magazin bunsen - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
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DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Abbildung 1: Schematische Darstellung des Prinzips einer Moleküldynamiksimulation<br />
unter Zugspannung. Ein Polysaccharid (skizziert ist ein kleiner Ausschnitt)<br />
wird zunehmend gestreckt. Dabei tritt zunächst eine Entfaltung, später<br />
Deformation von Bindungswinkeln und -längen auf. Im Fall von Amylose<br />
konnte ein direkter Zusammenhang zwischen der Simulation und<br />
den AFM-Daten hergestellt werden [11, 23] (zur Verfügung gestellt von<br />
H. Grubmüller).<br />
Diese Änderungen der molekularen Struktur können auf kürzesten<br />
Zeitskalen (einige Pikosekunden) mit zeitaufgelöster IR-Spektroskopie<br />
sehr genau studiert werden.<br />
Eine Reihe von Vorträgen fokussierten auf den Einsatz von Fluoreszenzmethoden<br />
an einzelnen Molekülen. John Lupton (München)<br />
sprach über Fluoreszenzstudien an konjugierten Polymeren. Mit Einzelmolekülexperimenten<br />
ist es möglich, die Zahl der Chromophore auf<br />
einem ausgedehnten Polymer zu bestimmen [18, 19]. Von besonderer<br />
Relevanz sind diese Experimente in Zusammenhang mit der Entwicklung<br />
von organischen Leuchtdioden. Michael Börsch (Stuttgart) nutzte FRET-<br />
Techniken, um F0F1-ATP-Synthase zu untersuchen. Diese Methodik<br />
ermöglicht es, die Bewegung einzelner Untereinheiten in Realzeit zu<br />
studieren. Ralf Kühnemuth (Düsseldorf) stellte die Entwicklung einer<br />
Kombination von Einzelmolekülkraftmikroskopie und Einzelmolekülspektroskopie<br />
vor. Ziel ist dabei, die Änderung spektroskopischer<br />
Eigenschaften unter mechanischer Belastung zu verstehen.<br />
In direktem Bezug zu solchen experimentell beobachteten Phänomenen<br />
stand der Vortrag von Udo Seifert (Stuttgart) aus dem Bereich der<br />
statistischen Mechanik, der Anwendungen des Jarzynski-Theorems<br />
im biologischen Bereich vorstellte.<br />
Den Abschluss bildeten wieder zwei theoretische Sitzungen, eingeleitet<br />
mit den Vorträgen von Dominik Marx (Bochum) und Ivan Stich<br />
TAGUNGEN<br />
(Bratislava). Die Car-Parrinello-Moleküldynamik-Simulationen der<br />
Bochumer Gruppe zur Erzeugung eines Gold-Nanowires unter Zugspannung<br />
haben einen großen Bekanntheitsgrad erreicht [20, 21]. Sie<br />
zeigen besonders eindrucksvoll, welche bemerkenswerten Phänomene<br />
auf dem Bereich der Nanometerskala durch mechanischen Zug ausgelöst<br />
werden können. Ivan Stich präsentierte ähnliche Simulationen<br />
unter Verwendung von Kupferoberflächen und diskutierte den Unterschied<br />
zwischen beiden Metallen im Rahmen relativistischer Effekte.<br />
Daniel Sebastiani (Mainz) stellte eine Pfad-Integral-Moleküldynamik-<br />
Studie vor. Mit dieser Erweiterung von Car-Parrinello-Moleküldynamik<br />
ist es möglich, über den rein klassischen Ansatz <strong>für</strong> die Kernbewegung<br />
hinauszugehen und auch hier Quanteneffekte zu berücksichtigen.<br />
Am Ende der Tagung präsentierte schliesslich Gotthard Seifert (Dresden)<br />
Simulationen mit Tight-Binding-DFT. Seine Untersuchungen von<br />
beispielsweise Molybdänsulfid-Nanoröhren unter extremer Zugspannung<br />
zeigten eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit seiner Methode<br />
im Bereich anorganischer Systeme [22].<br />
In der abschließenden Zusammenfassung durch Klaus Schulten wurde<br />
deutlich, wie vielfältig und breit das Gebiet der mechanisch induzierten<br />
Chemie ist, selbst dann wenn man sich auf die Betrachtung der Phänomene<br />
auf atomarer Skala beschränkt. Mit dem Spektrum der verschiedenen<br />
Moleküldynamikansätze und mit Methoden der statistischen<br />
Mechanik können in neuerer Zeit hochkomplexe Vorgänge<br />
erklärt werden. Zusammen mit spannenden Entwicklungen bei den<br />
Einzelmolekülmethoden können ganz neuartige Einblicke in die Vorgänge<br />
auf kleinsten Längen- und Zeitskalen bei extremen Bedingungen<br />
gewonnen werden.<br />
Abbildung 2: Entfaltung des Muskelproteins Titin (I-Band-Region) in<br />
Wasser, simuliert mit Steered Molecular Dynamics (zur Verfügung gestellt<br />
von K. Schulten).<br />
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