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Arbeits- und Organisationspsychologie Grundlagen der ... - www-user

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<strong>Arbeits</strong>- <strong>und</strong> <strong>Organisationspsychologie</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitspsychologie<br />

Thomas Kieselbach<br />

VAK.Nr.:11-4702<br />

„Stress in arbeitspsychologischer Sicht“<br />

Stephanie Pöser<br />

Judith Schirowski


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung......................................................................................................................3<br />

2. Stressforschung <strong>und</strong> Stressmodelle...............................................................................4<br />

3. Kritik an Konzeptionen <strong>und</strong> Methoden in <strong>der</strong> Stressforschung....................................7<br />

4. Schwerpunkte <strong>der</strong> Untersuchungen über betrieblichen Stress......................................7<br />

2<br />

SEITE<br />

5. Klassifikationsversuche für stressauslösende Situationen.........................................…8<br />

5.1 Aufgabenstruktur................................................................................................8<br />

5.2 Qualifikationsstruktur.........................................................................................9<br />

5.3 Rollenstruktur.....................................................................................................9<br />

5.4 Interaktionsstruktur...........................................................................................11<br />

5.5 Organisationsstruktur........................................................................................11<br />

6. Die Folgen des Stresses................................................................................................12<br />

7. Mo<strong>der</strong>atorvariablen.......................................................................................................14<br />

7.1 Persönlichkeitsmerkmale...................................................................................14<br />

7.2 Situative Komponenten......................................................................................15<br />

8. Diskussion, Kritik <strong>und</strong> Fazit.........................................................................................17<br />

8.1 <strong>Arbeits</strong>platzanalysen...........................................................................................17<br />

8.2 Personenbezogene o<strong>der</strong> bedingungsbezogene Maßnahmen…...........................18<br />

8.2.1 Stressbewältigungstraining.........................................................................….19<br />

8.2.2 Ges<strong>und</strong>heitszirkel...........................................................................…………..19<br />

8.3 Allgemeines Fazit.........................................................................................…...20<br />

9. Literaturverzeichnis........................................................................................................23


1. Einleitung<br />

Zunächst gilt es zu klären , was „Stress“ eigentlich ist:<br />

Der Begriff „Stress“ stammt ursprünglich aus <strong>der</strong> Materialprüfung <strong>und</strong> bezeichnete<br />

„Anspannung, Verzerrung <strong>und</strong> Verbiegung von Metallen <strong>und</strong> Glas“. Im Jahre 1949 wurde<br />

er von Selye auf die Medizin übertragen <strong>und</strong> fand erst in den 70er Jahren Eingang in den<br />

allgemeinen Sprachgebrauch ( Wippermann, 1981, S.342).<br />

Troch definiert Stress folgen<strong>der</strong>maßen:<br />

„Stress ist das körperliche Anpassungsprogramm des Menschen an neue Situationen, seine<br />

unspezifische <strong>und</strong> stereotype Antwort auf alle Reize, die sein persönliches Gleichgewicht<br />

stören“ ( 1979, S.11).<br />

Diese Definition kann allerdings als unzureichend angesehen werden, da sie den Aspekt<br />

<strong>der</strong> Stressverursachung durch Unterfor<strong>der</strong>ung außer Acht lässt. Eine zu geringe<br />

Stimulierung des Organismus kann zu Langeweile <strong>und</strong> somit wie<strong>der</strong> zu einer Störung des<br />

persönlichen Gleichgewichts führen.<br />

Selye (1957, in: Troch, 1979, S.11) bezeichnet Stress als einen „Zustand, <strong>der</strong> sich als<br />

spezifisches Syndrom k<strong>und</strong>tut, das aus allen unspezifisch hervorgerufenen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

innerhalb eines biologischen Systems besteht“.<br />

„Der Mensch <strong>und</strong> nicht seine Lebenssituation entscheidet primär darüber, wie er sich<br />

fühlt“ (J.C. Brengelmann, in: Wagner-Link, 1996, S.18).<br />

Die Entstehung von Stress ist in hohem Maße von <strong>der</strong> Bewertung einer Situation <strong>und</strong> den<br />

eigenen Bewältigungsmöglichkeiten abhängig. Dieser individuelle Bewertungsprozess<br />

wie<strong>der</strong>um ist abhängig von persönlichen Veranlagungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> bisherigen<br />

Lebenserfahrungen (Vgl. Wagner-Link, 1996, S.18). Stress kann daher als ein Symptom<br />

betrachtet werden, das viele individuell verschiedene Ursachen aufweist <strong>und</strong> auch vieler<br />

individueller Formen <strong>der</strong> Bewältigung bedarf.<br />

Biologisch kann Stress als Maßnahme zur Lebenserhaltung gewertet werden: als<br />

„reflexhaften Angriffs- <strong>und</strong> Fluchtmechanismus“ (Wagner-Link, 1996, S.21). Der Körper<br />

setzt Adrenalin frei <strong>und</strong> bereitet das Individuum auf „Kampf“ o<strong>der</strong> „Flucht“ vor. Diese<br />

Alarmreaktion erfolgt auf jede mögliche Gefährdung unseres Körpers <strong>und</strong> ist völlig<br />

autonom. Abgebaut werden können die bereitgestellten Energien mittels einer Reaktion<br />

auf die vermeintliche Bedrohung (z.B. durch motorische Abfuhr). Der mo<strong>der</strong>ne Mensch<br />

hat allerdings immer seltener die Möglichkeit, die bereitgestellten Energien abzubauen<br />

3


<strong>und</strong> so verharrt <strong>der</strong> Körper im ständigen „Bereitschaftsdienst“ (Wagner-Link, 1996, S.22).<br />

Eine ständige Dauerbelastung hat eine negative Wirkung auf das psychische <strong>und</strong><br />

physische Wohlbefinden des Menschen. So kann eine mangelnde Stressbewältigung ein<br />

Auslöser für körperliche <strong>und</strong> psychische Krankheiten darstellen.<br />

Im folgenden Text werden wir auf den Zusammenhang von Arbeit <strong>und</strong> Stress eingehen.<br />

Es sollen Forschungsansätze <strong>und</strong> Stressmodelle skizziert werden, auf <strong>der</strong>en Gr<strong>und</strong>lage<br />

Stressoren sichtbar gemacht werden können. Der Situations- <strong>und</strong> Bedingungsaspekt für<br />

Stress soll über eine Aufschlüsselung in verschiedene Strukturen von <strong>Arbeits</strong>situationen<br />

deutlich gemacht werden. Des weiteren werden die Folgen von Stress auf den<br />

Organismus, sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht, beleuchtet <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Aspekt <strong>der</strong> individuellen Stressbewältigung thematisiert. Den Abschluss bildet eine<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit einigen Anwendungsmöglichkeiten <strong>der</strong> gewonnenen<br />

Erkenntnisse im Betrieb <strong>und</strong> eine kurze Stellungnahme <strong>der</strong> Autoren.<br />

2. Stressforschung <strong>und</strong> Stressmodelle<br />

Die arbeitspsychologische Stressforschung beschäftigt sich mit spezifischen<br />

<strong>Arbeits</strong>bedingungen, den von ihnen betroffenen Personen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Wahrnehmungen <strong>und</strong><br />

Handlungen. Die <strong>Arbeits</strong>bedingungen werden dabei als Kausalfaktoren für psychische<br />

<strong>und</strong> physische Störungen angesehen, die sich beim Individuum als Stress manifestieren<br />

können.<br />

Je nach theoretischer <strong>und</strong> methodischer Herangehensweise können diese Manifestationen<br />

auf unterschiedlichen Indikatorebenen betrachtet werden. Grob unterschieden werden<br />

können zwei theoretische Ausrichtungen:<br />

1. Stress wird als reaktionszentriert definiert: Art <strong>und</strong> Ausmaß <strong>der</strong> Stressreaktion lassen<br />

Rückschlüsse auf die belastenden o<strong>der</strong> stressauslösenden <strong>Arbeits</strong>situationen zu.<br />

2. Stress wird als reizzentriert definiert: Aus den Eigenschaften einer <strong>Arbeits</strong>situation<br />

wird auf die Art <strong>und</strong> das Ausmaß von Stress geschlossen.<br />

Da die Indikatorvariablen „<strong>Arbeits</strong>bedingungen“ keiner einheitlichen Definition<br />

unterliegen, variieren diese Variablen je nach theoretischer Ausrichtung <strong>der</strong> einzelnen<br />

Studien zwischen rein physikalischen Stressoren wie Lärm bis hin zu Variablen wie<br />

beruflicher Laufbahn o<strong>der</strong> gesellschaftlichem Status. Auch auf Seiten <strong>der</strong> Reaktion<br />

werden Manifestationen von Stress auf unterschiedliche Art <strong>und</strong> Weise eingeordnet:<br />

4


Studien können sich z.B. allein auf kurzfristige physiologische (z.B. erhöhter Blutdruck)<br />

o<strong>der</strong> auf längerfristig wirksame Auswirkungen auf Reaktionen <strong>und</strong> Einstellungen (z.B.<br />

geringe Motivation) von Individuen beziehen.<br />

Um eine vollständige Analyse <strong>der</strong> Zusammenhänge von Stress bei <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> den<br />

resultierenden Folgen zu erhalten, sollten neben den <strong>Arbeits</strong>bedingungen auch<br />

Einflussfaktoren (Mo<strong>der</strong>atorvariablen) außerhalb <strong>der</strong> Arbeit ihren Nie<strong>der</strong>schlag finden,<br />

wie z.B. sozialer Rückhalt, individuelle Coping-Strategien <strong>und</strong> Lebenskrisen. Darauf<br />

werden wir später noch näher eingehen.<br />

Fast allen Untersuchungen <strong>der</strong> arbeitspsychologischen Stressforschung liegt nach Udris<br />

(1981, S.393) – implizit o<strong>der</strong> explizit – ein bestimmtes Stressmodell zugr<strong>und</strong>e. Die<br />

psychologischen Stresstheorien lassen sich grob in zwei Hauptrichtungen unterteilen:<br />

1. Die Aktivierungstheorie, die in erster Linie auf Levi (z.B. 1972a; 1974a in: Udris,<br />

1981, S.393) zurückgeht. Hierin wird von einem Stimulationskontinuum ausgegangen.<br />

Stress entsteht laut Levi sowohl durch eine Reizdeprivation (Unterstimulierung) als<br />

auch durch einen Reizexzess (Überstimulierung), die zu einer<br />

Homöostaseverschiebung <strong>und</strong> damit zu Stress führen.<br />

Selye (1974, in: Udris, 1981, S.393), wie auch Levi, definieren Stress als eine<br />

„unspezifische Reaktion des Körpers auf jede an ihn gestellte Anfor<strong>der</strong>ung“, wobei<br />

die Intensität <strong>und</strong> nicht die Art des Stressors (positiver Eustress o<strong>der</strong> negativer<br />

Distress) entscheidend für die Stressreaktion ist. Die diesen Annahmen zugr<strong>und</strong>e<br />

liegende Theorie definiert Stress als reizorientiert.<br />

Frankenhä<strong>user</strong> (vgl. z.B. French, Tupper & Mueller, 1965, in: Udris, 1981, S.394)<br />

erweitert die Theorie Selyes noch um die quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Aspekte von<br />

Überfor<strong>der</strong>ung („overload“) <strong>und</strong> Unterfor<strong>der</strong>ung („<strong>und</strong>erload“). Sie weist darauf hin,<br />

dass frühere Studien zumeist auf Stressreaktionen durch Überfor<strong>der</strong>ung fokussiert<br />

seien. Unterfor<strong>der</strong>ung, also zu wenig Arbeit o<strong>der</strong> Arbeit, die den Fähigkeiten nicht<br />

gerecht wird, kann ebenfalls ein Auslöser für Stress sein.<br />

Im Imbalance-Modell von Mc Grath (1970b, in: Udris, 1981, S.394) wird Stress eher<br />

reaktionszentriert definiert. Ursprünge dieses Modells sind im Stressmodell von<br />

Lazarus zu finden. Nach dieser Theorie bedingen Wahrnehmungen, Interpretationen<br />

o<strong>der</strong> Antizipationen des Individuums – nicht objektive Gegebenheiten – bestimmten<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen nicht gerecht zu werden, den wahrgenommenen Stress. Das subjektive<br />

Empfinden von Über- bzw. Unterfor<strong>der</strong>ung führt zu einer Imbalance <strong>und</strong> erfor<strong>der</strong>t<br />

eine Anpassungsreaktion des Individuums (Coping-Strategien). Diese<br />

5


Anpassungsreaktionen hängen von den aktuellen o<strong>der</strong> den habitualisierten Bedürfniso<strong>der</strong><br />

Motivationslagen ab <strong>und</strong> sind von Individuum zu Individuum unterschiedlich.<br />

Für jeden einzelnen haben sich Umgangsmethoden mit Stress als günstig erwiesen, die<br />

zum einen vor physischen Schaden schützen, gleichzeitig aber auch die<br />

Handlungsfähigkeit erhalten (Krech, Crutchfield, 1992, Kap.5, S.67).<br />

Caplan et al. (1975, in : Udris, 1981, S. 394f) gehen von einem weiterentwickelten<br />

Anfor<strong>der</strong>ungs-Bedürfnis-Ansatz aus. In diesem Ansatz wird betrieblicher Stress („job<br />

stress“) als Charakteristika einer <strong>Arbeits</strong>umgebung gesehen, die für das Individuum<br />

eine Bedrohung darstellt. Als bedrohlich gelten dabei unerfüllbare Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

o<strong>der</strong> ungenügende Angebote, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.<br />

Zur Erklärung latenter o<strong>der</strong> manifester Stressfolgen werden in <strong>der</strong> Kausalkette<br />

„Stressor – Stress – Strain“ (Belastung – Beanspruchung – Beanspruchungsfolgen)<br />

personen- <strong>und</strong> situationsspezifische Merkmale, wie z.B. außerbetriebliche<br />

Zusatzbelastungen, Verarbeitungsstrategien o<strong>der</strong> sozialer Rückhalt, als<br />

Mo<strong>der</strong>atorvariablen angenommen. Diese Mo<strong>der</strong>atorvariablen können sich positiv als<br />

auch negativ auf die Stressbelastung auswirken.<br />

Der Begriff „strain“ (Beanspruchung) bezieht sich auf jede Abweichung von normalen<br />

Reaktionen in <strong>der</strong> Person:<br />

(1) Psychische Beanspruchung,<br />

(2) physiologische Beanspruchung <strong>und</strong><br />

(3) Verhaltenssymptome für Beanspruchung.<br />

Das Stressmodell „ Theorie <strong>der</strong> Auswirkungen von sozialem Stress auf Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> Krankheit“ von Caplan et al (1975, in: Udris, 1981, S.396f) geht davon aus, dass<br />

die „globale objektive Welt“ sich in <strong>der</strong> „subjektiven Welt“ des Individuums, also den<br />

wahrgenommenen <strong>Arbeits</strong>anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> den Angeboten für Motive,<br />

wi<strong>der</strong>spiegelt. Belastungsfaktoren („Stress“) aus objektiver <strong>und</strong> subjektiver Umwelt<br />

lösen „affektive, physiologische <strong>und</strong> verhaltensmäßige Reaktionen“ = „strains“ beim<br />

Individuum aus. Diese werden über folgende Variablentypen vermittelt:<br />

- soziale Unterstützung<br />

- die Person selbst mit ihren Merkmalen <strong>und</strong> Eigenschaften <strong>und</strong><br />

- die Person-Umwelt-Anpassung.<br />

6


Abger<strong>und</strong>et wird das Modell durch die „Indikatoren für physische <strong>und</strong> psychische<br />

Ges<strong>und</strong>heit“, bei denen Caplan et al. die Manifestationen von stressbedingten<br />

Krankheiten in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stellen.<br />

3. Kritik an Konzeptionen <strong>und</strong> Methoden in <strong>der</strong> Stressforschung<br />

Bei <strong>der</strong> Bewertung von Untersuchungen zum Stress sieht Udris (Udris, 1981, S.398ff)<br />

noch viele ungelöste Probleme. Unter an<strong>der</strong>em wird die Bewertung von Studien durch<br />

eine uneinheitliche Verwendung von Fachbegriffen erschwert <strong>und</strong> auch die<br />

unterschiedliche theoretische <strong>und</strong> methodische Ausrichtung erschwert den Vergleich von<br />

einzelnen Studien. So variieren teilweise die abhängigen <strong>und</strong> unabhängigen Variablen:<br />

was in <strong>der</strong> einen Studie als Stressor verstanden wird, wird in einer an<strong>der</strong>en als<br />

Stressreaktion bezeichnet.<br />

Häufig wird auch die subjektive Stresswahrnehmung, unabhängig von <strong>der</strong> objektiven<br />

Situation, zu den postulierten Stressmanifestationen in Beziehung gesetzt.<br />

Methodisch wird größtenteils die einfache lineare Korrelationsanalyse verwendet. Werden<br />

in den Analysen jedoch keine intervenierenden Variablen berücksichtigt, kann dies leicht<br />

zu Fehlinterpretationen führen. Die Verwendung von Pfadanalysen,<br />

Mehrvariablenanalysen <strong>und</strong> multiplen Korrelationen könnte helfen, Fehlschlüsse zu<br />

vermeiden.<br />

Als Design-Typ werden die Untersuchungen in retrospektive Studien, Querschnittsstudien<br />

<strong>und</strong> prospektive Studien eingeteilt.<br />

4. Schwerpunkte <strong>der</strong> Untersuchungen über betrieblichen Stress<br />

Anhand <strong>der</strong> Untersuchungsdesigns können die empirischen Arbeiten in folgende Gruppen<br />

eingeteilt werden:<br />

- Die <strong>Arbeits</strong>situation als stressauslösende Bedingung,<br />

- die psychischen Folgen von Stress <strong>und</strong><br />

- individuelle <strong>und</strong> soziale Stressbeeinflussung.<br />

7


5. Klassifikationsversuche für stressauslösende Situationen<br />

Udris (Udris, 1981, S.403) klassifiziert <strong>Arbeits</strong>stressoren unter Bezugnahme auf Meister<br />

(1968, in: s.o.) in fünf Kategorien, um den Situations- <strong>und</strong> Bedingungsaspekt von Stress<br />

deutlich zu machen:<br />

1. Aufgabenstruktur (Ansätze zu Typologien o<strong>der</strong> Taxonomien <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>aufgabe als<br />

Stressor; Faktoren <strong>der</strong> qualitativen <strong>und</strong> quantitativen Über- <strong>und</strong> Unterfor<strong>der</strong>ung durch<br />

die Art <strong>der</strong> Aufgabe).<br />

2. Qualifikationsstruktur (Qualifikationsniveau, betrieblicher Status, berufliche Position<br />

als Stressverursacher.)<br />

3. Rollenstruktur ( Rollenüberfor<strong>der</strong>ung, Rollenkonflikt <strong>und</strong> Rollenambiguität als<br />

beson<strong>der</strong>e sozialpsychologische Stresselemente.)<br />

4. Interaktionsstruktur (<strong>Arbeits</strong>- <strong>und</strong> nicht-arbeitsbezogene Kontakte, Kooperation,<br />

Kommunikation, soziale Isolation am <strong>Arbeits</strong>platz, Kontrolle durch Vorgesetzte <strong>und</strong><br />

Kollegen.)<br />

5. Organisationsstruktur (Organisation- <strong>und</strong> Betriebsklima, Mitwirkungsmöglichkeiten)<br />

5.1 Aufgabenstruktur<br />

Als aufgabenbedingte Stressoren zeigt Hackman (1970, in: Udris, 1981, S.404) drei<br />

Stressorentypen auf:<br />

1. Zeitsequenz: die Aufgabe verlangt vom Individuum eine beson<strong>der</strong>s hohe o<strong>der</strong> niedrige<br />

Informationsverarbeitung <strong>und</strong> erzeugt durch Über- bzw. Unterfor<strong>der</strong>ung Stress.<br />

2. Komplexitäts-Interpretierbarkeit: eine zu hohe Komplexität <strong>der</strong> Aufgabe, mangelnde<br />

Instruktion o<strong>der</strong> Mehrdeutigkeit des Aufgabenziels können Stress auslösen.<br />

3. Bedrohung o<strong>der</strong> Bestrafung: die Aufgabe ist an Sanktionen geknüpft o<strong>der</strong> mit<br />

psychischen o<strong>der</strong> physischen Belastungen verknüpft.<br />

Berkhout (1970, in: Udris, 1981, S.405) bezieht in seinen Ansatz zusätzlich noch die<br />

Reaktionsorientierung mit ein. Als Stressfaktoren nennt er Monotonie, <strong>Arbeits</strong>- <strong>und</strong><br />

Aufgabenanomalien, Störungen <strong>der</strong> circadianen Periodik <strong>und</strong> echte Gefahren.<br />

Durch zunehmende Rationalisierung in <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>welt nimmt die Arbeit unter Zeitdruck<br />

zu. Nicht nur in <strong>der</strong> industriellen (Akkordarbeit), son<strong>der</strong>n auch im Bürosektor<br />

(leistungsorientiertes Lohnsystem) hat diese Form <strong>der</strong> Arbeit erheblich zugenommen. In<br />

8


Studien hat sich herausgestellt, dass je größer <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Fremdbestimmung des<br />

<strong>Arbeits</strong>tempos, entwe<strong>der</strong> ergebnisorientiert durch Leistungsvorgabe o<strong>der</strong> ablauforientiert<br />

durch regelmäßige (Taktbindung) o<strong>der</strong> unregelmäßige Zeitvorgabe, desto größer die<br />

Gefahr einer qualitativen Leistungsverschlechterung. Quantitative Überfor<strong>der</strong>ung<br />

korreliert in vielen Studien mit psychophysiologischen Stressreaktionen wie z.B. erhöhte<br />

Herzfrequenz, Adrenalinausschüttung o<strong>der</strong> Cholesterinerhöhung. Quantitative <strong>und</strong><br />

qualitative Unterfor<strong>der</strong>ung hingegen korrelieren mit Zuständen <strong>der</strong> Monotonie,<br />

Vigilanzstörungen <strong>und</strong> Langeweile. In einigen Studien finden sich außerdem Hinweise<br />

darauf, dass Arbeiten unter Zeitdruck an <strong>der</strong> Entstehung von Risikofaktoren für koronare<br />

Erkrankungen beteiligt sein könnte.<br />

5.2 Qualifikationsstruktur<br />

Empirische Studien, die sich mit dem Variablenbündel „berufliches Qualifikationsniveau“<br />

(„job level“) im Zusammenhang mit psychischer Ges<strong>und</strong>heit beschäftigt haben, kommen<br />

zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Das heißt, dass in einigen Studien Korrelationen<br />

zwischen „job level“ <strong>und</strong> psychischer Ges<strong>und</strong>heit gef<strong>und</strong>en wurden, in an<strong>der</strong>en nicht.<br />

Laut Udris (1981, S.407) ist das auf eine unterschiedliche Definition von „job level“<br />

zurückzuführen. Trotzdem scheint einiges darauf hinzudeuten, dass mit höherem<br />

beruflichen Statusniveau auch eine bessere psychische Ges<strong>und</strong>heit einhergeht. Dies<br />

scheint beson<strong>der</strong>s durch die Variable „Selbstwertgefühl“ bedingt zu sein. Als „job level“-<br />

Indikatoren werden u.a. Lohnhöhe, Verantwortung, Statusniveau, schulische <strong>und</strong><br />

berufliche Ausbildung angenommen. In eine differenzierte Analyse sollten aber neben den<br />

oben genannten Indikatoren auch die konkreten <strong>Arbeits</strong>bedingungen, wie z.B.<br />

<strong>Arbeits</strong>zeiten, körperliche Belastung u.s.w. mit einbezogen werden. Udris schlägt des<br />

weiteren vor, auch Variablen wie gegebene „Handlungsspielräume“ <strong>und</strong><br />

„Qualifikationschancen“ zu berücksichtigen.<br />

5.3 Rollenstruktur<br />

Durch Untersuchungen des „Institute for Social Research“ <strong>der</strong> Universität von Michigan<br />

in Ann Arbor (Udris, 1981, S.408f) haben die Begriffe „Rollenkonflikt“,<br />

„Rollenambiguität“ <strong>und</strong> „Rollenüberfor<strong>der</strong>ung“ („overload“) Eingang in die<br />

Stressforschung gef<strong>und</strong>en. Betrieblicher Stress wird auf drei Elemente reduziert, die aus<br />

<strong>der</strong> Diskrepanz zwischen Erwartung <strong>und</strong> Erfüllung von Positionsinhabern an an<strong>der</strong>e<br />

Rollenträger entstehen.<br />

9


Die Begriffe „Rollenempfänger“ <strong>und</strong> „Rollensen<strong>der</strong>“ beschreiben die Richtung einer<br />

Erwartung o<strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, die an eine Person heran getragen wird o<strong>der</strong> die von ihr<br />

ausgeht.<br />

Rollenkonflikte entstehen aus unvereinbaren Erwartungen, die an einen Rollenempfänger<br />

gestellt werden. Kahn et al. (1964, in: Udris, 1981, S.409) unterscheiden mehrere Arten<br />

von Rollenkonflikten, die von <strong>der</strong> Quelle <strong>der</strong> Erwartungen abhängen:<br />

- Inter-Sen<strong>der</strong>-Konflikt: Verschiedene Mitglie<strong>der</strong> eines Rollensystems stellen<br />

konfligierende Erwartungen an das Verhalten des Rollenträgers.<br />

- Intra-Sen<strong>der</strong>-Konflikt: Von ein <strong>und</strong> dem selben Rollensen<strong>der</strong> gehen<br />

wi<strong>der</strong>sprüchliche Anfor<strong>der</strong>ungen an den Rollensen<strong>der</strong> aus.<br />

- Personen-Rollen-Konflikt: Die Rollenerwartungen stehen im Konflikt mit<br />

Merkmalen <strong>der</strong> Person, z.B. seinen Werten, Normen, Moralvorstellungen.<br />

- Inter-Rollen-Konflikt: Verschiedene Rollen eines Rollenträgers lassen sich<br />

nicht vereinbaren<br />

„Rollenambiguität“ dagegen ist die Diskrepanz zwischen dem Ausmaß an Informationen,<br />

die eine Person besitzt, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Informationsmenge, die sie benötigt, um ihre Rolle<br />

angemessen zu erfüllen .Bei Rollenambiguität geht es also um genau definierte<br />

Rollenerwartungen <strong>und</strong> –anfor<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> um unklare Bewertungen von „erledigten“<br />

Aufgaben. Entscheidend dabei sind reale o<strong>der</strong> erwartete Sanktionen bei Nichterfüllen <strong>der</strong><br />

Erwartungen.<br />

„Rollenüberfor<strong>der</strong>ung“ tritt dann ein, wenn eine Person mit Verpflichtungen konfrontiert<br />

ist, durch die mehr von ihr gefor<strong>der</strong>t wird, als sie zu leisten imstande ist. Neben <strong>der</strong><br />

quantitativen wird allerdings die qualitative Überfor<strong>der</strong>ung nicht berücksichtigt.<br />

Die meisten Studien unterscheiden zwischen objektiven <strong>und</strong> subjektiven<br />

Belastungsmomenten, also z.B. den empf<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> realen Rollenkonflikten o<strong>der</strong> -<br />

überfor<strong>der</strong>ungen. Als bester Prädiktor für psychische Spannungszustände erweist sich<br />

dabei meist das subjektive Belastungsmoment.<br />

Rollentheoretische Konzeptionen berücksichtigen laut Udris allerdings nur einen<br />

Ausschnitt stressauslösen<strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>bedingungen, wie „kommunizierte Erwartungen an<br />

Positionsinhaber durch „gesendete“ <strong>und</strong> „empfangene Rollenanfor<strong>der</strong>ungen, durch<br />

Bewertung <strong>der</strong> Wünsche des betrieblichen Gegenüber“ (Udris, 1981, S.410). Außen vor<br />

bleiben Inhalte <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>tätigkeit. Die <strong>Arbeits</strong>handlung kann als abhängig von<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Belastungen angesehen werden. Diese betreffen nicht nur den Inhaber<br />

einer Rolle son<strong>der</strong>n die Person als Ganze.<br />

10


5.4 Interaktionsstruktur<br />

Soziale Beziehungen am <strong>Arbeits</strong>platz sind nur selten in Verhaltensanalysen von<br />

Organisationsmitglie<strong>der</strong>n einbezogen. Trotzdem ist <strong>der</strong> hohe Stellenwert von sozialen<br />

Beziehungen am <strong>Arbeits</strong>platz bezüglich <strong>der</strong> Auslösebedingungen für betrieblichen Stress<br />

unbestritten. Nach einer Studie von French <strong>und</strong> Caplan (1970, in: Udris, 1981, S.411)<br />

gehören schlechte Beziehungen am <strong>Arbeits</strong>platz zu den Faktoren, die am höchsten mit<br />

<strong>Arbeits</strong>platz-Unzufriedenheit <strong>und</strong> dem Gefühl <strong>der</strong> Bedrohung korrelieren. Geringe<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Kooperation, Kommunikation, fehlende Anerkennung,<br />

Rücksichtslosigkeit o<strong>der</strong> „Mobbing“ können als Ursachenfaktoren für die Entstehung<br />

psychischer Stressreaktionen angesehen werden.<br />

5.5 Organisationsstruktur<br />

Betrieblicher Stress kann auch durch Merkmale <strong>der</strong> Organisation selbst ausgelöst werden.<br />

Zu nennen wären u.a. „Restriktionen bzgl. materieller Sicherung (Lohn, Sozialleistungen),<br />

formelle <strong>und</strong> informelle Delegationsmuster („Führungskonzepte“), Informationspolitik“<br />

(Udris, 1981, S.412) u.s.w.<br />

Aus einer Studie von French <strong>und</strong> Caplan (1972, in: Udris, 1981, S.413) zur Partizipation<br />

des Arbeiters <strong>und</strong> Angestellten bei betrieblichen Entscheidungsprozessen lässt sich<br />

folgendes schlussfolgern:<br />

Personen, die hohe Partizipationsmöglichkeiten besitzen, zeigen:<br />

- Geringe psychische Beanspruchung<br />

- Einen hohen Grad <strong>der</strong> Anwendung von Fähigkeiten <strong>und</strong> Fertigkeiten<br />

- Gute Beziehungen zu Vorgesetzten, Kollegen <strong>und</strong> Unterstellten<br />

- Positive Einstellung zur Arbeit<br />

- Hohe Produktivität<br />

Einschränkend ist zu <strong>der</strong> zitierten Studie noch zu sagen, dass vorberufliche <strong>und</strong> berufliche<br />

Sozialisationsbedingungen das Interesse des einzelnen bezüglich erwünschter<br />

Partizipation beeinflussen kann. Darum sollte auch objektiv nicht vorhandene<br />

Partizipation <strong>und</strong> subjektiv erlebtes Partizipationsdefizit in Untersuchungen mit<br />

einbezogen werden.<br />

11


6. Die Folgen des Stresses:<br />

Anschließend an die Betrachtung <strong>der</strong> Ursachen betrieblichen Stresses sollen nun die Folgen<br />

näher erläutert werden. Diese individuellen Folgen <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>belastung (strain) können auf<br />

unterschiedlichen Ebenen erfasst werden (Udris, 1981):<br />

- anhand physiologischer Messwerte,<br />

- auf <strong>der</strong> Verhaltensebene,<br />

- aufgr<strong>und</strong> von Selbstbeobachtungen <strong>und</strong> ärztlichen Diagnosen,<br />

- durch Selbstbeschreibungen anhand klinisch-psychologischer Konzepte<br />

- sowie skalierter Urteile über aktuelle <strong>und</strong> habitualisierte Zustände (z.B. Tension)<br />

Sie werden im Folgenden verkürzt <strong>und</strong> exemplarisch dargestellt (Wagner, 1995).<br />

Einige physiologische Folgen (Indikatoren) können sein:<br />

- Erhöhte Herzschlagfrequenz <strong>und</strong> hoher Blutdruck<br />

- Erhöhter Cholesterinspiegel<br />

- Magenprobleme <strong>und</strong> Verdauungsstörungen<br />

- Erschöpfung, Gewichtsverlust <strong>und</strong> größere Empfindlichkeit gegen Leiden<br />

Psychologische Folgen (Indikatoren) von zu viel (Dauer-) Stress haben unter Umständen<br />

folgende Auswirkungen:<br />

- kognitiv: die Konzentrationsfähigkeit <strong>und</strong> Aufmerksamkeitsspanne nehmen ab,<br />

während sich Ablenkbarkeit <strong>und</strong> Fehlerhäufigkeiten steigern,<br />

- emotional: die physische <strong>und</strong> psychische Spannung können stark zunehmen, die<br />

Fähigkeit sich zu entspannen nimmt dagegen ab, Gefühlsausbrüche werden heftiger,<br />

Depressionen, Angst <strong>und</strong> Unzufriedenheit wahrscheinlicher <strong>und</strong> das Selbstwertgefühl<br />

vermin<strong>der</strong>t sich,<br />

- allgemeine Verhaltensauswirkungen: hierunter lassen sich verschiedene, für gestresste<br />

Menschen typische Verhaltensmuster fassen; als Beispiele seien hier nur genannt,<br />

destruktives Bewältigungsverhalten, wie übermäßiger Alkohol-, Zigaretten- <strong>und</strong><br />

Tablettenkonsum sowie erhöhte Fehlzeiten, ein beeinträchtigtes Interaktions- <strong>und</strong><br />

Leistungsniveau <strong>und</strong> Schlafstörungen.<br />

Diese Aufzählungen sollen lediglich einige <strong>der</strong> möglichen Folgen von Stress verdeutlichen,<br />

um <strong>der</strong>en Komplexität <strong>und</strong> Wirkungsspanne zu demonstrieren <strong>und</strong> zusätzlich die<br />

12


Notwendigkeit aufzuzeigen, sich mit diesem Thema <strong>und</strong> Lösungsmöglichkeiten tiefgehen<strong>der</strong><br />

zu befassen.<br />

Die eben besprochenen Indikatoren, wie Depressivität o<strong>der</strong> Unzufriedenheit <strong>und</strong> <strong>der</strong>en<br />

Beziehungen werden in verschiedenen Studien näher betrachtet. Die Untersuchungen, die auf<br />

einer Ebene - z.B. <strong>der</strong> Verhaltensebene - erfolgen, lassen sich als eine Indikatorgruppe<br />

zusammenfassen. So kann mit Hilfe von Korrelationsberechnungen festgestellt werden,<br />

inwieweit sich die Ergebnisse <strong>der</strong> verschiedenen Indikatorgruppen gegenseitig stützen. Häufig<br />

wi<strong>der</strong>sprechen sich die Studien hierüber allerdings auch. Bei einigen Studien werden<br />

beispielsweise Zusammenhänge zwischen physiologischen <strong>und</strong> behavioralen Daten als Folge<br />

von Stress festgestellt (u.a. Levi,1972a; Frankenhae<strong>user</strong>, 1976; in: Udris, 1981), in an<strong>der</strong>en<br />

Studien sind die Ergebnisse dagegen nicht signifikant (u.a. Caplan et al., in: Udris, 1981).<br />

Aber auch innerhalb <strong>der</strong> Indikatorgruppen variieren die Bef<strong>und</strong>e (Marstedt <strong>und</strong> Schahn, 1977;<br />

in: Udris, 1981).<br />

Die Caplan Studie (Caplan et al., 1975; in: Udris, 1981), in <strong>der</strong> 2010 Personen aus insgesamt<br />

23 Berufen über ihre <strong>Arbeits</strong>ituation befragt wurden, soll hier als Beispiel für eine dieser<br />

Studien dienen, Wir werden uns allerdings auch hier auf eine verkürzte Präsentation des<br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden Modells (Abbildung 1) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ergebnisse beschränken.<br />

Abbildung 1: Allgemeines Modell <strong>der</strong> Beziehungen zwischen Beruf, <strong>Arbeits</strong>bedingungen (job stress), Beanspruchung<br />

(Strain) <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit- Krankheit (aus: Caplan,1976; in: Udris,1981)<br />

Die Beziehung von <strong>Arbeits</strong>stressoren <strong>und</strong> physischer Ges<strong>und</strong>heit, die hier untersucht werden<br />

sollte, wurde mittels folgen<strong>der</strong> Indikatoren bestimmt: Beanspruchung durch „arbeitsbezogene<br />

13


Affekte“ mit den Indikatoren Unzufriedenheit <strong>und</strong> Langeweile, <strong>und</strong> durch „allgemeine<br />

Affekte“, hier mit den Indikatoren Angst, Depressivität <strong>und</strong> Irritation. Als<br />

Ges<strong>und</strong>heitsindikator wurden vorliegende psychosomatische Beschwerden erfragt.<br />

Die Beziehungen werden in Abbildung 1 durch Pfeile symbolisiert, wobei die<br />

durchgezogenen Linien direkte <strong>und</strong> die gestrichelten Linien theoretisch ableitbare<br />

Beziehungen repräsentieren.<br />

Die Ergebnisse <strong>der</strong> Befragung wurden mit Hilfe von Korrelationsberechnungen ausgewertet.<br />

Sie deuten darauf hin, dass sich Unzufriedenheit mit <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>belastung durch bestimmte<br />

Variablen vorhersagen lässt, nämlich dem Ausmaß unerwünscht langer <strong>Arbeits</strong>zeit<br />

(overtime), <strong>der</strong> Diskrepanz zwischen erwünschter <strong>und</strong> tatsächlich vorgef<strong>und</strong>ener<br />

<strong>Arbeits</strong>bedingungen (work load) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Diskrepanz zwischen gewünschter <strong>und</strong> erlebter<br />

Aufgabenkomplexität (P-E-Fit). In ähnlicher Weise ließen sich Prädiktoren für Langeweile,<br />

Angst <strong>und</strong> Depressivität finden. Ihnen ist gemein, dass das persönliche Erleben <strong>und</strong> Reagieren<br />

im Bedingungsgefüge von objektiven <strong>Arbeits</strong>bedingungen <strong>und</strong> den individuellen <strong>und</strong> sozialen<br />

Situationen eine mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> große Rolle bei <strong>der</strong> Entstehung von psychosomatischen<br />

Beschwerden- bzw. bei dem Erhalt <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit- spielt (Caplan, 1976; Lazarus, 1966; in:<br />

Udris, 1981).<br />

7. Mo<strong>der</strong>atorvariablen:<br />

Wollen wir <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> ges<strong>und</strong>heitsgefährdenden Stressreaktionen näher auf den<br />

Gr<strong>und</strong> gehen, sollten wir nun schauen, ob wir bestimmte Variablen ausmachen können, die<br />

situationsunabhängig auf unsere Wahrnehmung, Verarbeitung <strong>und</strong> Bewältigung von<br />

Stressoren Einfluss nehmen (House,1974; in: Udris, 1981).<br />

7.1 Persönlichkeitsmerkmale<br />

In verschiedenen Studien wurde versucht, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit dem<br />

Erleben von höherem psychischen Stress in Verbindung zu bringen. So erwiesen sich die in<br />

einer Studie von Kahn (1964;in Udris,1981) aufgr<strong>und</strong> von Fragebogenergebnissen als<br />

ängstlich <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> introvertiert eingestuften Personen bei Rollenkonflikten als psychisch<br />

angespannter - im Gegensatz zu den nicht-ängstlichen Personen. Ähnliches fand auch Organ<br />

(1975; in: Udris, 1981) für das emotionale Stresserleben labiler Personen heraus.<br />

14


Rigide Personen reagierten in <strong>der</strong> Studie von Kahn (!964) dagegen weniger auf<br />

Rollenkonflikte als flexible Menschen. Extrovertierte Menschen zeigten unter<br />

Stressbedingungen ein höheres Ausmaß an Zusammenschluss <strong>und</strong> Gruppenkohäsion als die<br />

introvertierten (Kuhn, 1972; in: Udris, 1981).<br />

Auch zeigen sich bei <strong>der</strong> Betrachtung von Männern <strong>und</strong> Frauen geschlechtsspezifische<br />

Unterschiede hinsichtlich ihres Stresserlebens <strong>und</strong> -verhaltens. So würden Männer eher dann<br />

unter Stress geraten, wenn sie meinen, eine Situation nicht mehr im Griff zu haben, während<br />

Frauen sich eher in Diskussionen o<strong>der</strong> bei dem Gefühl gestörter Harmonie gestresst fühlen<br />

würden (Wagner-Link, 1993). Allerdings werden hier unserer Meinung nach eher die<br />

klassischen stereotypen Rollen von Mann <strong>und</strong> Frau angesprochen, die sich in Erleben <strong>und</strong><br />

Verhalten mittlerweile jedoch mehr <strong>und</strong> mehr angleichen.<br />

Müssen Rollenkonflikte <strong>und</strong> Rollenüberfor<strong>der</strong>ung immer negativ bewertet werden? Nicht<br />

unbedingt, denn die objektive Belastung kann vom Rolleninhaber auch als Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>und</strong> damit als positiv bewertet werden (Beehr, Walsh <strong>und</strong> Taber, 1976; in: Udris, 1981).<br />

Betrachten wir uns in diesem Zusammenhang das sogenannte Typ A- <strong>und</strong> Typ B-<br />

Verhaltensmuster. Menschen vom Typ A zeigen ein hohes Leistungsstreben, starke<br />

Zielorientierung, Ungeduld <strong>und</strong> Perfektionismus, zudem eine hohes<br />

Verantwortungsbewusstsein, Hektik, Aggressionsbereitschaft <strong>und</strong> Konkurrenzdenken.<br />

Menschen mit dem Verhaltensmuster B reagieren dagegen gelassener auf Stress (Udris, 1981;<br />

Wagner-Link, 1993). Menschen vom Typ A scheinen also in Stresssituationen aufzugehen<br />

<strong>und</strong> zu hohen Leistungen zu gelangen. Sie erleben eben diese Situationen als Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>und</strong> als positiv, da sie durch das Erfüllen <strong>der</strong> Aufgaben <strong>und</strong> dem damit verb<strong>und</strong>enen Lob,<br />

Anerkennung erhalten, was auf ihr Verhalten verstärkend wirkt. Forschungsergebnisse zeigen<br />

jedoch auch, dass gerade diese Menschen für Herz-/Kreislaufbeschwerden wesentlich<br />

anfälliger sind. Das ist gerade dann beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Fall, wenn Situationen auftreten, die große<br />

Anstrengung <strong>und</strong> Leistung erfor<strong>der</strong>n <strong>und</strong> bei denen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ein Misserfolg<br />

wahrscheinlich ist (Wagner-Link, 1993).<br />

7.2 Situative Komponenten<br />

Neben den eben besprochenen individuellen Einflussfaktoren bei <strong>der</strong> Entstehung von Stress,<br />

lassen sich auch im Umfeld Komponenten finden, die auf die Stressgenese einwirken.<br />

Ein wichtiger Punkt wäre in diesem Kontext die situative Kontrolle einer Person. Laut Udris<br />

(1981) könne die Eingriffsmöglichkeit einer Person die negativen Stresswirkungen<br />

15


herabsetzen. Aber nicht das Ausmaß <strong>der</strong> tatsächlich vorhandenen Einflussmöglichkeiten,<br />

son<strong>der</strong>n die vermeintliche, von <strong>der</strong> Person als für möglich erachtete Beeinflussung ist hier<br />

wesentlich (Averill, 1973; in: Udris, 1981). Das Erleben spielt also, wie oben schon mehrmals<br />

erwähnt, die entscheidende Rolle bei <strong>der</strong> Stressgenese.<br />

Ein Modell, das sich mit <strong>der</strong> Integration verschiedener Konzepte zur kognitiven Kontrolle<br />

beschäftigt, wird von Frey et al. (1977; in: Udris,1981) vorgestellt. In Gr<strong>und</strong>zügen besagt es,<br />

dass das Individuum bestrebt ist, seine Umwelt zu beeinflussen, zu kontrollieren <strong>und</strong><br />

vorherzusagen. Entzieht man ihm die Möglichkeiten dazu, so entsteht das Bedürfnis, die<br />

Kontrolle wie<strong>der</strong>zuerlangen. Wird die Ursache dafür, keine o<strong>der</strong> weniger Kontrolle ausüben<br />

zu können vorrangig internal attribuiert, wird die Situation laut <strong>der</strong> Theorie als schwieriger<br />

erlebt <strong>und</strong> die Reaktionen auf die vermin<strong>der</strong>te Kontrolle breiten sich häufiger auf an<strong>der</strong>e<br />

Bereiche aus. Zudem kann man unterscheiden, ob die Ursachen für den Kontrollverlust als<br />

variabel o<strong>der</strong> konstant eingeschätzt werden, wobei eine variable Ursacheneinschätzung<br />

tendenziell ein aktives Verhalten, eine konstante dagegen eher Vermeidungsverhalten zur<br />

Folge hätte.<br />

Soziale Unterstützung, bzw. Hilfeleistung (social support) ist eine zweite herauszuhebende<br />

Bedingungsvariable. Sie kann als Hilfsmittel dort wirken, wo Stress nicht reduziert werden<br />

kann, wobei sie allerdings keinen Ersatz für Bemühungen, Stress durch direkte Maßnahmen<br />

zu reduzieren, darstellen sollte.<br />

Wir kennen alle verschiedene Quellen solcher Unterstützung, sei es durch den Lebenspartner,<br />

Kollegen, Vorgesetzte o<strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>e.<br />

Welche Aspekte des Vorgesetztenverhaltens (objektive Unterstützung) die Wahrnehmung<br />

(Interpretation) von Unterstützung bewirken, ist noch wenig bekannt, überhaupt über das<br />

Warum <strong>und</strong> Wie die soziale Unterstützung wirkt. Jedoch kann Unterstützung aus einer<br />

Quelle, z.B. nur vom Vorgesetzten o<strong>der</strong> nur vom Lebenspartner effektiv genug sein, um die<br />

Coping-Prozesse in Stresssituationen zu verbessern. Ohne sie wird Stress schlechter<br />

bewältigt. Wesentlich ist, dass es Quellen <strong>der</strong> Unterstützung für die Person gibt (House <strong>und</strong><br />

Wells, 1978; in: Udris, 1981).<br />

16


8. Diskussion, Kritik <strong>und</strong> Fazit:<br />

Nachdem wir nun hoffentlich einen Einblick in einige vorherrschende Stresstheorien, sowie<br />

einen Überblick über mögliche Ursachen <strong>und</strong> Folgen von betrieblichem Stress geben konnten,<br />

bleibt noch die wichtige Frage nach dem Nutzen <strong>der</strong> gewonnenen Erkenntnisse für die Praxis<br />

offen. Im Folgenden wollen wir deshalb einige Anwendungsbezüge <strong>der</strong> betrieblichen<br />

Stressforschung vorstellen <strong>und</strong> unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisch beleuchten.<br />

8.1 <strong>Arbeits</strong>platzanalysen<br />

Potentiell stressauslösende Faktoren versus subjektiv bedeutsame Stressoren, Pathogenese<br />

versus Salutogenese:<br />

Zunächst wäre zu klären, wie <strong>Arbeits</strong>platzanalysen in Betrieben beurteilerreliabel<br />

durchgeführt werden, um zu validen Aussagen über Stressauslöser <strong>und</strong> vulnerabilisierende<br />

aber eventuell auch protektive <strong>Arbeits</strong>bedingungen zu gelangen. Dazu stehen den<br />

<strong>Arbeits</strong>psychologen heute eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung. Eines <strong>der</strong><br />

bekanntesten, ein sehr umfangreiches, dürfte wohl die stressbezogenen <strong>Arbeits</strong>analyse (ISTA-<br />

C) von Dunckel <strong>und</strong> Semmer (1987; in: Eiselen, 1996; vgl. auch: Greif, 1991) sein. Sie liegt<br />

in einer Fragebogen- <strong>und</strong> in einer Interviewversion vor <strong>und</strong> enthält einen Fragenkatalog zur<br />

Komplexität <strong>der</strong> Arbeit, zur Variabilität, Kommunikation, Konzentration <strong>und</strong> Zeitdruck,<br />

sowie zu Unsicherheit, Verantwortung, <strong>Arbeits</strong>organisation, Unfallgefährdung, Umgebungs<strong>und</strong><br />

körperliche Belastung, Kooperationserfor<strong>der</strong>nisse, Handlungsspielraum <strong>und</strong> soziale<br />

Stressoren. Der Schwerpunkt bei dieser Befragung liegt darauf, (potentiell) stressauslösende<br />

<strong>Arbeits</strong>bedingungen, Risikofaktoren, verfügbare Ressourcen <strong>und</strong> Handlungsspielräume zu<br />

ermitteln, ohne jedoch die subjektive Bedeutung für den Arbeitenden zu berücksichtigen.<br />

Ein entsprechendes Verfahren, dass diese Komponente berücksichtigt wäre die<br />

Salutogenetische Subjektive <strong>Arbeits</strong>analyse (SALSA) von Riman <strong>und</strong> Udris. Hierbei wird die<br />

individuell unterschiedliche Art, Aufträge <strong>und</strong> Erfüllungsbedingungen zu interpretieren,<br />

erfasst. Somit grenzt sich <strong>der</strong> Fragebogen von objektiven Verfahren ab, die zum Ziel haben,<br />

individuumsunabhängige Merkmale zu erfassen. Es werden hier personale, organisationale<br />

<strong>und</strong> soziale Ressourcen untersucht, worunter Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen, qualitative, wie<br />

auch quantitative Über- <strong>und</strong> Unterfor<strong>der</strong>ung, die Aufgabencharakteristika <strong>und</strong> soziale<br />

Belastungen <strong>und</strong> Ressourcen inner- <strong>und</strong> außerhalb des Betriebs fallen. Neben dem subjektiven<br />

Erleben sind hier also auch externe Faktoren in die Analyse einbezogen.<br />

17


Gr<strong>und</strong>satz des Verfahrens ist, wie <strong>der</strong> Name besagt, <strong>der</strong> salutogenetische Ansatz. Im<br />

Gegensatz zur Pathogenese ist das Augenmerk <strong>der</strong> Salutogenese nicht primär auf die<br />

Krankheit <strong>und</strong> das abweichende Verhalten bei einer Person gerichtet. Der salutogenetische<br />

Ansatz betrachtet Ges<strong>und</strong>heit als ein prozesshaftes, dynamisches System, dass durch einen<br />

ständigen Verlust von Ges<strong>und</strong>heit gekennzeichnet ist, welcher durch einen aktiven Aufbau<br />

von Ges<strong>und</strong>heit kompensiert werden muss (vgl.: <strong>www</strong>.fortunecity.de, 2002;<br />

<strong>www</strong>.quintessenz.ch, 2002).<br />

Die wichtigsten in Kapitel 5 genannten innerbetrieblichen Stressauslöser sind Gegenstand<br />

bei<strong>der</strong> Analysen.<br />

Nur am Rande sei hier die life-event-Forschung zu erwähnen, die sich mit unvorhergesehenen<br />

Ereignissen, bzw. Stressoren im außerbetrieblichen Bereich beschäftigt.<br />

Das Problem bei <strong>der</strong> Thematik <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>platzanalysen ist, dass es noch an<br />

Längsschnittstudien fehlt, um Zusammenhänge zwischen kurzfristigen Stressoren zu<br />

längerfristigen Folgewirkungen von Stress eindeutig nachzuweisen. Methodisch korrekt<br />

durchgeführte Metaanalysen wären hier sicherlich von großer Wichtigkeit. Greif (1991)<br />

for<strong>der</strong>t in diesem Zusammenhang ebenfalls die Kombination von experimentellen<br />

Untersuchungen über Stressreaktionen <strong>und</strong> kurzfristigen Auswirkungen mit<br />

Längsschnittstudien.<br />

8.2 Personenbezogene- o<strong>der</strong> bedingungsbezogene Maßnahmen (Verhalten <strong>und</strong> Verhältnisse):<br />

Ein weiterer, nicht zu vernachlässigen<strong>der</strong> Punkt ist <strong>der</strong> Umgang mit dem Stress im Betrieb.<br />

Nur kurz erwähnt seien hier die unterschiedlichen Ansätze - neben pathogentischem <strong>und</strong><br />

salutogenetischem Schwerpunkt - zum einen die Symptombehandlung <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en die<br />

Ursachenbeseitigung (Ducki, Leitner, Kopp; in: Wirth u.a., 1992).<br />

Das Problem ist, dass heute noch in vielen Betrieben allein <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>- <strong>und</strong> Sicherheitsschutz<br />

für die Ges<strong>und</strong>heit <strong>der</strong> Mitarbeiter zuständig ist <strong>und</strong> die <strong>Arbeits</strong>medizin, trotz sich<br />

vollziehen<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen, traditionell präventiv orientiert ist. Ihre primäre Aufgaben<br />

besteht darin, „durch Vorsorgemaßnahmen arbeitsbedingte Ges<strong>und</strong>heitsschäden zu<br />

vermeiden“ (Baumgartner, 1990, S.37; in: Ducki, Leitner, Kopp; in: Wirth u.a.; 1992).<br />

Gefahren für Leib <strong>und</strong> Leben, sei es durch scharfe Gegenstände o<strong>der</strong> Gefahrenstoffe am<br />

<strong>Arbeits</strong>platz auszuräumen, ist sicher sinnvoll. Jedoch sollten langfristige Erkrankungen, wie<br />

z.B. durch Stress, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Multikausalität schwer einem Faktor zuzuordnen sind,<br />

nicht unbeachtet gelassen werden. Zusätzlich sollte man sich fragen, wie man mit solchen<br />

18


Erkrankungen umgeht. Lediglich personenbezogene Maßnahmen einzuleiten<br />

(Stressbewältigungstraining, Entspannungstraining), kann sich nämlich auf Dauer als nicht<br />

beson<strong>der</strong>s aussichtsreich <strong>und</strong> zusätzlich teuer erweisen, wenn Rückfälle zu erwarten sind, da<br />

sich an den stressauslösenden Faktoren am <strong>Arbeits</strong>platz nichts geän<strong>der</strong>t hat (ganz abgesehen<br />

davon können diese Trainings dem gestressten Individuum sicher von großem Nutzen bei <strong>der</strong><br />

Stressbewältigung sein, vorausgesetzt sie sind gut durchgeführt <strong>und</strong> werden von den<br />

Teilnehmern später auch richtig umgesetzt). Man sollte also zusätzlich o<strong>der</strong> primär versuchen,<br />

die Ursachen des Stresses aufzuspüren - z.B. eine störanfällige Maschine, die Zusatzarbeit<br />

macht <strong>und</strong> auszutauschen wäre o<strong>der</strong> die Lautstärke, die an sich stressauslösend ist <strong>und</strong> zudem<br />

noch die Abstimmung mit den Kollegen erschwert (Ducki, Leitner, Kopp; in: Wirth u.a.,<br />

1992).<br />

8.2.1 Stressbewältigungstraining:<br />

Wir haben weiter oben beschrieben, dass nicht die objektive Situation allein den Stress<br />

auslöst, son<strong>der</strong>n dass das subjektive Erleben <strong>und</strong> das Empfinden von Kontrolle eine zentrale<br />

Rolle bei <strong>der</strong> Stressgenese spielen. Stressbewältigungstrainings befassen sich mit dem<br />

Erleben <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bewertung von Stresssituationen. Gemeinsam mit den Seminarleitern werden<br />

die Ursachen <strong>und</strong> die individuumsspezifischen Coping-Strategien aufgedeckt <strong>und</strong> Lösungen<br />

gesucht. So sollen Stressursachen minimiert werden <strong>und</strong> eventuell unrealistische<br />

Überzeugungen, die zu einer verzerrten Bewertungen von Situationen führen, besprochen <strong>und</strong><br />

verän<strong>der</strong>t werden. Diese Art <strong>der</strong> Stressbewältigung hat unserer Meinung nach jedoch den<br />

Nachteil, dass wohl in den seltensten Fällen zum Beispiel die ganze Abteilung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ganze<br />

Betrieb gemeinsam an solchen Seminaren teilnimmt <strong>und</strong> diese Kurse eher allgemein gehalten<br />

sind. Somit werden die Probleme nicht immer da behandelt, wo sie auftreten <strong>und</strong> nicht mit<br />

den Menschen bearbeitet, die involviert sind.<br />

8.2.2 Ges<strong>und</strong>heitszirkel<br />

In immer mehr Betrieben haben sich mittlerweile Ges<strong>und</strong>heitszirkel durchgesetzt, zwar nicht<br />

primär aus dem eben genannten Problem heraus, doch wird dieser für unseren Ansatz<br />

wichtige Aspekt in dem Modell des Ges<strong>und</strong>heitszirkel verwirklicht.<br />

Der Ges<strong>und</strong>heitszirkel setzt sich je nach spezifischem Modell aus einer Gruppe von<br />

gewählten Beschäftigten, eventuell dem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Betriebsarzt,<br />

Vertretern des Betriebs- bzw. Personalrats, einem Mo<strong>der</strong>ator <strong>und</strong> eventuell dem Betriebso<strong>der</strong><br />

Abteilungsleiter zusammen (siehe Abbildung 2). Die Beschäftigten werden hier als<br />

19


Experten zu ihren Erfahrungen, ges<strong>und</strong>heitlich beeinträchtigenden <strong>Arbeits</strong>anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong>en Ursachen befragt. Gemeinsam versuchen die Teilnehmer, Vorschläge zu einer<br />

ges<strong>und</strong>heitsgerechten <strong>Arbeits</strong>gestaltung zu erarbeiten (Wittig-Goetz, 1998, Gewerkschaft<br />

HBV Hessen).<br />

Allerdings werden hier private Probleme, die im Bedingungsgefüge <strong>der</strong> Stressgenese<br />

ebenfalls eine große Rolle spielen, nicht thematisiert wie es beispielsweise bei<br />

Stressbewältigungstrainings <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Abbildung 2: Ein Beispiel für die Zusammensetzung eines Ges<strong>und</strong>heitszirkels (Gewerkschaft HBV Hessen)<br />

8.3 Allgemeines Fazit:<br />

Wir schlagen daher ein integratives Modell vor, das die Folgen <strong>der</strong> <strong>Arbeits</strong>belastung auf den<br />

unterschiedlichen, in Kapitel 6 vorgestellten, Ebenen erfassen soll <strong>und</strong> zudem versucht, auf<br />

Prävention, Umgang mit Stress <strong>und</strong> Rehabilitation gleichermaßen einzugehen.<br />

Im Vorfeld gilt es demnach, stressauslösende Faktoren zu minimieren.<br />

Trotzdem auftretende Stressfaktoren sollten als fester Bestandteil in Gesprächsr<strong>und</strong>en im<br />

Betrieb thematisiert werden.<br />

20


Dies könnte z.B. im Rahmen des oben besprochenen Ges<strong>und</strong>heitszirkels geschehen, wo<br />

technische, organisationale <strong>und</strong> personengeb<strong>und</strong>ene Lösungsvorschläge entwickelt werden<br />

können.<br />

Für den auftretenden, nicht vermeidbaren o<strong>der</strong> nicht lösbaren Stress sollte <strong>der</strong> Betrieb<br />

zusätzlich Coping-Hilfen bereitstellen.<br />

Dieser Vorschlag lässt sich jedoch nicht ohne weiteres verwirklichen, da die Umsetzung<br />

zumeist nur in größeren Betrieben in diesem Ausmaß möglich ist, da dort die finanziellen<br />

Mittel eher aufgebracht werden können. Kleinere Betriebe haben demgegenüber den Vorteil,<br />

dass sie häufig auf Stresssituationen flexibler reagieren können. Entsprechende Modelle für<br />

Klein- <strong>und</strong> Mittelbetriebe, in denen Maßnahmen des <strong>Arbeits</strong>schutzes mit Angeboten <strong>der</strong><br />

erweiterten Prävention kombiniert werden, finden sich bei Lemke-Goliasch (1998, in:<br />

Cernavin <strong>und</strong> Wilken). Einige Praxisbeispiele für eine erfolgreiche Integration von Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz in mo<strong>der</strong>ne Führungskonzepte kleinerer Betriebe allgemein kann man<br />

bei Ritter, Reim <strong>und</strong> Schulte (2000) nachlesen.<br />

Stressauslösende Faktoren können nicht verallgemeinert werden, denn die Anfälligkeit für<br />

bestimmte Stressoren kann von Person zu Person variieren. Faktoren wie „Zeitdruck“ können<br />

bei einer Person Stress verursachen, von einer an<strong>der</strong>en als Herausfor<strong>der</strong>ung betrachtet werden<br />

(siehe hierzu: Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie, 1967, in: Bruggemann et al., 1975:<br />

Kontentfaktoren, intrinsische auf die Arbeit <strong>und</strong> Inhalte bezogene Motivationsbedürfnisse<br />

versus extrinsische Kontext- o<strong>der</strong> Hygienefaktoren). Demnach müsste man Stressforschung<br />

<strong>und</strong> –bewältigung wesentlich individueller betreiben.<br />

Ein solcher Ansatz ist allerdings eher in Kleinbetrieben anwendbar, da eine Analyse<br />

individueller Krankheitsrisiken mit großem finanziellen <strong>und</strong> methodischen Aufwand<br />

verb<strong>und</strong>en wäre. Einzugestehen ist hier sicher, dass es in den seltensten Fällen möglich sein<br />

wird, ein Konzept zur Stressbewältigung zu erarbeiten, das jedem Mitarbeiter gerecht wird.<br />

Als Lösungsvorschlag für Großbetriebe böten sich <strong>Arbeits</strong>platzanalysen an, um bestimmte<br />

Trends in Firmen o<strong>der</strong> einzelnen Abteilungen festzustellen.<br />

Idealerweise sollte unserer Ansicht nach bei <strong>der</strong> Analyse <strong>und</strong> Betrachtung von<br />

stressauslösenden, -begleitenden –verstärkenden Bedingungen ein salutogenetischer Ansatz<br />

angewandt werden, in dem sowohl die individuell protektiven <strong>und</strong> vulnerabilisierenden<br />

Personen- <strong>und</strong> Umweltfaktoren berücksichtigt werden. Die oben besprochene SALSA stellt<br />

hierfür ein geeignetes Konzept dar.<br />

Eine weitere mit einzubeziehende Möglichkeit zur Reduktion von arbeitsbedingten Stressoren<br />

stellt die Verhältnisprävention dar: Die Aufgabenbereiche <strong>und</strong> <strong>Arbeits</strong>anfor<strong>der</strong>ungen sollten<br />

21


klar definiert sein, so dass das Individuum <strong>der</strong> persönlichen Leistungsfähigkeit nach<br />

geför<strong>der</strong>t, jedoch nicht überfor<strong>der</strong>t wird. Auch Beför<strong>der</strong>ungsbedingungen sollten transparent<br />

gestaltet werden. Das bringt eine kontinuierliche <strong>und</strong> verlässliche Handlungsbasis für alle<br />

Mitarbeiter mit sich <strong>und</strong> könnte auf diesem Weg zur Reduktion von betriebsbedingten<br />

Stressoren beitragen.<br />

22


9. Literaturverzeichnis<br />

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24

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