St. Fidelis Blatt Nr. 4/2012 - slw – Soziale Dienste der Kapuziner
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4-<strong>2012</strong><br />
Wie<strong>der</strong> zu sich finden<br />
Peter Meraner leitete 20 Jahre die<br />
Marketingabteilung einer großen<br />
Tiroler Bank. Werbeauftritte, Benefizveranstaltungen<br />
für das Elisabethinum<br />
und die Bubenburg sowie<br />
Pressetermine prägten seinen Alltag.<br />
Als sein Körper erste Anzeichen<br />
von Überlastung anmeldet,<br />
kümmert er sich wenig darum.<br />
Auf Erfolg getrimmt, arbeitet Meraner<br />
weiter, immer bemüht, möglichst<br />
perfekt zu sein. Immer öfter<br />
kreisen seine Gedanken<br />
um Krisenszenarien. Sorgenvolle<br />
Gedanken und<br />
Träume blockieren und<br />
belasten ihn.<br />
Schlaflosigkeit, Schweißausbrüche<br />
und Müdigkeit<br />
am Tag macht er mit Kaffee<br />
und Alkohol wett.<br />
„Acht Jahre lang habe ich<br />
die Symptome ignoriert“,<br />
erklärt er rückblickend.<br />
„Ich suchte nach Ausreden<br />
und war dabei auch<br />
erfolgreich. Ich wollte<br />
auch nichts merken.“<br />
Als er schließlich drei<br />
Wochen ohne Schlaf zubringt,<br />
holt ihn ein befreundeter<br />
Arzt in die Klinik.<br />
Nach mehreren Untersuchungen<br />
hält er den<br />
Befund in <strong>der</strong> Hand:<br />
Burnout.<br />
Ausgebrannt<br />
„Ich war froh um die Diagnose. Da<br />
musste ich nichts mehr verbergen.<br />
Ich hatte es schwarz auf weiß und<br />
konnte beginnen, mich darum zu<br />
kümmern.“ Peter Meraner sucht eine<br />
Spezialklinik auf und wird drei<br />
Monate von Profis betreut.<br />
Ein Therapeut diagnostiziert einen<br />
starken Hang zum Perfektionismus.<br />
Ein Grund für die Überarbeitung.<br />
AUS DEM LEBEN 5<br />
„Wenn man dem Burnout ehrlich<br />
ins Auge schaut, entdeckt man<br />
Unangenehmes“, sagt Peter Meraner<br />
und erzählt von starken Geschwistern<br />
und Eltern und von <strong>der</strong><br />
unerfüllten Sehnsucht nach Anerkennung.<br />
Wurzeln in <strong>der</strong> Kindheit<br />
„Mein Vater hat mir nie gesagt,<br />
dass ich was gut gemacht habe“,<br />
erklärt <strong>der</strong> 50-Jährige.<br />
Gleichzeitig zeigt er Verständnis<br />
für den Vater, <strong>der</strong> es selber im Leben<br />
noch viel härter hatte.<br />
Mit Hilfe von Therapeuten stellt er<br />
sich seinen Problemen. Er lernt<br />
unnötige Sorgen abzulegen und<br />
sich selber anzunehmen. Entspannungsübungen,<br />
Autogenes Training<br />
und einfache bewusste Atmenübungen<br />
helfen ihm wie<strong>der</strong><br />
zurück auf den Boden zu kommen.<br />
„Wenn man einen Job hat, in dem<br />
man 100 <strong>St</strong>unden in <strong>der</strong> Woche arbeiten<br />
kann, ist es leicht wegzuschauen“,<br />
erzählt <strong>der</strong> Manager.<br />
Heute ist er sensibler. Er kennt die<br />
Angst vor dem Scheitern, die Sorgen<br />
am Arbeitsplatz aus Erfahrung.<br />
Fürchte dich nicht<br />
„Viele meinen, die einzige Arbeit,<br />
die sie beherrschen, ist die, die sie<br />
gerade tun“, sagt <strong>der</strong><br />
ehemalige Manager. „Das<br />
stimmt aber nicht: Man<br />
kann ruhig die Tätigkeit<br />
verän<strong>der</strong>n, denn man ist<br />
zu allem im <strong>St</strong>and!“<br />
Nach seinem Burnout<br />
und sieben Monaten <strong>der</strong><br />
Genesung verlässt er die<br />
„<strong>St</strong>ätte meines Unfalls“<br />
und wird Gastronom.<br />
Peter Meraner hat seither<br />
gelernt, bewusster zu leben:<br />
Einmal tief Atem<br />
holen o<strong>der</strong> bei einem<br />
Bissen Schokolade innehalten<br />
und den aufsteigendenKindheitserinnerungen<br />
Raum geben.<br />
„Früher konnte ich<br />
im besten Restaurant<br />
speisen und Verhandlungen<br />
führen, während<br />
mein Geist sich ganz an<strong>der</strong>e<br />
Sorgen machte.“<br />
Heute gelingt es ihm<br />
wie<strong>der</strong>, ein Bier zu genießen,<br />
in <strong>der</strong> Sonne zu sitzen und<br />
dankbar für den Moment zu sein.<br />
„Ich hab viel versäumt, weil ich<br />
nicht anwesend war!“, wun<strong>der</strong>t er<br />
sich rückblickend. Heute bezeichnet<br />
er diese Erkenntnis als wichtigsten<br />
Wendepunkt.<br />
„Wenn es mir gelingt, den Moment<br />
zu genießen, lade ich neue<br />
Energien und bin in mir.“ PS