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magazin bunsen - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...

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TAGUNGEN<br />

Irmgard Frank<br />

87. Bunsendiskussionstagung<br />

Mechanische Induzierte Chemie:<br />

Von Festkörpern zu Biosystemen<br />

Das Gebiet der mechanisch induzierten Chemie erhält in den letzten<br />

Jahren neue Impulse durch aktuelle Entwicklungen in den Nanowissenschaften.<br />

Mit AFM- und STM-Techniken ist es möglich, einzelne<br />

Moleküle zu manipulieren und eventuell chemische Reaktionen auszulösen.<br />

Parallel zu diesem Trend im experimentellen Bereich steht<br />

die Entwicklung von Moleküldynamikmethoden, die es erlauben,<br />

solche Vorgänge in vollem Detail zu erklären. Bei der 87. Internationalen<br />

Bunsen-Diskussionstagung vom 3. bis 6. Oktober in Tutzing sollte das<br />

ganze Spektrum der theoretischen Methoden aktuellen experimentellen<br />

Entwicklungen gegenüber gestellt werden. Der Schwerpunkt lag in<br />

diesem Fall bei der Theorie, speziell bei Methoden, die eine Analyse<br />

des dynamischen Verhaltens mikroskopischer Systeme erlauben.<br />

Der erste Teil der Tagung war Moleküldynamiksimulationen gewidmet,<br />

wobei zunächst klassische Moleküldynamiksimulationen an großen<br />

Systemen im Vordergrund standen. Der einleitende Vortrag von Michael<br />

Klein (Pennsylvania) gab bereits einen schönen Überblick über die verschiedenen<br />

Aspekte dieser Thematik. Auf Michael Klein selbst gehen<br />

die ersten Car-Parrinello-Moleküldynamik-Simulationen zum Thema<br />

mechanisch induzierte Chemie zurück, in denen das Verhalten eines<br />

molekularen Knotens unter Zugspannung gezeigt werden konnte<br />

[1, 2, 3]. Das Reissen wurde dabei stets am Ende oder am Knoten<br />

beobachtet. Das Verhalten der Systeme auf größeren Skalen wurde<br />

hier mit klassischer Moleküldynamik analysiert. Für die Untersuchung<br />

wesentlich größerer molekularer Systeme sind darüberhinaus in der<br />

Gruppe von Michael Klein Coarse-Grain-Methoden entwickelt worden.<br />

Hier wird vom atomaren Ansatz weggegangen, was es dann möglich<br />

macht, etwa das Eindringen von Makromolekülen in biologische<br />

Membranen zu simulieren.<br />

Klaus Schulten (Urbana) präsentierte ein breites Spektrum von Simulationen<br />

an hochkomplexen biologischen Systemen. Bereits ab 1998<br />

wurden in seiner Gruppe grundlegende Studien zur Entfaltung von<br />

Proteinen mit Steered Molecular Dynamics durchgeführt [4, 5, 6]. In<br />

diesem Zusammenhang steht auch die Idee der Interactive Molecular<br />

Dynamics, also unmittelbares Eingreifen in ein System während einer<br />

Simulation. Ein konkretes Beispiel einer Simulation der Entfaltung eines<br />

Proteins wurde von Marcos Sotomayor (Urbana) demonstriert [7].<br />

Mehrere der vorgestellten Arbeiten nutzten Ansätze zur Reaktionsbeschleunigung,<br />

insbesondere Metadynamik [8], was den Anwendungsbereich<br />

von Moleküldynamik enorm erweitert: Ute Röhrig (Rom) stellte<br />

ein System vor, das in Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung<br />

von Interesse ist. Von Giacomo Fiorin (Triest) wurde Metadynamik <strong>für</strong><br />

Untersuchungen an Calmodulin benutzt. Metadynamik repräsentiert<br />

damit einen alternativen Ansatz zur Methode des Chemical Flooding<br />

PD Dr. Irmgard Frank<br />

Department Chemie und Biochemie<br />

LMU Muenchen<br />

Butenandtstr. 11, D-81377 Muenchen<br />

Tel.: +49-89-2180-77585, Fax: +49-89-2180-77586<br />

frank@cup.uni-muenchen.de<br />

30<br />

BUNSEN-MAGAZIN · 8. JAHRGANG · 2/2006<br />

von Helmut Grubmüller (Göttingen) [9]. Dieser konnte die Effizienz seines<br />

Ansatzes an einigen kleineren Systemen sehr eindrucksvoll demonstrieren.<br />

Die Reaktionsrichtung wird hier überhaupt nicht vorgegeben,<br />

sondern lediglich das Edukt destabilisiert, während bei Metadynamik<br />

die Reaktivität entlang einiger Koordinaten gezielt erhöht wird. Ein dritter<br />

Weg, um zu größeren Zeitskalen zu kommen, wurde von Stefano Leoni<br />

(Dresden) auf dem Gebiet der Phasenübergänge aufgewiesen. Im<br />

Gegensatz zu Chemical Flooding und Metadynamik muss hier der<br />

Reaktionsweg von vornherein zumindest in Grundzügen bekannt sein.<br />

Ebenfalls um mechanisch induzierte Chemie handelt es sich bei den<br />

Arbeiten von Carla Molteni (London) und Roman Martonak (Zürich)<br />

[10]. Hier wird aber nicht Zug, sondern umgekehrt Druck angewendet,<br />

um Phasenumlagerungen studieren zu können. Mit dem kürzlich entwickelten<br />

Ansatz der Constant-Pressure-Moleküldynamik lässt sich<br />

also das Spektrum der im Bereich mechanisch induzierter Chemie<br />

zugänglichen Phänomene noch erweitern. Die vorgestellten Systeme<br />

reichten von Silizium-Clustern zu verschiedenen Silikaten. Damit<br />

ergab sich ein direkter Anknüpfungspunkt zu dem Vortrag von Vladimir<br />

Sepelak (Braunschweig), der den Bereich klassischer Mechanochemie<br />

vertrat. Neben einer sehr schönen Übersicht über die Geschichte des<br />

Gebiets zeigte er aus eigenen Arbeiten, wie durch Ausüben mechanischer<br />

Belastung gezielt die Struktur von Spinellen verändert werden<br />

kann.<br />

Der Mittelteil der Tagung galt dann vorwiegend dem Experiment. Um<br />

mikroskopische Strukturen unter mechanischer Belastung zu studieren,<br />

sind insbesondere die verschiedenen Scanning-Probe-Techniken<br />

interessant. Joachim Reichert (Münster) präsentierte SNOM-Experimente<br />

zur Untersuchung kovalent an Oberflächen gebundener<br />

optisch aktiver Systeme. Xavier Bouju (Paris) stellte eine Studie vor,<br />

die STM-Einzelmolekülexperimente und ihre theoretische Behandlung<br />

kombiniert.<br />

Die Gruppe von Matthias Rief (München) führt bereits seit vielen Jahren<br />

AFM-Zugexperimente an einzelnen Molekülen durch [11, 12, 13].<br />

Zusammen mit Hermann Gaub (München) gelangen ihm die grundlegenden<br />

Arbeiten auf diesem Gebiet an diversen Polymeren. Aktuell<br />

arbeitet die Gruppe an der Entfaltung von Filamin und Green Fluorescent<br />

Protein (GFP). Hier konnte auf Einzelmolekül-Niveau die Freie-Energie-<br />

Hyperfläche detailliert erkundet werden.<br />

Das Prinzip dieser Herangehensweise läßt sich auch auf die Untersuchung<br />

von größeren Einheiten unter mechanischer Belastung<br />

erweitern. Kay Gottschalk (München) stellte Experimente an T-Lymphozyten<br />

vor, in denen er den Charakter der Wechselwirkungen der<br />

Zellen mit Oberflächen studierte.<br />

Peter Hamm (Zürich) und Christian Renner (Nottingham) diskutierten<br />

einen anderen Zugang zur erzwungenen Konformationsänderung in<br />

Peptiden [14, 15, 16, 17]: Durch Verwendung von Azobenzol als<br />

Photoschalter gelingt es, Konformationsänderungen auszulösen.

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