2001/2003 24 Pflichttäter Öl auf Leinwand, 2001/2003 120 x 100 cm Lager-Nr. BK 13426 (Zustand 23. Juli 2003)
Diskussionsbeitrag aus dem Plenum des VIII. Kongresses des Verbandes Bildender Künstler der DDR 21. bis 23. November 1978 aus: Bildende Kunst, <strong>Berlin</strong>/DDR 3/1979 Bernhard Heisig Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir Ich will Ihnen sagen, daß ich einige Schwierigkeiten habe, das vorzutragen, was zu sagen ich mir vorgenommen habe. Bei näherem Hinsehen und in Gesprächen habe ich bemerkt, daß es mißverständlich sein kann. Das soll mich allerdings nicht weiter stören. Man kann, wenn man will, so ziemlich alles mißverstehen. Es geht mir um meine Beobachtung, daß so langsam, aber ziemlich sicher die großen Bildstoffe abhanden kommen, also das, was doch wenigstens auch der Anlaß zum Machen ist. Das sogenannte Menschliche, manchmal allzu Menschliche, scheint mehr und mehr in den Blickpunkt zu kommen. Und warum zunächst auch nicht? Wenn man bedenkt, was an thematischen Gewaltsamkeiten noch vor der VII. Kunstausstellung strapaziert wurde, muß man akzeptieren, daß es auch um Persönlichstes, immer den Bildstoff gemeint, zu gehen habe. (...) Ich war ohnehin erstaunt, als ich die Entrüstung erfuhr über meine Bemerkung, daß ich die menschliche Figur für das ausdrucksfähigste und ausdruckswürdigste Medium des bildenden Künstlers halte und ich nicht glauben könne, daß auf abgegrasten Weiden die Kühe noch fett würden. Ich meinte damit eine Kunst – ich sage ausdrücklich Kunst, denn ich halte sie dafür, trotz gegensätzlicher Position –, die sich bereits ausgiebig artikuliert hat, für die offenbar aber eine ArtNachholbedürfnis bei uns besteht. Das zu untersuchen, ist hier nicht meine Sache. Die Entrüstung über meine Bemerkung im »Neuen Deutschland« anläßlich eines Interviews kam von Künstlergruppierungen, die solches zum Gegenstand ihrer Bemühungen gemacht hatten. Ich habe mich mit viel Fleiß bei der Jury zur VIII. Kunstausstellung dafür eingesetzt, daß auch diese Auffassungen ihren Platz fanden. Nun sagte mir vor einigen Tagen in Leipzig eine Kunstwissenschaftlerin, daß wir doch bitte nicht so sicher sein sollten mit künstlerischen Maximen, daß eine heranwachsende Generation ihren Kunstbegriff keineswegs von der Bedeutung der menschlichen Figur und ihren gesellschaftlichen Bezugssystemen ableiten müßte, daß besonders auch die Mittler – also Kritiker und Wissenschaftler – vielleicht andere Vorstellungen von bildender Kunst hätten, als ich und meinesgleichen sie postulieren würden. Nun, ich bestreite das nicht. Ich bedaure immer, daß die Möglichkeiten, sich künstlerisch und kritisch einzupegeln, durch Reiseschwierigkeiten noch nicht gegeben sind und die lokalen Aspekte, der vermeintliche Nachholbedarf, dadurch unnötig hochgespielt und falsch akzentuiert wird. Freilich muß auch der Einwand gestattet sein, daß sich materiell nicht kristallisieren kann, was sich im Bericht des Materiellen noch nicht befindet. Das heißt im Klartext: Wir wollen erst mal die Dinge – ich spreche ausdrücklich nicht nur von Bildern – abwarten, und dazu werden ja mindestens die nächsten Bezirkskunstausstellungen Gelegenheit geben. Die liebenswürdige Kunstwissenschaftlerin sah die Sache, wie ich meine, etwas befangen an. Ich selbst war ja mal mit der Forderung, den Realismusbegriff zu erweitern, bei einem solchen Kongreß – es war, glaube ich, in Oberschöneweide – heftig an den Baum gefahren. Ich hatte ebenso wie die Kollegin übersehen, daß sich Realismus nicht auf Personen und Stiltendenzen festlegen läßt. Einige, die das schon immer wußten – das sagen sie jetzt –, hatten das übrigens auch übersehen. Man nennt das bei ihnen »aus der historischen Situation gewachsene Irrtümer«. (Heiterkeit) Gleichviel, jedenfalls hatte sich plötzlich oder kontinuierlich, wie man will, der Realismusbegriff von selbst erweitert, sogar ohne zentrale Arbeitsgruppe. 25