinnerungen. Eigentlich<br />
kenne er nur Deutschland und kein anderes<br />
Land, sagt er.<br />
_Ener und seine Familie sind seit ihrer<br />
Ankunft in Deutschland nur geduldet. Das<br />
bedeutet, dass sie stets verpflichtet sind,<br />
Deutschland <strong>zu</strong> verlassen, die Abschiebung<br />
aber aus rechtlichen oder tatsächlichen<br />
Gründen momentan nicht durchgeführt<br />
werden kann. Da eine Duldung<br />
immer zeitlich befristet ist, muss die Familie<br />
regelmäßig <strong>zu</strong>r Ausländerbehörde,<br />
um ihre Duldung für weitere drei Monate<br />
oder, wenn es gut läuft, für sechs Monate<br />
verlängern <strong>zu</strong> lassen. Ener beschreibt,<br />
am Anfang habe er gar nicht gewusst, was<br />
„Duldung“ überhaupt bedeutet. Vielmehr<br />
habe er sich gefreut, nun in Deutschland<br />
<strong>zu</strong> sein. Doch mit der Zeit wurde ihm klar,<br />
was es heißt, dauerhaft in Deutschland<br />
unter dem Status der Duldung leben <strong>zu</strong><br />
müssen: „[…] auch wenn ich mich hier an<br />
diese Bedingungen schon gewöhnt habe<br />
und mich eingelebt und integriert habe,<br />
bin ich leider nicht Teil der Gesellschaft,<br />
bin ich überhaupt nichts.“<br />
_Die ständige Angst, abgeschoben werden<br />
<strong>zu</strong> können, begleitet geduldete Menschen<br />
Tag für Tag. Ener erklärt, besonders belastend<br />
habe sich die Angst vor Abschiebung<br />
in seiner früheren Schulzeit ausgewirkt:<br />
„[...] diese Angst, ah, jetzt bin ich<br />
weg, jetzt bin ich weg... und wenn ich<br />
nicht heute weg bin, dann bin ich morgen<br />
weg. Und das kommt jeden Tag: diese<br />
Angst. Jeden Tag wird man ängstlicher.“<br />
Heute bedauert er es sehr, dass er sich<br />
in der Schule trotz dieser schlechten Bedingungen<br />
nicht sonderlich angestrengt<br />
hat: „Vielleicht hat man Scheiße gebaut<br />
früher als Kind und so und sich nicht um<br />
die Schule gekümmert, aber hinterher ist<br />
man immer schlauer.“ Weiterhin macht<br />
er deutlich: „Und ich will einfach nur Bildung<br />
und ich würde mich freuen, wenn<br />
mir jemand helfen würde[...]“<br />
_Zwar besteht in Deutschland auch für<br />
geduldete Personen die Möglichkeit eine<br />
Ausbildung <strong>zu</strong> absolvieren, jedoch treten<br />
in der Praxis häufig enorme Probleme<br />
auf. Mit einem Aufenthaltsstatus, der<br />
alle paar Monate verlängert werden muss<br />
und bei dem eine Abschiebung jederzeit<br />
als mögliche Konsequenz droht, fällt es<br />
oft schwer einen Ausbildungsplatz o.ä.<br />
<strong>zu</strong> finden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />
sieht dies nicht anders aus. Geduldete<br />
Personen haben im ersten Jahr der<br />
Duldung ein generelles Arbeitsverbot.<br />
In den darauffolgenden drei Jahren besteht<br />
eine nachrangige Arbeitserlaubnis.<br />
Das bedeutet, dass Erwerbstätigkeit nur<br />
nach Zustimmung der Ausländerbehörde<br />
gestattet ist. In der Praxis heißt dies,<br />
dass eine geduldete Person eine Stelle nur<br />
dann bekommt, wenn für diese bestimmte<br />
Stelle kein deutscher Angestellter oder<br />
EU-Bürger gefunden wird.<br />
_Nach den ersten vier Jahren der Duldung<br />
besteht dann ein gleichberechtigter Zugang<br />
<strong>zu</strong>m Arbeitsmarkt, wobei Arbeitsverbote<br />
jedoch weiterhin als Sanktionen<br />
durch die Ausländerbehörde möglich sind.<br />
Das Prinzip der Nachrangigkeit sowie die<br />
zeitliche Befristung der Duldung auf wenige<br />
Monate macht es für die Betroffenen<br />
oft sehr schwer, auch bei gleichberechtigtem<br />
Arbeitsmarkt<strong>zu</strong>gang nach den ersten<br />
vier Jahren, eine Arbeitsstelle <strong>zu</strong> finden.<br />
„Und dann war ich immer wieder frustriert<br />
<strong>zu</strong>hause, hab immer wieder <strong>zu</strong>hause<br />
gesessen und ich hab immer wieder mich<br />
um Arbeit bemüht und immer wieder und<br />
immer wieder und immer wieder. Immer<br />
wieder hab ich mich beworben und dann<br />
haben die gesagt: Ja, wir melden uns. Was<br />
es überhaupt gar nicht gebracht hat, die<br />
haben sich gar nicht gemeldet, im Gegenteil.“<br />
_Auf die Frage nach seinem Traumjob antwortet<br />
Ener: „So etwas, was auch andere<br />
Leute machen. Aber da wird man dann so<br />
ausgegrenzt. Ich weiß nicht so genau, was<br />
mein Traumberuf wäre, aber es hat mir<br />
nie jemand eine Chance gegeben das heraus<strong>zu</strong>finden,<br />
leider.“ Und weiter: „Man<br />
wird ja immer mit den schlimmsten Berufen<br />
konfrontiert irgendwie. Dann wird gesagt:<br />
Ja, du kriegst nur den Beruf in einer<br />
Putzfirma oder als Toilettenreiniger und<br />
dann muss man sich <strong>zu</strong>frieden geben.“<br />
_Geduldete Menschen sind in Deutschland<br />
leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.<br />
Dessen Regelsätze
liegen momentan 38 % unter den Regelsätzen<br />
von Hartz IV, welche momentan<br />
bei 364 Euro monatlich für eine alleinstehende<br />
Person liegen. Seit dem Bestehen<br />
des Asylbewerberleistungsgesetzes im<br />
Jahr 1993 sind diese Sätze nicht verändert<br />
worden und werden auch in heutigen Gesetzestexten<br />
noch in DM angegeben. Das<br />
Bundesverfassungsgericht definiert ein<br />
menschenwürdiges Existenzminimum,<br />
welches jedem Menschen sichergestellt<br />
werden muss, als die Sicherung sowohl<br />
der physischen Existenz als auch die Zusicherung<br />
von einem Mindestmaß an soziokultureller<br />
Teilhabe. In seinem Urteil<br />
vom 09.02.2010 macht das Bundesverfassungsgericht<br />
deutlich, dass die Regelsätze<br />
von Hartz VI nicht ausreichend sind, um<br />
ein solches Existenzminimum <strong>zu</strong> gewährleisten.<br />
Das Asylbewerberleistungsgesetz,<br />
dessen Regelsätze weit unter denen von<br />
Harzt IV liegen, erfüllt diese Bedingungen<br />
erst recht nicht. Bereits die Absicherung<br />
der physischen Existenz ist nur sehr eingeschränkt<br />
möglich. „[...] und dann müssen<br />
wir gucken und jeden Cent noch zwei<br />
mal umdrehen oder dreimal. Wenn wir<br />
das Geld bekommen, dann kaufen wir erst<br />
mal Lebensmittel ein, das ist das A und O<br />
und das zweite ist, dass wir am Ende des<br />
Monats gar kein Geld mehr haben, das ist<br />
furchtbar.“ Ein Mindestmaß an soziokulturelle<br />
Teilhabe <strong>zu</strong> ermöglichen, ist durch<br />
solch niedrige Regelsätze undenkbar:<br />
„[...] so als junge Person so wie ich und<br />
du, ich meine, man will ja auch mal ein<br />
bisschen rausgehen, Freunde treffe, Party<br />
machen, seine Jugend noch ein bisschen<br />
genießen, aber kann man nicht, das kann<br />
man überhaupt gar nicht.“<br />
_Oft sind geduldete Personen für einen<br />
sehr langen Zeitraum auf das Asylbewerberleistungsgesetz<br />
angewiesen. Arbeitsverbote,<br />
das Prinzip der Nachrangigkeit<br />
sowie die zeitliche Befristung der Duldung<br />
machen es sehr schwer, den eigenen Lebensunterhalt<br />
selbstständig <strong>zu</strong> sichern.<br />
Dies führt <strong>zu</strong> einer Abhängigkeit von<br />
staatlichen Leistungen, die die meisten<br />
Menschen sehr belastet. Ener beschreibt<br />
dieses Gefühl folgendermaßen: „Es ist ein<br />
Gefühl, wie soll man das sagen, es ist immer<br />
mit Angst verbunden, weil ich immer<br />
denke: Was passiert, wenn ich vom Staat<br />
abhängig bin. Werde ich vielleicht abgeschoben<br />
oder schlecht dargestellt? Also<br />
ich sag mal so, es ist so ein Spiel wie mit<br />
der Katz und Maus. Die können immer mit<br />
dir spielen, wie sie wollen, der Staat kann<br />
mit dir machen was der will.“<br />
_Mehr als 60 % der geduldeten Menschen<br />
in Deutschland lebt nun schon seit<br />
mehr als sechs Jahren hier. Die Betroffenen<br />
werden durch bestehende Gesetze<br />
in die Armut hineingedrängt, obwohl sie<br />
sich schon mehrere Jahre in Deutschland<br />
aufhalten oder sogar hier geboren sind.<br />
So kommt es oft vor, dass sich Menschen<br />
schon über zwei oder sogar drei Generationen<br />
hinweg in diesem rechtlichen Status<br />
befinden. Es werden dementsprechend<br />
nicht nur Erwachsene, sondern vor allem<br />
auch deren minderjährige Kinder, <strong>zu</strong> einem<br />
Leben in Armut gezwungen.<br />
_Mit Beschluss vom 26.07.2010 hat nun<br />
das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen<br />
(LSG NRW) das Asylbewerberleis-<br />
tungsgesetz dem Verfassungsgericht <strong>zu</strong>r<br />
Überprüfung vorgelegt. Ein menschenwürdiges<br />
Existenzminimum kann durch<br />
das Asylbewerberleistungsgesetz nach<br />
Ansicht des LSG NRW beim Vergleich mit<br />
den Regelsätzen von Hartz IV offensichtlich<br />
nicht gewährleistet werden.<br />
_Der Beschluss des LSG NRW stellt einen<br />
kleinen Hoffnungsschimmer für Ener und<br />
für alle Menschen dar, die in Deutschland<br />
von diesen prekären rechtlichen Bedingungen<br />
betroffen sind. Der Staat steht<br />
in der Verpflichtung, jedem ein menschenwürdiges<br />
Leben sicher<strong>zu</strong>stellen,<br />
unabhängig von den Gründen der Hilfebedürftigkeit.<br />
Weiterhin stellt ein menschenwürdiges<br />
Existenzminimum ein individuelles<br />
und einklagbares Recht jedes<br />
Einzelnen dar und muss unabhängig von<br />
Nationalität oder Aufenthaltsstatus jedem<br />
Menschen gewährleistet werden.<br />
_Ener B. und seine Familie leben nun<br />
bereits seit zehn Jahren in Deutschland<br />
unter diesen Bedingungen. Für ihn steht<br />
daher mittlerweile schon lange fest:<br />
„Gott hat für jeden Menschen diese Erde<br />
erschaffen, dass sich jeder frei bewegen<br />
kann.“ #<br />
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15
16<br />
Bericht | Text: Carsten Scheiper<br />
Atomkurs abgewählt<br />
Restrisiko bestimmt Landtagswahlen<br />
Bis an die Urnen hat sich der Widerstand<br />
gegen den Atomkurs der schwarz-gelben<br />
Bundesregierung ausgewirkt. Die<br />
politische Landschaft Deutschlands hat<br />
sich verändert, nach dem Unglück von<br />
Fukushima ist, so scheint es, wirklich<br />
nichts mehr so wie es vorher war. Viele<br />
Wähler sind augenscheinlich nicht mehr<br />
bereit, das Restrisikio des Betriebs von<br />
Kernkraftwerken mit<strong>zu</strong>tragen. Ein Kommentar<br />
von Carsten Scheiper.<br />
Das waren noch Zeiten im Fernsehen, als<br />
Herr Pohl sich mit Atomstrom am Nordpol<br />
wohl fühlte und ein Atomkraftwerk<br />
en miniature unter dem Weihnachtsbaum<br />
noch Puff machte – damals als<br />
Atomenergie noch die Zukunft war.<br />
Heute, etwa drei Dekaden später, ist es<br />
das Fernsehen, dass den Deutschen den<br />
Reaktorunfall von Fukushima ins Wohnzimmer<br />
bringt, das reale Restrisiko bildgewaltig<br />
ins Bewusstsein brennt und den<br />
unzähligen Experten ein Forum bietet,<br />
die sich in der Ferndiagnose der Havarie<br />
versuchen.<br />
_Und natürlich die Newsticker des Internets,<br />
die uns über die aktuellen Strahlenmesswerte<br />
des Betreibers Tepco in Mikro-<br />
und Millisievert und deren Dementis<br />
informieren, über die Stellungnahmen<br />
der japanischen Regierung, die verzweifelten<br />
Versuche der Reaktormannschaften<br />
das Schlimmste <strong>zu</strong> verhindern – die<br />
Dokumentation einer schleichenden Katastrophe<br />
mit ungewissen Ausgang, an<br />
der die Massenmedien zwar nach etwas<br />
mehr als einer Woche angesichts anderer<br />
Weltereignisse mehr und mehr das<br />
Interesse <strong>zu</strong> verlieren scheinen, aber die<br />
Wirkung auf die deutsche Gesellschaft<br />
bleibt.<br />
_Diese mediale Darstellung ist anders<br />
als bei der Katastrophe in Tschernobyl,<br />
als das Ausmaß des schnellen Unglücks<br />
erst nach und nach bekannt wurde –<br />
eine Ausstellung im Fürstenberg <strong>zu</strong>m 25.<br />
Jahrestag der atomaren Katastrophe in<br />
der heutigen Ukraine erinnerte im März<br />
just <strong>zu</strong>r Zeit des japanischen Unglücks an<br />
den damaligen Super-Gau und die Folgen.<br />
Und anderes als in der japanischen<br />
Gesellschaft, wo die Regierung über die<br />
Verhaltensregeln bei einer möglichen<br />
nuklearen Katastrophe mit einem harmlosen<br />
Faltblatt in Comicform aufklärt und<br />
den Kinder der schwere Unfall in Fukushima<br />
mit Hilfe von Nuklear-Boy, dem<br />
AKW-Männchen mit Blähungen, das die<br />
Doktoren wieder gesund machen, näher<br />
gebracht wird - die japanische Art der<br />
Aufklärung.<br />
_Die realen Bilder aus Japan zeigen hier<br />
Fernwirkung, sie bestärken den Zweifel<br />
an der Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke,<br />
das Restrisiko scheint auch<br />
hier<strong>zu</strong>lande greifbarer denn je. Eine Viertelmillion<br />
Menschen ging auf die Straße<br />
und noch viel mehr an die Wahlurne. Im<br />
Ländle zeichnet sich eine grün-rote Koalition<br />
unter der Führung eines grünen<br />
Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann<br />
nach den Wahlen ab. Die Grünen<br />
konnten ihr Wahlergebnis im Vergleich<br />
<strong>zu</strong>r letzten Landtagswahl in Baden-Württemberg<br />
verdoppeln und auch die Wahlbeteiligung<br />
war außergewöhnlich hoch.<br />
Die Energiepolitik der Zukunft scheint die<br />
Politikverdrossenen wieder mehr an die<br />
Wahlurne <strong>zu</strong> bringen. Gut für die Demokratie<br />
und ein deutliches Zeichen an die<br />
Politik in Berlin.<br />
_Die Bundeskanzlerin hatte <strong>zu</strong>vor versucht<br />
ad hoc <strong>zu</strong> reagieren, ein umstrittenes<br />
Moratorium <strong>zu</strong> den Laufzeitverlängerungen<br />
wurde verkündet, die sieben ältesten<br />
Meiler gingen vom Netz, die Überprüfung<br />
aller deutschen Kernreaktoren in Aussicht<br />
gestellt und das Versprechen geben, die<br />
Untersuchungen seien ergebnisoffen. Zusätzlich<br />
wurden zwei Expertenkommissi-<br />
Diese Seite wurde von Siegfried Kurz gesponsert<br />
onen angekündigt, eine, die den Sicherheitsfragen<br />
nachgehen soll, und eine<br />
zweite, die Grundfragen <strong>zu</strong>r sicheren<br />
Energieversorgung klären soll. Eine Kurskorrektur<br />
sollte dieses Maßnahmenpaket<br />
begründen, denn nichts sei mehr wie<br />
<strong>zu</strong>vor. Aber gleichzeitig beschwor Angela<br />
Merkel noch die Sicherheit der deutschen<br />
Reaktoren bei ihrem Amtseid. Die Glaubwürdigkeit<br />
dieser Wende galt im Licht der<br />
Landtagswahlen von vornherein als fragwürdig.<br />
Und Wirtschaftsminister Rainer<br />
Brüderle schien dies mit seiner Aussage<br />
vor dem BDI <strong>zu</strong> bestätigen. Oder wurde er<br />
doch falsch zitiert? Politische Glaubwürdigkeit<br />
wird anders vermittelt. Es wird<br />
sich zeigen, ob die Bundesregierung die<br />
Botschaft der Wähler verstanden hat, wie<br />
Guido Westerwelle darlegte.<br />
_Nun gilt es den Ausstieg aus der Atomenergie<br />
mit Augenmaß in Angriff <strong>zu</strong><br />
nehmen und <strong>zu</strong> vermitteln, dass die<br />
Kernkraft keine erneubare Energie im<br />
politischen Sinne wird. Ein schwierige<br />
Aufgabe, denn es gilt einen tragfähigen<br />
Kompromiss entwickeln, der den verschiedenen<br />
Interessen Rechnung trägt.<br />
Das Erbe der Atomenergie jedenfalls wird<br />
noch Generationen beschäftigen, denn<br />
auch abgeschaltete Meiler und Zwischenlager<br />
bergen Risiken, der Rückbau der<br />
Anlagen dauert Jahrzehnte und die Problematik<br />
eines deutschen Endlager für die<br />
Atomabfälle ist noch brisant. #
Bericht | Text: Horst Gärtner<br />
Umdenken und Umschalten<br />
Wechsel <strong>zu</strong>m Öko-Strom setzt Zeichen<br />
Die Atomkatastrophe in Japan hat<br />
menschliche Un<strong>zu</strong>länglichkeit und<br />
menschliches Elend in unvorstellbarer<br />
Weise freigelegt. Sichere Atomkraftwerke<br />
waren nicht sicher! Kühlsysteme<br />
funktionierten nicht, <strong>zu</strong>r Erdbeben- und<br />
Tsunamikatastrophe kommt eine tödliche<br />
Strahlenbedrohung für Millionen<br />
von Menschen, die alles bisher Dagewesene<br />
in den Schatten stellt.<br />
Wir sitzen vor den grauenhaften Fernsehbildern<br />
und den Zeitungsberichten und<br />
müssen täglich mit den Tränen kämpfen,<br />
denn das geht wirklich unter die Haut!<br />
_Die Anti-Atombewegung hat eine neue<br />
Größenordnung, denn wir wissen: „Es<br />
gibt keine absolute Sicherheit und die<br />
Katastrophe ist nicht beherrschbar!“ Demonstrationen<br />
in den Städten, seitenweise<br />
Leserbriefe, fast alle mit dem gleichen<br />
Tenor: „Die Politik muss umdenken.“<br />
I_ch bin mal von einer anderen Seite an<br />
das Problem herangegangen, habe mich<br />
gefragt, was Unternehmer (das sind natürlich<br />
auch die Atomkonzerne) am besten<br />
verstehen, worauf sie ganz schnell reagieren.<br />
In den WN vom 17. März habe ich nach<br />
einer halben Seite mit Leserbriefen „Raus<br />
aus der Atomenergie. Die Regierung/die<br />
Politik müssen handeln“ einen Bericht<br />
über die Stadtwerke in Greven gefunden,<br />
mit der Unterzeile „Nur wenige Kunden<br />
wollen Öko-Strom“. Es gab auch Zahlen:<br />
nur 74 Kunden ließen sich im Jahr 2010<br />
„Greenenergie“ liefern, 76 Kunden das<br />
Strompaket „Greven natur“ bei einer Gesamtzahl<br />
von 16.107 Stromkunden!<br />
_Bei den Stadtwerken Münster habe ich<br />
erfahren, dass es zwar seit zwei Jahren<br />
eine starke Nachfrage gibt, die seit Japan<br />
deutlich in die Höhe gegangen ist,<br />
dass aber 130.000 Stromkunden rund<br />
6.000 Ökostrom-Kunden gegenüberstehen;<br />
4.000 Privathaushalte. Und ich habe<br />
bei meinen Recherchen in Erfahrung gebracht,<br />
dass die jährlichen Mehrkosten<br />
zwischen etwa 9.00 Euro und 35,00 Euro<br />
liegen. Das Gespräch mit den Stadtwerken<br />
hat auch einige interessante Varianten<br />
aufgezeigt, etwa die, dass man mit einer<br />
geringen Anteilsinvestition auch noch<br />
Geld verdienen kann!<br />
_Fazit: Demonstrationen und Leserbriefe<br />
schreiben ist einfacher als den Strom <strong>zu</strong><br />
wechseln; damit verzichtet der Verbraucher<br />
auf das einzig wirksame Signal, auf<br />
das Zeichen, dass er beim Dioxinskandal<br />
für Fleisch und Eier und andere Produkte<br />
postwendend gesetzt hat; warum also<br />
verzichtet er? Weil die öffentliche Diskussion<br />
sich darauf eingeschossen hat, die<br />
verantwortlichen Politiker an den Pranger<br />
<strong>zu</strong> stellen. Wenn der Verbraucher umdenken<br />
würde und entsprechend handeln,<br />
dann wäre das der eigentlich revolutionäre<br />
Schritt, dann brauchten wir in Kürze gar<br />
nicht mehr über die Laufzeitverlängerung<br />
der AKWs <strong>zu</strong> diskutieren (oder <strong>zu</strong> protestieren<br />
oder Leserbriefe <strong>zu</strong> schreiben); reden<br />
und handeln wir doch so, dass die<br />
Unternehmen nicht immer nur „Bahnhof“<br />
verstehen, sondern dass sie merken: Die<br />
Rendite bricht <strong>zu</strong>sammen!<br />
_Wollten Sie nicht schon lange bei Ihrem<br />
Strom<strong>zu</strong>lieferer nachfragen? Tun Sie´s<br />
doch! #<br />
17
18<br />
Bericht | Text: Lena Klimkeit | Foto: Bundestag/Lichtblicke/Achim Melde<br />
Geliebt, gewankt, gefallen<br />
Karl-Theodor <strong>zu</strong> Guttenberg<br />
Ein langes Hin und Her ging dem voraus,<br />
was am 1. März 2011 geschah: Bundesverteidigungsminister<br />
Karl-Theodor <strong>zu</strong><br />
Guttenberg ist nach einer unangenehmen<br />
Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit<br />
von seinem Amt <strong>zu</strong>rückgetreten.<br />
Und das ausgerechnet im Superwahljahr<br />
2011, in dem in neun von sechzehn Bundesländern<br />
neu gewählt wird.<br />
Guttenberg versetzte die Menschen in<br />
Staunen. Ein 36-jähriger junger Mann und<br />
Vater steigt <strong>zu</strong>m CSU-Generalsekretär auf,<br />
weiter <strong>zu</strong>m Wirtschaftsminister, kurze Zeit<br />
später <strong>zu</strong>m Verteidigungsminister. Ein rasanter<br />
Aufstieg, der für Bewunderung und<br />
Beliebtheit in der Bevölkerung sorgt. Jung,<br />
energisch und authentisch, redegewandt,<br />
selbstsicher und selbstbewusst – diese<br />
Eigenschaften gelten während seiner gesamten<br />
Amtszeit als bezeichnend für Guttenberg.<br />
Und sie stehen für etwas Neues,<br />
Ungewöhnliches in der Politik. An Stelle<br />
von <strong>zu</strong>rückhaltenden, undurchsichtigen<br />
und unscheinbaren Politikern steht plötzlich<br />
ein Star.<br />
_Doch bereits in den ersten Monaten seines<br />
Amtes läuft nicht alles glatt. Die Kunduz-Affäre<br />
im September 2009 stellt Guttenberg<br />
vor seine erste harte Probe. Bei<br />
einem deutschen Luftangriff auf zwei von<br />
den Taliban entführte Tanklaster in Afghanistan<br />
kommt eine Vielzahl von Zivilisten<br />
<strong>zu</strong> Tode – die Folge einer fatalen Entscheidung<br />
durch den damaligen Oberst Georg<br />
Klein. Zu Guttenberg trifft keine direkte<br />
Schuld, jedoch findet er <strong>zu</strong> wenige Worte<br />
für das katastrophale Bombardement. Somit<br />
wird die Kunduz-Affäre <strong>zu</strong> seiner ersten<br />
politischen Krise. Und trotzdem bleibt<br />
Guttenberg der neue Hoffnungsträger der<br />
Deutschen.<br />
_Zu Guttenberg setzt Meilensteine der<br />
Politik, er initiiert die Bundeswehrreform<br />
und mit ihr die Abschaffung der Wehrpflicht.<br />
Jedoch spielen auch die Medien<br />
und Selbstinszenierung in seiner Politik<br />
eine große Rolle: Er reist <strong>zu</strong> den deutschen<br />
Soldaten in Afghanistan und veranstaltet<br />
vor Ort in Anwesenheit der Bundeswehrsoldaten<br />
eine Aufsehen und Kritik<br />
erregende Talkshow. Und die Deutschen<br />
lieben ihn immer noch. Zu Guttenberg gilt<br />
mittlerweile sogar als potenzieller Kanzlerkandidat.<br />
_Kurz darauf wird das Bild des Politikers<br />
erneut durch einen Skandal bei der Bundeswehr<br />
getrübt: Ende des Jahres 2010<br />
werden Missstände auf dem Segelschulschiff<br />
der deutschen Marine Gorch Fock<br />
bekannt, nachdem eine junge Offiziersanwärterin<br />
während ihrer Ausbildung tödlich<br />
verunglückt. Die sofortige Entlassung<br />
des Gorch Fock-Kapitäns erfolgt durch den<br />
Verteidigungsminister und erfährt öffentliche<br />
Kritik. Der Lieblingsminister wankt –<br />
hält der Kritik aber stand.<br />
_Was dann, Mitte Februar diesen Jahres,<br />
geschieht, dürfte bereits allen bekannt<br />
sein: Ein Juraprofessor findet in Karl-Theodor<br />
<strong>zu</strong> Guttenbergs Bestnoten-Doktorarbeit<br />
Passagen aus fremden Texten, die er ohne<br />
Kennzeichnung in seine Arbeit übernommen<br />
haben soll. Die Medien reagieren sofort<br />
– der Verteidigungsminister auch, und<br />
zwar durchaus gelassen. Nachdem er die<br />
Vorwürfe <strong>zu</strong>nächst als „abstrus“ abtut und<br />
erklärt, die „verfasste Dissertation ist kein<br />
Plagiat“, gesteht er bei einem Wahlkampfauftritt<br />
in Hessen „gravierende Fehler“ ein<br />
und legt seinen Doktortitel freiwillig ab.<br />
Was <strong>zu</strong> einer neuen Debatte führt: Auch<br />
ein Politiker, ein höchst beliebter <strong>zu</strong>dem,<br />
kann nicht einfach frei über einen vormals<br />
erlangten Titel entscheiden. Schließlich<br />
erkennt die Universität Bayreuth den Titel<br />
im Schnellverfahren ab. Die Affäre eines so<br />
berühmten Politikers schadet schließlich<br />
nicht nur der Bundesregierung, sondern<br />
vor allem das Ansehen von Universität und<br />
Wissenschaft.<br />
_Die Medien, die Guttenberg sonst gezielt<br />
für seine öffentlichen Auftritte einsetzte,<br />
nehmen ihn hart ran, kein Tag vergeht<br />
ohne eine neue Schlagzeile. Rücktrittsforderungen<br />
werden laut, doch der Verteidigungsminister<br />
will nicht gehen. Guttenberg-Gegner<br />
durchforsten jede einzelne<br />
Passage der Dissertation und finden immer<br />
mehr Plagiate, die allesamt im GuttenPlag<br />
Wiki festgehalten werden. Das Internet<br />
lehnt sich gegen Guttenberg auf, Oppositionspolitiker<br />
äußern ihren Unmut, die Wissenschaft<br />
rät <strong>zu</strong> einem Rücktritt, vereinzelt<br />
finden Anti-Guttenberg-Demonstrationen<br />
statt. Der Druck wächst – und wächst dem<br />
jungen Politiker schließlich über den Kopf.<br />
_Der Rücktritt Guttenbergs kann durchaus<br />
als Verlust für die Politik angesehen werden.<br />
Es gab lange keine Person mehr in der<br />
Politik, die die Deutschen Umfragewerten<br />
<strong>zu</strong>folge so mitreißen konnte. Kaum ein<br />
anderer Politiker genoss eine vergleichbare<br />
Glaubwürdigkeit und ein derartiges<br />
Ansehen in der Gesellschaft. Vielleicht hat<br />
Guttenberg es geschafft, Politik wieder ein<br />
Stück weit näher an die Bürger <strong>zu</strong> bringen.<br />
In diesem Fall ist sein Rücktritt durchaus<br />
ein Verlust für Politik und Gesellschaft.<br />
_Die Plagiatsaffäre bedeutet aber auch<br />
einen gravierenden Vertrauensbruch gegenüber<br />
den Wählern, die an der Glaubwürdigkeit<br />
des Politikers festhielten.<br />
Guttenbergs Auftreten in Zeiten der Krise<br />
zeigte ihn mehr selbstherrlich als reumütig.<br />
Sein Krisenmanagement glich eher<br />
der „defensiven (Salami-)Taktik“ nach<br />
den Wissenschaftlern Laux und Schütz als<br />
einer ehrlichen Entschuldigung: Erst wur-
den Vorwürfe geleugnet und umgedeutet,<br />
schließlich gerechtfertigt und mildernde<br />
Umstände für sein falsches Handeln gefunden.<br />
Die Entschuldigung, die er den<br />
Bürgern schuldete, blieb am Ende aber<br />
aus. „Ich habe die Grenzen meiner Kräfte<br />
erreicht“, war der Knackpunkt seiner<br />
Rücktrittsrede. Nicht die Entschuldigung<br />
seines Betrugs.<br />
_Guttenberg ist als Minister mit einer so<br />
großen Verantwortung nicht mehr haltbar<br />
gewesen und hat schließlich selbst<br />
die Notbremse gezogen, wenn auch <strong>zu</strong><br />
spät. Der geliebte Politiker ist gefallen und<br />
nun wieder ein „normaler“ Bundesbürger,<br />
den mittlerweile mehr als 100 Strafanzeigen<br />
belasten. Guttenberg hat politische<br />
Geschichte geschrieben, wenn auch eine<br />
kurze. Er hat Meilensteine gesetzt, über die<br />
er schließlich stolpern musste.<br />
_Nun dürfte die Politik auf einen vergleichbaren<br />
Superheld hoffen, der die<br />
Herzen der Menschen für die Politik gewinnt<br />
– auch mit Blick auf die anstehenden<br />
Wahlen. Ob ein derartiger Vertrauensverlust<br />
in einen Politiker jedoch <strong>zu</strong>r<br />
Besänftigung der Politikverdrossenheit in<br />
der Gesellschaft führt, ist fraglich. Zu wünschen<br />
wäre es jedenfalls.<br />
_Die anstehenden Wahlen werden zeigen,<br />
welche Auswirkungen Guttenbergs Rücktritt<br />
womöglich auf die Wahlbeteiligung<br />
und die -ergebnisse hat und welche Partei<br />
womöglich von den Geschehnissen profitieren<br />
kann.<br />
_Sicher ist bislang nur, dass die Union<br />
einen ihrer wichtigsten Männer verloren<br />
hat. Das Thema Guttenberg ist noch lange<br />
nicht gegessen und wird noch lange die<br />
mediale Agenda bestimmen. #<br />
Bericht | Text: Saskia Zeh<br />
Für ein gerechtes Miteinander<br />
Tour der 1000 Brücken<br />
Es liegt in unserer Macht,<br />
die Welt <strong>zu</strong> verändern.<br />
Es ist nur eine Frage<br />
des Wollens.<br />
Solche Worte wählt der Schriftsteller<br />
und Musiker Heinz Ratz, wenn er über<br />
die Motivation spricht, die ihn da<strong>zu</strong> bewegt<br />
7000 km mit dem Fahrrad durch<br />
Deutschland <strong>zu</strong> fahren, Benefizkonzerte<br />
<strong>zu</strong> geben in 70 Städten <strong>zu</strong>gunsten der<br />
Flüchtlinge in Deutschland und für ein<br />
Miteinander ohne Rassismus und Diskriminierung.<br />
2008 tourte Ratz <strong>zu</strong> Fuß <strong>zu</strong> Gunsten von<br />
Wohnungslosen und gegen die soziale<br />
Härte durch Deutschland. 2009 machte<br />
er mit der „Lee(h)re der Flüsse“ schwimmend<br />
auf die <strong>zu</strong>nehmende Zerstörung der<br />
Natur aufmerksam. Im Rahmen der letzten<br />
Etappe des moralischen Triathlons war<br />
die „Tour der 1000 Brücken“ schon das<br />
fünfte Konzert von Ratz in Münster. In Zusammenarbeit<br />
mit Pro Asyl und den deutschen<br />
Flüchtlingsräten kämpft er für das<br />
Miteinander von Kulturen und Religionen,<br />
einen respektvollen und menschenwürdigen<br />
Umgang mit Notleidenden und<br />
Flüchtlingen anderer Nationen und für ein<br />
klares Nein <strong>zu</strong> Fremdenfeindlichkeit und<br />
Rassismus.<br />
_Drei Monate ist Heinz Ratz mit dem Fahrrad<br />
unterwegs, sensibilisiert und mobilisiert<br />
die Menschen, besucht Flüchtlinge in<br />
ihren Unterkünften und gibt Benefizkonzerte.<br />
Auf den Konzerten erzählt Ratz von<br />
seinen Erlebnissen in den Flüchtlingsunterkünften.<br />
Er erzählt von tragischen Einzelschicksalen,<br />
unerfreulichen Begegnungen<br />
mit Heimverwaltungen und immer<br />
wieder von „chaotischen Wohnverhält-<br />
nissen“ und Perspektivlosigkeit. „Das hier<br />
ist schlimmer als Gefängnis, denn im Gefängnis<br />
weiß man wenigstens, weswegen<br />
man drin sitzt“, zitiert der Liedermacher<br />
auf seinem Konzert im März hier in Münster<br />
einen Flüchtling, den er auf seiner Tour<br />
besucht hatte. „Wir müssen den Flüchtlingen<br />
endlich Achtung entgegenbringen<br />
und ihnen eine echte Chance geben. Einfach<br />
das Grundgesetz <strong>zu</strong> achten, würde<br />
die meisten Probleme schon lösen“, kommentierte<br />
er die Situation der Flüchtlinge<br />
in Deutschland.<br />
_Auf seinem Weg mit dem Fahrrad durch<br />
die Bundesrepublik wird Ratz immer wieder<br />
durch einzelne Menschen unterstützt,<br />
die ihn ein Stück seines Weges begleiten.<br />
Doch so viele Menschen wie auf seinem<br />
Weg von Bochum nach Münster waren es<br />
auf der ganzen Tour bisher noch nicht. 70<br />
Münsteraner sind dem Aufruf der GGUA<br />
Flüchtlingshilfe gefolgt, am Vormittag des<br />
Konzertabends in Münster dem Musiker<br />
entgegen<strong>zu</strong>fahren und ihn nach Münster<br />
hinein <strong>zu</strong> begleiten.<br />
_Heinz Ratz und seine Band „Strom und<br />
Wasser“ unterhielten während des Konzerts<br />
die Münsteraner mit ihrer Mischung<br />
aus Ska, Punk, Polka, Rock, schweren Harmonien<br />
und einer großen Portion Charisma<br />
und klärten zeitgleich über die aktuelle<br />
Situation von Flüchtlingen in Deutschland<br />
auf. Ratz‘ Erzählungen seiner Erlebnisse<br />
der vergangenen Wochen verliehen<br />
den geistreichen Texten seiner Lieder einen<br />
aktuellen, beklemmenden und <strong>zu</strong>m<br />
Nachdenken anregenden Hintergrund. Mit<br />
Herzenswärme und Lebensfreude brachte<br />
er das Münsteraner Publikum aus Stadtgesellschaft<br />
und direkt Betroffenen <strong>zu</strong>m<br />
Mitsingen und Mittanzen und ermutigte<br />
sie ihren Kampf für eine bessere Flüchtlingspolitik<br />
fort<strong>zu</strong>setzen.<br />
19
20<br />
Bericht | Text und Fotos: Bianka Boyke<br />
Klassiker im neuen Gewand<br />
Daniel Napp über seine Illustrationen <strong>zu</strong>m kleinem Wassermann<br />
Ein ganz neues Abenteuer des „Kleinen<br />
Wassermanns“ aus der Feder des weltbekannten<br />
Autors Otfried Preußler steht jetzt<br />
in den Regalen der Buchhandlungen. Illustriert<br />
hat das phantastische Werk der<br />
Kinderbuchautor und Illustrator Daniel<br />
Napp aus Münster. ~-Redakteurin<br />
Bianka Boyke traf den 36-Jährigen in<br />
seinem Atelier an der Hafenstraße 64 und<br />
sprach mit ihm über das zauberhafte Bilderbuch<br />
und seine <strong>zu</strong>künftigen Projekte.<br />
Bianka Boyke: Sie haben ein bisher<br />
unbekanntes Abenteuer von Otfried<br />
Preußlers kleinem Wassermann neu<br />
illustriert. Was haben Sie gedacht,<br />
als Sie das fertige Buch <strong>zu</strong>m ersten<br />
Mal in den Händen hielten?<br />
Daniel Napp: Mir gefiel das Ergebnis<br />
auf Anhieb gut, was keine<br />
Selbstverständlichkeit ist. Sehr oft<br />
bin ich enttäuscht, wenn das Titelbild<br />
<strong>zu</strong> flau gedruckt ist oder einen<br />
Farbstich bekommen hat. Nicht so<br />
beim Wassermann, der auch sonst<br />
insgesamt sehr gut reproduziert<br />
und gedruckt worden ist.<br />
Bianka Boyke: Das Original vom<br />
„Kleinen Wassermann“ ist schon 55<br />
Jahre alt. Kennen Sie es aus Ihrer<br />
Kindheit?<br />
Daniel Napp: Als ich sechs war, hat<br />
mir mein großer Bruder die Geschichte<br />
während eines Urlaubs in<br />
Bad Tölz vorgelesen. Aber draußen war<br />
es schon dunkel und ich hatte Angst vor<br />
dem Neunauge. Komplett gelesen habe<br />
ich das Buch erst während meines Studiums,<br />
als ich selbst mit dem Schreiben<br />
anfangen wollte.<br />
Bianka Boyke: Haben Sie das Buch für die<br />
Vorbereitungen <strong>zu</strong>m Bilderbuch nochmal<br />
gelesen?<br />
Daniel Napp: Vor der Arbeit an dem Bilderbuch<br />
habe ich das Buch mehrere Male<br />
gelesen, um den Tonfall und die Stimmung<br />
der Geschichte <strong>zu</strong> verinnerlichen.<br />
Außerdem sind dort viele Details über das<br />
Wassermannsleben <strong>zu</strong> finden, wie <strong>zu</strong>m<br />
Beispiel die Beschreibung der Kleidung<br />
oder die Einrichtung des Hauses.<br />
Bianka Boyke: Haben Sie sich sonst irgendwie<br />
speziell vorbereitet?<br />
Daniel Napp: Bei meiner Internet-Recherche<br />
nach außergewöhnlichen Häusern<br />
bin ich auf die „Worpsweder Käseglocke“<br />
gestoßen - ein Rundhaus aus<br />
Holz, das irgendwie aus einer anderen<br />
Welt <strong>zu</strong> kommen scheint. Eben ein richtiges<br />
Wassermannshaus. Bei einer Besichtigung<br />
habe ich fast dreihundert Fotos<br />
gemacht, die mir später sehr geholfen<br />
haben, die komplizierte Innenarchitektur<br />
mit dem märchenhaften Lichteinfall<br />
zeichnen <strong>zu</strong> können. Auch eine Wassermühle<br />
im Detmolder Freilichtmuseum<br />
habe ich besucht und fotografiert - und<br />
dem verwunderten Mann von der Museumsleitung<br />
Löcher in den Bauch gefragt<br />
(lacht).<br />
Bianka Boyke: Wie ist der Verlag eigentlich<br />
auf Sie gekommen?<br />
Daniel Napp: Thienemann hat einen<br />
kleinen Illustratoren-Wettbewerb veranstaltet,<br />
um den Preußlers eine Auswahl<br />
an möglichen Wassermännern<br />
anbieten <strong>zu</strong> können. Mein Glück<br />
war, dass sich meine Figur sehr an<br />
den Proportionen des Originals von<br />
Winnie Gebhardt orientierte. So<br />
hatte meine Illustration den größten<br />
Wiedererkennungseffekt und<br />
wurde schließlich ausgewählt.<br />
Bianka Boyke: Haben Sie Otfried<br />
Preußler auch persönlich kennengelernt?<br />
Daniel Napp: Da sich Herr Preußler<br />
schon seit Längerem aus der Öffentlichkeit<br />
<strong>zu</strong>rückgezogen hat, habe<br />
ich mit seinen beiden Töchtern,<br />
Frau Stigloher und Frau Preußler-<br />
Bitsch <strong>zu</strong>sammengearbeitet. Wir<br />
haben uns <strong>zu</strong>vor in München in<br />
einem gemütlichen Café getroffen,<br />
um uns für das Bilderbuch ab- und<br />
ein<strong>zu</strong>stimmen.<br />
Bianka Boyke: Wie lange haben die<br />
Arbeiten am „Kleinen Wassermann“ gedauert?<br />
Daniel Napp: Eigentlich waren vier Monate<br />
geplant, aber dann musste ich nochmal<br />
zwei Wochen Überstunden machen,<br />
um die Scans digital nach<strong>zu</strong>bearbeiten.<br />
Besonders bei den Augen des Wassermanns<br />
war viel Tüftelei erforderlich – am<br />
Ende habe ich aber eine gute Lösung gefunden,<br />
die <strong>zu</strong> meinem Stil passt, ohne<br />
mich <strong>zu</strong> weit von den Originalbildern<br />
Winnie Gebhardts <strong>zu</strong> entfernen.
Bianka Boyke: Können Sie Ihre einzelnen<br />
Arbeitsschritte näher beschreiben?<br />
Daniel Napp: Ich fange immer mit kleinen,<br />
sehr groben Skizzen an, die ich - am<br />
Computer - in die Bildrahmen des Layouts<br />
lade und so lange drehe, verschiebe<br />
und skaliere, bis eine brauchbare Komposition<br />
entstanden ist. Das Bild drucke<br />
ich vergrößert aus, übertrage die wichtigsten<br />
Linien am Leuchttisch auf ein<br />
neues Blatt und mache die Vorzeichnung.<br />
Die wird nochmal vergrößert und dann<br />
auf das Aquarellpapier übertragen. Dann<br />
erst wird gemalt.<br />
Bianka Boyke: Der Hund im „Kleinen<br />
Wassermann“ ähnelt Ihrem Hubertus aus<br />
den „Schnüffelnasen“ ein wenig. Hat das<br />
einen bestimmten Grund?<br />
Daniel Napp (lacht): Man braucht ja das<br />
Rad und eben auch den Hund nicht immer<br />
gleich neu <strong>zu</strong> erfinden. Außerdem<br />
gibt es immer noch genug Unterschiede:<br />
So würde sich Hubertus niemals von einer<br />
Stockente verscheuchen lassen.<br />
Bianka Boyke: Sie bauen in Ihre Bilderbücher<br />
immer witzige Details ein. So gibt<br />
es im Wassermannhaus einen Rauchmelder<br />
und Kerzenleuchter. Warum?<br />
Daniel Napp: Na, weil es lustig ist.<br />
Bianka Boyke: Betrachtet man Ihre Illustrationen<br />
länger, entdeckt man kleine<br />
Käfer in Hängematten oder auf Schatzsuche.<br />
Daniel Napp (lacht): Ich finde es spannend,<br />
wenn man in den Bildern nicht<br />
alles sofort sieht, auch mal etwas suchen<br />
muss. Darum bleiben solche Details auch<br />
oft Strichzeichnungen. Und natürlich soll<br />
der Fokus beim Vorlesen der Geschichte<br />
immer auf den Hauptdarstellern und der<br />
Atmosphäre liegen. Bei Wimmelbilderbüchern<br />
ist es genau umgekehrt, aber dort<br />
werden ja auch selten so komplexe Geschichten<br />
erzählt.<br />
Bianka Boyke: Würden Sie gerne weitere<br />
Klassiker neu interpretieren?<br />
Daniel Napp: Das kommt ganz auf den<br />
Klassiker an. Bei den Preußler-Geschichten<br />
dachte ich schon immer, dass man<br />
aus ihnen wunderbare Bilderbücher machen<br />
kann. Ich würde sofort wieder <strong>zu</strong>sagen.<br />
Bianka Boyke: Und eigene Projekte?<br />
Daniel Napp: Meine eigene Arbeit wird<br />
dabei auch nicht <strong>zu</strong> kurz kommen. Mehr<br />
als ein Kinderbuch kann ich pro Jahr sowieso<br />
nicht schreiben.<br />
Bianka Boyke: Verraten Sie uns noch,<br />
woran Sie gerade arbeiten?<br />
Daniel Napp: Zurzeit zerbreche ich mir<br />
den Kopf über den neusten Fall der<br />
Schnüffelnasen Hubertus und Pock. Wenn<br />
mir etwas Gescheites einfällt, kann ich<br />
mich Anfang April an die Schreibmaschine<br />
setzen. Und was ich gerade illustriere,<br />
können sich alle Leser am besten auf<br />
meinem Blog anschauen: www.danielnapp.de/blog<br />
Bianka Boyke: Herr Napp, vielen Dank für<br />
das Gespräch.<br />
Daniel Napp: Sehr gerne. #<br />
Veranstaltungstipp: Daniel Napps<br />
Original-Illustrationen <strong>zu</strong>m Bilderbuch<br />
„Der kleine Wassermann“ gehen<br />
jetzt auch auf Tournee. 20 Arbeiten<br />
- Original-Illustrationen,<br />
Skizzen und die Konzeptarbeit -<br />
sind jeweils für drei Wochen in verschiedenen<br />
Bibliotheken und<br />
Buchhandlungen <strong>zu</strong> sehen. Termine<br />
auf: www.daniel-napp.de<br />
Daniel Napp<br />
wurde am 19.06.1974 in Nastätten,<br />
Rheinland-Pfalz, geboren. Mit 22 begann<br />
er sein Designstudium mit dem<br />
Schwerpunkt Illustration in Münster<br />
und mit seiner Karriere ging es schnell<br />
voran. Seine ersten Aufträge waren<br />
Schulbuch-Illustrationen für den Cornelsen<br />
Verlag. Gleichzeitig illustrierte er<br />
als Semesterprojekt sein erstes Bilderbuch<br />
„Herr Jambus und der Elefant“.<br />
„Zwei Jahre später hatte ich dann<br />
endlich meinen ersten Kinderbuch-<br />
Auftrag“, so Daniel Napp. Der Schweizer<br />
Lektor Hans ten Doornkaat schickte<br />
ihm Christian Tielmanns Geschichte<br />
„Bauer Beck fährt weg“. 2001 erschien<br />
das Buch im Sauerländer Verlag<br />
- im wahrsten Sinne des Wortes<br />
ein Bilderbuchstart, denn „Bauer<br />
Beck fährt weg“ hat sich <strong>zu</strong> einem<br />
Longseller entwickelt. 2002 konnte<br />
Daniel Napp dann auch „Herr Jambus<br />
und der Elefant“ veröffentlichen.<br />
Doch seinen Durchbruch schaffte er<br />
mit dem tollpatschigen Braunbären<br />
Dr. Brumm – seiner Diplomarbeit von<br />
2002. Das lustige Bilderbuch „Dr.<br />
Brumm versteht das nicht“ erschien<br />
2004 im Thienemann-Verlag, der bis<br />
heute alle eigenen Kinder- und Bilderbücher<br />
von Daniel Napp verlegt.<br />
Inzwischen gibt es bereits sieben<br />
Abenteuer des Doktortieres.<br />
Sein erstes Kinderbuch „Schnüffelnasen<br />
an Bord“ folgte 2007 und wurde<br />
mit dem Paderborner Hasen 2008<br />
ausgezeichnet, sowie sogar ins Chinesische<br />
und Koreanische übersetzt.<br />
Von seinen Werken bevor<strong>zu</strong>gt Daniel<br />
Napp keins, hängt eigentlich immer<br />
besonders an dem, das er gerade bearbeitet.<br />
#<br />
21
C<br />
M<br />
Y<br />
CM<br />
MY<br />
CY<br />
CMY<br />
K<br />
22<br />
Bericht | Text: Jörg Hüls | Foto: Horst Hamann/DFB<br />
Frauen-Fußball-WM in Deutschland<br />
Silvia Neid im Interview<br />
Für die Bundestrainerin Silvia Neid läuft<br />
die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft<br />
im eigenen Land auf Hochtouren.<br />
Seit 2005 betreut sie die deutsche Frauen-<br />
Nationalmannschaft und konnte 2007 bei<br />
der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft in China<br />
mit der DFB-Auswahl den zweiten WM-<br />
Titel in Folge feiern. Die im Januar 2011<br />
von der FIFA <strong>zu</strong>r ersten ‚Welt-Trainerin des<br />
Jahres‘ gekürte Bundestrainerin hat das<br />
nächste Ziel fest im Visier: Weltmeister im<br />
eigenen Land. ~-Redakteur Joerg<br />
Huels sprach mit der erfolgreichen Fußballlehrerin.<br />
~: Wie sind Sie persönlich <strong>zu</strong>m<br />
Fußball gekommen?<br />
Silvia Neid: Ich bin damit aufgewachsen.<br />
Seit ich laufen kann, spiele ich Fußball.<br />
Anzeige<br />
Mein Vater und mein Bruder Ricardo haben<br />
mich begeistert und mitgerissen.<br />
~: Welches war das kurioseste Erlebnis,<br />
das Sie beim Fußball erlebt haben?<br />
Silvia Neid: Ich erinnere mich weniger an<br />
die kuriosen als an die schönen Momente.<br />
Mein erstes Länderspiel gehört da<strong>zu</strong>,<br />
der Gewinn der EM 1989 oder die beiden<br />
WM-Titel 2003 und 2007.<br />
MS_Anz_draußen_42,7x126_sw_RZ.pdPage 1 31.08.2009 14:29:31 Uhr<br />
~: Welche Wünsche haben Sie an<br />
den DFB?<br />
Silvia Neid: Eigentlich habe ich nur einen<br />
Wunsch an den DFB, nämlich, dass<br />
er den Frauenfußball weiterhin so fördert<br />
wie bisher. Ich glaube, es gibt weltweit<br />
keinen anderen Verband, der sich derart<br />
im Frauenfußball engagiert. Das ist mit<br />
Sicherheit ein Verdienst solcher Leute wie<br />
DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger und<br />
DFB-Vize-Präsidentin Hannelore Ratzeburg.<br />
~: Was sagen Sie über die Stadionauswahl<br />
bei dieser WM?<br />
Silvia Neid: Die ist sehr gut. Wir spielen<br />
in sehr modernen und schönen Arenen,<br />
deren Zuschauerkapazität dem Anlass<br />
angemessen ist.<br />
~: Wer ist Favorit auf den Weltmeistertitel<br />
und welches der Teams wird<br />
die größte Überraschung Mannschaft<br />
werden?<br />
Silvia Neid: Der Kreis der Favoriten ist<br />
groß. Ich zähle natürlich die<br />
USA und Brasilien da<strong>zu</strong>. Mit Japan<br />
und Nordkorea habe ich<br />
zwei asiatische Mannschaften<br />
ganz oben auf meiner Rechnung.<br />
Und natürlich werden<br />
mit Schweden, England und<br />
Norwegen auch die europäischen<br />
Vertreter ein Wort bei der<br />
Titelvergabe mitreden. Wenn<br />
einer unserer Gruppengegner<br />
Kanada, Nigeria oder Frankreich<br />
sich als Überraschungsmannschaft<br />
des Turniers entpuppen<br />
sollte, würde mich das nicht<br />
überraschen.<br />
~: Damenfußball wird<br />
immer athletischer, wo würden<br />
sie die derzeitige Damen-Nationalmannschaft<br />
in der aktuellen<br />
Herren-Bundesliga sehen?<br />
Silvia Neid: Ich merke daran,<br />
dass diese Frage noch immer<br />
häufig gestellt wird, dass das<br />
Verständnis dafür noch nicht<br />
vorhanden ist. Der Vergleich zwischen<br />
Männern und Frauen hinkt einfach. Es<br />
gibt biologische Unterschiede zwischen<br />
den Geschlechtern, die einen Leistungsunterschied<br />
erklären. Männer haben<br />
von Natur aus mehr Muskeln als Frauen,<br />
können deshalb schneller laufen, höher<br />
springen, weiter und fester schießen,<br />
sich in Zweikämpfen besser durchsetzen.<br />
Das sind grundverschiedene Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />
und deshalb stellt sich der Vergleich<br />
nicht. #
Columne | Text: Der Lingualpirat | Foto: Der Lingualpirat<br />
Columne: „~ auf Cuba“<br />
Neues aus der Fernsehmensa<br />
Moin <strong>zu</strong>sammen und herzlichen Glückwunsch<br />
<strong>zu</strong> der Entscheidung, diesen Artikel<br />
<strong>zu</strong> lesen! Meinen thematischen Fokus lege<br />
ich heute einmal auf ein nicht tot<strong>zu</strong>kriegendes<br />
Unkraut der Fernsehenunterhaltung:<br />
den gemeinen Fernsehkoch!<br />
_Unter dem Schleier des Bildungsfernsehens<br />
schmeißen diese Kochtopfterroristen<br />
<strong>zu</strong>r besten Sendezeit irgendwelche Lebensmittel<br />
in die schmiedeeisernen Pfannen<br />
der Fernsehunterhaltung, die geistig gesunde<br />
Menschen nicht mal kurz vorm Hungertod<br />
verspeisen würden. Zur Krönung<br />
würzen sie den Fraß noch mit irgendwelchen<br />
Unkräutern, die wahrscheinlich <strong>zu</strong><br />
Recht seit Hunderten von Jahren aus allen<br />
Küchen der Welt verbannt wurden, und<br />
nennen das Resultat der Lebensmittelvergewaltigung<br />
dann noch hochmütig Nouvelle<br />
Couisine.<br />
_So amüsant es auch anmuten mag, aber<br />
diese Induktionsherdinquisitoren kochen<br />
tatsächlich im Fernsehen wirklich nur<br />
Kram, den kein normaler Mensch freiwillig<br />
essen würde. Ernsthaft! Wenn ich<br />
mir mal auf der Reeperbahn schön die<br />
Festplatte formatiert habe und nach verrichteter<br />
Nachtschicht in meine Küche<br />
taumele, dann denke ich doch maximal:<br />
Boah... jetzt ein kaltes Schnitzel! Oder vielleicht<br />
noch: hmm... jetzt ein Mettbrot mit<br />
Zwiebeln und nicht... Hossa, ja jetzt noch<br />
schnell eine krosse Perlhuhnbrust aus dem<br />
Vakuumofen, Hmm... in einem Bett aus<br />
Rucolapesto an Dinkeltagliatelle!<br />
_Wenn ich vor ein paar Jahren eine Frau<br />
mit den Worten: „Komm doch heute Abend<br />
<strong>zu</strong> mir, es erwartet dich als Vorspeise ‚Getrüffelter,<br />
mediteraner Kartoffelstampf an<br />
Brokolischaum‘ und als Hauptgang ‚Dreierlei<br />
vom Weideochsen auf Frühlingsrisotto<br />
auf einem Rotweinamarenakirschspiegel‘„<br />
nach Hause <strong>zu</strong>m Essen eingeladen hätte,<br />
wäre sie wohl <strong>zu</strong> Recht der Ansicht gewesen,<br />
dass ich ein psychopathischer Serienkiller<br />
und das Menü ihre Henkersmahlzeit<br />
wäre!<br />
_OK, dass meine Freundinnen damals<br />
nicht auf gehobene Küche standen, liegt<br />
vielleicht auch an meinem Beuteschema.<br />
Ich habe mich nie mit Frauen verabredet,<br />
die kochen konnten wie meine Mutter.<br />
Ich datete Frauen, die trinken konnten<br />
wie mein Vater, tätowiert waren wie mein<br />
Onkel und geflucht haben wie mein Opa!<br />
Aber Fernsehköche sind tatsächlich nahe<strong>zu</strong><br />
allesamt Psychopathen.<br />
_Bestes Beispiel: Johann Lafer, der weiße<br />
Hai des Öffentlich-Rechtlichen Kochimperiums.<br />
Lafer, der weißgeschürzte Lebensmittelzauberer<br />
mit dem Revolvergebiss und<br />
einem Lächeln, das sagt: Ich lagere meine<br />
Schwiegermutter schön in Scheibchen geschnitten<br />
und Tütchen verpackt in meinem<br />
Tiefkühler. Ein Blick in seine Augen und<br />
man sieht sofort: Der Typ hört mindestens 8<br />
Stimmen gleichzeitig in seinem Kopf. 4 diskutieren<br />
wahrscheinlich über die exakten<br />
Arbeitsabläufe und die Kochreihenfolge der<br />
Zutaten, 3 Stimmen planen in unterschiedlichen<br />
Sprachen die Erringung der Weltherrschaft,<br />
während die letzte eindringlich<br />
den Bratmaxesong summt.<br />
_Besonders perfide finde ich an diesem<br />
Norman Bates der Einbau- und Großraumküchen<br />
auch, dass er nur Fleisch von glücklichen<br />
Tieren in die Pfannen haut. Was blöderweise<br />
in seinem Fall allerdings nichts mit<br />
artgerechter Haltung <strong>zu</strong> tun: NEIN! Der Lafer<br />
findet Fleisch nämlich nur lecker, wenn<br />
der ganz genau weiß, dass das arme Tier<br />
möglichst jung aus einem harmonischen,<br />
glücklichen und intakten Familienumfeld<br />
gemetzelt wurde! Der feine Herr will einfach<br />
kein massengehaltenes, völlig deprimiertes<br />
Stück Käfigtier essen, was sich antibiotika-<br />
und wachstumsbeschleunigerverseucht vor<br />
lauter Frust über die 24-stündige Neonröhrensonne<br />
im überfüllten Kloakenknast<br />
schon fast freiwillig in ein Bolzenschussgerät<br />
wirft!<br />
In diesem Sinne – Guten Appetit! #<br />
~ auf Cuba!<br />
Cubarett ist die offene Kabarettbühne<br />
Münsters im Cuba Nova, unter<br />
der Leitung von Christoph Tiemann<br />
Seit April 2010 schreibt einer der<br />
aktuell auftretenden Künstler in<br />
der ~.<br />
Diesmal ist es Glenn Langhorst,<br />
dem Lingualpirat.<br />
Glenn Langhorst kann man am<br />
2.5.2011 live bei Cubarett auf der<br />
Bühne sehen.<br />
www.Lingualpirat.de<br />
Das nächste Cubarett findet am<br />
4.4.2011 im Cuba Nova an der Achtermannstraße<br />
statt. Mit dabei<br />
sind: Hanno Fischer, Tom Ehrlich,<br />
Philipp Scheffbuch, Florian Gründel<br />
und Manuel Wolff. Im Mai findet<br />
Cubarett am 2.5.2011 ebenfalls im<br />
Cuba Nova statt.<br />
Cubarett Youtube Kanal jetzt online:<br />
Zu finden ist der Kanal unter: http://<br />
www.youtube.com/user/Cubarett<br />
23
24<br />
Rechtstipps | Text: Rechtsanwältin Annette Poethke<br />
§<br />
Neues aus dem allgemeinen Zivilrecht<br />
Hartz-IV-Empfänger glücklos?<br />
Grosses Aufsehen erregt in der Medienwelt<br />
und bei Hartz-IV-Empfängern eine<br />
Entscheidung des Landgerichts Köln von<br />
Anfang März 2011, wonach Hartz-IV-<br />
Empfänger in Nordrhein-Westfalen nicht<br />
mehr am staatlichen Sportwettenangebot<br />
Oddset teilnehmen dürfen.<br />
_Ein privater Glücksspielanbieter mit Sitz<br />
auf Malta namens „Tipico“ hat das einstweilige<br />
Verfügungsverfahren gegen Westlotto<br />
eingeleitet. In der Entscheidung des<br />
Landgerichts Köln heißt es: Westlotto ist<br />
die Annahme von Oddset-Wetten durch<br />
Spieler verboten, die „Spieleinsätze riskieren,<br />
die in keinem Verhältnis <strong>zu</strong> ihrem<br />
Einkommen stehen, insbesondere Hartz-<br />
IV-Empfänger“.<br />
_Spiegel Online berichtet, der Konkurrent<br />
Tipico habe Testkäufer in die Lottoannahmestellen<br />
geschickt, die sich laut über ihr<br />
Auskommen mit Hartz-IV ausgetauscht<br />
hätten. Wenn Ihnen dann dennoch eine<br />
Sportwette verkauft worden sei, wäre<br />
Lenny und Marie<br />
Lenny und Marie sind ein ganz wunderbares und<br />
hübsches Geschwisterpaar von 11 Monaten, das auf<br />
der Suche nach einem liebevollen Zuhause ist. Ihre<br />
neuen Besitzer sollten den beiden Stubentigern <strong>zu</strong><br />
Beginn vor allem Einfühlungsvermögen, Geduld<br />
und viel Liebe entgegenbringen. Denn obwohl die<br />
beiden von Herzen gerne ihre Späße treiben – wie<br />
es sich für ihr Alter gehört – so verkriechen sich<br />
Lenny und Marie anfänglich in ihrem Schneckenhaus.<br />
Die erste Rücksichtnahme wird später dafür<br />
umso mehr belohnt. Beide sind es gewohnt, in einem<br />
berufstätigen Haushalt <strong>zu</strong> leben und kommen<br />
gut mit der vorübergehenden Stille <strong>zu</strong>recht. Lenny<br />
und Marie dürfen gerne <strong>zu</strong> zweit umziehen, können<br />
aber auch <strong>zu</strong> einer vorhandenen Zweitkatze.<br />
dies ein Verstoß gegen die geltenden Bestimmungen.<br />
Die Entscheidung des Landgerichts<br />
Köln im Wege der einstweiligen<br />
Verfügung droht dem Wettanbieter Westlotto<br />
bei Verstoß ein Ordnungsgeld von<br />
bis <strong>zu</strong> 250.000,00 Euro an und ein ½ Jahr<br />
Gefängnisstrafe, falls er Wettscheine von<br />
Hartz-IV- Empfängern annimmt.<br />
_Die Inhaber von Lottoannahmestellen<br />
in Nordrhein- Westfalen sind ratlos, da<br />
sie nicht wissen, wie sie vorgehen sollen,<br />
denn schließlich sind Hartz-IV-Empfänger<br />
nicht durch Abzeichen oder Brandzeichen,<br />
wie es ein Betroffener sarkastisch<br />
formuliert (Gleichstellung von Hartz-IV-<br />
Empfängern mit Pferden?), gekennzeichnet.<br />
_Die Betroffenen sind schockiert, fühlen<br />
sich diskriminiert, ungleich behandelt<br />
und bevormundet. Im Übrigen fragen sie<br />
sich: Wie schützt man Personen, die beim<br />
Glücksspiel nur verlieren können, weil sie<br />
die Gewinne – falls sie denn eintreten -<br />
Kontakt: Tel. 0251-8469757 oder www.katzenhilfe-muenster.de<br />
nicht behalten dürfen? Die Gewinne sind<br />
nämlich beim Amt an<strong>zu</strong>geben und als<br />
Einkommen <strong>zu</strong> berücksichtigen.<br />
_Nach allem will Westlotto gegen die<br />
Entscheidung Widerspruch einlegen und<br />
im Hauptsachverfahren die bestehenden<br />
Ungereimtheiten klären lassen, insbesondere,<br />
wie in der Praxis <strong>zu</strong> verfahren<br />
ist.<br />
_Denn offensichtlich wird hier der Machtkampf<br />
von Konkurrenten auf dem Rücken<br />
der Ärmsten ausgetragen. Niemand wird<br />
ernsthaft glauben, dass Tipico mit seinem<br />
Antrag beim Landgericht Köln den Schutz<br />
der Hartz-IV-Empfänger bezweckt.<br />
_Es bleibt also <strong>zu</strong> hoffen, dass im Hauptsachverfahren<br />
eine Entscheidung getroffen<br />
wird, die praxisnah und durchsetzbar<br />
ist. Im Gegensatz <strong>zu</strong>m einstweiligen<br />
Verfügungsverfahren, in dem die vorgebrachten<br />
und behaupteten Tatsachen lediglich<br />
glaubhaft gemacht werden müssen,<br />
sind diese im Hauptsachverfahren <strong>zu</strong><br />
beweisen. #
Kurz und knapp | Text: Sabrina Kipp und Jörg Hüls | Fotos: Sigi Nasner<br />
Große Osteraktion am Aasee<br />
Unter dem Motto: „Heiße Würstchen für<br />
arme Würstchen“ lädt das Straßenmagazin<br />
~ am Ostersonntag ein. Direkt<br />
an den Aaseetreppen wird es neben<br />
Würstchen, Ostereiern und Kaffee einen<br />
großen Bücherflohmarkt geben. Das Beste:<br />
Den Preis bestimmen Sie selbst! Alles<br />
was am Ostersonntag am Aasee angeboten<br />
wird, wechselt gegen eine freiwillige<br />
Spende den Besitzer.<br />
_Außerdem winken tolle Preise bei einer<br />
Tombola. Neben Fahrrad und Fernseher<br />
gibt es einige besondere Leckerbissen.<br />
Handsignierte CD‘s und Platten, Fußballtrikots<br />
und vieles mehr können gewonnen<br />
werden. Mit nur 1.- Euro pro Los sind Sie<br />
dabei. #<br />
Großzügige Spende<br />
Dass die Verkäufer sowie das gesamte Team der<br />
~ versuchen, ständig ihr Bestes <strong>zu</strong> geben, erkennen<br />
immer mehr Menschen. So auch Bianka Menzel,<br />
die im Marketingbereich des IKK-Informations-<br />
Service-Center im Centrum Nord in Münster tätig ist.<br />
Und davon überzeugte sie auch die Geschäftsleitung,<br />
die sich daraufhin entschloss, uns mit einer großzügigen<br />
Spende in Höhe von 1000,- Euro <strong>zu</strong> unterstützen.<br />
Die Übergabe des Schecks fand am 16. März in<br />
den Geschäftsräumen der IKK-ISC eG, Anton-Bruchhausen-Straße<br />
8, statt. Unserer Mitarbeiter Jörg Hüls<br />
nahm den Scheck in Empfang. Zugegen waren die<br />
IKK-Firmenmitarbeiter Frau Reker, Frau Schürmann<br />
und Herr Hölscher (von links nach rechts). Wir danken<br />
der IKK-ISC eG ganz herzlich für diese wohlwollende<br />
Zuwendung und wünschen alles Gute. #<br />
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25
26<br />
Buchtipps | Text: 1. Bianka Boyke | 2. Michael Heß<br />
Lesen<br />
Otfried Preußler/Regine Stigloher<br />
Daniel Napp (Illu)<br />
Der kleine Wassermann:<br />
Frühling im Mühlenweiher<br />
Thienemann 2011, 32 Seiten,<br />
ab 4 Jahren, 12,90 Euro<br />
ISBN: 978-3-522-43678-6<br />
Eckart Lohse, Markus Wehner:<br />
„Guttenberg Biografie“<br />
Droemer Verlag München 2011,<br />
416 Seiten, 19,99 Euro<br />
ISBN 978-3-426-27554-2<br />
Der kleine Wassermann ist wieder da! Die<br />
neue Geschichte ist ein Bilderbuch, zauberhaft<br />
illustriert vom Münsteraner Illustrator<br />
Daniel Napp. Und es ist tatsächlich<br />
Wassermann-Erfinder Otfried Preußler,<br />
jetzt 87 Jahre alt, der mit Tochter Regine<br />
Stigloher den Text geschrieben hat.<br />
_Im neuen Abenteuer wird es Frühling.<br />
Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen<br />
erreichen den Grund des Mühlenweihers<br />
und der kleine Wassermann erwacht aus<br />
dem Winterschlaf. Neugierig und voller<br />
Tatendrang macht er sich sofort nach<br />
dem Frühstück auf, um seine Umgebung<br />
<strong>zu</strong> erkunden. Ob sich irgendetwas verändert<br />
hat und ob seine Freunde noch alle<br />
da sind?<br />
_Es ist einfach wunderbar, dass das kleine<br />
Fabelwesen mit den grünen Haaren, der<br />
Hose aus Fischschuppen und der roten<br />
Zipfelmütze nach 55 Jahren mit „Frühling<br />
in Mühlenweiher“ ein neues Aben-<br />
Der Shootingstar des deutschen Politbetriebs<br />
ist abgestürzt. Zufällig erscheint<br />
zeitgleich die erste Biografie des fränkischen<br />
Freiherrn, was die vorliegende Arbeit<br />
noch interessanter macht. Das Manko<br />
der ersten Auflage, den eigentlichen Sturz<br />
deshalb nur am Rande <strong>zu</strong> beleuchten,<br />
wird in den folgenden Ausgaben korrigiert,<br />
so die Ankündigung des Verlages.<br />
Die Autoren Lohse und Wehner sind als<br />
Korrespondenten der FAZ keine Linken,<br />
was ihre sehr lesenswerte Arbeit in diesem<br />
Kontext noch glaubwürdiger macht.<br />
Einen „Instinktpolitiker“ nennen sie Guttenberg<br />
nach langjähriger Begleitung und<br />
das ist nicht als Kompliment gedacht.<br />
Dennoch beleuchten sie sachlich Guttenbergs<br />
Werdegang als „erster Spitzenpolitiker<br />
der Twitter- und Facebook-Generation“<br />
(Joschka Fischer). Lesenswert sind<br />
auch die Geschichte der uradligen Familie<br />
Guttenberg, die Herkunft ihres Vermögens<br />
und die verwandtschaftlichen Verhältnisse.<br />
Kurz: Lohse und Wehner durchleuch-<br />
teuer erlebt. Sicher werden viele Kinder,<br />
die hier dem kleinen Wassermann <strong>zu</strong>m<br />
ersten Mal begegnen, so begeistert sein,<br />
dass sie <strong>zu</strong> dem Buch greifen, das schon<br />
ihre Eltern und Großeltern liebten.<br />
_Eine fantasievolle Geschichte über eine<br />
einzigartige Unterwasserwelt, in der Daniel<br />
Napp mit seinen liebevollen Illustrationen<br />
die Figuren lebendig und die<br />
besondere Atmosphäre unter Wasser<br />
spürbar werden lässt – inklusive kleiner<br />
Wasserkäfer, die an der Staffelei einen<br />
Fisch porträtieren oder faul in der Hängematte<br />
lümmeln.<br />
ten das Phänomen Guttenberg mit flüssiger,<br />
distanzierter Schreibe in Gänze und<br />
sie zeichnen das Bild einer Persönlichkeit,<br />
die sich formvollendet und telegen<br />
<strong>zu</strong> Höherem berufen glaubt(e). Der Begriff<br />
„Blender“ kommt dem Leser dabei<br />
immer wieder in den Sinn.<br />
Das ist Guttenberg nicht vor<strong>zu</strong>werfen, da<br />
gibt es noch andere. Den Nährboden seines<br />
Sturzes bildeten vielmehr die rüde,<br />
ja selbstherrliche Art seiner immer stärker<br />
kritisierten Entscheidungen (Kundus,<br />
Gorch Fock) sowie der ausgeprägte Hang<br />
<strong>zu</strong>r Selbstinszenierung (Thomas Gottschalk,<br />
Johannes B. Kerner). Wo kaum<br />
Inhalte waren und sind, können noch<br />
so professionelle Bilder und Images auf<br />
Dauer nichts kaschieren. Man mag Guttenberg<br />
als (reparierten?) Betriebsunfall<br />
des Politsystems werten. Man kann ihn<br />
aber auch als konsequente Ausgeburt des<br />
Systems werten, dem andere folgen werden.<br />
Wie auch immer, ist die Guttenbergshow<br />
vorbei. Vorerst.
Rezepte | Text: Martina Hegemann<br />
Allles Eierlei<br />
Was wäre Ostern ohne Ostereier? Besonders Kinder bis <strong>zu</strong> einem bestimmten Alter lieben es die bunten Eier <strong>zu</strong> suchen und für<br />
sie gilt: Je mehr Eier, desto besser. Auch auf dem Frühstückstisch darf gerade <strong>zu</strong> Ostern das Ei nicht fehlen. Doch spätestens<br />
am Ostermontag stellt sich die Frage: Was mache ich mit den noch vorhandenen hartgekochten Eiern? Da es sich um ein hochwertiges<br />
Lebensmittel handelt, soll es ja auch verzehrt werden. Selbst hartgekochte Eier sind gekühlt immerhin zwei bis drei<br />
Wochen haltbar, so kann mensch sich noch ein wenig an den am besten gelungenen Kunstwerken erfreuen, doch dann sollten<br />
sie verarbeitet werden. Der klassische Eiersalat bietet sich an, kleingewürfelt eignen sie sich auch als Suppeneinlage. Oder belegen<br />
Sie doch mal eine Pizza mit in Scheiben geschnittenen Eiern und schwarzen Oliven. Aber was ist noch möglich? Einige<br />
Anregungen finden Sie hier. Viel Vergnügen beim Nachkochen.<br />
Feldsalat mit Ei und Räucherlachs<br />
Zutaten:<br />
150 g Feldsalat<br />
1 Bund Radieschen<br />
50 g Walnußkerne<br />
150 g Räucherlachs<br />
5 hartgekochte Eier<br />
3 Schalotten oder milde Zwiebeln<br />
2 Zweige Estragon, geht auch getrocknet<br />
3 EL Sherry- oder Apfelessig<br />
½ TL Senf<br />
Salz, schwarzer Pfeffer<br />
1 Prise Zucker<br />
4 EL Öl<br />
Zubereitung:<br />
Feldsalat putzen, waschen und gut abtropfen<br />
lassen. Die ebenfalls gewaschenen<br />
Radieschen in Scheiben schneiden. Nüsse<br />
grob hacken. Den Lachs in Streifen und<br />
die Eier jeweils in Scheiben schneiden. Die<br />
Zutaten <strong>zu</strong>sammenfügen oder sofort auf<br />
vier Portionstellern anrichten. Mit Pfeffer<br />
übermahlen. Für die Sauce die Schalotten<br />
schälen und fein würfeln. Estragonblätter<br />
klein schneiden und beides mit Essig,<br />
Senf, Salz und Zucker vermischen. Zum<br />
Schluss das Öl unterrühren und die Sauce<br />
über den Salat träufeln.<br />
Tipp: Statt des Räucherlachses kann auch<br />
feingewürfelter Apfel genommen werden.<br />
#<br />
Eierfrikassee mit Spargel<br />
Zutaten:<br />
1 kg Spargel<br />
Salz<br />
1 Prise Zucker<br />
150 g gekochter Schinken<br />
4 hartgekochte Eier<br />
2 Schalotten<br />
25 g Butter<br />
¼ l Milch<br />
1/8 l Sahne<br />
2 EL Speisestärke<br />
1 EL kleine Kapern<br />
weißer Pfeffer<br />
4 EL trockener Weißwein, gern alkoholfrei<br />
Zubereitung:<br />
Spargel schälen. Wasser mit je einer Prise<br />
Zucker und Salz <strong>zu</strong>m Kochen bringen und<br />
den Spargel darin in ca. 15 bis 20 Minuten<br />
gar kochen. Schinken würfeln und die<br />
abgepellten Eier vierteln. Die Schalotten<br />
fein würfeln, in der Butter glasig werden<br />
lassen. Den Schinken hin<strong>zu</strong>fügen und<br />
einige Minuten mitbraten. Ca. 250 ml<br />
vom Spargelwasser mit der Milch und der<br />
Sahne aufkochen lassen. Die Speisestärke<br />
kalt mit etwas Wasser anrühren, in die<br />
Milchmischung einrühren und die entstandenen<br />
Sauce ca. 3 Minuten köcheln<br />
lassen. Spargel in mundgerechte Stücke<br />
schneiden. Zusammen mit den Eivierteln,<br />
dem Schinken, den Schalotten und den<br />
Kapern in die Sauce geben. Mit Salz, Pfeffer<br />
und Weißwein abschmecken.<br />
Da<strong>zu</strong> schmeckt Reis. #<br />
Amerikanischer Gemüseauflauf<br />
Zutaten:<br />
3 Scheiben Toastbrot<br />
50 g Butter<br />
1 Zwiebel<br />
250 g Putenschnitzel<br />
2 TL Mehl<br />
1 TL Curry<br />
1/8 l trockener Weißwein oder Brühe<br />
Salz und weißer Pfeffer<br />
1 Spritzer Tabascosauce<br />
150 g Créme fraîche<br />
1 Dose Maiskörner<br />
4 hartgekochte Eier<br />
4 Tomaten<br />
50 g geriebener Chesterkäse oder entsprechender<br />
würziger Käse<br />
25 g Kräuterbutter<br />
Zubereitung:<br />
Toastbrot würfeln, in 20 g Butter goldbraun<br />
rösten und in eine gebutterte Auflaufform<br />
füllen. Die Zwiebel ebenfalls<br />
würfeln und in Butter glasig braten. Das<br />
Fleisch in Streifen schneiden und etwa 3<br />
Minuten mitbraten. Mit Mehl und Curry<br />
bestäuben, mit dem Wein oder der Brühe<br />
aufgießen und mit Salz, Pfeffer und Tabasco<br />
würzen. Etwa 1/3 der Créme fraîche<br />
<strong>zu</strong>fügen und vorsichtig unterrühren. Die<br />
Fleisch-Zwiebel-Mischung auf die Brotwürfel<br />
verteilen und mit den Maiskörnern<br />
gleichmäßig bedecken. Geschälte Eier und<br />
Tomaten in Scheiben schneiden und auf<br />
dem Auflauf verteilen. Die noch übrige<br />
Créme fraîche mit dem Käse mischen und<br />
auf die Eierscheiben streichen. Die Tomatenscheiben<br />
mit Kräuterbutterflöckchen<br />
belegen. Den Auflauf bei 200 Grad etwa 20<br />
Minuten im Ofen backen. #<br />
27
28<br />
Bericht | Text: Horst Gärtner<br />
Schlussakkord<br />
Zu Guttenberg einmal anders. Zunächst einmal klargestellt: Was der<br />
<strong>zu</strong>rückgetretene Verteidigungsminister Karl-Theodor <strong>zu</strong> Guttenberg<br />
bei der Abgabe seiner Doktorarbeit bei der Universität Bayreuth getan<br />
hat und sein anschließendes Krisenmanagement ist grottenschlecht,<br />
vor allem der Umgang mit der Wahrheit, und im Grunde<br />
nicht entschuldbar – auch wenn er sich (all <strong>zu</strong> spät) in aller Form<br />
entschuldigt hat.<br />
Aber mittlerweile reicht es auch und man hätte die Uhr danach<br />
stellen können, dass in den Aschermittwochsveranstaltungen der<br />
Oppositionsparteien die stumpfen Messer noch einmal gewetzt<br />
werden; Redebeiträge aus der jüngsten Vergangenheit gab es säckeweise,<br />
da brauchte man sich nichts Neues einfallen <strong>zu</strong> lassen!<br />
Ich habe 47 Jahre bei öffentlichen Verwaltungen gearbeitet und<br />
ich weiß, wie sorgfältig man Prüfungsaufträge bearbeiten muss.<br />
Da frage ich mich schon, weshalb kaum jemand über die Rolle<br />
der Universität Bayreuth spricht oder schreibt. Da sagte Andreas<br />
Fischer-Lescano, Direktor am Zentrum für Europäische Rechtspolitik<br />
in Bremen, dem die Ungereimtheiten in der „Doktorarbeit“ bei<br />
der Vorbereitung eines Seminars <strong>zu</strong>m Verfassungsrecht aufgefallen<br />
sind: „Mir fiel auf, dass das Niveau dieser Arbeit sowohl sprachlich<br />
als auch argumentativ sehr uneinheitlich war. Besonders schwach<br />
fand ich die Passage, in der es um den fehlenden Gottesbe<strong>zu</strong>g in<br />
der EU-Verfassung geht.“ Wenn Fischer-Lescano <strong>zu</strong>fällig auf <strong>zu</strong><br />
Guttenbergs Plagiat stößt, dann weiter recherchiert und weitere<br />
findet, wenn die Scharen derer, die anschließend gegoogelt haben,<br />
alles Mögliche in der Arbeit noch entdeckten und scharenweise<br />
über ihn hergefallen sind, dann fragt man sich, wie es möglich<br />
ist, dass vier Professoren an der Universität Bayreuth die Doktorarbeit<br />
geprüft haben, dass ihnen nichts aufgefallen ist und dass sie<br />
Balu<br />
Der hübsche Mischlingsrüde Bilal kam aus einer rumänischen Hundeauffangstation<br />
nach Deutschland. Anfänglich hielt sich der knapp Dreijährige<br />
lieber im Hintergrund auf und beobachtete das Geschehen, so allmählich<br />
wird er aber mutiger und taut von Tag <strong>zu</strong> Tag mehr auf. Er genießt die<br />
menschliche Zuwendung und zeigt sich auch gegenüber Artgenossen sozialverträglich.<br />
Er ist freundlich und tollt auch gerne mal mit seinen Hundekumpels<br />
herum. In vielen Dingen ist Bilal noch etwas unsicher, ein selbstbewusster<br />
Zweithund wäre daher eventuell von Vorteil. Da er sich schnell<br />
einschüchtern lässt, ist ein Haushalt mit kleineren Kindern eher ungeeignet.<br />
Er benötigt eine ruhige und konsequente Erziehung, die ihm die erforderliche<br />
Sicherheit vermittelt. Der Besuch einer Hundeschule ist für Bilal in<br />
jedem Fall unerlässlich.<br />
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Öffnungszeiten: samstags und sonntags von 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr<br />
sie sogar mit „summa cum laude“, der besten Note, ausgezeichnet<br />
haben, die im Jahre 2009 nur 14,7 % der Doktoranden erreichten!<br />
Wenn in der Jugendhilfe in einer Familie Gewalt oder Vernachlässigung<br />
von Kindern auftritt und diese erst spät - leider manchmal<br />
<strong>zu</strong> spät - entdeckt wird, dann ist die erste Frage: „Wo war das<br />
Jugendamt, warum hat es das nicht verhindert?“ Als der Dioxin-<br />
Skandal hohe Wellen schlug, weil Unternehmer aus Profitgier die<br />
Gesundheit von Menschen auf´s Spiel gesetzt haben, war eine der<br />
ersten Fragen „Wo waren die behördlichen Prüfinstanzen?“<br />
Da muss man doch auch im Fall <strong>zu</strong> Guttenberg die Frage stellen: Wo<br />
war die Universität Bayreuth, als sie grünes Licht mit der höchsten<br />
Auszeichnung für diese Arbeit gegeben hat? Sich nur darauf <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>ziehen,<br />
dass 2006/2007 und in den Jahren davor die Prüfmöglichkeiten<br />
im Netz noch nicht so ausgeprägt waren, ist eine<br />
<strong>zu</strong> billige, sicher nicht ausreichende Erklärung, denn heißt das<br />
etwa, dass man vor 2006/2007 ohne Gefahr <strong>zu</strong> laufen, entdeckt <strong>zu</strong><br />
werden, einfach reihenweise abgeschriebene Doktorarbeiten hat<br />
durchgehen lassen? Oder ging das nur bei der Universität Bayreuth?<br />
Ich wünsche Ihnen liebe Leserinnen und Leser, dass der April beim<br />
Mai das schöne Wetter abschreibt; ich hoffe sehr, dass Sie gut durch<br />
diesen langen Winter gekommen sind<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Ihr<br />
Horst Gärtner
Ostermontag, 25.4. Auftaktkundgebung um 14 Uhr<br />
am Gronauer Bahnhof. Anschließend bunte Demo<br />
<strong>zu</strong>m Haupttor der Urananreicherungsanlage<br />
Am 26. April 2011 jährt sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl<br />
<strong>zu</strong>m 25. Mal. In Münster wurde gerade eine Ausstellung<br />
<strong>zu</strong> Tschernobyl aufgebaut, als wir von der drohenden Katastrophe<br />
in Fukushima hörten. Schlagartig wurde uns klar, dass uns<br />
die Vergangenheit eingeholt hatte.<br />
Die Reaktorkatastrophen in Three Mile Island `79, in Tschernobyl<br />
`86 und nun in Fukushima zeigen: Atomkraft ist nicht beherrschbar!<br />
Dennoch wurden in Deutschland 2010 die Laufzeiten für Atomkraftwerke<br />
verlängert, auch für alte Pannen-AKW wie Biblis.<br />
Damals wie heute – Verschweigen und Verharmlosen<br />
Zu Beginn der Katastrophe in Fukushima kam oft der Hinweis:<br />
es bestehe keine Gefahr für die Gesundheit. Informationen<br />
wurden gegeben und widerrufen. Die Situation erinnert an<br />
1986, auch damals wurde verschwiegen, vertuscht und abgewiegelt.<br />
Und so geht es heute nicht nur in Japan, sondern auch<br />
rund um Tschernobyl weiter: Unterlagen werden von russischen<br />
Behörden und der Weltgesundheitsorganisation geheim gehalten.<br />
Fakt ist, dass Krebserkrankungen, Leukämiefälle und Missbildungen<br />
rund um Tschernobyl deutlich <strong>zu</strong>genommen haben.<br />
Sicherheitsrisiko in Deutschland<br />
Keines der AKW in Deutschland ist gegen Flugzeugsabstürze<br />
geschützt. Das AKW Krümmel musste nach einem Brand eines<br />
Transformators 2007 abgeschaltet werden und ging gleich nach<br />
der Wiederinbetriebnahme 2009 wegen eines erneuten Störfalls<br />
wieder vom Netz. Mit der Laufzeitverlängerung wird das<br />
steigende Risiko der veralteten Anlagen des Profites wegen in<br />
Kauf genommen.<br />
Und was lernen Politiker aus den Ereignissen in Japan? Dass<br />
man <strong>zu</strong> Wahlkampfzeiten schnell mal seine Meinung ändern<br />
sollte, damit man die Wahl nicht verliert! Und nach der Wahl<br />
geht es weiter wie vorher. Wie sonst ist <strong>zu</strong> erklären, dass Merkel<br />
und Röttgen für die Entscheidung über die „alten“ AKW ein<br />
dreimonatiges Moratorium benötigen? Aber auch die „neuen“<br />
AKW sind inzwischen alle über 20 Jahre alt! Heute wären die<br />
AKW als Neubau nicht mehr genehmigungsfähig. Einen absoluten<br />
Schutz gegen eine Kernschmelze bietet keines der AKW.<br />
Ostermontag demonstrieren – Aus den Katastrophen endlich<br />
Konsequenzen ziehen<br />
Am Ostermontag (25.4.) soll der Opfer von Tschernobyl und in<br />
Japan gedacht werden und gleichzeitig für den Atomausstieg<br />
demonstriert werden. Und zwar bundesweit an 12 Standorten.<br />
Die Großdemo für NRW findet im westfälischen Gronau statt.<br />
Wann, wenn nicht jetzt? Es ist Zeit <strong>zu</strong> handeln und eine konsequente<br />
Energiewende <strong>zu</strong> fordern.<br />
Uranproduktion – keine saubere Sache<br />
Das Uran für die Reaktoren, wird vor allem in Australien, Niger,<br />
Kanada abgebaut. 70% der bekannten Uranvorkommen liegen<br />
auf dem Gebiet indigener Völker, in Niger wurden Tuareg vertrieben,<br />
um Uran ab<strong>zu</strong>bauen. Beim Abbau des Uranerzes sind<br />
die Arbeiter_innen radioaktivem Staub ausgesetzt, die Krebserkrankungen<br />
häufen sich. Es entstehen riesige Mengen giftiger,<br />
radioaktiver Schlämme, welche das Grundwasser gefährden.<br />
Diese Sicherheitsrisiken und fahrlässiges Handeln treten nicht<br />
nur in „armen“ Ländern, sondern auch in Australien auf.<br />
Warum in Gronau demonstrieren?<br />
In NRW konzentrieren sich Anti-Atom- und Friedensproteste auf<br />
die Urananreicherungsanlage (UAA) der Firma Urenco in Gronau.<br />
Ohne Urananreicherung können die europäischen AKW nicht<br />
laufen. Nach der Katastrophe in Fukushima wurde bekannt,<br />
dass die Urenco ebenfalls Uran nach Japan lieferte. Sie ist in das<br />
internationale Atomgeschäft verstrickt, schickte bis 2009 sogar<br />
Uranmüll in Form von abgereichertem Uran nach Russland.<br />
Die Urananreicherung steht für die untrennbare Verknüpfung<br />
von angeblich friedlicher Atomenergie und Atomwaffen. So<br />
wurde beispielsweise Pakistans Atombombenprogramm erst<br />
durch Urencos Zentrifugen-Anreicherungstechnologie ermöglicht.<br />
Bei der Anreicherung entstehendes abgereichertes Uran<br />
wird oftmals für panzerbrechende Munition verwendet, worunter<br />
die Zivilbevölkerung der Kriegsgebiete, z.B. im Balkan oder<br />
Iran noch Jahrzehnte an den Folgen der Radioaktivität und Giftigkeit<br />
des Urans leidet.<br />
Atommüll muss dort verhindert werden, wo er entsteht, fangen<br />
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