Silica-Matrix - Bordeaux
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ebenzüchtung<br />
Auf Erfolgskurs<br />
48<br />
Regent – eine neue Rebsorte<br />
Dr. Rudolf Eibach,<br />
Julius Kühn-Institut, Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof<br />
Das Jahrhundert der Katastrophen<br />
im europäischen Weinbau<br />
Als französische Wissenschaftler im Jahr 1868 in Frankreich<br />
bei Saint-Rémy-de-Provence erstmals die Wurzelreblaus<br />
bei Reben fanden, konnten sie die Bedeutung<br />
dieser Entdeckung für den europäischen Weinbau ganz<br />
gewiss nicht abschätzen. Dieser Schädling sowie die<br />
ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus<br />
Nordamerika nach Europa eingeschleppten Pilzkrankheiten,<br />
der Echte Mehltau (Erysiphe necator) und der<br />
Falsche Mehltau (Plasmopara viticola), brachten den<br />
Weinbau an den Rand des Ruins. Am stärksten betroffen<br />
war Frankreich, wo die Reblaus bis 1883 ca. 800.000 ha<br />
Reben zerstörte.<br />
Die Anfänge der<br />
Resistenzzüchtung bei Reben<br />
Im Gegensatz zu den in Europa verbreiteten Rebsorten<br />
und -arten gibt es im Ursprungsgebiet der Schädlinge<br />
und Schaderreger Wildformen von Reben, die durch jahrzehntausendelange<br />
Koevolution bedingt, Resistenzeigenschaften<br />
aufweisen. Bereits um 1880, also lange vor der<br />
Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze, schlug der<br />
französische Wissenschaftler Millardet vor, diese Resistenzeigenschaften<br />
durch Einkreuzung züchterisch zu nutzen.<br />
Glücklicherweise stellten sich auf diesem Wege hinsichtlich<br />
der Reblaus relativ rasch Erfolge ein. Auf<br />
ausgewählte Nachkommen von Artkreuzungen amerikanischer<br />
Wildreben, die eine hohe Widerstandsfähigkeit<br />
gegenüber der Wurzelreblaus zeigten, wurden unsere<br />
hochanfälligen europäischen Kultursorten gepfropft. Damit<br />
war der Reblaus trotz anfänglicher Schwierigkeiten<br />
der Schrecken genommen und der Pfropfrebenanbau,<br />
der bis heute praktiziert wird, war geboren.<br />
Anders stellte sich die Situation bei den Mehltaukrankheiten<br />
dar. Kreuzungen mit amerikanischen mehltauresistenten<br />
Wildarten brachten zwar die Resistenz, aber<br />
die in den Wildarten vorhandenen schlechten Weinqualitätseigenschaften<br />
wurden ebenfalls vererbt. Dies begründete<br />
zwangsläufig die Notwendigkeit weiterer Rückkreuzungsschritte<br />
mit Qualitätssorten, mit dem Ziel, die<br />
Qualität kontinuierlich zu erhöhen und Schritt für Schritt<br />
an den von den Weinkonsumenten erwarteten Qualitätsstandard<br />
anzupassen und gleichzeitig die Resistenz zu<br />
erhalten. Ein langwieriges und zeitaufwändiges Unterfangen,<br />
dessen Dauer leider auch noch durch den bei mehrjährigen<br />
Kulturen wie Reben langen Entwicklungszyklus<br />
verlängert wird.<br />
Schnelle Lösung durch Pflanzenschutz<br />
Schnellere Lösungen zeichneten sich zunächst in anderen<br />
Bereichen ab. Die Entdeckung der fungiziden Wirkung<br />
von Schwefel und Kupfer im Jahre 1885 ließ die<br />
Winzer in Europa aufatmen, hatte man nun doch ein äußerst<br />
wirksames Instrument zur Bekämpfung der gefürchteten<br />
Mehltaukrankheiten. Damit hielt ein flächendeckender<br />
chemischer Pflanzenschutz im Vergleich zu<br />
anderen Kulturen bereits schon sehr früh Einzug im<br />
Weinbau. Bedingt durch die Biologie dieser Schaderreger<br />
sind über einen langen Vegetationszeitraum regelmäßige<br />
Behandlungen erforderlich. So ist es nicht verwunder-<br />
lich, dass – wie eine EU-Studie aus 2003 belegt<br />
– die Menge der ausgebrachten Fungizide im<br />
Vergleich zu anderen Kulturen pro Flächeneinheit<br />
deutlich höher liegt, ein Vielfaches<br />
der Aufwandmengen bei Raps, Getreide,<br />
Mais oder Zuckerrüben.<br />
Erfolge der<br />
Resistenzzüchtung<br />
Die Fortsetzung der nunmehr bereits<br />
vor über 100 Jahren initiierten Resistenzzüchtung<br />
mit der Entwicklung<br />
neuer qualitätsbetonter Rebsorten<br />
mit hoher Widerstandsfähigkeit gegenüber<br />
diesen Schaderregern ist<br />
langfristig sicherlich die aussichtsreichste<br />
Perspektive zur deutlichen<br />
Reduzierung des Pflanzenschutzaufwandes<br />
und damit zu<br />
einem umweltfreundlicheren<br />
Weinbau.<br />
An dem zum Julius Kühn-Institut<br />
gehörenden Institut für Rebenzüchtung<br />
Geilweilerhof wird<br />
die Resistenzzüchtung bereits<br />
über viele Jahrzehnte konsequent<br />
verfolgt. Mit der Entwicklung der<br />
Rotweinsorte „Regent“ konnte erstmals<br />
das Zuchtziel, die Kombination<br />
von Resistenz und Qualität, weitestgehend<br />
erreicht werden. Die Tabelle<br />
zeigt die wichtigsten Stationen im Verlauf<br />
des Zuchtganges. Sie verdeutlicht<br />
auch die lange Zuchtdauer bei Reben, in<br />
diesem Fall 29 Jahre von der Kreuzung im<br />
Jahr 1967 bis zur Einführung in die Weinbaupraxis<br />
im Jahr 1996. Intensive Prüfungen wurden<br />
über viele Jahre zunächst auf den Versuchsflächen<br />
des Instituts und später auch in Zusammenarbeit mit<br />
Winzern aus allen Weinbauregionen Deutschlands durchgeführt.<br />
Neben der Resistenzausprägung werden im Rahmen<br />
einer solchen Prüfung auch andere Merkmale, wie<br />
z. B. das Reifeverhalten oder der Zucker- und Säuregehalt<br />
berücksichtigt. Ganz besonders im Fokus steht natürlich<br />
die Weinqualität, die einerseits in nüchternen Zahlen<br />
festgehalten und durch die Erstellung von z. B. Aroma-<br />
oder Farbstoffprofilen vergleichbar gemacht wird. Andererseits<br />
ist jedoch die organoleptische Sinnesprüfung nicht<br />
minder wichtig. In zahlreichen, zum Teil auch verdeckten<br />
Weinproben wurde die Farbe begutachtet, das Aroma<br />
„erschnüffelt“ und wurden die Geschmackseindrücke bewertet.<br />
Natürlich sind solche Proben nicht frei von einem<br />
gewissen Maß an Subjektivität – aber das ist auch gut so,<br />
denn es wäre schade, wäre der individuelle Geschmack<br />
normiert. Unterm Strich jedoch waren die Ergebnisse klar<br />
und eindeutig: Regent ist eine sehr gute Ergänzung des<br />
deutschen Rotweinspektrums. Die Weine sind tiefrot,<br />
zeichnen sich im Aromaprofil durch angenehme Cassis-<br />
und Waldfrüchte-Aromen aus und ähneln vielfach Weinen<br />
aus Europas südlichen Weinländern.<br />
Die beispiellose Erfolgsgeschichte von „Regent“ geht<br />
deutlich aus der Entwicklung der Anbaufläche hervor:<br />
Neue Strukturen<br />
Der Forschungsbereich des Bundesministeriums<br />
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
(BMELV) hat seit dem 1. Januar 2008 eine<br />
neue Struktur. Die Biologische Bundesanstalt für<br />
Land- und Forstwirtschaft (BBA), die Bundesanstalt<br />
für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen<br />
(BAZ) sowie zwei Institute der Bundesforschungsanstalt<br />
für Landwirtschaft (FAL) wurden zum<br />
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut<br />
für Kulturpflanzen zusammengeschlossen.<br />
■ 04/08<br />
Foto: www.photocase.de | AndreasF.