Kreuzallergie Kobalt – Nickel - Zahnheilkunde.de
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462 • PRAXIS WISSENSWERTES FÜR DEN PRAKTIKER<br />
H. Tschernitschek<br />
Kontaktallergien auf die Metalle <strong>Nickel</strong> und Palladium,<br />
<strong>de</strong>ren Legierungen sowie potentielle <strong>Kreuzallergie</strong>n zwischen<br />
<strong>Nickel</strong> und Palladium wur<strong>de</strong>n in zahnmedizinischen<br />
Fachzeitschriften [z. B. 1, 12, 13] und in zahnmedizinischen<br />
Fachbüchern [z. B. 8, 10] vielfach beschrieben.<br />
Auch offizielle Stellen wie das BGA (1993) publizierten<br />
schon vor mehr als zehn Jahren entsprechen<strong>de</strong> Warnungen<br />
[2].<br />
Man geht davon aus, dass über 50 % <strong>de</strong>r Patienten mit<br />
positiver Testreaktion auf <strong>Nickel</strong> im Epikutantest auch Sensibilisierungen<br />
gegenüber Palladiumsalze aufweisen [6, 9].<br />
Weitgehend unbemerkt von <strong>de</strong>r zahnmedizinischen<br />
Fachliteratur blieb die Tatsache <strong>de</strong>r potentiellen <strong>Kreuzallergie</strong><br />
zwischen <strong>Nickel</strong> und <strong>Kobalt</strong>. Auf Kopplungsallergien<br />
zwischen <strong>Nickel</strong> und <strong>Kobalt</strong> wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>rmatologischen<br />
Fachzeitschriften schon in <strong>de</strong>r zweiten Hälfte <strong>de</strong>s<br />
letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts hingewiesen [3, 4, 7]. Man geht<br />
davon aus, dass ein Drittel aller <strong>Nickel</strong>allergiker auch<br />
Reaktionen auf <strong>Kobalt</strong>chlorid zeigen [3, 6].<br />
Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n auch wesentlich seltenere Koppelungsallergien<br />
von <strong>Nickel</strong> mit Kupfer [3] und Chrom [4]<br />
beschrieben.<br />
Schon in <strong>de</strong>n üblichen Aufklebern auf Allergiepässen<br />
wird auf die potentielle <strong>Kreuzallergie</strong> zwischen <strong>Nickel</strong><br />
und <strong>Kobalt</strong> hingewiesen. So ist bei <strong>de</strong>m Standardaufkleber<br />
für <strong>Nickel</strong>(II)-sulfat vermerkt: „Gruppenallergie: häufig<br />
<strong>Kobalt</strong>, Palladium und an<strong>de</strong>re Metallsalze“. Trotz<strong>de</strong>m<br />
fin<strong>de</strong>t eine entsprechen<strong>de</strong> Berücksichtigung durch Zahnärzte<br />
bei <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>r zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Legierungen oft<br />
nicht statt.<br />
Obwohl allergische Reaktionen auf <strong>Kobalt</strong> o<strong>de</strong>r Chrom<br />
enthalten<strong>de</strong> Legierungen z. B. für Mo<strong>de</strong>llgussversorgun-<br />
H. Tschernitschek 1 , W. Geurtsen 2<br />
<strong>Kreuzallergie</strong><br />
<strong>Kobalt</strong> <strong>–</strong> <strong>Nickel</strong><br />
gen auf Grund ihrer hohen Korrosionsresistenz extrem<br />
selten sind [5], können solche Reaktionen nicht prinzipiell<br />
ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n [11]. Deshalb sollte ein Zahnarzt,<br />
schon um forensischen Problemen vorzubeugen, bei<br />
<strong>Nickel</strong>-allergischen Patienten die Indikation kobaltund/o<strong>de</strong>r<br />
chromhaltiger Legierungen sorgfältig abwägen,<br />
ihren Einsatz im Vorfeld mit <strong>de</strong>m Patienten besprechen<br />
und die erfolgte Aufklärung dokumentieren. Gegebenenfalls<br />
sind auch weitere Epikutantestungen zu veranlassen<br />
o<strong>de</strong>r alternative Materialien zu wählen.<br />
Literatur:<br />
1. Brehler R: Verdachtsdiagnose Materialunverträglichkeit. Zahnärztl Mitt 96,<br />
78-80 (2006)<br />
2. Bun<strong>de</strong>sgesundheitsamt: BGA-Empfehlungen zu Dental-Legierungen. Zahnärztl<br />
Mitt 81, 40 (1993)<br />
3. Cavielier C, Fousserau J: Kontaktallergie gegen Metalle und <strong>de</strong>ren Salze. Teil<br />
II: <strong>Nickel</strong>, <strong>Kobalt</strong>, Quecksilber und Palladium. Dermatosen 43, 152-162 (1995)<br />
4. Clark R, Kunitsch G: Statistische Untersuchung zur Frage <strong>de</strong>r <strong>Kreuzallergie</strong><br />
bei Metallsalzen. Berufs<strong>de</strong>rmatosen 20, 222-238 (1972)<br />
5. Figgener L: Dentallegierungen und Allergie <strong>–</strong> Ein Fallbericht. Dtsch Zahnärztl<br />
Z 47, 33-35 (1992)<br />
6. Khamaysi Z, Bergman R, Weltfriend S: Positive patch test reactions to allergens<br />
of the <strong>de</strong>ntal series and the relation to the clinical presentations. Contact<br />
Dermatitis 55, 216-218 (2006)<br />
7. Korossy S, Nebenführer L, Vincze E: Häufigkeit und Relevanz <strong>de</strong>r einzelnen<br />
chemischen Gruppen- und Kopplungsallergien. Z Hautkr 56, 137-144 (1981)<br />
8. Marxkors R, Meiners H: Taschenbuch <strong>de</strong>r zahnärztlichen Werkstoffkun<strong>de</strong>. 5.<br />
Auflage, Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln 2005, S. 283<br />
9. Schaffran RM, Strorrs FJ, Schalock P: Prevalence of gold sensitivity in asymptomatic<br />
individuals with gold <strong>de</strong>ntal restorations. Am J Contact Dermat 10,<br />
201 (1999)<br />
10. Schmalz G, Arenholt-Bindslev B: Biokompatibilität zahnärztlicher Werkstoffe.<br />
Urban & Fischer Verlag, München 2005, S. 230<br />
11. Tschernitschek H, Wolter S, Körner M: Allergien auf Zahnersatzmaterialien.<br />
Dermatosen 46, 244-248 (1998)<br />
12. Tschernitschek H, Borchers L, Geurtsen W: Palladium <strong>–</strong> Geschichte eines ungeliebten<br />
Metalls. Dtsch Zahnärztl Z 56, 147-154 (2001)<br />
1 Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomedizinische Werkstoffkun<strong>de</strong> (Direktorin: Prof. Dr. M. Stiesch-Scholz)<br />
2 Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive <strong>Zahnheilkun<strong>de</strong></strong> (Direktor: Prof. Dr. W. Geurtsen)<br />
Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 63 • 2008 • 7 • © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
H. Tschernitschek et al.: <strong>Kreuzallergie</strong> <strong>Kobalt</strong> <strong>–</strong> <strong>Nickel</strong> PRAXIS • 463<br />
13. Wataha JC, Hanks CT: Biological effects of palladium and risk of using palladium<br />
<strong>de</strong>ntal casting alloys. J Oral Rehabil 23, 309-320 (1996)<br />
• Korrespon<strong>de</strong>nzadresse:<br />
Prof. Dr. Harald Tschernitschek<br />
Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Biomedizinische<br />
Werkstoffkun<strong>de</strong><br />
Medizinische Hochschule Hannover<br />
Carl-Neuberg-Str. 1<br />
D- 30625 Hannover<br />
E-Mail: Tschernitschek.Harald@mh-hannover.<strong>de</strong><br />
ZEITSCHRIFTENREFERAT<br />
Langfristiger Erfolg weitspanniger<br />
Brücken auch bei parodontal<br />
stark vorgeschädigten Pfeilerzähnen<br />
Lulic, M., Brägger, U., Lang, N. P., Zwahlen, M., Salvi, G. E.: Ante’s<br />
(1926) law revisited: a systematic review on survival rates<br />
and complications of fixed <strong>de</strong>ntal prostheses (FDPs) on severely<br />
reduced periodontal tissue support. Clin Oral Impl<br />
Res 18 (Suppl. 3), 63-72 (2007)<br />
Gera<strong>de</strong> nach erfolgreicher parodontaler Therapie stellt sich<br />
insbeson<strong>de</strong>re im parodontal schwer geschädigten Restgebiss<br />
die Frage nach adäquatem Zahnersatz. Das Ante‘sche<br />
Gesetz for<strong>de</strong>rt, dass die Gesamtfläche <strong>de</strong>s Desmodonts <strong>de</strong>r<br />
Pfeilerzähne min<strong>de</strong>stens <strong>de</strong>r Fläche <strong>de</strong>s Desmodonts <strong>de</strong>r zu<br />
ersetzen<strong>de</strong>n Zähne entsprechen müsse. An<strong>de</strong>renfalls wür<strong>de</strong>n<br />
die Pfeilerzähne überlastet und eine Progression <strong>de</strong>s<br />
Knochenbaus wäre die Folge. Herausnehmbarer Zahnersatz<br />
bekommt <strong>de</strong>shalb und wegen <strong>de</strong>s vermeintlichen Vorteils<br />
<strong>de</strong>r „Erweiterbarkeit“ häufig <strong>de</strong>n Vorzug. Vor diesem<br />
Hintergrund sollten mittels einer Metaanalyse die Überlebensraten<br />
sowie die biologischen und technischen Komplikationen<br />
weitspanniger Brücken als Zahnersatz in parodontal<br />
schwer geschädigten aber erfolgreich parodontal<br />
therapierten Dentitionen untersucht wer<strong>de</strong>n.<br />
Mittels MEDLINE- und Handrecherche (1966 <strong>–</strong> 2006)<br />
wur<strong>de</strong>n sechs Artikel gefun<strong>de</strong>n, die die folgen<strong>de</strong>n Kriterien<br />
erfüllten: 1) Nachuntersuchungszeitraum ≥ 5 Jahre,<br />
2) parodontal schwer geschädigte Pfeilerzähne (klinische<br />
o<strong>de</strong>r Röntgenparameter), 3) weitspannige Brücken<br />
(FDPs), die nicht das Ante’sche Gesetz erfüllen, 4) FDPs<br />
mit min<strong>de</strong>stens vier Pfeilerzähnen, 5) Erhebung klinischer<br />
Parameter bei <strong>de</strong>n Nachuntersuchungen, 6) Informationen<br />
über <strong>de</strong>n parodontalen Status <strong>de</strong>r Pfeilerzähne.<br />
Die 5-Jahresüberlebensrate weitspanniger Brücken<br />
(n = 579) im parodontal schwer geschädigten aber sa-<br />
nierten Gebiss lag bei 96,4 % (95 %-Konfi<strong>de</strong>nzintervall:<br />
94,6 - 97,6 %), die 10-Jahresüberlebensrate (n = 79) bei<br />
92,9 % (95 %-Konfi<strong>de</strong>nzintervall: 89,5 % - 95,3 %). Für die<br />
Pfeilerzähne (n = 274) lagen die Überlebensraten nach<br />
fünf Jahren bei 97,5 % und nach zehn Jahren bei 95 %.<br />
Folgen<strong>de</strong> Raten biologischer Komplikationen wur<strong>de</strong>n<br />
beobachtet (nach 5 Jahren/10 Jahren): bewegliche FDPs:<br />
3,1 %/6,2 %; Pfeiler mit Karies: 0,9 %/ 1,9 %; Pfeiler mit endodontischen<br />
Komplikationen: 3,6 %/7 %. Folgen<strong>de</strong> Raten<br />
technischer Komplikationen wur<strong>de</strong>n beobachtet<br />
(nach 5 Jahren/10 Jahren): Dezementierung: 2,2 %/4,6 %;<br />
Pfeilerfraktur: 1,9 %/3,7 %; Gerüstfraktur: 2,1 %/4,2 %.<br />
Unter <strong>de</strong>r Voraussetzung erfolgreicher parodontaler<br />
Therapie und insbeson<strong>de</strong>re engmaschiger Nachsorge ist<br />
es möglich, auch auf parodontal schwer vorgeschädigten<br />
Pfeilerzähnen mit guter Langzeitprognose festsitzen<strong>de</strong>n<br />
Zahnersatz unter Missachtung <strong>de</strong>s Ante’schen Gesetzes<br />
zu realisieren. Einschränkend muss allerdings festgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n, dass alle sechs berücksichtigten Studien aus zwei<br />
spezialisierten Kliniken Schwedischer Universitäten<br />
stammten. Eine Verallgemeinerung auf die tägliche Praxis<br />
<strong>de</strong>s nie<strong>de</strong>rgelassenen Zahnarztes ist <strong>de</strong>shalb nur eingeschränkt<br />
möglich.<br />
Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift • 63 • 2008 • 7 • © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln<br />
P. Eickholz, Frankfurt