magazin bunsen - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
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DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Mit den großen Fortschritten in der theoretischen Methodenentwicklung<br />
in den letzten Jahren ist ein weiterer Partner hinzugekommen,<br />
der sich bei dem selbst gesteckten Ziel, ein so komplexes System<br />
wie einen Realkatalysator zu verstehen, als praktisch unverzichtbar<br />
erwies, die Quantenchemie. Hier gelang es, den Schritt von der<br />
realitätsfernen Annahme eines bei 0 K adsorbierten Einzelmoleküls zu<br />
einem bei endlicher Temperatur adsorbierten Ensemble von Molekülen<br />
zu vollziehen. Das chemische Potential geht als Parameter in die<br />
Rechnungen mit ein, womit die Drucklücke, was die reinen Adsorbatphasen<br />
angeht, in der Theorie überbrückbar wird. Auch kinetische<br />
Parameter lassen sich in Rechnungen ermitteln. Mit der in Dichtefunktional-Rechnungen<br />
erzielbaren Genauigkeit lässt sich die Zahl<br />
möglicher Mechanismen oft soweit einengen, dass das Experiment<br />
zwischen den verbleibenden Möglichkeiten entscheiden kann. Darüber<br />
hinaus gibt es eine Anzahl von Fragestellungen, die experimentell nur<br />
schwierig oder gar nicht zugänglich sind, die aber die Theorie sehr<br />
wohl beantworten kann. Beispiele sind die Ausbildung bestimmter<br />
Zwischenphasen bei der Oxidation eines Metalls (subsurface-Sauerstoff)<br />
oder der spezifische Beitrag bestimmter Konfigurationen des<br />
Katalysators (aktive Zentren) zur Reaktion.<br />
Für ein Gelingen des Brückenschlages sind wesentliche Fortschritte<br />
nicht nur auf der theoretischen Seite, sondern auch im experimentellen<br />
Bereich zu verzeichnen. Ein erster methodischer Ansatz besteht<br />
hier darin, <strong>für</strong> in-situ-Messungen bei Atmosphärendruck und darüber<br />
hinaus, Photonen statt Elektronen zu verwenden: Röntgenbeugung<br />
(XRD), Infrarotspektroskopie oder auf nicht-linearer Optik beruhende<br />
Methoden wie Summenfrequenzerzeugung (SFG) etc. wurden so<br />
zunehmend etabliert. Durch die Kombination von differentiellem<br />
Pumpen mit der hohen Leuchtdichte von Synchrotronstrahlung ließ<br />
sich schließlich der Einsatz der Röntgenphotoelektronenspektroskopie<br />
(XPS) und der kantennahen Röntgenabsorptionsspektroskopie von<br />
p < 10 -3 mbar bis zu 1 mbar ausdehnen, was die Drucklücke schon auf<br />
wenige Größenordnungen verkürzt. Mit dem Fortschritt bei<br />
leistungsfähigen Synchrotronquellen hängt auch die Entwicklung so<br />
genannter spektromikroskopischer Methoden zusammen, die zwar<br />
nicht die Drucklücke überbrücken, aber neue Einblicke in die Dynamik<br />
eröffnen, da sie chemische Information mit hoher Orts- und genügender<br />
Zeit-Auflösung kombinieren.<br />
Das erfolgreiche Zusammenwirken der verschieden Disziplinen soll<br />
hier an zwei Beispielen demonstriert werden, an der katalytischen<br />
CO-Oxidation an Ruthenium [5,9,10] und an der Styrolsynthese über<br />
Eisenoxidkatalysatoren [11-13]. Unter UHV-Bedingungen weist ein<br />
Ru(0001)-Einkristall nur eine sehr geringe katalytische Aktivität auf. Erhöht<br />
man jedoch den Druck auf einen Wert oberhalb von 10 -5 mbar<br />
(reines O2), so steigt die Reaktivität um mehrere Größenordnungen<br />
an. Diese Aktivierung des Katalysators beruht auf der Ausbildung<br />
einer dünnen Oxidschicht von RuO2, die epitaktisch in der (110)-Orientierung<br />
aufwächst und auf der Sauerstoffhaftkoeffizienten bis zu<br />
0,7 gemessen wurden [5]. Mikroskopisch lässt sich die hohe Aktivität<br />
auf die Existenz so genannter cus-Bindungsplätze (cus= coordinatively<br />
unsaturated sites) an der Oberfläche zurückführen, bei denen einer<br />
oder mehrere der 6 O-Liganden aus der Oktaederkonfiguration, die<br />
das Ruthenium im Volumen besitzt, fehlen, so dass diese Atome über<br />
freie Valenzen verfügen, an denen O2 oder CO aus der Gasphase adsorbieren<br />
können. DFT-Rechnungen des Phasendiagramms zu<br />
Ru(0001)/CO+O2 im thermodynamischen Grenzfall verschwindender<br />
Reaktivität zeigen, dass in Übereinstimmung mit dem Experiment die<br />
höchste katalytische Aktivität an den Phasengrenzlinien bei Koexistenz<br />
von CO und O zu finden ist [9]. Die genaue Natur der subsurface-<br />
O-Phase, die unterhalb des Oxids existiert, ist noch nicht letztgültig<br />
geklärt: DFT-Rechnungen favorisieren ein Drei-Schichten-Modell,<br />
ASPEKTE<br />
während einige experimentelle Hinweise <strong>für</strong> ein "vergrabenes" Oxid<br />
sprechen (s. Abb. 2). Auf SiO2 oder Al2O3 geträgertes RuO2 weist<br />
eine ähnlich hohe Aktivität auf wie epitaktisch gewachsenes<br />
RuO2(110), so dass neben der Drucklücke auch die Materiallücke geschlossen<br />
werden konnte [10].<br />
Abb. 2: Die Oberflächenchemie des Systems Ruthenium-Sauerstoff.<br />
Chemisorbierter Sauerstoff, Oberflächenoxide, "vergrabene" Oxide<br />
und "Subsurface-Sauerstoff" kommen nebeneinander vor. STM-Bilder<br />
(5 nm x 5 nm) der Ru(0001)-(1x1)-O-Phase (links) und der RuO2(110)-<br />
Phase (rechts) sind ebenfalls gezeigt ( Nach Ref. 5).<br />
Styrol wird durch Dehydrierung von Ethylbenzol über Kalium-promotierten<br />
Eisenoxidkatalysatoren synthetisiert. Eine weitgehende Aufklärung<br />
des Mechanismus gelang durch eine Kombination von Surface-<br />
Science-Methoden mit Reaktionsstudien bei realistischen Drücken<br />
(Abb. 3).<br />
Abb. 3: Styrolsynthese: Kombination von UHV-Kammer und Reaktorkammer,<br />
schematisch. In der UHV-Kammer werden planare Modellkatalysatoren<br />
<strong>für</strong> die Styrolsynthese präpariert und charakterisiert. Beispiel<br />
links: Strukturelle Charakterisierung durch LEED und STM und<br />
daraus gewonnenes Strukturmodell <strong>für</strong> einen α-Fe2O3(0001)-Film. In<br />
der Reaktorkammer wird der katalytische Umsatz über diesen Proben<br />
bei realistischen Drücken gemessen. Beispiel rechts oben: Umsatz zu<br />
Styrol über α-Fe2O3(0001)-Film. Punkte: gemessen; Linie: Mikrokinetische<br />
Modellierung.<br />
Im UHV präparierte und hinsichtlich ihrer Struktur, ihrer Zusammensetzung<br />
und ihrer Wechselwirkung mit den relevanten Gasen charakterisierte<br />
planare Eisenoxidfilme wurden unter Vakuum in den Reaktor<br />
transferiert wo die Reaktivität und die Deaktivierung dieser<br />
Modellkatalysatoren vermessen wurde [11]. Es zeigte sich, dass<br />
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