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Bericht | Text: Michael Heß<br />

Wenn die Täter streiten...<br />

Hartz IV wieder mal reformiert<br />

Die Bezieher von Arbeitslosengeld II sind<br />

nicht <strong>zu</strong> beneiden: immer knapp bei<br />

Kasse, ziemlich weit unten in der sozialen<br />

Hackordnung und immer mal was<br />

Neues über ihre Köpfe hinweg - <strong>zu</strong>meist<br />

nichts Gutes. Ende Februar war es<br />

nach lautem Getöse wieder so weit, die<br />

durchwachsenen Ergebnisse kommentiert<br />

~-Autor Michael Heß.<br />

Am 25. Februar war erlebte Hartz IV (im<br />

Amtsdeutsch: Arbeitslosengeld II) nach einem<br />

monatelangen Hickhack die nunmehr<br />

vierte Reform seit dem Start am 1. Januar<br />

2005. „Als Allianz der Vernünftigen“ bezeichnete<br />

Bundesarbeitsministerin Ursula<br />

von der Leyen Ende Februar die Zustimmung<br />

von CDU, FDP und SPD (mit schlechtem<br />

Gewissen) <strong>zu</strong>m gefundenen Kompromiss.<br />

Nötig war das Procedere aufgrund<br />

eines Urteils des Karlsruher Bundesverfassungsgerichtes<br />

im letzten Jahr, dem<strong>zu</strong>folge<br />

„die Regelsatzberechnung transparent und<br />

nachvollziehbar sein muss“. In welcher<br />

Höhe der Regelsatz ein Leben in Selbstbestimmung<br />

erlaubte - darüber sagte das Gericht<br />

leider nichts.<br />

_Denn nicht <strong>zu</strong>frieden sein muss man mit<br />

der ab Januar rückwirkenden Erhöhung der<br />

Regelsätze für Erwachsene von 359 Euro auf<br />

364 Euro. Eine Steigerung um 1,4 Prozent,<br />

die nicht einmal mit der aktuellen Inflationsrate<br />

mithält. Ab Januar kommen nochmals<br />

drei Euro da<strong>zu</strong>, macht weitere 0,8<br />

Prozent Steigerung aus. Dass viele Betroffene<br />

die Erhöhungen angesichts der Preissteigerungen<br />

bei Energie, Lebensmitteln<br />

und Wohnen als Hohn verstehen, verwundert<br />

nicht. Unverändert bleiben nämlich<br />

auch die Bezüge für bis Sechsjährige (215<br />

Euro), bis Dreizehnjärige (251 Euro) und bis<br />

Achtzehnjährige (287 Euro).<br />

_Zufriedenstellend fällt wenigstens die Bilanz<br />

beim begleitenden Bildungspaket aus.<br />

Weniger wegen der Bezüge selbst, mehr<br />

aufgrund der sozialen Intention. Etwa 2,5<br />

Millionen Kinder von Hartz IV-Beziehern,<br />

Wohngeldempfängern und Geringverdienern<br />

haben künftig Anspruch auf ein warmes<br />

Mittagessen sowie auf Zuschüsse für<br />

Klassenfahrten, Schulmaterial, Nachhilfe<br />

und Vereinsmitgliedschaften. In Münster<br />

können die Gutscheine ab April bei Bildungsträgern<br />

eingelöst werden, die von der<br />

Stadt <strong>zu</strong>vor geprüft wurden. Damit erkennt<br />

der Gesetzgeber erstmalig die Notwendigkeit<br />

solcher Kontakte für Kinder aus sozial<br />

schwachen Verhältnissen an. Begleitend<br />

werden dreitausend Schulsozialarbeiter<br />

angestrebt, die durch die Kommunen finanziert<br />

werden sollen. Im Gegen<strong>zu</strong>g übernimmt<br />

der Bund künftig die Grundsicherung<br />

für bedürftige Rentner in jährlicher<br />

Höhe von etwa 4 Milliarden Euro.<br />

_Soweit, so durchwachsen. Bundesweit<br />

gibt es derzeit etwa sieben Millionen Hartz<br />

IV-Bezieher einschließlich der Aufstocker.<br />

Interessanterweise sind das trotz mehrfach<br />

verschärfter Zugangsbedingungen etwas<br />

mehr Menschen als beim Start vor sechs<br />

Jahren. In Münster sind es nach Auskunft<br />

der örtlichen ARGE knapp 20.000 Personen<br />

und damit über sieben Prozent der Einwohner.<br />

Münster bleibt damit auch unter<br />

dem Bundesdurchschnitt von etwas über<br />

zehn Prozent der Bevölkerung. Städte wie<br />

Köln oder Leipzig weisen höhere Anteile<br />

auf, aber den Betroffenen hilft das nichts.<br />

_Auch die Relationen stimmen nicht. Während<br />

für allerlei Schutzschirme für schlecht<br />

wirtschaftende Banken Abermilliarden Euro<br />

aufgewendet werden, speist der Gesetzgeber<br />

die Hilfebedürftigen mit Brosamen ab;<br />

die finanziellen Mehrleistungen für den<br />

erhöhten Regelsatz (d.h. ohne Bildungspaket)<br />

belaufen sich auf lediglich 300 Millionen<br />

Euro im Jahr. Das ist viel Geld, aber<br />

allein 2010 wuchs der Schuldenberg der<br />

Öffentlichen Hand um sage und schreibe<br />

300 Milliarden Euro auf die unvorstellbare<br />

Summe von zwei Billionen Euro an (ganz<br />

nebenbei: Münsters Schulden in Höhe von<br />

740 Millionen Euro tragen da<strong>zu</strong> 0,0037 Pro-<br />

zent bei). Der Schuldenberg steig um das<br />

Tausendfache der Regelsatzerhöhung - die<br />

Prioritäten sind klar. Mittlerweile passt das<br />

Bruttonationalprodukt mehrfach in die<br />

Schuldensumme. Übrigens wäre bei solchen<br />

Zuständen für jeden Handwerker oder<br />

Unternehmer der Gang <strong>zu</strong>m Konkursrichter<br />

vorgeschrieben, aber das ist eine andere<br />

Baustelle.<br />

_Über die Ungerechtigkeiten von Hartz IV<br />

sind laufende Meter an Literatur geschrieben.<br />

Zweifelhaft ist dennoch, ob die Betroffenen<br />

ihre Stimme erheben. Scham<br />

und Geldnot bilden <strong>zu</strong>sammen eine starke<br />

Barriere. Im Sommer und Herbst des vergangenen<br />

Jahres versandeten zwei Demos<br />

<strong>zu</strong>m Thema kläglich und das lag nicht nur<br />

an König Fußball und dem Wettergott. Wer<br />

Hartz IV bezieht, hat eben gänzlich andere<br />

Sorgen als den Gang auf die Straße. Dafür<br />

eignet sich das Thema um so besser <strong>zu</strong>m<br />

vordergründigen Draufhauen auf den jeweiligen<br />

„politischen Gegner“. Egal, ob mit<br />

Mandat in Gelb, Grün, Rot oder Schwarz,<br />

sind sie alle nicht gebeutelt von Hartz IV.<br />

Die Medien haben dafür ihre verbalen<br />

Schaukämpfe, wenigstens da<strong>zu</strong> taugt der<br />

ganze Aufwand. #<br />

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