zu Ihren - Draußen
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Bericht | Text: Lena Klimkeit | Foto: Bundestag/Lichtblicke/Achim Melde<br />
Geliebt, gewankt, gefallen<br />
Karl-Theodor <strong>zu</strong> Guttenberg<br />
Ein langes Hin und Her ging dem voraus,<br />
was am 1. März 2011 geschah: Bundesverteidigungsminister<br />
Karl-Theodor <strong>zu</strong><br />
Guttenberg ist nach einer unangenehmen<br />
Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit<br />
von seinem Amt <strong>zu</strong>rückgetreten.<br />
Und das ausgerechnet im Superwahljahr<br />
2011, in dem in neun von sechzehn Bundesländern<br />
neu gewählt wird.<br />
Guttenberg versetzte die Menschen in<br />
Staunen. Ein 36-jähriger junger Mann und<br />
Vater steigt <strong>zu</strong>m CSU-Generalsekretär auf,<br />
weiter <strong>zu</strong>m Wirtschaftsminister, kurze Zeit<br />
später <strong>zu</strong>m Verteidigungsminister. Ein rasanter<br />
Aufstieg, der für Bewunderung und<br />
Beliebtheit in der Bevölkerung sorgt. Jung,<br />
energisch und authentisch, redegewandt,<br />
selbstsicher und selbstbewusst – diese<br />
Eigenschaften gelten während seiner gesamten<br />
Amtszeit als bezeichnend für Guttenberg.<br />
Und sie stehen für etwas Neues,<br />
Ungewöhnliches in der Politik. An Stelle<br />
von <strong>zu</strong>rückhaltenden, undurchsichtigen<br />
und unscheinbaren Politikern steht plötzlich<br />
ein Star.<br />
_Doch bereits in den ersten Monaten seines<br />
Amtes läuft nicht alles glatt. Die Kunduz-Affäre<br />
im September 2009 stellt Guttenberg<br />
vor seine erste harte Probe. Bei<br />
einem deutschen Luftangriff auf zwei von<br />
den Taliban entführte Tanklaster in Afghanistan<br />
kommt eine Vielzahl von Zivilisten<br />
<strong>zu</strong> Tode – die Folge einer fatalen Entscheidung<br />
durch den damaligen Oberst Georg<br />
Klein. Zu Guttenberg trifft keine direkte<br />
Schuld, jedoch findet er <strong>zu</strong> wenige Worte<br />
für das katastrophale Bombardement. Somit<br />
wird die Kunduz-Affäre <strong>zu</strong> seiner ersten<br />
politischen Krise. Und trotzdem bleibt<br />
Guttenberg der neue Hoffnungsträger der<br />
Deutschen.<br />
_Zu Guttenberg setzt Meilensteine der<br />
Politik, er initiiert die Bundeswehrreform<br />
und mit ihr die Abschaffung der Wehrpflicht.<br />
Jedoch spielen auch die Medien<br />
und Selbstinszenierung in seiner Politik<br />
eine große Rolle: Er reist <strong>zu</strong> den deutschen<br />
Soldaten in Afghanistan und veranstaltet<br />
vor Ort in Anwesenheit der Bundeswehrsoldaten<br />
eine Aufsehen und Kritik<br />
erregende Talkshow. Und die Deutschen<br />
lieben ihn immer noch. Zu Guttenberg gilt<br />
mittlerweile sogar als potenzieller Kanzlerkandidat.<br />
_Kurz darauf wird das Bild des Politikers<br />
erneut durch einen Skandal bei der Bundeswehr<br />
getrübt: Ende des Jahres 2010<br />
werden Missstände auf dem Segelschulschiff<br />
der deutschen Marine Gorch Fock<br />
bekannt, nachdem eine junge Offiziersanwärterin<br />
während ihrer Ausbildung tödlich<br />
verunglückt. Die sofortige Entlassung<br />
des Gorch Fock-Kapitäns erfolgt durch den<br />
Verteidigungsminister und erfährt öffentliche<br />
Kritik. Der Lieblingsminister wankt –<br />
hält der Kritik aber stand.<br />
_Was dann, Mitte Februar diesen Jahres,<br />
geschieht, dürfte bereits allen bekannt<br />
sein: Ein Juraprofessor findet in Karl-Theodor<br />
<strong>zu</strong> Guttenbergs Bestnoten-Doktorarbeit<br />
Passagen aus fremden Texten, die er ohne<br />
Kennzeichnung in seine Arbeit übernommen<br />
haben soll. Die Medien reagieren sofort<br />
– der Verteidigungsminister auch, und<br />
zwar durchaus gelassen. Nachdem er die<br />
Vorwürfe <strong>zu</strong>nächst als „abstrus“ abtut und<br />
erklärt, die „verfasste Dissertation ist kein<br />
Plagiat“, gesteht er bei einem Wahlkampfauftritt<br />
in Hessen „gravierende Fehler“ ein<br />
und legt seinen Doktortitel freiwillig ab.<br />
Was <strong>zu</strong> einer neuen Debatte führt: Auch<br />
ein Politiker, ein höchst beliebter <strong>zu</strong>dem,<br />
kann nicht einfach frei über einen vormals<br />
erlangten Titel entscheiden. Schließlich<br />
erkennt die Universität Bayreuth den Titel<br />
im Schnellverfahren ab. Die Affäre eines so<br />
berühmten Politikers schadet schließlich<br />
nicht nur der Bundesregierung, sondern<br />
vor allem das Ansehen von Universität und<br />
Wissenschaft.<br />
_Die Medien, die Guttenberg sonst gezielt<br />
für seine öffentlichen Auftritte einsetzte,<br />
nehmen ihn hart ran, kein Tag vergeht<br />
ohne eine neue Schlagzeile. Rücktrittsforderungen<br />
werden laut, doch der Verteidigungsminister<br />
will nicht gehen. Guttenberg-Gegner<br />
durchforsten jede einzelne<br />
Passage der Dissertation und finden immer<br />
mehr Plagiate, die allesamt im GuttenPlag<br />
Wiki festgehalten werden. Das Internet<br />
lehnt sich gegen Guttenberg auf, Oppositionspolitiker<br />
äußern ihren Unmut, die Wissenschaft<br />
rät <strong>zu</strong> einem Rücktritt, vereinzelt<br />
finden Anti-Guttenberg-Demonstrationen<br />
statt. Der Druck wächst – und wächst dem<br />
jungen Politiker schließlich über den Kopf.<br />
_Der Rücktritt Guttenbergs kann durchaus<br />
als Verlust für die Politik angesehen werden.<br />
Es gab lange keine Person mehr in der<br />
Politik, die die Deutschen Umfragewerten<br />
<strong>zu</strong>folge so mitreißen konnte. Kaum ein<br />
anderer Politiker genoss eine vergleichbare<br />
Glaubwürdigkeit und ein derartiges<br />
Ansehen in der Gesellschaft. Vielleicht hat<br />
Guttenberg es geschafft, Politik wieder ein<br />
Stück weit näher an die Bürger <strong>zu</strong> bringen.<br />
In diesem Fall ist sein Rücktritt durchaus<br />
ein Verlust für Politik und Gesellschaft.<br />
_Die Plagiatsaffäre bedeutet aber auch<br />
einen gravierenden Vertrauensbruch gegenüber<br />
den Wählern, die an der Glaubwürdigkeit<br />
des Politikers festhielten.<br />
Guttenbergs Auftreten in Zeiten der Krise<br />
zeigte ihn mehr selbstherrlich als reumütig.<br />
Sein Krisenmanagement glich eher<br />
der „defensiven (Salami-)Taktik“ nach<br />
den Wissenschaftlern Laux und Schütz als<br />
einer ehrlichen Entschuldigung: Erst wur-