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PDF zum Download - Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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1<br />

Gute Beispiele: E<strong>in</strong>leitung<br />

Die Zukunft des Sozialstaates <strong>und</strong><br />

unsere Verantwortung<br />

H<strong>in</strong>weisschilder <strong>und</strong> Stationen auf dem Weg zur Armutsüberw<strong>in</strong>dung<br />

Für Reisende gilt: Man sieht nur das, was man (er)kennt.<br />

Man nimmt auf e<strong>in</strong>er Reise am e<strong>in</strong>drücklichsten das<br />

wahr, worauf man vorher, beispielsweise durch e<strong>in</strong>en<br />

Reiseführer, h<strong>in</strong>gewiesen <strong>und</strong> aufmerksam gemacht<br />

wurde. Ähnlich ist das auch beim Thema Armut <strong>in</strong><br />

unserer Gesellschaft.<br />

Die Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsberichte des B<strong>und</strong>es sowie<br />

e<strong>in</strong>iger Länder <strong>und</strong> Kommunen belegen, dass Deutschland<br />

gleichzeitig e<strong>in</strong> Land mit wachsendem Wohlstand <strong>und</strong> mit<br />

zunehmender Armut ist. Mit großer Sorge nehmen wir wahr,<br />

dass mitten <strong>in</strong> materiellem Reichtum die Teilhabechancen<br />

von Armen immer ger<strong>in</strong>ger werden. Der Sozialstaat erodiert,<br />

„Eigenverantwortung“ im S<strong>in</strong>ne materieller Vorsorge<br />

wird vielfach auch denen abverlangt, die dazu aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

E<strong>in</strong>kommenssituation nicht <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d. Vom wachsenden<br />

Wohlstand profitieren vor allem jene, die bereits wohlhabend<br />

oder reich s<strong>in</strong>d. Von der zunehmenden Armut s<strong>in</strong>d<br />

K<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Jugendliche überproportional betroffen, <strong>in</strong>sbesondere,<br />

wenn sie <strong>in</strong> Familien mit alle<strong>in</strong>erziehenden Eltern oder<br />

<strong>in</strong> Migrantenfamilien leben. Studien wie die des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes oder des Forschungs<strong>in</strong>stituts für<br />

K<strong>in</strong>derernährung <strong>in</strong> Bonn belegen, dass von den gegenwärtig<br />

geltenden Regelsätzen für Arbeitslosengeld (ALG) II K<strong>in</strong>der<br />

<strong>und</strong> Jugendliche weder ges<strong>und</strong> ernährt werden können noch<br />

andere elementare Bedürfnisse wie etwa Schulutensilien<br />

gedeckt werden können. Die Veröffentlichungen der<br />

Nationalen Armutskonferenz stellen anschaulich dar, dass<br />

Armut vererbt wird, genauso wie Reichtum. Arme weisen<br />

e<strong>in</strong>en deutlich schlechteren Ges<strong>und</strong>heitszustand auf<br />

als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere<br />

für K<strong>in</strong>der, die damit nicht selten für ihr ganzes Leben<br />

geschädigt werden. Dennoch treffen wir sowohl <strong>in</strong> unseren<br />

Wohngeme<strong>in</strong>den als auch <strong>in</strong> unseren <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>den auf<br />

Menschen, die sagen: „Wirkliche Armut gibt’s bei uns doch<br />

gar nicht. Bei uns muss doch ke<strong>in</strong>er verhungern.“<br />

E<strong>in</strong> Blick auf die Realität: Die Anzahl der Tafeln <strong>und</strong> Suppenküchen<br />

wächst b<strong>und</strong>esweit ständig. Die Schlangen, die sich<br />

davor bilden, werden länger. Deshalb ist es gut <strong>und</strong> wichtig,<br />

dass es solche Angebote gibt, viele mit kirchlicher Beteiligung.<br />

Alle<strong>in</strong> im Gebiet der EKHN s<strong>in</strong>d 29 Tafeln <strong>in</strong> Trägerschaft regionaler<br />

Diakonischer Werke. Gleichzeitig s<strong>in</strong>d sie e<strong>in</strong> Signal<br />

dafür, dass e<strong>in</strong> tiefer Riss durch unser Land geht. Wenn das<br />

Ziel heißt: „Gerechte Teilhabe für alle“, wie es die Synode der<br />

EKHN <strong>in</strong> ihrem Sozialwort im November 2006 ebenso wie<br />

die Synode der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> Deutschland (EKD)<br />

<strong>in</strong> ihrer Denkschrift im gleichen Jahr betont haben, dann<br />

geht es zunächst darum, die Notlagen, die aus Armut entstehen,<br />

wahrzunehmen. Darüber h<strong>in</strong>aus muss es aber unser<br />

Ziel se<strong>in</strong>, die Sozialsysteme armutsfest zu machen. So heißt<br />

es auch <strong>in</strong> dem Synodenwort der EKHN im Anschluss an<br />

das Wort der beiden großen <strong>Kirche</strong>n zur wirtschaftlichen <strong>und</strong><br />

sozialen Lage <strong>in</strong> Deutschland „Für e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>in</strong> Solidarität<br />

<strong>und</strong> Gerechtigkeit“ aus dem Jahr 1997. Zur Würde gehört es,<br />

dass Menschen möglichst selbständig <strong>und</strong> unabhängig für<br />

ihren Lebensunterhalt <strong>und</strong> den ihrer Familien sorgen können.<br />

Daher gilt es neben Hilfsangeboten, die auf die L<strong>in</strong>derung<br />

e<strong>in</strong>er unmittelbaren Notlage gerichtet s<strong>in</strong>d, Strukturen zu<br />

schaffen, die allen Menschen materielle <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Teilhabe ermöglichen.<br />

H<strong>in</strong>sehen <strong>und</strong> zur Kenntnis nehmen, wie viele K<strong>in</strong>der <strong>und</strong><br />

Jugendliche, aber auch Erwachsene von der Teilhabe an<br />

der Gesellschaft ausgeschlossen s<strong>in</strong>d, das müssen wir<br />

zunächst e<strong>in</strong>mal wollen. Manchmal braucht es dafür e<strong>in</strong>en<br />

„Reiseführer“, der uns hilft zu sehen, was tatsächlich vor<br />

Augen steht. Wie äußert sich Armut konkret <strong>in</strong> unseren<br />

K<strong>in</strong>dertagesstätten, <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen der K<strong>in</strong>der- <strong>und</strong><br />

Jugendarbeit, <strong>in</strong> den Patenschaftsprojekten <strong>und</strong> den verschiedenen<br />

Beratungsstellen? Haben Arme e<strong>in</strong>en legitimen<br />

Platz <strong>in</strong> unseren Geme<strong>in</strong>den? Die hier beschriebenen<br />

Beispiele können Wegweiser dafür se<strong>in</strong>. Sie alle beg<strong>in</strong>nen<br />

mit dem Wahrnehmen e<strong>in</strong>er Notsituation <strong>und</strong> dem Erkennen,<br />

dass es „um Gottes willen“ nicht so se<strong>in</strong> <strong>und</strong> bleiben darf,<br />

dass immer mehr Menschen an den Rand gedrängt werden.<br />

Allen gilt Gottes Zusage, dass sie unabhängig von<br />

ihren Begabungen wertvoll <strong>und</strong> erwünscht s<strong>in</strong>d. Allen<br />

gilt die Aufforderung, ihre Fähigkeiten <strong>zum</strong> Dienst an den<br />

Mitmenschen <strong>und</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Materialien der <strong>Kirche</strong>nsynode 1: Die Zukunft des Sozialstaates <strong>und</strong> unsere Verantwortung

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